Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.06.2024, RV/2100213/2023

Überwachungspflicht des für den Vertrieb zuständigen Geschäftsführers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R1 sowie die fachkundigen Laienrichter R2 und R3 über die Beschwerde des X, Adresse vertreten durch V, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Abgabenkontonummer SN, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der H.GmbH in der Höhe von 35.962,63 Euro nach der am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner steuerlichen Vertreter V1 und V2, des Vertreters des Finanzamtes Österreich, V3, sowie der Schriftführerin S zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Group.GmbH war seit dem Jahr 2011 Alleingesellschafterin der im Jahr 1983 errichteten H.GmbH. Die Group.GmbH wurde durch die handelsrechtlichen Geschäftsführer G und V vertreten (Auszug Firmenbuch FN).

Der Beschwerdeführer (Bf.) fungierte seit Datum als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H.GmbH. Neben dem Bf. war G seit Datum zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt (Auszug Firmenbuch FN).

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom Datum, x, wurde über die H.GmbH ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, das mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum in ein Konkursverfahren übergeleitet wurde. Nach der Schlussverteilung (Quote 17,15903 %) wurde das Konkursverfahren mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum aufgehoben.
Die Gesellschaft wurde am Datum gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN).

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde dem Bf. zur Kenntnis gebracht, dass auf dem Abgabenkonto der H.GmbH unter Berücksichtigung der ausbezahlten Insolvenzquote ein nicht einbringlicher Rückstand an Umsatzsteuer 02/2015 in der Höhe von 35.962,63 € aushafte.
Der Bf. wurde ersucht, einen Nachweis der quotenmäßigen Gleichbehandlung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe () zu erbringen.

In der dazu eingebrachten Stellungnahme vom führte der Bf. aus, die Group.GmbH habe als Holding Gesellschaft Beteiligungen an verschiedenen deutschen und österreichischen Gesellschaften, darunter auch an der H.GmbH, gehalten.
Der Haupteigentümer der Group.GmbH, die E [Anm.: E], habe die notwendige finanzielle Unterstützung für eine nachhaltige Sanierung der Gruppe zur Verfügung gestellt. Der Bf. habe bei der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit keine Bedenken gehabt, dass die Restrukturierung scheitern könnte.
Ab Dezember 2013 habe der Bf. seine Tätigkeit als Vertriebsleiter der F.GmbH und der H.GmbH in Österreich begonnen. Sein Aufgabenbereich sei im Bereich Vertrieb, Montage und Personal gelegen. G sei für die strategische Ausrichtung der Unternehmen verantwortlich gewesen.
Die finanzwirtschaftlichen Angelegenheiten seien nach der internen Aufgabenverteilung vom Prokuristen der F.GmbH, P, wahrgenommen worden. Sämtliche Korrespondenz sowie der ständige Kontakt mit dem Finanzamt sei durch P erfolgt. Auch Zahlungen an das Finanzamt seien von P eigenständig durchgeführt worden, wozu dieser im Innenverhältnis befugt und beauftragt gewesen sei.
Der Bf. habe sich bei seinem Antritt als Geschäftsführer der H.GmbH bei P über den Stand möglicher Finanzamtsverbindlichkeiten erkundigt, obwohl dies nach der internen Geschäftsverteilung nicht zu seinem unmittelbaren Aufgabenbereich gehört habe. Ihm sei bestätigt worden, dass Zahlungen an das Finanzamt immer ordnungsgemäß in enger Abstimmung mit der Muttergesellschaft Group.GmbH sowie dem Finanzamt durchgeführt würden.
Er sei immer - durch die interne Aufgabenverteilung - davon ausgegangen, dass Zahlungen an das Finanzamt pünktlich und vollständig geleistet wurden. Das wurde ihm auch durch regelmäßiges Nachfragen beim für das Finanzmanagement zuständigen Prokuristen P bestätigt. Es habe daher keinesfalls ein Vorsatz seiner Person hinsichtlich einer verspäteten oder unvollständigen Zahlung bestanden.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom , Abgabenkontonummer SN, nahm das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 BAO für die aushaftende Umsatzsteuer 02/2015 der H.GmbH in der Höhe von 35.962,63 Euro in Anspruch.
Begründend wurde ausgeführt, ab Fälligkeit der haftungsrelevanten Abgabe bis zur Insolvenzeröffnung seien Umsätze in der Höhe von 547.225,33 € festgesetzt worden. Da der Bf. keinen Nachweis erbracht habe, in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH befriedigt worden seien, sei davon auszugehen, dass die vorhandenen liquiden Mittel der GmbH nicht im gleichen Verhältnis zur Schuldentilgung eingesetzt wurden. Der Bf. hafte daher für den gesamten Abgabenrückstand.

