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Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 28.05.2024, RV/4100435/2020

Außergewöhnliche Belastung mit und ohne Selbstbehalt Berechnung des Selbstbehalts der außergewöhnlichen Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die vorsitzende Richterin R, den Richter R2 sowie die fachkundige Laienrichterin LR1 und den fachkundigen Laienrichter LR 2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch seine Ehegattin, über die Beschwerde

a. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 sowie

b. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Steuernummer ***BF1StNr1***

nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom in Anwesenheit der Schriftführerin Frau A

I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 wird gemäß § 256 Abs. 3 BAO für gegenstandslos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis bzw. gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Einkommensteuer 2016

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) war 2016 Pensionist. Er bezog eine österreichische Pension sowie eine staatliche Rente aus Deutschland. Er war 2016 verheiratet. Sein 1991 geborenes Kind war seit Herbst 2015 vollzeitbeschäftigt und bezog eigene Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Das Finanzamt erließ nach Einlangen der Einkommensteuererklärung 2016 den Einkommensteuerbescheid 2016, in dem es nicht in allen Punkten den Anträgen des Bf. folgte. Der Bf. brachte die Beschwerde ein.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) erhob der Bf. den Vorlageantrag.

Nun zu den einzelnen Beschwerde- bzw. Änderungspunkten:

Außergewöhnliche Belastung (ag Bel) mit und ohne Selbstbehalt (SB) - Berechnung des Selbstbehalts

1. Ag Bel mit SB für den Bf. sowie seine Ehegattin (€ 1.790,77)

Das Finanzamt anerkannte im Einkommensteuerbescheid 2016

a. Krankheitskosten für den Bf. (€ 102,83) sowie

b. sonstige ag Bel für Krankheitskosten seiner Ehegattin (€ 1.687,94),

zusammen somit € 1.790,77, erklärungsgemäß. Es hielt fest, dass diese nicht berücksichtigt werden konnten, weil die Aufwendungen unter dem Selbstbehalt von € 2.786,50 gelegen seien.

2. Ag Bel ohne SB für sein Kind

Der Bf. begehrte für sein Kind

a. den pauschalen Freibetrag für die Behinderung (§ 35 Abs. 3) bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 %,

b. den Freibetrag für die Diätverpflegung für die Diät "Z: Zuckerkrankheit, Tuberkulose, Zöliakie, Aids" sowie

c. unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung in Höhe von € 945,64.

Das Finanzamt gewährte im Einkommensteuerbescheid 2016 die zuvor unter a. bis c. begehrten Aufwendungen nicht. Zur ag Bel des Kindes führte es aus, dass Kinderbeihilfe nur bis 08/2015 bezogen worden und das Kind 2016 vollbeschäftigt gewesen sei und Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen habe.

Beschwerde

In der Beschwerde brachte der Bf. vor, dass folgende Beträge nicht berücksichtigt worden seien:

€ 132,00 für das Werbungskostenpauschale

€ 945,64 ag Bel für das Kind:

Der Ablehnungsgrund hinsichtlich der € 945,64 - das Fehlen der Familienbeihilfe für 8/2015 - gehe ins Leere, weil die Aufwendungen klar als Reisekosten ins Bundesministerium, usw. ausgewiesen seien. Diese seien notwendig gewesen, weil die Finanzbehörde sämtliche eingereichten Bescheide des Bundessozialamtes betreffend den Grad der Behinderung/die Diät schlichtweg über Jahre negiert habe. Es handle sich auch um Aufwendungen und Gerichtskosten betreffend die GKK zwecks Kostenübernahme für verträgliche Therapien bei Systemerkrankungen. Dieser Aufwand sei wegen der Behinderung des Kindes angefallen, seine Therapien seien nicht enthalten, da das Kind schon selbst Steuern gezahlt habe.

€ 1790,77: diese Aufwendungen seien nicht steuerrelevant geworden, weil bei der Berechnung des Selbstbehalts € 945,64 nicht berücksichtigt worden seien. Es wären zwei Berücksichtigungsvarianten für den Betrag von € 945,64 denkbar:

[...]

Es wären daher

  • entweder € 945,64 als ag Bel OHNE SB

  • oder € 501,91 als ag Bel MIT SB

in Abzug zu bringen.

Es dürfe niemand wegen einer Behinderung eines Kindes diskriminiert werden. Die Gleichheit sei ein Grundrecht. Dieses sei aufgrund der Nichtanerkennung der Kosten für den Rechtsstreit mit der GKK wegen der Behinderung des Kindes - also die hier geltend gemachte ag Bel ohne SB - verletzt worden.

