Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2024, RV/7400161/2016

Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe; Konkurs über das Vermögen des organschaftlichen Vertreters der Primärschuldnerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***ML***, ***GF-Adr***, über die nachfolgend angeführten Beschwerden gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien betreffend

1) Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der ***Primärschuldnerin*** für den Zeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2015, Haftungsbetrag € 2.963,83 (Bescheid vom ; Beschwerde vom )

2) Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der ***Primärschuldnerin*** für den Zeitraum Jänner und Februar 2016, Haftungsbetrag € 469,80 (Bescheid vom ; Beschwerde vom )

zu Recht:

I.

a. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2015 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

b. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen für den Zeitraum Jänner und Februar 2016 wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert als die Haftung für den Zeitraum Jänner bis Februar 2016 für Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen € 397,80 und für Dienstgeberabgabe € 18, sohin insgesamt € 415,80 beträgt.

Für die Entrichtung der Beträge sind die insolvenzrechtlichen Vorschriften maßgebend.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***GZ Konkurs GF***) wurde über das Vermögen von ***ML***, geboren am ***GebDatum***, wohnhaft in ***GF-Adr***, der Konkurs eröffnet und ***Dr K*** als Masseverwalter bestellt. Daraufhin ergingen Haftungsvorhalte seitens des Magistrates der Stadt Wien betreffend die von der ***Primärschuldnerin*** (nachfolgend auch "Primärschuldnerin") geschuldete Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe sowie Nebenansprüche (Säumniszuschläge, Pfändungsgebühr) für die Zeiträume 01-12/2014, 01-12/2015 sowie 01-02/2016 an ***Dr K*** als Masseverwalter im Vermögen von ***ML***. ***ML*** sei seit ***Datum*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** eingetragen und daher ihr verantwortlicher Vertreter gewesen. Im gegenständlichen Fall seien die Abgaben in Höhe von € 2.963,83 (für 01-12/2014 und 01-12/2015) sowie in Höhe von € 469,80 (für 01-02/2016) nicht entrichtet worden und lägen die (in § 80 Abs 1 BAO sowie § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz vorgesehenen) gesetzlichen Voraussetzungen für eine Haft- und Zahlungspflicht vor. Es bestehe innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die Möglichkeit, sich zum vorliegenden Sachverhalt und zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.

***Dr K*** nahm dazu wie folgt Stellung: Die ***Primärschuldnerin*** sei im April 2016 nicht insolvent gewesen (Anmerkung: Das Sanierungsverfahren über diese Gesellschaft mit der Geschäftszahl ***GZ Sanierung Primärschuldnerin*** ist erst am ***Datum*** eröffnet worden). Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen von ***ML*** sei die Handlungsfähigkeit von ***ML*** als Geschäftsführer der Primärschuldnerin nicht berührt worden. Er sei weiterhin zur Vertretung der Gesellschaft berufen. Lediglich die Verfügungsmacht über seinen Geschäftsanteil sei ihm entzogen worden. Der Masseverwalter könne und dürfe Handlungen und Unterlassungen des Schuldners als Geschäftsführer einer GmbH nicht beeinflussen. Für die Insolvenzmasse bestehe keine Verpflichtung, Zahlungen zu leisten, die aus den Handlungen von ***ML*** als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** resultieren. Es handle sich keinesfalls um Forderungen aus Rechtshandlungen des Masseverwalters, da es sich bei diesen Abgabenforderungen nicht um Masseforderungen handle. Die Haftung des Geschäftsführers sei in einem mit diesem gesondert abgeführten Verfahren feststellen, an welchem der Insolvenzverwalter des Schuldners nicht beteiligt sei. Es werde vorgeschlagen ***ML*** von der beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme in Kenntnis zu setzen und diesem die Möglichkeit einzuräumen, seinerseits eine Stellungnahme abzugeben. Die Haftungsvorhalte der belangten Behörde seien direkt an ***ML*** weitergeleitet worden und es bleibe ihm überlassen, wie er sich dazu rechtfertigt. Nach Vorliegen von (rechtskräftigen) Haftungsbescheiden könne eine Anmeldung der daraus resultierenden Haftungsbeträge als Insolvenzforderung im ***ML*** betreffenden Konkursverfahren mit der Geschäftszahl ***GZ Konkurs GF*** erfolgen.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien einen Bescheid betreffend die Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der ***Primärschuldnerin*** für den Zeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2015 an ***Dr K*** als gerichtlich bestellten Masseverwalter im Vermögen von ***ML***.