In der gegen diesen Bescheid nach mehreren Fristverlängerungsansuchen eingebrachten Beschwerde vom führte der steuerliche Vertreter aus, die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. lägen nicht vor.
Die Umsatzsteuer 02/2015 sei am fällig gewesen; das Insolvenzverfahren sei am Datum eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter habe sämtliche Zahlungen innerhalb der Anfechtungsfrist von 60 Tagen zu prüfen und eine Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten. Da dies auch geschehen sei, seien alle Gläubiger gleichbehandelt worden. Es verbleibe daher kein Raum für eine haftungsmäßige Inanspruchnahme des Bf.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Ob bzw. inwieweit vom Bf. geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam bzw. anfechtbar gewesen wären, sei ausschließlich im Insolvenzverfahren zu prüfen. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Bund als Abgabengläubiger nicht schlechter gestellt sei als die anderen Gläubiger, bleibe davon unberührt.

Im Schriftsatz vom beantragte der Vertreter des Bf. die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gemäß § 264 BAO und führte aus:

"1. Sachverhalt und ergänzendes Vorbringen

Herr X wurde mit Gesellschafterbeschluss vom als Geschäftsführer der F.GmbH (vormals F.GmbH) bestellt und war bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung im Mai 2015 neben Herrn G (wohnhaft in der Schweiz) selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der F.GmbH.

Herr X wurde weiters mit Gesellschafterbeschluss vom als Geschäftsführer der H.GmbH bestellt und war bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung im Mai 2015 neben Herrn G (wohnhaft in der Schweiz) selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der H.GmbH.

Während Herr G für die strategische Ausrichtung der F.GmbH und der H.GmbH verantwortlich war, war Herr X für die Bereiche Vertrieb, Montage sowie Personal verantwortlich. Des Weiteren war Herr P seit als Prokurist der F.GmbH und der H.GmbH bestellt, welchem auskunftsgemäß die kaufmännischen Agenden sowie auch die Entrichtung von Abgaben (siehe Darstellung von Herrn X sowie Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ) übertragen waren. Die Abstimmung dieser Agenden, insbesondere die Finanzierungsfragen, erfolgte primär von Herrn P mit Herrn G sowie mit Herrn V (siehe auch deren Funktion nachstehend sowie
E-Mail vom und E-Mail vom ).

Gemeinsame Muttergesellschaft der F.GmbH und der H.GmbH war die Group.GmbH, deren Geschäftsführer Herr G und Herr V waren. Hauptgesellschafter der Group.GmbH, welche auch Beteiligungen an deutschen Unternehmen besaß, war die E

Auskunftsgemäß wurden die F.GmbH und die H.GmbH in der Vergangenheit mittelbar von E mit der notwendigen Liquidität ausgestaltet (siehe Schreiben an das Finanzamt Graz-Stadt, datiert mit bzw. ). Obwohl in der Vergangenheit bereits ein Restrukturierungsbedarf der beiden Gesellschaften bestand, war die eingetretene Zahlungsunfähigkeit für Herr X auskunftsgemäß überraschend, woraufhin im Mai 2015 für diese beiden Gesellschaften Konkurs angemeldet wurde (siehe auch E-Mail vom , wonach die folgenden fünf Wochen eng bleiben, aber man irgendwie durchkomme). Auch erfolgten vom Prokuristen P mehrfach Abstimmungen mit dem (nunmehrigen) Finanzamt Österreich. Zudem war Herr X auch einmal unmittelbar in Kontakt mit Herrn T vom Finanzamt Österreich; Thema dieser Besprechung war die Entrichtung der Abgabenschulden (siehe auch
E-Mail vom ). Zudem wurden vorangegangene Abgabenverbindlichkeiten -wenn auch mit teilweise verspäteten Entrichtungen - vollständig bezahlt.

Laut Auskunft von Herrn G im Zuge des Konkursverfahrens war zudem die wesentliche Ursache des Konkurses der F.GmbH und der H.GmbH die wirtschaftliche Schieflage der deutschen Konzerngesellschaften und die Einstellung der Finanzierung durch die E

Gegen Herrn X wurde ein Finanzstrafverfahren sowie ein Ermittlungsverfahren in Strafsachen geführt, welche beide eingestellt wurden.
…..

