Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2024, RV/2100739/2020

Verspätete Einbringung der Beschwerde nicht feststellbar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA***, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Umsatzsteuer 1/2013 bis 6/2015 (Erstattung von Vorsteuern), Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. Nr. II 222/2009 (389/2010) erfolgt für die angefochtenen Zeiträume in Höhe der ursprünglich laut Erstbescheiden festgesetzten Beträge:
für 1-3/2013 mit insgesamt - € 33.232,68
für 4-6/2013 mit insgesamt - € 52.242,60
für 7-9/2013 mit insgesamt - € 91.878,80
für 10-12/2013 mit insgesamt - € 116.882,47
für 1-3/2014 mit insgesamt - € 139.085,27
für 4-6/2014 mit insgesamt - € 129.104,54
für 7-9/2014 mit insgesamt - € 110.199,10
für 10-12/2014 mit insgesamt - € 104.617,86
für 1-3/2015 mit insgesamt - € 73.158,54
für 4-6/2015 mit insgesamt - € 69.380,14

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF) ist im internationalen Gütertransport tätig und hat ihren Sitz in Litauen. Im Zuge der Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum 1/2013 - 6/2015 (Prüfbericht vom ) wurde festgestellt, dass in Österreich Kraftfahrzeuge betankt wurden und für diese auch Maut verrechnet wurde, obwohl sie auf der vom Unternehmen vorgelegten Fuhrparkliste nicht aufscheinen. Davon war der Großteil der beantragten Vorsteuererstattung betroffen. Da im Außenprüfungsverfahren nicht nachgewiesen wurde, dass bei diesen Fahrzeugen die Betankungen bzw. die Verrechnung der Maut für das geprüfte Unternehmen erfolgte, wurde die Vorsteuer für den Zeitraum 1/2013 - 6/2015 anteilig gekürzt.

Daraufhin kam es zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 BAO, in welchem für den Zeitraum 1/2013 - 6/2015 neue Sachentscheidungen vom ergingen. Diese wurden am elektronisch durch EDV an das Ansässigkeitsportal der Bf in Litauen versandt.

Mit faxte die Beschwerdeführerin (Bf) an das ***FA*** ein Schreiben vom in englischer Sprache. Darin beschwerte sie sich gegen die Kürzung der Vorsteuerbeträge und nahm Bezug auf den Prüfbericht vom und führte aus, dass sie alle notwendigen Unterlagen bereitstellen werde.

Das ***FA*** nahm das Schreiben daraufhin als Beschwerde gegen die Sachbescheide in Bearbeitung und ersuchte die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom um Übermittlung der Unterlagen bis zum . Nach Verstreichen der Frist zur Übermittlung der Unterlagen wurden abweisende Beschwerdevorentscheidungen vom mit der Begründung erlassen, dass "nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die iZm der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten. Im Zuge der Beschwerdeerledigung wurde die Bf aufgefordert, die Fahrzeugpapiere für die Kraftfahrzeuge, die nicht in der Fuhrparkliste aufscheinen, vorzulegen und darzulegen, inwieweit die Betankungen und die Maut für diese Fahrzeuge mit ihrem Unternehmen zusammenhängen.
Trotz Aufforderung wurden die erforderlichen Unterlagen nicht beigebracht, daher wurde die Beschwerde abgewiesen."

Die Beschwerdevorentscheidungen wurden am elektronisch durch EDV versandt. Am meldete sich die steuerliche Beratung der Beschwerdeführerin fernmündlich beim ***FA*** und brachte vor, die Beschwerdevorentscheidungen nicht erhalten zu haben. Die Beschwerdevorentscheidungen für 1/2013 - 6/2015 wurden daraufhin am an die deutsche Faxnummer des Steuerberaters der Beschwerdeführerin gefaxt.