Der laut Haftungsbescheid nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu entrichtende Haftungsbetrag wurde im Bescheid wie folgt gegliedert:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01-12/2014
€ 1.003,09
Säumniszuschlag
01-12/2014
€ 20,06
Pfändungsgebühr
01-12/2014
€ 10,23
Kommunalsteuer
01-12/2015
€ 1.884,75
Säumniszuschlag
01-12/2015
€ 37,70
Dienstgeberabgabe
01-12/2015
€ 8,00
Summe
2.963,83

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

Nach § 6a Abs 1 Dienstgeberabgabegesetz bzw § 6a Abs 1 Kommunalsteuergesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe bzw Kommunalsteuer insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Bericht des Exekutionsdienstes vom befinde sich an der Adresse ***Wien*** die Firma ***R***. Die ***Primärschuldnerin*** habe an dieser Adresse nur ein Brieffach gehabt, welches bereits gekündigt worden sei. Der tatsächliche Firmensitz habe nicht erhoben werden können. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung sei daher jedenfalls erfüllt. ***ML*** sei seit ***Datum*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** eingetragen gewesen und habe die Bezahlung weder veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** auferlegten Pflichten verletzt und sei daher für den Rückstand haftbar. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO, weil nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, dass der nunmehr aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte. Zur Stellungnahme von ***Dr K*** vom werde mitgeteilt, dass die Geltendmachung der Haftung für die betreffenden Abgabenschuldigkeiten die Konkursmasse betreffe. Dem Gemeinschuldner sei in den die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung die Verfügungsfähigkeit entzogen. Demgemäß sei der Masseverwalter nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (siehe , ) als Partei zu behandeln. Der Haftungsbescheid sei daher an ***Dr K*** zu richten gewesen.

Am brachte ***Dr K*** Beschwerde beim Magistrat der Stadt Wien gegen den Haftungsbescheid vom ein und brachte vor: Es wäre nicht ein Haftungsbescheid gegenüber dem Masseverwalter zu erlassen, sondern eine Insolvenzforderung im beim Landesgericht Leoben anhängigen Insolvenzverfahren betreffend ***ML*** (Geschäftszahl ***GZ Konkurs GF***) anzumelden gewesen. Im Übrigen seien auch die Tatbestandsmerkmale einer Haftung nicht gegeben, da die ***Primärschuldnerin*** nicht insolvent und die Abgabe daher nicht uneinbringlich sei. Der Masseverwalter sei für die Zeit seiner Bestellung hinsichtlich der Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners. Die Haftung für Abgabenschulden beschränke sich daher auf Abgabenschulden jener Zeiträume, in denen der Masseverwalter die Konkursmasse vertritt. Die Abgabenschuldigkeiten seien im Zeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2015 (also vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen von ***ML***) entstanden. Eine Haftung des Masseverwalters für Abgaben vor Insolvenzeröffnung sei denkunmöglich und mit der herrschenden Rechtsansicht nicht in Einklang zu bringen. Der Masseverwalter sei auch der falsche Bescheidadressat. Es liege keine "Massezuständigkeit" vor. Der Bescheidspruch sei rechtswidrig und nicht durchsetzbar. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Masseverwalters liege auch nicht vor. Der Masseverwalter hätte vor Insolvenzeröffnung nicht dafür Sorge tragen können, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben des Unternehmens der ***Primärschuldnerin*** rechtzeitig bezahlt werden. Eine Zahlung scheitere überdies rechtlich an der Verantwortlichkeit des Masseverwalters gegenüber sämtlichen Insolvenzgläubigern und würde eine unzulässige Gläubigerbenachteiligung bzw Bevorzugung einzelner Gläubiger darstellen. Eine Erfüllung des Haftungsbescheides würde für ***Dr K*** als Masseverwalter strafrechtliche Konsequenzen haben.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung. Zu den Vorbringen sei folgendes festzuhalten: Voraussetzung für die Abgabenhaftung nach § 6a Kommunalsteuergesetz sei nicht mehr die Uneinbringlichkeit, sondern der Umstand, dass die Abgabe beim Abgabepflichtigen "nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann". § 9 Abs 2 BAO gelte sinngemäß. Es müsse daher die Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner lediglich mit Schwierigkeiten verbunden sein, die Einbringung beim Abgabenschuldner müsse also im Vergleich zu einer durchschnittlichen Einbringung bloß erschwert sein. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Die Pflichtverletzung von ***ML*** ergäbe sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werden. Dass dies nicht möglich war, sei nicht nachgewiesen worden. In einem Abgabenverfahren trete nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- und Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben seien daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter festzusetzen (siehe , , ). Der Haftungsbescheid sei zu Recht an ***Dr K*** ergangen.

Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht. Die Begründung der belangten Behörde sei denkunmöglich und absurd. ***Dr K*** könne als Masseverwalter keinen Nachweis erbringen, dass "ihm" die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war. Er sei im Zeitraum Jänner 2014 bis Dezember 2015 weder Masseverwalter noch Vertreter von ***ML*** gewesen. Der Versuch der belangten Behörde die rückständigen Abgaben auf den Masseverwalter überzuwälzen sei rechtlich zum Scheitern verurteilt. Die belangte Behörde solle in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht darlegen, wie ***Dr K*** als Masseverwalter den Nachweis erbringen könne, dass ihm die Bezahlung der Abgabenforderungen unmöglich gewesen sei, weshalb die Vernehmung der beim Magistrat der Stadt Wien zuständigen Sachbearbeiterin ***X*** beantragt werde.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien (erneut an ***Dr K*** als gerichtlich bestellter Masseverwalter im Vermögens des ***ML***) einen Bescheid betreffend die Haftung für den entstandenen Rückstand an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der ***Primärschuldnerin*** für den Zeitraum Jänner bis Februar 2016.

Der Haftungsbetrag wurde im Bescheid wie folgt gegliedert:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Kommunalsteuer
01-02/2016
€ 390,00
Säumniszuschlag
01-02/2016
€ 7,80
Dienstgeberabgabe
01-02/2016
€ 72,00
Summe
469,80

Der Haftungsbetrag sei nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu entrichten (zur Begründung vgl bereits die obigen Ausführungen).

Am brachte ***Dr K*** Beschwerde beim Magistrat der Stadt Wien gegen den Haftungsbescheid vom ein.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde ab.

Am beantragte ***Dr K*** die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen und neuerlich die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unter Ladung der beim Magistrat der Stadt Wien zuständigen Sachbearbeiterin (***X***) als Zeugin.

Die Beschwerden wurden am bzw am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht (Gerichtsabteilung Gerichtsabteilung 1001) die belangte Behörde um Vornahme einer monatsweisen Aufgliederung der haftungsgegenständlichen Abgabenbeträge sowie um Mitteilung auf, ob die betreffenden Abgaben festgesetzt oder gemeldet worden sind.