2. Bisheriges Verfahren
…..

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Keine schuldhafte Verletzung seiner Überwachungspflicht
…..
Eine Haftungsinanspruchnahme erfordert die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Geschäftsführer. Zu den grundsätzlichen abgabenrechtlichen Pflichten gehört unbestritten die rechtzeitige Entrichtung von Abgaben. Im konkreten Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass zwei Geschäftsführer sowie ein Prokurist bestellt waren, die jeweils für bestimmte Bereiche zuständig waren und zudem in unterschiedlichem Ausmaß Einblick in die Tätigkeit und die finanzielle Situation der weiteren Konzerngesellschaften hatten. Auf Basis der internen Ressortverteilung war der Prokurist für die kaufmännischen Angelegenheiten einschließlich der rechtzeitigen Entrichtung zuständig. Zudem wurden Zahlungen primär von
P direkt mit Herrn V bzw. Herrn G abgestimmt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Ressort- bzw. Aufgabenteilung zwischen den jeweiligen Geschäftsführern zwar nicht bewirkt, dass eine Inanspruchnahme der Haftung gänzlich ausgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang verlangt die Rechtsprechung keine vollständige Kontrolle des anderen Geschäftsführers und des Prokuristen, sondern lediglich eine Überwachung des anderen Geschäftsführers und des Prokuristen. Diese Überwachungspflicht hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (Ritz/Koran, BAO7 § 9 Rz 13. Siehe ergänzend auch BMF, Erlass zu Haftungen gemäß den §§ 9 bis 16 BAO, AÖF 2006/186, Abschnitt 2.7 sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

Kann sich ein Geschäftsführer auf die anderen Geschäftsführer bzw. den Prokuristen, die aufgrund der Ressortverteilung für die abgabenrechtlichen Belange zuständig sind, verlassen, dann befreit dies einen Geschäftsführer von seiner Haftung. Dies würde allerdings dann nicht gelten, wenn Anlass bestand, dass der zuständige Vertreter seinen Pflichten nicht oder nur unvollständig nachgekommen wäre (siehe ergänzend auch BMF, Erlass zu Haftungen gemäß den §§ 9 bis 16 BAO, AÖF 2006/186, Abschnitt 2.7 sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

Es sprechen unseres Ermessens gewichtige Gründe dafür, dass Herr X keine schuldhafte Verletzung seiner Überwachungspflichten trifft. Im konkreten Fall bestand zum fraglichen Zeitpunkt zwar eine wirtschaftlich schwierige Lage, dies allein führt allerdings nicht zu einer schuldhaften Verletzung der Überwachungspflichten hinsichtlich des Prokuristen. Dies verdeutlicht sich auch dadurch, dass mit Beginn der Tätigkeit für Herrn X klar war, dass die Haupteigentümer notwendige Unterstützungen zur Sanierung zur Unternehmensgruppe leisten. Weiters untermauert wird dies dadurch, dass das geführte Finanzstrafverfahren sowie Ermittlungsverfahren eingestellt wurden.

Zudem kann keinesfalls davon gesprochen werden, dass Herr X sich ausschließlich auf Auskünfte von Herrn P verlassen hat. Dies zeigt sich einerseits dadurch, dass Herr X im Dezember 2014 in Kontakt mit dem Finanzamt Österreich war; auch wenn Gegenstand dieses Gesprächs die Begleichung von Abgabenrückständen war, so zeigte sich für Herrn X, dass die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Abgabenrückstände den bisherigen Angaben von Herrn P entsprachen. Dies insofern, dass im Vorfeld mehrfach Zahlungen verspätet geleistet wurden, was von Herrn P gegenüber den Geschäftsführern und Herrn V kommuniziert wurde. Somit zeigt sich, dass die Angaben von Herrn P bis zu diesem Zeitpunkt zutrafen, sodass dies für Herrn X kein Anlass sein musste, die Überwachungsmaßnahmen zu intensivieren. Dass kein Anlass von zu intensivierenden Überwachungsmaßnahmen bestand, ergab sich für Herrn X auch dadurch, dass er regelmäßig in Kontakt mit Herrn G und Herrn V war - Gesprächsthema war hierbei mehrfach die angespannte Finanz- und Wirtschaftslage der beiden Gesellschaften einschließlich bestehender Abgabenrückstände. Auch wenn Herr X zum Beispiel gegen Ende 2014 Einsicht in die Steuerkonten genommen hat, dann hat dies nur zu einer Bestätigung seiner bisherigen Informationslage geführt.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die primäre Ursache der Insolvenz der F.GmbH und der H.GmbH in der wirtschaftlichen Schieflage der deutschen Konzerngesellschaften liegt. Auskunftsgemäß war dies für Herrn X zunächst nicht erkennbar, zumal Herr X nicht in die Geschäftsführung der (deutschen) Konzerngesellschaften eingebunden war.