Vielmehr sei die Gleichheit mit anderen besser versorgten Bundesländern bzw. BVA-Versicherten, die höhere Leistungen erhalten, nicht gegeben. Ursächlich sei die Ungleichbehandlung im Sozialsystem, was beim BFG in einem unverhältnismäßig hohen Selbstbehalt resultiere, dies gegenüber den BVA-Beamten, für die der Finanzminister z.B. Therapien finanziere, die die Finanzbehörde dem Arbeiter oder anderen chronisch kranken Kindern bis jetzt als Krankenbehandlung strittig mache. Diskriminiert würden gezielt jene Österreicher, die - wie der Bf. - für ihre Kinder nicht die Wahl der Krankenversicherung haben, wie dies geschehe, wenn ein Elternteil bei der BVA und der andere bei der GKK versichert sei.

Der Vergleich mit Deutschland mache dies deutlich. Bei gleichem Einkommen (€ 15.340,00 bis € 51.130,00) habe bis 2017 der Selbstbehalt 6 % betragen, ab 2017 nur noch 3 %. Somit würde eine kleine Gruppe von Familien mit chronisch kranken Kindern mit einem dreifach höheren Aufwand an Gesundheitskosten gegenüber anderen Zwangsversicherten mit einem dreifach höheren Selbstbehalt von 9% als in der BRD belastet. Dies erfülle den Tatbestand der vorsätzlichen Ungleichbehandlung von Familien mit hohen Krankheitskosten.

Der Bf. machte eine Gegenüberstellung mit verschiedenen Varianten:

1. Variante I ist die der Behörde,
2. Variante II ag Bel ohne SB für das Kind
3. Variante III Summe aller ag Bel mit SB

Die deutschen Rentenbeträge seien ursächlich für die Abgabenforderung von € 845,00. Die Nichtgewährung des Werbungskostenpauschales und der ag Bel mache eine Neuberechnung des Durchschnittssteuersatzes erforderlich.

Die Varianten II Die Varianten II und III würden nach der Berechnung des Bf. deutlich niedrigere Nachforderungen von € 503,05 (Variante II) bzw. € 486,50 (Variante III) ergeben.

Die Ungleichbehandlung von Behinderten liege darin, dass die Valorisierung des Pflegegeldes, nicht aber der pauschalen Freibeträge für Behinderte beschlossen worden sei (Quelle angeführt).

Eine weitere Ungleichbehandlung ergebe sich, weil Auslandsrenten nicht 14 mal, sondern nur 12 mal ausbezahlt werden.

Der Bf. beantragte bei der Neuberechnung eine "Angleichung der Freibeträge für die Auslandsrente" vorzunehmen, wie im nachstehenden Entschließungsantrag der NEOS aufgeführt sei:

" … - Entschließungsantrag der Abgeordneten ... betreffend Angleichung der Freibeträge für Auslandspensionsbezieher.

Gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 unterliegen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit "neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber " bezogene "sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen)" in Abweichung vom allgemeinen progressiven Einkommensteuertarif einer fixen Besteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz von 6%. Soweit diese Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von 2.000 Euro nicht übersteigen, bleiben sie zur Gänze steuerfrei. In jedem Fall steht ein Freibetrag von 620 Euro zu.

Wie können nun Bezieher und Bezieherinnen ausländischer Pensionen entdiskriminiert werden?

Durch die Einführung eines Grundfreibetrages, wie dies in § 10 Abs. 1 Z 3 EStG 88 für Unternehmer vorgesehen ist, würde die Steuerbelastung des AHV-Pensionisten ein ähnliches Niveau betragen wie bei einem ASVG Pensionisten, wie folgendes Beispiel zeigt:

1. Bezieher einer ASVG Pension in Höhe von Brutto/Jahr Euro21.453,18:
Steuerbelastung Euro 2.089,46.

2. Bezieher einer ausl. Pension in Höhe von Brutto/Jahr Euro 21.453,18:
Steuerbelastung Euro 3.159,11."

Diese geforderte Entdiskriminierung wäre auch für den Pensionistenabsetzbetrag entdiskriminierend, da Pensionsbezieher ohnehin ab dem 60. Lebensjahr eine dramatische Kostensteigerung bei den Krankheitskosten haben.

  • Da Gleichheit ein Grundrecht sei, sei dies auch bei der Berechnung der Steuerlast anzuwenden, wo unter Einbeziehung aller oben genannten, ungleichen Gebarungen der unterschiedlichsten Behörden Rechnung getragen bzw. miteinbezogen werde (Quelle für den "Beweis" der Mehrfachdiskriminierung angeführt und zwar betreffend
    - Hohe Wahlarztkosten aufgrund mangelnder Versorgung durch unterschiedliche Leistungskataloge der Kassen und
    - Privatausgaben der Österreicher für die Gesundheit, wonach 60- bis 75-Jährige bereits 1.230 Euro ausgeben.
    - Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Rentenbeträgen.