Am übermittelte der Magistrat der Stadt Wien dem Bundesfinanzgericht eine - auf Grundlage eines von der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin übermittelten Lohnkontos erstellte - Aufstellung der monatlichen Abgabenbeträge. Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für 2014 und 2015 sei durch Selbstbemessung in Form von Jahreserklärungen von der Primärschuldnerin gemeldet worden. Die Kommunalsteuer für Jänner 2016 betrage € 165 und für Februar 2016 € 225. Es handle sich dabei um jene Beträge, die im Rahmen der Gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) festgestellt worden seien. Die Dienstgeberabgabe sei zunächst anhand der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage für Jänner bis Mai 2016 in Höhe von € 38.010,79 laut GPLA mit € 152 geschätzt und aliquotiert errechnet worden. Die richtigen Beträge (nämlich € 10 für Jänner 2016, jeweils € 8 für Februar 2016 und März 2016 sowie € 4 für April 2016, also in Summe € 30) seien mittlerweile aus dem Lohnkonto abgeleitet worden und aus heutiger Sicht heranzuziehen. Das Schreiben wurde ***Dr K*** am (Anmerkung: damals war der Konkurs über das Vermögen von ***ML*** bereits rechtskräftig aufgehoben) zur Kenntnis gebracht und erläutert, dass der Nachweis offenstehe, welcher Betrag unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Haftung könne (sofern dieser Nachweis gelingt) auf jenen Betrag eingeschränkt werden, um den die Abgabenbehörde bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger mehr erlangt hätte, als sie tatsächlich erhalten hat.

Mit Eingabe vom führte der Rechtsanwalt Mag. ***G W*** (Rechtsanwaltskanzlei ***RA & Partner***) aus, dass die Forderungen im (nunmehr bereits rechtskräftig aufgehobenen) Konkursverfahren anzumelden gewesen wären. Sodann hätte an die belangte Behörde eine Quote von 30% ausgeschüttet werden können. Es bestehe keine Veranlassung des ehemaligen Masseverwalters im Vermögen von ***ML***, die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Quotenberechnung vorzulegen. Eine Haftung von ***Dr K*** für vor der Insolvenzeröffnung entstandene Abgabenverbindlichkeiten komme nicht in Betracht. Dem entgegnete der Magistrat der Stadt Wien am schriftlich, dass eine Anmeldung der Konkursforderung im Insolvenzverfahren von ***ML*** erfolgt sei. Die Forderung sei auch berücksichtigt und im Rahmen der Verteilungsquote bedient worden (Anmerkung: Der Magistrat der Stadt Wien hatte in diesem Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von € 5.963,83 angemeldet, beinhaltend auch die haftungsgegenständlichen Beträge sowie die Nebenansprüche).

Durch Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde der gegenständliche Fall der Gerichtsabteilung 1001 abgenommen und mit Wirkung der Gerichtsabteilung 1090 neu zugeteilt.

Am brachte das Bundesfinanzgericht dem Haftungspflichtigen die monatlichen Abgabenbeträge (siehe Schreiben des Magistrates vom ) zur Kenntnis. ***ML*** wurde vom Bundesfinanzgericht über die Möglichkeit des Gläubigergleichbehandlungsnachweis bzw der Errechnung des Quotenschadens belehrt, worauf dieser erläuterte, dass ihm keinerlei Geschäftsunterlagen, die ihn in die Lage versetzten, derartige Nachweise zu erbringen, mehr zur Verfügung stünden. Mit Schreiben vom zog ***ML*** den - ursprünglich von ***Dr K*** gestellten - Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

***ML***, geboren am ***GebDatum***, wohnhaft in ***GF-Adr***, war seit Gründung der Gesellschaft mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom ***Datum*** bis zur Auflösung (am ***Datum*** im Firmenbuch eingetragen) alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** (früher ***FB-Nr***) mit Sitz laut Firmenbuch in Wien (***Adresse***) und dem Geschäftszweig ***Y***.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***GZ Konkurs GF***) wurde über das Vermögen von ***ML*** der Konkurs eröffnet und ***Dr K*** als Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom ***Datum*** wurde ein Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben (Ende der Zahlungsfrist: ***Datum***).