Sollten demnach Gläubiger ungleich behandelt worden sein (ob dies tatsächlich zutrifft, kann durch Herrn X mangels Zugang zu den erforderlichen Unterlagen nicht mehr rekonstruiert werden - auf Basis von Erfahrungswerten kann aber durchaus bezweifelt werden, dass mit umfassenderen Kontrollhandlungen im Jahr 2015 eine vollständige Entrichtung der Abgaben möglich gewesen wäre, was aufgrund von mehrfach verspäteten Entrichtungen und Zahlungserleichterungen der Behörde auch amtsbekannt ist), dann trifft damit Herrn X aus Ex-ante-Perspektive keine fahrlässige Verletzung der Überwachungspflichten des Prokuristen, die eine Inanspruchnahme im Wege der Haftung sachlich begründet erscheinen lasse.

3.2. Ermessensentscheidung

Sollte entgegen unserer Auffassung dennoch eine schuldhafte Pflichtverletzung von Herrn X erblickt werden, ist weiters zu berücksichtigen, dass eine Haftungsinanspruchnahme bei mehreren Vertretern eine Ermessensentscheidung dahingehend darstellt, welcher der in Frage kommenden Vertreter zur Haftung herangezogen wird. Kommen wie im zu Grunde liegenden Fall mehrere Vertreter in Betracht, dann ist hierbei unter anderem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen und der Grad des Verschuldens des Vertreters zu berücksichtigen. Die Ermessensausübung ist zu begründen und hierbei sind die maßgeblichen Umstände und Erwägungen aufzuzeigen (Ritz/Koran, BAO7 § 7 Rz 7 und § 93 Rz 13 mit Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH). Diese Begründung hat zwingend so zu erfolgen, dass die Entscheidung der Behörde zum Schutz vor Willkür und der rechtsstaatlichen Kontrolle in Hinblick auf die Richtigkeit der Ermessensentscheidung nachgeprüft werden kann (Ritz/Koran, BAO7 § 93 Rz 13).

Eine solch notwendige Begründung der Ermessensentscheidung unterblieb sowohl im Haftungsbescheid vom als auch im Haftungsbescheid vom sowie in den hierzu ergangenen Beschwerdevorentscheidungen. Es wurde im Haftungsbescheid vom als auch im Haftungsbescheid vom lediglich ausgeführt, dass es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handle und dass hierfür die Kriterien des § 20 BAO anzuwenden seien. Abschließend wurde pauschal ausgeführt, dass alle erforderliche Mittel zur Geltendmachung des Abgabenanspruches zu ergreifen seien.

Vielmehr wäre darzulegen gewesen, warum die Haftung gegenüber Herrn X und nicht gegenüber Herrn G geltend gemacht wurde. In der Ermessensentscheidung wäre hierbei zu begründen gewesen, wieso Herrn X im Vergleich zu Herrn G - sofern überhaupt ein Verschulden bei beiden Personen vorliegt - ein höherer Grad des Verschuldens trifft.

Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass Herr G in die gesamte Konzerntätigkeit wesentlich stärker eingebunden war, und damit Herr G in kaufmännischen Angelegenheiten des gesamten Konzerns, insbesondere in Finanzierungsfragen der englischen Konzernmutter einen wesentlich stärkeren Einblick als Herr X hatte. Herr G hatte im Unterschied zu Herr X Zugang zu bzw. Kontakt mit den Entscheidungsträgern der die Gruppe finanzierenden E Aus diesem Umstand war für Herrn X als Geschäftsführungskollegen damit jedenfalls erst später eine wirtschaftliche Schieflage, die zur Zahlungsunfähigkeit führt, und ein allenfalls damit verbundenes höheres Kontrollerfordernis gegenüber dem Prokuristen erkennbar.

Weiters zeigt die derzeitige finanzielle und wirtschaftliche Lage von Herrn X, dass dieser nicht im Stande ist, die in den Haftungsbescheiden genannten Haftungsbeträge in vollständiger Höhe zu entrichten, was bereits im Zeitpunkt des Ergehens der Haftungsbescheide der Fall war.