Arbeiter/Angestellte würden - in Österreich erwirtschaftet - € 3.231,58 Lohnsteuer zahlen, der österreichische Rentner zahle € 4.992,16. Der Rentner zahle bei gleichem Bruttoeinkommen gegenüber Berufstätigen um € 1.760,58 mehr an Steuern. Dieser Betrag würde bei gerechter/gleicher Besteuerung den Aufwand für höhere Gesundheitskosten decken, die zwangsläufig durch höheres Alter und/oder 540 Monate Schwerarbeit mit Überstunden in Höhe (Anm.: der Arbeitszeit) einer Volksschullehrerin/Jahr erwachsen wären, die beim Bf. erforderlich gewesen seien, um die hohen ag Bel für ein behindertes Kind zu bewältigen.

Beweis: Berechnungssystem BMF Brutto-Netto-Rechner

Der Bf. beantragte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 und die Erlassung eines neuen Bescheides, in dem seinen Begehren betreffend Werbungskosten und ag Bel mit SB auch für die Ehefrau und der ag Bel ohne SB Rechnung getragen werde.

Abweisende Beschwerdevorentscheidung

In der abweisenden BVE führte das Finanzamt aus, dass ein Werbungskostenpauschale Pensionisten nicht zustehe. Ebenso wenig der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag. Die deutsche Pension sei miteinzubeziehen und hätten die Pensionseinkünfte den Schwellenwert überstiegen.

Die ag Bel (Anm.: mit Selbstbehalt), auch jene, die als Katastrophenschaden (Krankheitskosten mit Selbstbehalt) geltend gemacht worden seien, seien zur Gänze und ohne Überprüfung berücksichtigt, sie hätten jedoch den Selbstbehalt nicht überschritten.

Betreffend die Aufwendungen für das Kind werde auf die Entscheidungen des UFS und des BFG verwiesen.

Festzuhalten sei, dass das Finanzamt die österreichischen Gesetze vollziehe und nicht Normenprüfungsinstanz sei.

Vorlageantrag

Im Vorlageantrag schloss sich der Bf. bezüglich des Werbungskostenpauschales (€ 132,00) der Ansicht des Finanzamtes an, hielt im Übrigen seine Begehren aufrecht. Er begründete seinen Vorlageantrag mit der Abweisung/Nichtbehandlung in der BVE in folgenden Punkten:

  • der ag Bel der Ehegattin,

  • der ag Bel ohne SB für sein 30% behindertes Kind bzw.
    oder in Summe aller ag Bel mit SB,

  • der Durchschnittssteuersatz-Höhe generell und

  • der Berechnung des SB.

Zu € 945,64 hielt er noch fest:

Die Auslagen bzgl. der Behinderung des Kindes würden beim Bf. bzw. seiner Ehegattin anfallen, bis die Anträge vom auf Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung zur erhöhten Kinderbeihilfe wegen Zöliakie für die Zeit vor der Volljährigkeit abgeschlossen sein werden.

Sie seien zwangsläufig aus dem unerledigten Einschätzungsverfahren 2013 erwachsen (betrifft die Ehegattin als Kinderbeihilfebezieherin). Es seien deshalb Reisekosten zum Bundessozialdienst Wien angefallen, das eine neuerliche Bestätigung für das Kind ausgestellt habe, dass Zöliakie seit 2001 bestehe. Das Finanzamt habe sämtliche eingereichten Bescheide des Bundessozialamtes betreffend den Grad der Behinderung/die Diät für Zöliakie schlichtweg über Jahre negiert (siehe bereits übermittelte Bestätigung des Sozialamt Services Wien über Zöliakie, datiert ).

Zusätzlich handle es sich um Selbsthilfe-Kosten und Gerichtskosten gegen die GKK zur Kostenübernahme für verträgliche Therapien bei Systemerkrankungen, etc. (siehe auch den Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2014).

Zur Ermittlung des Selbstbehalts:

Der Bf. bemängelte, dass keine der beiden Berechnungsvarianten berücksichtigt worden sei. Er verwies noch auf das Erkenntnis des (betreffend "Folgeerkrankungen"). Im österreichischen Parlament sei noch kein Antrag betreffend umweltassoziierte Erkrankungen anhängig. Die Suche nach entsprechenden Ärzten gestalte sich als sehr schwierig. Das Finanzamt verkenne daher die Rechtslage.

Richtig sei, dass das Finanzamt keine Normenprüfungsinstanz sei. Für eine Entdiskriminierung eines Pensionisten sei aber keine Gesetzesänderung erforderlich, sondern werde die tatsächliche Gleichbehandlung bei der Besteuerung gefordert. Auf das Grundsatzurteil vom , Az. VI R 75/14, und die dort durchgeführte Berechnung einer gerechten Selbstbehaltsstaffelung bei den ag Bel werde verwiesen.