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum*** (Geschäftszahl ***GZ Sanierung Primärschuldnerin***) wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** das Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) eingeleitet. Der Sanierungsplanantrag wurde von der ***Primärschuldnerin*** zurückgezogen.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** der Konkurs eröffnet (laut Firmenbuch Änderung der Bezeichnung von Sanierungs- auf Konkursverfahren). Der Konkurs wurde mit Beschluss des Gerichtes vom ***Datum*** nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Die haftungsgegenständlichen Beträge wurden seitens des Magistrates der Stadt Wien anmeldet und auch anerkannt, jedoch hat die Quote 0% betragen. Am ***Datum*** wurde die Gesellschaft gemäß § 40 Firmenbuchgesetz infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Folgende bereits entstandene und fällige Abgabenverbindlichkeiten waren bei der Primärschuldnerin unberichtigt aushaftend:


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Abgabenart
Zeitraum
Abgabenbetrag
Zahlung
Quote (0%)
offener Saldo
Kommunalsteuer
01/2014
€ 120,00
-€ 120,00
€ 0,00
€ 0,00
02/2014
€ 120,00
-€ 38,61
€ 0,00
€ 81,39
03/2014
€ 120,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 120,00
04/2014
€ 308,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 308,61
05/2014
€ 98,61
-€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
06/2014
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
07/2014
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
08/2014
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
09/2014
€ 98,61
-€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
10/2014
€ 98,61
-€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
11/2014
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
12/2014
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
€ 1.457,49
-€ 454,44
€ 0,00
€ 1.003,05
Kommunalsteuer
01/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
02/2015
€ 458,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 458,61
03/2015
€ 338,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 338,61
04/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
05/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
06/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
07/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
08/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
09/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
10/2015
€ 133,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 133,61
11/2015
€ 98,61
€ 0,00
€ 0,00
€ 98,61
12/2015
€ 165,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 165,00
€ 1.884,71
€ 0,00
€ 0,00
€ 1.884,71
Dienstgeberabgabe
12/2015
8,00
0,00
€ 0,00
€ 8,00
Kommunalsteuer
01/2016
€ 165,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 165,00
02/2016
€ 225,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 225,00
€ 390,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 390,00
Dienstgeberabgabe
01/2016
€ 10,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 10,00
02/2016
€ 8,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 8,00
€ 18,00
€ 0,00
€ 0,00
€ 18,00

Es wurden keine Abgabenbescheide über die haftungsgegenständlichen Abgaben erlassen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Vertreterstellung von ***ML*** ergeben sich aus einem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin.

Die Feststellungen zu den Insolvenzverfahren gründen sich auf die im Akt befindlichen Auszüge aus der Insolvenzdatei bzw aus Firmenbuchauszügen und aus dem Bundesfinanzgericht vom Magistrat der Stadt Wien vorgelegten Unterlagen zur Anmeldung der Forderungen.

Dass die unter Punkt II.1. tabellarisch angeführten Abgaben in Höhe des in Spalte "offener Saldo" angeführten Betrages nicht zum Fälligkeitstermin bezahlt worden sind, wurde nicht bestritten.

Die Feststellung, dass bei der Primärschuldnerin in den hier haftungsgegenständlichen Zeiträumen Abgabenschulden in angeführter Höhe entstanden ist, beruht auf die von der Primärschuldnerin selbst abgegebenen Jahreserklärungen. Überdies wurden von der steuerlichen Vertretung der ***Primärschuldnerin*** auch Lohnkontoauszüge übermittelt, aus denen die monatlichen Abgabenbeträge ersichtlich sind. Die in den Monaten Jänner und Februar 2016 geschuldeten Kommunalsteuerbeträge wurden auch im Rahmen einer GPLA (Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) festgestellt. Dass die Kommunalsteuerbeträge nicht auf ausbezahlten Löhnen und Gehältern beruhen, wurde nicht vorgebracht. Die geleisteten Zahlungen ergeben sich aus dem beim Magistrat der Stadt Wien geführten Abgabenkonto der Primärschuldnerin.