Da eine solche Begründung der Ermessensentscheidung dahingehend, warum Herrn X zur Haftung herangezogen wird, unterblieb und für Herrn X damit keine Überprüfung der Ermessensentscheidung möglich ist, liegt ein Begründungsmangel vor, weshalb wir die Aufhebung des Haftungsbescheides vom . Hätte das Finanzamt Österreich in seiner Ermessensentscheidung die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse von Herrn X sowie die nicht vorliegende konzernweite Vernetzung von Herrn X und damit das Nichtwissen über Finanzierungsüberlegungen/-entscheidungen der englischen Konzernmuttergesellschaft in die Ermessensentscheidung einbezogen, dann sprechen -vorbehaltlich ergänzender amtswegiger Beweisaufnahmen - unseres Ermessens wesentliche Gründe gegen eine Haftungsinanspruchnahme von Herrn X.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass nur einer der beiden Geschäftsführer in Österreich wohnhaft ist und somit der Haftungsbescheid gegenüber diesem erlassen wird, die vorgenommene Ermessensausübung unseres Erachtens nicht begründen kann, insbesondere aufgrund der Ansässigkeit des zweiten Geschäftsführers in der benachbarten Schweiz mit den vorliegenden Amtshilfe- und Vollstreckungsabkommen."

Es wurde beantragt, den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.
Beantragt wurde auch die Entscheidung durch einen Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dem Vorlageantrag beigelegt wurden u.a.:
1. eine E-Mail des Bf. an V und P vom mit folgendem Wortlaut:
"Sg. Kollegen,
ich hatte soeben Besuch von Hrn.
T vom Finanzamt. Folgende Zahlungen müssen wir einplanen bzw. durchführen:
F.GmbH:
…..
H.GmbH:
- USt 10/2014 hat er gemeint bis , da müssen wir ihm am eine Zahlungsbestätigung schicken.
- Offenen Restbetrag bis Mitte/Ende Jänner 2015
…."

2. eine E-Mail des V an P vom (in Kopie an G und den Bf.) mit folgendem Wortlaut:
"Hallo Herr P,
bitte verwenden Sie 500k aus dem Holding Guthaben an die
F.GmbH / H.GmbH AT zur Zahlung der morgen fälligen Steuern.
Da auch diese Woche keine Zahlung an die
Group.GmbH erfolgen kann, zahlen Sie bitte 450k aus der Holding an die Group.GmbH in Form einer Kapitaleinlage.
Alles weitere dann täglich in der Abstimmung.
….."

3. eine E-Mail des V an G vom (in Kopie an den Bf.) mit folgendem Wortlaut:
"Hallo G,
zur info vor deinem Urlaub :
In meinem wöchentlichen Call mit
P sind wir die Cash Planung bis 31.03. durchgegangen.
- die
Group.GmbH braucht HEUTE die 90k - wird heute von der Holding vorfinanziert und dann morgen / übermorgen von AT zurückgeführt
- der Zahlungsplan mit dem Finanzamt sieht einen quasi Standstill bis 23. März vor - dann kommen die 3-4 Häuser / Woche auch als Cash rein.
- die Gehälter Februar in Graz sind berücksichtigt, es sind derzeit 2 komplette Montagetrupps in Wintergeld abgemeldet was die Kosten senkt.
- die Einzahlungen
Z sollen nun definitiv bestätigt sein und bis 27. Februar vollständig eingehen (jetzt noch 250k cash inflow ). Lieferanten werden geschoben !
-
O ist mit NULL im Cash Plan vorgesehen - keine Auszahlungen ausser Prov M, keine Einnahmen.
- keine Zahlungen für die BKS eingeplant (Zahlungsplan mit 10k plus Zinsen könnte im März fällig werden, offen ?!?)
Zusammenfassung:
Es bleibt noch 5 Wochen sehr sehr eng, aber vorausgesetzt dass keine a.o. Zahlungen plötzlich notwendig werden, kommen wir irgendwie durch.
"

4. eine E-Mail des P an V vom (in Kopie an G und den Bf.) mit folgendem Wortlaut:
"Sehr geehrter Hr. V!
Nach dem Gespräch heute habe ich zugestimmt die Eingänge der nächsten Tage offenzulegen und entsprechend der Höhe an das Finanzamt in gewissem Umfang weiterzuleiten. Beide Herren des Finanzamts wurden von mir schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt. Des weiteren wurde Hr.
X und Fr. F über diese Vereinbarung schriftlich informiert. Sollten diese Zahlungen entsprechend der nun getroffenen Ankündigung beim Finanzamt eingehen sind keine weiteren Schritte seitens der Behörde zu erwarten. Dies ist die letztmögliche Adaptierung.
In der Beilage übermittle ich das email an das Finanzamt zur Kenntnisnahme
…."