Dass in Österreich eine Falschauslegung der Anwendung der Prozentsatz-Berechnungsformel bestehe, zeige sich darin, dass seine Ehegattin bei einem Einkommen von € 2.057,04 in Österreich einen Selbstbehalt von € 116,99, in Deutschland jedoch keinen habe. In Deutschland wäre von den geltend gemachten ag Bel von € 2.736,31 ein Betrag von € 1.236,92 abzugsfähig.

Stellungnahme des Finanzamtes vom

In der Stellungnahme des Finanzamtes vom wird zur ag Bel für das Kind ausgeführt, dass die laut Beschwerdebegehren vom zugrundeliegenden Reisekosten ins Bundesministerium etc. iZm der Beantragung des Grades der Behinderung keine Aufwendungen für eine Heilbehandlung und somit keine ag Bel iSd § 34 EStG seien.

Es legte einen Probebescheid bei, in dem eine Abgabennachforderung in gleicher Höhe wie im Erstbescheid ermittelt wurde.
Es blieb bei der Ansicht, dass die ag Bel für das Kind nicht in Abzug zu bringen sei, ebenso wenig seien wegen der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes
- der pauschale Freibetrag für die Behinderung des Kindes sowie
- der Freibetrag für die Diätverpflegung des Kindes in Ansatz zu bringen.

Gegenäußerung des Bf.

In der Gegenäußerung vom begehrte der Bf. den Abzug der € 945,64 unter Verweis auf das Erkenntnis des (betreffend eine an Bulimie Erkrankte) und . Die Teilpositionen waren laut Bf.:

[...]

In der mündlichen Verhandlung gab die Ehegattin an, aufzeigen zu wollen, dass es zu Ungleichbehandlungen bei der Berechnung des Selbstbehalts komme. Der BFH habe erkannt, dass niedrig Verdienende nur mit entsprechend niedrigen Selbstbehalten belastet werden dürften. Sie könnten nicht die hohen Krankheitskosten bestreiten, wenn sie wenig verdienen. Sie begehrte eine Entscheidung des Senates, insbesondere auch zur Frage, ob Gerichtskosten aus Rechtsstreitigkeiten mit der GKK aus früheren Jahren in späteren Jahren zum Abzug kommen könnten.

Die Amtsvertreterin begehrte die Abweisung der Beschwerde, die den Bf. vertretende Ehegattin die Stattgabe.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

A. Einkommensteuer 2016

1. Sachverhalt

Im Jahr 2016 war der Bf. verheiratet. Er und seine Ehegattin hatten ihren Wohnsitz im Bundesgebiet von Österreich. Er bezog eine österreichische Pension und eine deutsche staatliche Rente. Die deutschen Rentenbezüge wurden im Rahmen des Progressionsvorbehalts erfasst.

Die Ehegattin bezog 2016 eigene Einkünfte von weniger als € 6.000,00.

Die ag Bel des Bf. und seiner Ehegattin werden aus ökonomischen Gründen ohne Überprüfung in beantragter Höhe (von € 1.780,77) als ag Bel mit SB beim Bf. berücksichtigt. Die € 1.790,77 unterschreiten den Selbstbehalt von € 2.786,50.

Der Selbstbehalt wurde im Einkommensteuerbescheid 2016 entsprechend § 34 Abs. 4 bis 6 EStG 1988 ermittelt.

Das gemeinsame Kind des Bf. und seiner Ehegattin war 2016 im 25. Lebensjahr stehend. Nach Absolvierung der Volksschule und des Gymnasiums und Abschluss eines Studiums ging es seit Herbst 2015 einer Vollbeschäftigung nach. Das Kind war 2016 selbsterhaltungsfähig.

Den ag Bel ohne SB für das Kind (€ 945,64) lagen die Teilpositionen laut Gegenäußerung des Bf. vom zugrunde.

Die vom Bf. gestellten alternativen Begehren,
a. entweder für das Kind € 945,64 als ag Bel ohne SB in Abzug zu bringen oder
b. die von ihm errechneten € 501,91 als ag Bel mit SB steuerwirksam zu berücksichtigen, folgen nicht der Berechnung des Selbstbehalts laut § 34 Abs. 4 bis 6 EStG 1988. Auch ist die Berechnung des Betrages von € 501,91 nicht gesetzeskonform.

2. Erwägungen

Die unbeschränkte Steuerpflicht des Bf. und seiner Ehegattin ist unstrittig. Der Bf.und seine Ehegattin haben auch Einkommensteuererklärungen für unbeschränkt Steuerpflichtige eingereicht.

Die Höhe des Einkommens und der unter dem Progressionsvorbehalt zu erfassenden Einkünfte basieren auf unstrittigen, dem Finanzamt gemeldeten Beträgen.