Dass keine Bescheide hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben erlassen worden sind, ergibt sich aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zu klären war, ob die Haftungsinspruchnahme zu Recht erfolgt ist:

(1) Rechtliche Rahmenbedingungen

§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 regelt:

"(1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens."

§ 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz enthält folgende Regelung:

"(1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung."

§ 80 Abs 1 BAO sieht vor: "Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

Demnach setzt die Geltendmachung der Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz in Verbindung mit § 80 BAO folgendes voraus:

1. Vertreterstellung gemäß den §§ 80 ff BAO

2. Erschwerte Einbringlichkeit der betreffenden Abgabenforderung beim Vertretenen (Primärschuldner)

3. Verletzung von abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten

4. Verschulden des Vertreters

5. Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und erschwerter Einbringlichkeit

Die Erlassung von Haftungsbescheiden (§ 224 BAO) liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 5 mwN). Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium bei der Geltendmachung persönlicher Haftungen ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Dem Begriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl zB ). Neben der Nachrangigkeit der Haftung wäre bei der Ermessensübung in diesem Sinn beispielsweise ein behördliches Mitverschulden an der Erschwerung der Einbringung beim Hauptschuldner (etwa durch Säumigkeit der Abgabenbehörde bei der Eintreibung der Abgaben bei der Primärschuldnerin), die Geringfügigkeit des haftungsgegenständlichen Betrages oder die (endgültige) Uneinbringlichkeit beim Haftungspflichtigen selbst zu berücksichtigen (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rn 7 mwN).

Nach § 7 Abs 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (wie etwa Säumniszuschläge oder auch Pfändungsgebühren).

(2) Schlussfolgerungen

Vorausgeschickt wird, insbesondere im Hinblick auf die im Verfahrensgang dargestellten Vorbringen von ***Dr K***, dass die Haftungsbescheide seitens des Magistrates der Stadt Wien richtigerweise an den Masseverwalterdes ***ML***gerichtet waren. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabepflichtigen wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 Insolvenzordnung). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse -soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind- gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl Ro 2014/15/0028 mwN). Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgabensind daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiert, festzusetzen (vglVwGH, 2009/16/0260 mwN).Während des Insolvenzverfahrens dürfen somit weder Abgabenbescheide noch Erkenntnisse bzwBeschlüsse, mit welchen über Beschwerden gegen Abgabenbescheide abgesprochen wird, an den Schuldner gerichtet werden ( Ra 2020/15/0073). Dies gilt in gleicher Weise auch für Haftungsbescheide (vgl 2006/15/0371). Damit hat der Magistrat der Stadt Wien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen, wonach ein nach Insolvenzeröffnung ergehender Bescheid nicht an den Schuldner, sondern an den im Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter zu richten ist. Nach Konkurseröffnung an ***ML*** gerichtete Erledigungen wären ins Leere gegangen; sie hätten weder Wirkung für den Gemeinschuldner noch für den Insolvenzverwalter entfaltet. Um eine persönliche Haftung des Masseverwalters für Abgabenschulden der GmbH handelt es sich dabei nicht.

Darüber hinaus sind aber auch die oben angeführten - aus § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz sowie den §§ 80 ff BAO ableitbaren - Haftungsvoraussetzungen erfüllt, sodass wie im Spruch zu befinden war:

  • Als GmbH-Geschäftsführer gehörte ***ML*** im hier relevanten Zeitraum (Mitte Februar 2014 bis Mitte März 2016) zum in den §§ 80 ff BAO angesprochenen Personenkreis.