In der mündlichen Verhandlung am führte der Bf. aus, seinen Dienstvertrag mit der F.GmbH habe der Geschäftsführer G abgeschlossen. Dieser habe seinen Wohnsitz in der Schweiz gehabt und sich nur tageweise in Deutschland und in Österreich aufgehalten. Die Group.GmbH habe mit der Eigentümerin E S.a.r.l. (Luxemburg) den Restrukturierungsprozess begleitet und die finanziellen Angelegenheiten abgeklärt.
Dem Bf. sei kommuniziert worden, dass er für den Verkauf und die Steigerung der Verkaufszahlen zuständig sei. Neben ihm sei ein Verantwortlicher für den technischen Bereich angestellt gewesen. P, der bei der Group.GmbH angestellt war, aber am Firmensitz in Graz tätig war, sei für die finanziellen Angelegenheiten der H.GmbH und der F.GmbH zuständig gewesen. Die Aufgabe des G sei es gewesen, die Entwicklung des Unternehmens voranzutreiben, so wurde z.B. auch eine Gesellschaft in der Schweiz gegründet, die als weiterer Absatzmarkt ins Auge gefasst wurde.

Der steuerliche Vertreter des Bf. führte aus, der Bf. sei mit dem Vertriebsbereich vollkommen ausgelastet gewesen. Es sei realitätsfern, anzunehmen, dass er auch noch für die abgabenrechtlichen Angelegenheiten Zeit gefunden hätte. Auch aufgrund seiner Stellung als neu bestellter Geschäftsführer gegenüber dem etablierten Geschäftsführer G habe er nicht in die finanziellen Belange der Gesellschaften eingreifen können.
Dazu werde Mailverkehr zwischen P und G vorgelegt, woraus die Stellung des Bf. im Unternehmen abgeleitet werden könne. Es sei ersichtlich, dass sämtliche finanziellen Entscheidungen von G getroffen wurden. Der Bf. habe auch nie Bankvollmacht gehabt oder Abgabenerklärungen unterfertigt.

Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, aus dem vorliegenden Mailvermehr gehe hervor, dass P von G direkt berufen wurde. Umso mehr hätte der Bf. die Tätigkeit des Prokuristen kontrollieren müssen. Das Argument, er hätte gegen G nicht auftreten können, hätte ihn zum Rücktritt von seiner Geschäftsführertätigkeit veranlassen müssen. Der Bf. sei in den Mails immer CC informiert worden, habe selbst jedoch nie die Initiative ergriffen, eine Überprüfung der ab Oktober 2014 immer schlechter werdenden wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften in Angriff zu nehmen. Er beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der steuerliche Vertreter des Bf. erwiderte, die finanzielle Verantwortung für die Gesellschaften sei ausschließlich bei der Muttergesellschaft E gelegen. Es sei von vorne herein klar gewesen, dass eine Restrukturierung nur mit deren finanzieller Hilfe erfolgreich sein werde. Die E habe Anfang 2015 jedoch nach einer desaströsen Bilanz einer deutschen Gesellschaft die Reißleine gezogen und keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Es stelle sich die Frage, wie sich der Bf. hätte absichern sollen. Es erscheine lebensfremd, dass er einen externen Fachmann zuziehen hätte müssen, um die Arbeit des Prokuristen zu überprüfen.

Das Finanzamt habe den Eindruck erweckt, die Haftung gegen den Bf. sei in einem überschießenden Maß geltend gemacht worden, dies auch in Bezug auf seine derzeitigen Einkommensverhältnisse.
Der steuerliche Vertreter beantragte die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (siehe mit Verweis auf Vorjudikatur).

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der aushaftenden Umsatzsteuer bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Zu den Pflichten eines Geschäftsführers einer Gesellschaft gehört in jenem Zeitraum, in welchem er die Vertreterstellung innehatte, nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Nach der Aktenlage war der Bf. seit Datum neben G (seit Datum) bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens am Datum handelsrechtliche Geschäftsführer der H.GmbH (Auszug aus dem Firmenbuch FN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt es für die Beurteilung der Verschuldensfrage darauf an, welcher Geschäftsführer mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten befasst gewesen ist (VwGH vS , 91/13/0037).
Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist auch er haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (siehe , mit Verweis auf Vorjudikatur).

Die Frage, ob eine den Geschäftsführer entlastende Agendenaufteilung bestanden hat, ist von der Abgabenbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung zu beantworten ().

Der Bf. brachte dazu in den Vorhaltsbeantwortungen vom und vor, er habe im Dezember 2013 seine Tätigkeit als Vertriebsleiter der F.GmbH und der H.GmbH in Österreich begonnen. Nach dem Ausscheiden des damaligen Geschäftsführers B sei er im April 2014 [Anm.: neben dem bereits ein Jahr zuvor zum Geschäftsführer bestellten G] zum Geschäftsführer beider GmbHs bestellt worden.