Dass der Selbstbehalt im Einkommensteuerbescheid 2016 nicht gemäß § 34 Abs. 4 bis 6 EStG 1988 ermittelt worden wäre, hat der Bf. nicht behauptet. Er begehrt nur alternative Berechnungen.

Die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes im Jahr 2016 geht aus den unstrittigen Vorbringen der Parteien hervor.

Die Teilpositionen des Betrages von € 945,64 sind der Aufstellung des Bf. bzw. seiner Erläuterung in der Gegenäußerung vom entnommen.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 1 Abs. 1 EStG 1988

Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.

§ 1 Abs. 2 EStG 1988

Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

§ 2 Abs. 1 EStG 1988

Der Einkommensteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

§ 2 Abs. 2 EStG 1988

Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 105 und 106a.

§ 16 Abs. 3 EStG 1988

Für Werbungskosten, die bei nichtselbständigen Einkünften erwachsen, ist ohne besonderen Nachweis ein Pauschbetrag von 132 Euro jährlich abzusetzen. Dies gilt nicht, wenn diese Einkünfte den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag (§ 33 Abs. 6 und § 57 Abs. 4) begründen.

§ 33 Abs. 6 EStG 1988

Stehen einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs. 5 (Anm.: Verkehrsabsetzbetrag, Pendlereuro) nicht zu und erhält er Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 oder Abs. 1 Z 4 bis 5, steht ein Pensionistenabsetzbetrag gemäß Z 1 und Z 2 oder gemäß Z 3 zu. Bei Einkünften, die den Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag begründen, steht der Werbungskostenpauschbetrag nach § 16 Abs. 3 nicht zu. Für die Berücksichtigung des Pensionistenabsetzbetrages gilt:

1.Ein erhöhter Pensionistenabsetzbetrag steht zu, wenn

  • der Steuerpflichtige mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt,

  • der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte im Sinne des Abs. 4 Z 1 von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt und

  • der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag hat.

2.Der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag beträgt 764 Euro, wenn die laufenden Pensionseinkünfte des Steuerpflichtigen 19 930 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen. Dieser Absetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden laufenden Pensionseinkünften von 19 930 Euro und 25 000 Euro auf Null.

3.Liegen die Voraussetzungen für einen erhöhten Pensionistenabsetzbetrag nach der Z 1 nicht vor, beträgt der Pensionistenabsetzbetrag 400 Euro. Dieser Absetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden laufenden Pensionseinkünften von 17 000 Euro und 25 000 Euro auf Null.

§ 33 Abs. 11 EStG 1988

Ist bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen, gilt für die Steuerberechnung Folgendes: Der Durchschnittssteuersatz ist zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer sind die Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) abzuziehen.

Artikel 18 Abs. 1 und 2 DBA Deutschland - Österreich, Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen

(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

§ 23 Abs. 2 lit. a und d DBA Deutschland - Österreich

(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

§ 34 Abs. 1 EStG 1988

Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1.Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2.Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3.Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

§ 34 Abs. 2 EStG 1988

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

§ 34 Abs. 3 EStG 1988

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro 6%.
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro
10%.
mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt

  • wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht

  • wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt

  • für jedes Kind (§ 106).

§ 34 Abs. 5 EStG 1988

Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

§ 34 Abs. 7 EStG 1988

Für Unterhaltsleistungen gilt Folgendes:

1.Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2.Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.

3.(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

4.Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

5.(Verfassungsbestimmung)

Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

Als Einkommen, das der Berechnung des Selbstbehalts zu Grunde zu legen ist, ist das Einkommen nach § 2 Abs. 2 zu verstehen (; Pülzl ÖStZ 99, 314). Die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nsA sind um die sonstigen Bezüge gem § 67 Abs. 1 und 2 zu erhöhen (Kz 220 abzügl Kz 225 des Lohnzettels). Stfreie Einkünfte iSd § 3 fallen nicht unter den Einkommensbegriff des Abs 4; das gilt auch für Einkünfte iSd § 3 Abs 2 (besonderer Progressionsvorbehalt; Arbeitslosengeld; LStR 834). Ausländische Einkünfte sind dagegen Teil der Bemessungsgrundlage, auch wenn sie durch DBA steuerbefreit sind (EStR 7598 und LStR 834 auf Grund von und ; dazu kritisch Schlager ecolex 07/309, 717; Doralt RdW 07/57, 55; Pülzl ÖStZ 99, 314; s schon ). … Aus dem Ausdruck "vor Abzug der agB" ergibt sich, dass bei der Bemessung des Selbstbehalts nur die Summe jener agB nicht zu berücksichtigen ist, die dem Selbstbehalt unterliegen (); ohne Selbstbehalt abzugsfähige agB (s Rz 53) vermindern die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Selbstbehalts (Pülzl ecolex 03, 614). … (Peyerl in Jakom EStG, 17. Aufl. (2024), § 34, Rz. 52).