  • Die in § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz normierte "erschwerte Einbringlichkeit" als Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ist durch die Eröffnung des Sanierungs- bzw Konkursverfahrens über die Primärschuldnerin (= Insolvenzverfahren im Sinne des § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz) gegeben. Das Konkursverfahren ist mittlerweile aufgehoben und die Gesellschaft aus dem Firmenbuch gelöscht. Eine (auch nur teilweise) Einbringung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin ist nicht mehr möglich. Das Bundesfinanzgericht hat bei der Beurteilung, ob eine Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen. Die Sache ist nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen. Es sind jene Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind (vgl mwN). Ob im Zeitpunkt der Erlassung des den Zeitraum 01-12/2014 sowie 01-12/2015 betreffenden Haftungsbescheides - also im April 2016 - bereits ausreichende Anhaltspunkte für eine erschwerte Einbringlichkeit im Sinne des § 6a Kommunalsteuergesetz bzw § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz vorgelegen sind (ein Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin wurde erst etwa 9 Werktage nach Zustellung des Haftungsbescheides eröffnet und ***Dr K*** brachte vor, dass die Gesellschaft damals noch nicht insolvent gewesen sei), war daher nicht mehr zu klären.

  • Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , ). Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe wären monatsweise, jeweils am 15. des darauffolgenden Monates zu entrichten gewesen (siehe § 11 Abs 2 Kommunalsteuergesetz 1993 sowie § 6 Abs 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz). Die Fälligkeit der betreffenden Abgaben (Zeiträume 01-12/2014, 01-12/2015 und 01-02/2016) ist eingetreten, als ***ML*** als Geschäftsführer der Primärschuldnerin prinzipiell dazu verpflichtet gewesen wäre, für die Entrichtung der betreffenden (monatlich fälligen) Abgaben Sorge zu tragen und zwar insoweit als hierfür liquide Mittel vorhanden waren (vgl zB , , ). Die gänzliche Mittellosigkeit der Gesellschaft zu den haftungsrelevanten Fälligkeitsterminen wurde nicht aufgezeigt und ergibt sich auch sonst nicht aus der Aktenlage. Sofern die Primärschuldnerin nicht über ausreichende Mittel zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten verfügte, hätte den Geschäftsführer die Verpflichtung getroffen, die Befriedigung aller Schulden im gleichen Verhältnis zu veranlassen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Gelingt dem Vertreter der Nachweis, dass der Abgabengläubiger ebenso viel an vorhandenen Mitteln erhalten hat wie andere Gläubiger, dann haftet er nicht (). Es darf kein einziger Gläubiger dem Abgabengläubiger vorgezogen werden (, , ). Entscheidet sich der Vertreter dafür, trotz nicht ausreichender Mittel andere Verbindlichkeiten voll oder in einem höheren Ausmaß zu tilgen, muss er dies auch bei den Abgabenschulden so handhaben. Ein Gläubigergleichbehandlungsnachweis wurde nicht erbracht. Bestimmte Verbindlichkeiten (wohl jedenfalls Löhne und Gehälter, siehe die vom Steuerberater der Primärschuldnerin übermittelten Unterlagen, die selbst abgegebenen Jahreserklärungen sowie der die Monate 01-05/2016 erfassende GPLA-Prüfbericht) sind beglichen worden, während die betreffenden Abgabenschulden (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 01-12/2014, 01-12/2015 und 01-02/2016) Großteils unberichtigt geblieben sind.

  • Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (auch leichte Fahrlässigkeit reicht aus, zB , /0137). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (zB , , , , ). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (, ; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast"; siehe Ritz/Koran, BAO7 § 9 Rn 22). Auf Ebene des Verschuldens ist zu prüfen, ob dem Vertreter die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (nämlich die Nichtentrichtung der hier gegenständlichen Abgaben) auch subjektiv vorwerfbar ist. Dies wäre etwa nicht der Fall, wenn die Bf die Unrichtigkeit (hier nicht fristgerechte Entrichtung der Abgabe) nicht hätte erkennen können (vgl etwa ). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

  • Der Vertreter haftet für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreter tatsächlich erhalten hat (). Die Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wird nur als kausal für den anteiligen Abgabenausfall angesehen (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 9 Rn 27). Nach der Rechtsprechung des VwGH setzt die Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Zahlungen an andere Gläubiger spielen bei der Berechnung der "fiktiven" Quote keine Rolle. Die Quote, die errechnet wird, betrachtet nur, wie viel an Abgabenschulden getilgt worden wäre, wenn der Vertreter die vorhandenen Mittel gleichmäßig verteilt hätte. Diese Quote ist dann der Quote der tatsächlich bezahlten Abgabenschulden gegenüberzustellen. Für den Differenzbetrag haftet der Vertreter. Gelingt es dem Vertreter nicht, diese Quote nachzuweisen, haftet er für die vollen Abgabenrückstände (vgl , ). ***ML*** hat dem Bundesfinanzgericht bekannt gegeben, diesen Nachweis nicht antreten zu können, da er über keinerlei zweckdienliche Unterlagen mehr verfüge.

Es bestehen auch keine Gründe, die es - im Rahmen der Ermessensübung - rechtfertigen, von der Haftungsinanspruchnahme Abstand zu nehmen bzw den Haftungsbetrag weiter einzuschränken: Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben sein kann und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann. Sachverhaltselemente, die eine Inanspruchnahme zur Haftung als unbillig (also einem berechtigten Interesse des Haftungspflichtigen widersprechend) erscheinen lassen, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage. Auch der rechtskräftig bestätigte Sanierungsplan (Insolvenzverfahren mit der Geschäftszahl ***GZ Konkurs GF*** betreffend ***ML***) steht der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers für die hier gegenständlichen Abgabenansprüche in voller Höhe nicht entgegen. Dem Umstand, dass ein rechtskräftig bestätigter Sanierungsplan die Rechtswirkung hat, dass betreffend allen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits gegenüber dem Gemeinschuldner (***ML***) bestandenen vermögensrechtlichen Ansprüchen - unabhängig davon, ob sie im Insolvenzverfahren von den Insolvenzgläubigern angemeldet wurden oder nicht - eine Restschuldbefreiung hinsichtlich der die Sanierungsplanquote übersteigenden Forderungsteile eintritt, ist allerdings bei der Einhebung des Haftungsbetrages Rechnung zu tragen (vgl auch RV/7400066/2019 sowie RV/0919-L/10). Informativ wird darauf hingewiesen, dass nach Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien bereits Zahlungen in Höhe von € 1.747,17 als Quotenausschüttung aus dem ***ML*** betreffenden Insolvenzverfahren eingegangen sind.

Zur Dienstgeberabgabe 01-02/2016: Die entstandenen und noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin beim Magistrat der Stadt Wien sind niedriger als der von der belangten Behörde zunächst geschätzte und mit Haftungsbescheid vom vorgeschriebene Abgabenbetrag (Dienstgeberabgabe 01-02/2016: € 72). Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden - und noch nicht (zB durch Entrichtung) erloschen - ist (Grundsatz der materiellen Akzessorietät der Haftung, vgl zB Stoll, BAO, 105; , ). Die Haftung darf nicht für mehr bestehen, als die Primärschuldnerin leisten müsste. Demnach war die Haftung des Bf entsprechend einzuschränken.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Über die sich im gegenständlichen Fall stellende Rechtsfragen (Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung für die Abgabenschulden einer GmbH, Heranziehung des Insolvenzverwalters als gesetzlicher Vertreter des Schuldners) wurde im Sinne der oben wiedergegebenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Darüber hinaus hing die Entscheidung von auf Ebene der Beweiswürdigung zu klärenden Sachfragen ab. Eine Revision ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7400161.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at