Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.06.2024, RV/6100449/2019

Krankentagegeldversicherung / kein Werbungskostenabzug.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist Grenzgängerin iSd Artikel 15 Abs. 6 des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich - Deutschland. In der Arbeitnehmerveranlagung 2017 macht die Bf neben den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auch Beiträge zu einer Krankentagegeldversicherung als Werbungskosten geltend.

Seitens des Finanzamtes wurden die Beiträge für die Krankentagegeldversicherung nicht als Werbungskosten, sondern als (Topf-)Sonderausgaben berücksichtigt, da es sich um keine Pflichtbeiträge handelt.

In der Beschwerde vom brachte die Bf vor, dass die private Krankenversicherung (***1***) in Höhe von € 547,32 eine Pflichtversicherung sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom ab, da hier von einer privaten Krankenversicherung auszugehen sei, die als Zusatzversicherung für in der gesetzlichen Krankenkasse versicherte Personen vorgesehen ist. Dagegen wurde am ein Vorlageantrag eingebracht.

Strittig ist, ob die Beiträge zur Krankentagegeldversicherung der ***1*** Private Krankenversicherungs AG iHv € 547,32 als Werbungskosten oder als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Erkenntnis wird nachstehender - aus dem Akteninhalt und dem Parteivorbringen ableitbarer - Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die Bf erklärte als Grenzgängerin für 2017 Bruttobezüge von € 84.291,55 (vgl. Form. L 17). Sie machte dabei neben den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv € 6.081,36, die als Werbungskosten vom Finanzamt aberkannt wurden, auch Beiträge zu einer Krankentagegeldversicherung als Werbungskosten geltend.

Mit Bescheid vom wurde die Prämie für die private Krankenversicherung iHv € 547,32 als Sonderausgabe (KZ 455) erfasst, weil es sich lt. belangter Behörde um keine Pflichtversicherung gehandelt habe. Die übrigen Krankenversicherungsbeiträge wurden demgegenüber als Werbungskosten anerkannt.

In der Beschwerde vom wurde eingewendet, dass es sich bei der privaten Krankenversicherung (***1***) um eine Pflichtversicherung handle. Diese Versicherung diene dazu, um bei einem länger andauernden Krankenstand (mehr als 6 Wochen) die Gehaltszahlung kompensieren zu können.

In der abweisenden BVE vom führte das Finanzamt aus, dass für die Abgrenzung zwischen Pflichtbeiträgen iSd § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 und freiwilligen Beiträgen iSd § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 maßgebend ist, ob die Beitragsleistungen Zwangscharakter haben oder ob sie auf einem freiwilligen Entschluss der Bf beruhen. Im gegenständlichen Fall liegt lt. belangter Behörde eine private Krankenversicherung vor, die als Zusatzversicherung für in der gesetzlichen Krankenkasse versicherte Personen konzipiert ist.

Im Vorlageantrag wurde ergänzend vorgebracht, dass es sich dabei auf keinen Fall um eine freiwillige Zusatzversicherung handle, sondern um eine Versicherung, die jeder Arbeitnehmer (ob gesetzlich oder privat versichert) zwangsläufig abzuschließen müsse und die existentiell notwendig sei.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im gegenständlichen Fall aus dem vorgelegten Akt, dem Beschwerdevorbringen sowie den erteilten Auskünften samt den eingereichten Unterlagen. Die belangte Behörde geht dabei von einer freiwillig abgeschlossenen, privaten Krankenversicherung aus, welche nur als Sonderausgabe Berücksichtigung finden könne. Lt. Bf liegt hingegen eine Pflichtversicherung vor, die man abschließen müsse.

Bezüglich weiterer Erwägungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung behandelt wird, verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsgrundlagen/Allgemeines:

§ 16 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. Nr. 118/2015 lautet (auszugsweise):

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

4. a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung.

e) Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen; weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht. Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen.

f) Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

g) Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Grenzgänger sind im Inland ansässige Arbeitnehmer, die im Ausland ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben.

§ 18EStG 1988 idF BGBl. I Nr. Nr. 62/2018 lautet (auszugsweise):

(1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

Z 2:Beiträge und Versicherungsprämien, wenn der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist, ausgenommen Beiträge und Versicherungsprämien im Bereich des BMSVG und der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge (§ 108g) zu einer

  • freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung, ausgenommen Beiträge für die freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (einschließlich der zusätzlichen Pensionsversicherung im Sinne des § 479 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes), soweit dafür eine Prämie nach § 108a in Anspruch genommen wird, sowie ausgenommen Beiträge zu einer Pensionszusatzversicherung (§ 108b),

Beiträge eines Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung zählen gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 zu den Werbungskosten. Gem. § 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988 gehören dazu auch Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung . (vgl. ).

Es können nur Pflichtversicherungsbeiträge oder Beiträge zu einer gesetzlichen Krankenversicherung von Angehörigen als Werbungskosten abgesetzt werden ().