Der vorliegende Fall ist nun wie folgt zu beurteilen:

Im Einkommensteuerbescheid 2016 wurde der Selbstbehalt entsprechend § 34 Abs. 4 und 5 EStG 1988 wie folgt berechnet (alle Beträge in €):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Pensionsbezüge Österreich
22.554,12
zuzgl. gesetzliche Altersrente aus Deutschland
5.056,92
zuzgl. Sonstige Bezüge vor Abzug
der SV-Beiträge (Lohnzettel KZ 220)
3.961,04
abzgl. SV-Beiträge sonstige Bezüge (KZ 225)
- 202,02
abzgl. Sonderausgaben lt. E-Bescheid
- 408,95
Summe
30.961,11
davon 9%
2.786,50

Zur ag Bel für den Bf. und seine Ehegattin

Die € 1.790,77 finden auch im nunmehrigen Erkenntnis volle Berücksichtigung. Dem eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs. 4 EStG 1988 folgend - "vor Abzug der ag Bel" - dürfen die € 1.790,77 bei der Berechnung des Selbstbehalts nicht in Abzug gebracht werden. Daher bleibt für die vom Bf. angestrengten Berechnungsvarianten, in denen er die € 1.790,77 abgezogen haben will, kein Raum.

Zur ag Bel für das Kind

Der Betrag von € 945,64 wurde als ag Bel ohne SB für unregelmäßig anfallende Kosten der Heilbehandlung und Hilfsmittel geltend gemacht. Nach Ansicht des Senates handelt es sich bei den Aufwendungen aller Teilpositionen um keine "unmittelbaren" Krankheitskosten oder Kosten für Hilfsmittel oder Heilbehandlung.

Hinzu kommt noch Folgendes:

Angesichts der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bestand im Jahr 2016 auch keine rechtliche Verpflichtung des Bf. mehr, für behinderungsbedingte Aufwendungen des Kindes aufzukommen. Daher mangelt es bei den € 945,64 - selbst wenn man die Aufwendungen als ag Bel qualifizieren wollte - zudem an der Zwangsläufigkeit des Aufwandes.

Auch wenn Fragen im Zusammenhang mit der (Diät für) Zöliakie in Wien zu klären waren und Fahrtkosten der Ehegattin und des Bf. (€ 347,40) bzw. allfällige Kosten im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten mit der GKK (€ 104,16 + € 20,00) angefallen sind, sind die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Kindes, auch wenn die Ursache allfälliger Streitigkeiten ihren Ursprung in Zeiträumen hat, in denen das Kind noch nicht selbsterhaltungsfähig war, Sache des erwachsenen und selbsterhaltungsfähigen Kindes, allfällige Ansprüche im Zusammenhang mit seiner Behinderung weiter zu verfolgen und sich darum zu kümmern.

Unrichtig ist, dass das Finanzamt die Behinderung bzw. die Diät des Kindes über Jahre ignoriert hätte. Im Einkommensteuerverfahren des Bf. wurde - soweit eine Bescheinigung des Bundessozialamtes über die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Kindes von 30% und das Erfordernis einer Diät vorlag - auch vom Finanzamt der vom Bf. beantragte Abzug des pauschalen Freibetrages aufgrund der Behinderung des Kindes sowie ein Freibetrag für Diätverpflegung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bejaht. Der antragstellenden Ehegattin wurde die erhöhte Familienbeihilfe für das Kind ab 2008 im Erkenntnis des (beim BFG "intern" gestellt) aus den dort genannten Gründen nicht zugesprochen.

Den begehrten Portokosten (€ 21,28) fehlt ohnehin der Charakter von "unmittelbaren Krankheitskosten oder Kosten der Heilbehandlung).

Die Aufwendungen der Ehegattin für ihre Tätigkeit im Rahmen der Selbsthilfegruppe (€ 352,80) sind - ungeachtet des unermüdlichen Einsatzes der Ehegattin - dem Bereich der Aufwendungen für die private Lebensführung des § 20 EStG 1988 zuzurechnen. Auf die Entscheidung des GZ. RV/4100090/2020 (intern gestellt), wird verwiesen.

In den vom Bf. angestellten Berechnungsvarianten bleibt somit kein Raum, die € 945,64 als ag Bel - somit weder mit noch ohne SB - zu berücksichtigen. Es konnte daher auch aus diesem Grund den Berechnungsvarianten des Bf. nicht gefolgt werden.

Zum Abzug des Werbungskostenpauschales (€ 132,00)

Dieser Punkt ist unstrittig. Das Werbungskostenpauschale kann auch aus Sicht des Senates mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht zum Tragen kommen, weil die Pensions- und Renteneinkünfte des Bf. den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag begründen.