Der im Zuge des Ergänzungsverfahrens vorgelegte Dienstvertrag lautet auszugsweise:
"Der Dienstnehmer tritt mit Wirkung ab als Leiter des Vertriebs Österreich in den Dienst des Dienstgebers ein. Damit ist insbesondere die Aufgabe verbunden den Vertrieb von gewerblichen Objekten und Bauelementen aufzubauen, sowie die Vertriebsleitung von Einfamilienhäusern in Österreich zu verantworten. …..
Es ist vorgesehen den Dienstnehmer im Laufe des ersten Quartals 2014 die Geschäftsführung des Dienstgebers zu übertragen. …..
1. Der Dienstnehmer verpflichtet sich, alle mit diesem Aufgabengebiet in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sowie darüber hinaus im Bedarfsfall andere, verwandte Tätigkeiten nach den Weisungen des Dienstgebers zu verrichten. …..
6. Die Befugnisse des Dienstnehmers zur Ausübung seiner Aufgaben sind in der Geschäftsordnung des Dienstgebers sowie in schriftlichen, aufgabenbezogenen Richtlinien festgelegt. Insbesondere sind die Befugnisse zu Preisfestsetzungen, Abgabe für das Unternehmen bindender Erklärungen zu Nachlässen, Aktionen und Gutschriften jeder Art, Abschluss von Verträgen mit Handelsvertretern und Kunden geregelt. ….."

Eine interne Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern X und G hinsichtlich der Besorgung der abgabenrechtlichen Angelegenheiten bestand weder in schriftlicher Form (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ) noch war eine solche durch mündliche Absprache geregelt.

Aufgrund der Unternehmensstruktur (100% Gesellschafterin der H.GmbH war die Group.GmbH, G war sowohl Geschäftsführer der H.GmbH als auch der Group.GmbH), des im Dienstvertrag festgelegten und nach der Bestellung zum Geschäftsführer nicht geänderten Aufgabenbereiches des Bf. (Vertrieb von Einfamilienhäusern und gewerblichen Objekten) sowie der Anstellung des für die abgabenrechtlichen Belange der H.GmbH zuständigen Prokuristen P durch die Geschäftsführer der Group.GmbH ist nach Ansicht des Senates davon auszugehen, dass der Bf. mit den abgabenrechtlichen Angelegenheiten der Primärschuldnerin nicht betraut war.
Auch das Vorbringen des Bf. in der Vorhaltsbeantwortung, G habe in Gesprächen mit dem Bf. mehrmals angesprochen, sich zusammen mit V um die finanziellen Angelegenheiten der Unternehmensgruppe zu kümmern, ist glaubhaft, weist doch der Verantwortungsbereich "strategische Planung" mit der finanziellen Lage der Gesellschaft mehr Berührungspunkte auf als der vom Bf. betreute Bereich Vertrieb/Montage/Personal. Darüber hinaus war G als Geschäftsführer der Muttergesellschaft Group.GmbH stärker in die Abstimmung der finanziellen Belange der Unternehmensgruppe eingebunden (siehe Mail vom von V an G: "Hallo G, zur Info vor deinem Urlaub …").

Im vorliegenden Fall war daher G für die abgabenrechtlichen Belange der H.GmbH verantwortlich; da dieser Bereich vom Prokuristen P abgedeckt wurde, war grundsätzlich G als Geschäftsführer verpflichtet, die Tätigkeit des Prokuristen zu überwachen.
Beim Prokuristen handelt es sich um keine zur Vertretung juristischer Personen berufene Person im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Geschäftsführer einer GmbH einen mit den steuerlichen Agenden betrauten Prokuristen zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. z.B. ).

Eine Überwachungspflicht traf den Bf. daher nach der oben zitierten VwGH-Judikatur nur, wenn ein Anlass vorlag, an der ordnungsmäßen Ausführung der abgabenrechtlichen Aufgaben, wozu insbesondere die Entrichtung der Abgaben zählt, zu zweifeln.

Ein solcher Anlassfall trat ein, als die Primärschuldnerin am von einem Einhebungsorgan des Finanzamtes besucht wurde und der Beamte den Bf. auf offensichtlich nicht entrichtete Abgaben der H.GmbH aufmerksam machte. Aus dem vom Bf. an den Prokuristen verfassten Mail vom geht hervor, dass bis eine Zahlungsbestätigung hinsichtlich der Umsatzsteuer 10/2014 vorzulegen sei und die Entrichtung des offenen Restbetrages (zu diesem Zeitpunkt 61.182,89 €) bis Mitte /Ende Jänner erfolgen müsse.
Dem Bf. war spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht nur die ihm mit Mails von V und P laufend zur Kenntnis gebrachte schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft bekannt, sondern darüber hinaus, dass Abgaben aushafteten, die von der Muttergesellschaft bei Fälligkeit entgegen seiner Auffassung nicht abgedeckt worden waren. Der Bf. hatte daher ab diesem Zeitpunkt der (rechtzeitigen) Entrichtung der Abgaben durch die Primärschuldnerin erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.