3.1.2. Erwägungen:

Unter § 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988 sind Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung zu subsumieren. Solche liegen bei der gegenständlichen Krankentagegeldversicherung aber nicht vor, zumal diese bei einer privaten Versicherungsgesellschaft (***1***) in Deutschland abgeschlossen wurde.

In der Beschwerde wurde eingewendet, dass es sich bei der privaten Krankenversicherung (***1***) um eine Pflichtversicherung handle.

Von der belangten Behörde wurde dazu ausgeführt:

Unter § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 fallen Pflichtbeiträge an inländische gesetzliche Sozialversicherungsträger bzw. Einrichtungen, denen die Funktion eines inländischen gesetzlichen Sozialversicherungsträgers zukommt. Dazu gehören nach lit g leg. cit. auch Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Eine gesetzliche Versicherungspflicht wäre auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer innerhalb dieser gesetzlichen Versicherungspflicht die Versicherungsanstalt selbst auswählen kann. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Pflichtbeiträgen iSd § 4 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 und freiwilligen Beiträgen iSd § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 ist grundsätzlich, ob die Beitragsleistungen Zwangscharakter haben oder ob sie auf einem freiwilligen Entschluss des Steuerpflichtigen - insbesondere im Interesse seiner Zukunftssicherung - beruhen.

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Pflichtbeiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung (€ 6.081,36) ohnehin als Werbungskosten anerkannt wurden. Bei der vorliegenden Krankentagegeldversicherung soll lt. Beschwerdevorbringen während eines längeren Krankenstandes (mehr als 6 Wochen) die Gehaltszahlung kompensiert werden.

Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass die beschwerdegegenständliche Versicherung nicht unter die in § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 taxativ aufgezählten Beiträge zu Krankenversicherungen fällt und somit nach der allgemeinen Regel des § 16 Abs. 1 EStG 1988 nicht vom Werbungskostenbegriff umfasst ist. Von "Freiwilligkeit" ist diesbezüglich selbst dann noch auszugehen, wenn die Beitragsleistungen dadurch erzwungen wurden, dass der Arbeitgeber den Fortbestand des Dienstverhältnisses davon abhängig machte, weil derartige Beiträge grundsätzlich den Bereich der privaten Lebensführung betreffen (vgl. ). Die Ausführungen der Bf, wonach jeder Arbeitnehmer die gegenständliche Versicherung zwangsläufig abschließen müsse, sind nach den von der ***1*** Private Krankenversicherungs AG dem Finanzamt gegenüber erteilten Auskünften nicht zutreffend. Vor dem Hintergrund des angeführten VwGH-Erkenntnisses sind diese Aussagen der Bf aber ohnehin nicht entscheidungsrelevant.

Lt. belangter Behörde müssen Angestellte für einen möglichen Beitritt zur Privaten Krankenversicherung über ein Brutto-Jahreseinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze verfügen (diese Grenze betrug im Jahr 2017 € 57.600,- Brutto). Mit einem Bruttobezug von € 84.291,55 erfüllt die Bf die formellen Voraussetzungen für einen Beitritt zur Privaten Krankenversicherung, da die in Deutschland für das Beschwerdejahr maßgebliche Versicherungspflichtgrenze deutlich überschritten wurde.

Neben Beiträgen zu einer ausländischen Pflichtversicherung nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 können Grenzgänger auch freiwillige Beiträge zu einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung als Werbungskosten geltend machen. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass eine gesetzliche und keine private Krankenversicherung vorliegt (vgl. Ebner in Jakom EStG 16. Aufl., § 16, Rz 22 unter Verweis auf ). Durch die Beitragszahlung an eine private Krankenversicherung sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Werbungskostenabzug demnach nicht gegeben. Für den erkennenden Richter ist es als erwiesen anzusehen, dass hier eine freiwillige Zusatzversicherung vorliegt, zumal es für die Bf darum geht, einen - durch den Entfall des Krankengeldes bedingten - Verdienstentgang, der zweifelsohne der Privatsphäre zuzuordnen ist, hintanzuhalten. Für ein freiwilliges Verhalten spricht weiters der Umstand, dass alle (privat bzw. gesetzlich) Versicherten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können, aber nicht müssen. Es ist naheliegend, dass beim gegenständlichen Wechsel die Vor- und Nachteile der beiden Versicherungssysteme von der Bf gegeneinander abgewogen und eine optimale Lösung angestrebt wurde. Durch die Ausübung des ihr zustehenden Wahlrechtes hat sie demnach eine auf Freiwilligkeit basierende Entscheidung getroffen.

Im Hinblick darauf, dass hinsichtlich der Krankentagegeldversicherung erwiesenermaßen keine Pflichtversicherung vorliegt und somit Werbungskosten nicht in Betracht kommen, braucht auf den Umstand, dass als Werbungskosten gem. § 16 Abs 1 Z 4 EStG 1988 nur Beiträge bis zur Höhe der Pflichtbeiträge von max. 7,65 % zulässig sind, nicht mehr näher eingegangen zu werden.

Der beschwerdegegenständliche Betrag kann daher nur als Sonderausgabe iSd § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Berücksichtigung finden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Folglich war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Linz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100449.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at