Zu den weiteren - letztendlich steuerpolitischen - Anfechtungspunkten darf festgehalten werden:

Anwendung der deutschen steuerlichen Vorschriften

Da der Bf. und seine Ehegattin in Österreich ihren Wohnsitz haben, sind sie in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 und 2 EStG 1988). Die Besteuerung ist daher nach dem EStG 1988 bzw. hier auch nach dem DBA Österreich - Deutschland vorzunehmen.

Aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht sind daher sowohl die österreichische Pension als auch die deutsche Rente relevant. Die deutsche Rente ist entsprechend dem DBA Österreich - Deutschland zwar von der Besteuerung ausgenommen, allerdings darf Österreich die deutsche Rente für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes, mit dem die österreichischen Einkünfte besteuert werden, heranziehen (§§ 18 Abs. 2 und § 23 Abs. 2 DBA Ö-D).

Dies ist im vorliegenden Fall im angefochtenen Bescheid korrekt umgesetzt worden.

Verletzung des Rechts auf Gleichheit

Wenn der Bf. vorbringt, es wäre das Recht auf Gleichheit verletzt bzw. würden Ungleichbehandlungen vorliegen, weil

  • deutsche steuerrechtliche Vorschriften bzw. die Ausführungen des BFH in seinem Erkenntnis hinsichtlich der Höhe des Selbstbehalts (von 3%) nicht berücksichtigt werden,

  • deutsche Renten nur 12 mal und nicht 14 mal ausbezahlt werden,

  • die Sozialversicherungen in Österreich unterschiedlich hohe Leistungen (auch in Bundesländern in unterschiedlicher Höhe) erbringen und die GKK diverse Leistungen nicht zahle,

  • der Bf. (und seine Ehegattin) keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Sozialversicherungsträgers hätten,

  • er bzw. seine Ehegattin für ihr 1991 geborenes Kind mit einer MdE von 30% keine erhöhte Familienbeihilfe erhalten hätten, und

  • das Pflegegeld, nicht aber die pauschalen Freibeträge aus der Behinderung erhöht worden seien,

so sind diese Vorbringen - unabhängig von ihren allenfalls berechtigten Überlegungen bzw. Ansätzen, bisherige (steuer)rechtliche Bestimmungen zu überdenken - keine solchen, die im Einkommensteuerverfahren 2016 des Bf. ausgeglichen werden können.

Da österreichische Rechtsvorschriften anzuwenden sind, können nicht die in Deutschland allenfalls relevanten 3% SB berücksichtigt werden. Die Auszahlung von nur 12 Rentenbeträgen ist eine Angelegenheit des deutschen Rechts.

Die Kostenübernahme für Leistungen aus der Sozialversicherung betreffen sozialversicherungsrechtliche Vorschriften. Ein laut Bf. 2010 gegen die GKK angestrengtes Schiedsverfahren und eine Klage betreffend Nicht-Leistungen durch die GKK führten nicht zum Erfolg des Bf.

Auch sieht das EStG mit seinen Regelungen keinen Ausgleich für voneinander abweichenden Leistungen der verschiedenen Sozialversicherungsträger oder die fehlende Wahlmöglichkeit eines Sozialversicherungsträgers vor.

Die in Vorjahren nicht gewährte erhöhte Familienbeihilfe beantragte die Ehegattin als Kindesmutter, betraf also nicht den Bf.

Ein Unterbleiben der Erhöhung von Freibeträgen ist eine Sache der Gesetzgebung und auch nicht im Einkommensteuerverfahren des Bf. korrigierbar.

Dem EStG 1988 sind keine Vorschriften zu entnehmen, die den vom Bf. begehrten Ausgleich der von ihm geschilderten und empfundenen Ungleichbehandlungen zuließen.

Zur Berechnung des Selbstbehalts

Vorauszuschicken ist, dass das Finanzamt im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2016 den Selbstbehalt entsprechend § 34 Abs. 4 bis 6 EStG 1988 korrekt ermittelt hat.

Bei der Berechnung des Selbstbehaltes nach seiner Methode hat der Bf.

  • zu Unrecht die deutschen Pensionsbezüge nicht berücksichtigt, weil diese bei der Berechnung des Durchschnittssteuersatzes miteinzubeziehen sind (§ 33 Abs. 11 EStG 1988),

  • zu Unrecht ein Werbungskostenpauschale (€ 132,00) in Abzug gebracht, siehe hiezu Rechtliche Beurteilung, "Werbungskostenpauschale". Der Pensionistenabsetzbetrag wurde hier allerdings nicht steuerlich wirksam, weil der in § 33 Abs. 6 EStG 1988 maßgebliche Höchstbetrag von € 25.000,00 überschritten wurde.