Am langte dann der Vorlageantrag vom beim ***FA*** ein. Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin bringt darin vor, dass es aufgrund von sprachlichen Problemen zu Missverständnissen gekommen sei, daher sei die Fuhrparkliste nur für die neu eingekauften Fahrzeuge vorgelegt worden, die Liste habe nur aus den Zugängen der Fahrzeugflotte der Beschwerdeführerin bestanden. Die Fahrzeugpapiere und Fahrzeuglisten wurden nunmehr gesondert vollständig übermittelt.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt Stellung nehmend aus, dass im Zuge der Erledigung der Vorlage festgestellt worden sei, dass ursprünglich die Beschwerdefrist gegen die angefochtenen Bescheide schon abgelaufen war, da keine Fristverlängerungsanträge gestellt wurden:
"Dies hat das Finanzamt übersehen und war davon ausgegangen, dass Fristverlängerungsanträge vorliegen.
Sieht man davon ab, dass bereits die Beschwerde verspätet eingereicht worden ist, ist auch der Vorlageantrag verspätet, da die Beschwerdevorentscheidungen am elektronisch durch EDV versandt wurden. Nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 174/2010 gilt die Zustellung des Bescheides mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt wurde (vgl § 3 Abs. 3 der V BGBl 279/1995 idF BGBl II 174/2010; UStR 2838 idF AÖF 243/2010).
Dieser Nachweis ist aber nicht erfolgt. Der Bescheid wird an die Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates auf demselben elektronischen Weg übermittelt, wie der Erstattungsantrag bei der Finanzverwaltung im Erstattungsstaat eingelangt ist. Über die Art der Zustellung (über das elektronische Portal des Ansässigkeitsstaates oder in Papierform) entscheidet der Ansässigkeitsstaat. Jene Unternehmer, deren Ansässigkeitsstaaten es ablehnen, die Bescheide der österreichischen Finanzverwaltung zuzustellen, erhalten den Bescheid direkt an die im Erstattungsantrag angegebene E-Mail-Adresse zugestellt (vgl. § 3 Abs. 3 der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 174/2010).
Nach § 3 Abs. 3 der VO BGBl. Nr. 279/1995 können Bescheide im Erstattungsverfahren elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden. Die Zustellung kann auch mit E-Mail erfolgen. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend.
Dieser lautet: Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist. Der Beschwerdeführer hat in seinen Erstattungsanträgen jeweils eine E-Mail Adresse angegeben, weshalb davon auszugehen ist, dass die Zustellung mittels E-Mail bewirkt worden ist. Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Das BFG richtete an die Bf folgenden Vorhalt vom :
"In oben angeführter Beschwerdesache wird gebeten, zu folgenden Feststellungen bis spätestens Stellung zu nehmen und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen:
1. An Ihren vormals bevollmächtigten Vertreter …. in Deutschland wurde ein Vorhalt übermittelt, der als unzustellbar an das BFG rückübermittelt wurde.
2. Nach telefonischer Auskunft des Herrn …. (ehemals …. Stbg) besteht keine aufrechte Vertretungsvollmacht oder Zustellvollmacht für die …. Stbg bzw. deren Rechtsnachfolger. Es sei nunmehr eine litauische Firma mit der Vertretung beauftragt.
3. Sie werden daher aufgefordert, dem BFG eine gültige Vertretungsvollmacht und Zustellvollmacht vorzulegen (einschließlich deutscher Übersetzung).
4. Das Finanzamt führt im Vorlagebericht (welcher Ihnen bereits seitens des Finanzamtes zugesandt worden ist und nochmals beigelegt wird) aus, dass die Beschwerde vom (eingegangen am ) als verspätet zu werten ist, da nach der Aktenlage die angefochtenen Bescheide am elektronisch an die Beschwerdeführerin (BF) versandt wurden, was sich aus den Bescheiden entnehmen lässt.
5. Wann sind diese Bescheide bei der BF eingelangt und in welcher Form, schriftlich oder elektronisch? Bitte um die Vorlage von Nachweisen dazu.
6. Ebenso ist der Vorlageantrag als verspätet zu werten.
7. Sie werden aufgefordert, innerhalb der Frist zum Umstand der Verspätung Stellung zu nehmen samt Vorlage von entsprechenden Nachweisen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde und des Vorlageantrages.
8. Bitte beachten Sie, dass Amtssprache Deutsch ist und die Vorlage der Unterlagen in (beglaubigter) deutscher Übersetzung zu erfolgen hat.
9. Sollten innerhalb der Frist keine entsprechend aussagekräftigen Nachweise erfolgen, wird nach der Aktenlage vorgegangen und werden die Rechtsmittel als verspätet eingebracht zurückgewiesen."

Zum Vorhalt erfolgte trotz ausgewiesener Zustellung an die Bf mit Zustellnachweis (Rückschein vom ) innerhalb der gesetzten Frist weder ein Antrag auf Fristverlängerung noch eine Antwort.
Das BFG wies die Beschwerde daraufhin mit Beschluss vom gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurück.

Dagegen wurde seitens der Bf Beschwerde an den VfGH erhoben, deren Behandlung mit Beschluss vom (E 3416/2018-5) abgelehnt und eine Abtretung gemäß Art. 144 Abs. 3 und 4 B-VG an den VwGH beschlossen wurde (§ 19 Abs. 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).

Der VwGH hob den angefochtenen Beschluss vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf (). Dieses Erkenntnis des VwGH langte mit beim BFG ein.