Am wurde am Abgabenkonto der H.GmbH ein Betrag in der Höhe von 115.447,49 € einbezahlt, der nicht nur sämtliche aushaftende Abgaben sowie die Umsatzsteuer 10/2014 abdeckte, sondern darüber hinaus am Abgabenkonto zu einem Guthaben in der Höhe von ca. 1.700 € führte. Dieses Guthaben vergrößerte sich mit der Verbuchung der Umsatzsteuer 01/15 am auf 3.665,77 €. Eine Rückzahlung des Guthabens wurde nicht beantragt.
Erst die mit der Umsatzsteuervoranmeldung 02/2015 bekannt gegebene Zahllast von 52.003,40 €, fällig am , ließ wiederum einen Rückstand am Abgabenkonto in der Höhe von 48.337,63 € entstehen.

Zwischen dem Prokuristen P und den beiden Geschäftsführern fand eine ständige Kommunikation über die finanziellen Angelegenheiten sowohl der F.GmbH als auch der H.GmbH, insbesondere über die Versuche, die finanzielle Lage der Gesellschaften zu stabilisieren und den abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, statt.
Die von der Rechtsprechung geforderte "Überwachungspflicht" des Prokuristen war daher im vorliegenden Fall durch die laufende Information der Geschäftsführer durch P und V über die Höhe der Abgabenverbindlichkeiten, der von letzteren vorgenommenen "Cash-Planung", der Besprechungen mit dem Finanzamt sowie der Einholung der Zustimmung zur Transferierung von Geld der Holding zu den GmbHs zur Entrichtung der Löhne und Abgaben abgeschwächt.

Da die Abgabenschuld am zur Gänze entrichtet wurde und das Abgabenkonto bis Mitte April ein Guthaben aufwies, war der Bf. als für die abgabenrechtlichen Belange nicht zuständiger Geschäftsführer nach Ansicht des Senates nicht verpflichtet, gleichsam täglich die Ein- und Ausgänge der Gesellschaft zu überprüfen sowie darauf zu achten, dass die Abgabenverbindlichkeiten im gleichen Ausmaß wie die übrigen Verbindlichkeiten entrichtet wurden.
Aufgrund der ihm allerdings bekannten schlechten wirtschaftlichen Lage geht der Senat davon aus, dass angesichts des Guthabens am Abgabenkonto bis Mitte April 2015 eine monatliche Überprüfung dahingehend, ob Abgabenrückstände bestehen, ausreichend war.

Dem Vorbringen des Finanzamtes, es seien vom (Fälligkeit der Umsatzsteuer 02/2015) bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Datum über 500.000 € Umsätze erzielt worden, ist entgegen zu halten, dass nach dem in der mündlichen Verhandlung vom Bf. vorgelegten Schriftverkehr G bereits am (5 Tage nach Fälligkeit der Umsatzsteuer) dem Prokuristen (und CC dem Bf.) mitteilte, "nach juristischer Beratung befinden wir uns in der Insolvenzgestion" und weiter ausführte: "Sollte die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft bis zum 28. April nicht gesichert sein, werde ich als Geschäftsführer eine Betriebsversammlung abhalten und im notwendigen Umfang alle Betroffenen informieren."
Am Datum wurde über die GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Nach Ansicht des Senates kann dem Bf. nicht als Überwachungsverschulden angelastet werden, dass die am fällige Umsatzsteuer 02/2015 aus der laufenden Geschäftstätigkeit nicht mehr finanziert werden konnte und auch die Group.GmbH bzw. die Muttergesellschaft E nicht mehr finanziell einspringen und den Rückstand abdecken konnte oder wollte. Wird bereits 5 Tage nach Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe und in dieser Zeit eingeholter juristischer Beratung eine Insolvenz der Gesellschaft in Aussicht genommen und nicht einmal ein Monat nach Fälligkeit über die Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet, ist nach Ansicht des Senates dem technischen Geschäftsführer eine derart intensive Überwachung des Prokuristen, die auf eine tägliche Überprüfung der Einnahmen und Ausgaben hinausliefe, nicht zumutbar. Die sofortige Reaktion der Geschäftsführung auf den nicht mehr zu begleichenden Rückstand am Abgabenkonto enthob den Bf. auch von der Verpflichtung, seine Geschäftsführungstätigkeit von sich aus zu beenden.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der Beweiswürdigung des Senates sowie der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100213.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at