  • Der vom Bf. in der Beschwerde berechnete Selbstbehalt von € 2.234,40 folgt nicht der in § 34 Abs. 4 bis 6 EStG 1988 vorgesehenen Berechnung des Selbstbehalts.

  • Zumal bei der Berechnung des Selbstbehalts nur ag Bel ohne SB Eingang finden dürfen, die hier begehrten € 945,64 aber nicht als ag Bel zu qualifizieren waren, konnte keiner der vom Bf. angeführten Berechnungsvarianten gefolgt werden, in denen der Bf. sowohl die seiner Ansicht nach korrekten ag Bel mit SB und ag Bel ohne SB einfließen ließ. Daher konnte aus Sicht des Senates auch dem vom Bf. ermittelten steuerlich wirksamen Betrag von € 501,91 kein Erfolg beschieden sein.

Zusammenfassend darf betreffend Einkommensteuer 2016 festgehalten werden:

Nach den zuvor festgehaltenen Ausführungen konnte dem Begehren des Bf. nicht gefolgt werden, weshalb die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 als unbegründet abzuweisen war.

B. Einkommensteuer 2018

I. Verfahrensgang

Nach Einlangen der Einkommensteuererklärung 2018 samt Beilagen des Bf. erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2018.

Die Sonderausgaben wurden erklärungsgemäß erfasst, ebenso die ag Bel mit SB für den Bf. in Höhe von € 169,14.

Der Bf. erhob Beschwerde und begehrte im Wesentlichen die Berücksichtigung von Krankheitskosten für die Gattin als ag Bel mit SB und den Ansatz eines Selbstbehalts von 9% anstatt der im Bescheid angesetzten 10%. Des Weiteren bekämpfte er die Berechnung des Selbstbehalts, fußend auf aufgezeigten steuerpolitischen Ungleichbehandlungen, wie auch zur Einkommensteuer 2016 vorgebracht. Es sei insbesondere die Höhe der Prozentsätze des Selbstbehalts zu überdenken, weil die Krankheitskosten steigen würden und diese mit niedrigen Einkommen oft nicht mehr zu bewältigen seien. Es wären in die Überlegungen auch die Höhe des Existenzminimums einzubeziehen.

Das Finanzamt erließ einen Mängelbehebungsauftrag, den der Bf. innerhalb der gesetzten Frist beantwortete. In weiterer Folge erging eine Zurücknahmeerklärung der Beschwerde mit BVE, gegen die der Bf. den Vorlageantrag einbrachte.

Im Verfahren vor dem BFG teilte das Finanzamt die Auffassung des Bf., dass der Mängelbehebungsauftrag und die Zurücknahmeerklärung zu Unrecht ergangen seien. Es machte einen Probebescheid für 2018 unter Berücksichtigung der in der Vorhaltsbeantwortung vom bekannt gegebenen Zahlen für Sonderausgaben und der seiner Ansicht nach maßgeblichen abzugsfähigen ag Bel für den Bf. und seine Ehegattin. Dieser Probebescheid ergab eine Nachforderung von € 856,00 anstatt der Nachforderung im Erstbescheid von € 854,00.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zogen der Bf. und seine ihn vertretende Ehegattin in der mündlichen Verhandlung vom die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 zurück.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der maßgebliche Verfahrensablauf ist im Pkt. B., I. Verfahrensgang, festgehalten.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 wurde am zurückgezogen.

Erwägungen

Die Beschwerdebegehren sind den Schriftsätzen des Beschwerdeverfahrens und den Vorbringen in der mündlichen Verhandlung entnommen, die schriftliche Zurücknahme der Beschwerde erfolgte in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung.

Rechtliche Beurteilung

§ 256 Abs. 1 BAO

Beschwerden können bis zur Bekanntgabe (§ 97) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.

§ 256 Abs. 3 BAO

Wurde eine Beschwerde zurückgenommen (Abs. 1), so ist sie mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Aufgrund der Zurücknahme der Beschwerde in der mündlichen Verhandlung war daher durch den Senat die Gegenstandsloserklärung der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2018 auszusprechen.

C. Zur Un/Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Einkommensteuer 2016

Die ag Bel des Bf. und seiner Ehegattin hat auch der Senat berücksichtigt.

Die Nichtgewährung der ag Bel ohne SB für das Kind fußt im Wesentlichen auf der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes bzw. der fehlenden Qualifikation der Aufwendungen als ag Bel. Die vom Senat getroffene rechtliche Beurteilung findet im klaren Wortlaut des § 34 Abs. 7 EStG 1988 und in der Judikatur des VwGH (Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0053) Deckung.

Der Selbstbehalt wurde im Einkommensteuerbescheid 2016 entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes berechnet.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Zur Einkommensteuer 2018

Die Gegenstandsloserklärung der Beschwerde erfolgte entsprechend dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 256 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 11 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 1 und 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 34 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100435.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at