Das BFG richtete im fortgesetzten Verfahren einen Vorhalt/Ergänzungsauftrag vom an die Amtspartei:
"Mit Erkenntnis vom (Ra 2019/15/0026), beim BFG eingelangt am , hat der VwGH den (betreffend Zurückweisung der Beschwerde als verspätet) wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensvorschriften aufgehoben und ab Rz 34 ff erkannt:
"34 Art. 12 der RL 2008/9/EG schreibt auch fest, dass der Mitgliedsstaat der Erstattung festlegt, in welcher Sprache oder welchen Sprachen das Erstattungsverfahren zu führen ist. Dies ist in Österreich in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelung die Amtssprache Deutsch (Art. 8 Abs. 1 B-VG).
35 Nach den Feststellungen des BFG wurden die gegenständlichen Bescheide jeweils "an das Ansässigkeitsportal der Revisionswerberin" elektronisch zugestellt.
36 Dies entspricht § 3 Abs. 3 ErstattungsVO, der allerdings - anders als für Zustellungen durch E-Mail - keine gesetzliche Vermutung darüber enthält, wann bei Zustellungen über das Ansässigkeitsportal die Zustellung in Litauen als bewirkt gilt.
37 In der Revisionsbeantwortung bringt das Finanzamt dazu vor, dass Österreich "der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates" seine Entscheidung "auf demselben elektronischen Weg" übermittle, wie es den Antrag übermittelt erhalten habe. Über die Art der Zustellung der rückübermittelten Erledigung an die Antragstellerin (über das elektronische Portal oder in Papierform) entscheide der Ansässigkeitsstaat. Jene Unternehmer, deren Ansässigkeitsstaaten es ablehnten, die Bescheide der österreichischen Finanzverwaltung zuzustellen, erhielten den Bescheid direkt an die im Erstattungsantrag angegebene E-Mail-Adresse zugestellt.
38
Damit räumt aber auch das Finanzamt ein, dass bei der revisionsgegenständlichen Übermittlung der Entscheidung über das elektronische Ansässigkeitsportal mit dieser nicht zwingend ein automatischer Zugang der Erledigung an den Empfänger verbunden ist, sondern der Abschluss der Zustellung an den Empfänger vom Ansässigkeitsstaat abhängt, wozu im angefochtenen Erkenntnis jedoch keinerlei Feststellungen getroffen wurden.
39 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß
§ 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben."

Das BFG hatte der Bf mit Vorhalt vom mit Zustellnachweis vorgehalten, dass die Beschwerde nach der Aktenlage als verspätet zu werten sei und und dass bei Nichtvorlage entsprechender Nachweise innerhalb der gesetzten Frist nach der Aktenlage die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen werde, was auch geschah, da die Bf sich nicht fristgerecht zum nachweislich zugestellten Vorhalt äußerte.

Der VwGH hat diese Vorgangsweise und Annahme des BFG (vgl. Rz 14f des VwGH-Erkenntnisses: "14 Die gegenständlichen Bescheide seien nach der Aktenlage sohin an das Ansässigkeitsportal der Revisionswerberin zugestellt worden. Auch der Annahme des Finanzamtes, dass eine Zustellung dieser Bescheide in weiterer Folge zeitnahe durch den Ansässigkeitsstaat an die Revisionswerberin erfolgt sei, sei die Revisionswerberin trotz Vorhalts nicht entgegen getreten. Es sei demnach davon auszugehen, dass entweder eine elektronische Zustellung unmittelbar an die Revisionswerberin (Erstbescheide ; Beschwerdevorentscheidungen ) erfolgt oder eine postalische Zustellung spätestens innerhalb einer Woche und damit spätestens mit bzw. erfolgt sei.
15 Die eingebrachten Rechtsmittel Beschwerde und Vorlageantrag erwiesen sich daher als verspätet, weil sie nicht innerhalb der Frist des
§ 245 Abs. 1 BAO bzw. § 264 Abs. 1 BAO beim Finanzamt eingelangt seien. Da von einer Zustellung der Sachbescheide spätestens mit und der Beschwerdevorentscheidungen mit auszugehen sei, sei die Beschwerde vom sowie der gegenständliche Vorlageantrag vom als weit nach der Einmonatsfrist eingebracht zu werten.")
offensichtlich als nicht ausreichend gewertet, sondern verlangt konkrete Feststellungen zum tatsächlichen Zustellvorgang in Litauen (vgl. Rz 38 des VwGH-Erkenntnisses).

Die Bf hat mit auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim BFG eingebracht und nun hier zum Vorhalt vom Stellung genommen.
Dazu legte die Bf Auszüge aus dem litauischen Finanzportal (Blge./10) vor mit gesonderter nachgereichter Übersetzung.
Aus diesen Unterlagen ist ersichtlich, dass an verschiedene E-Mail Adressen Mitteilungen an die Bf per Mail erfolgten, zeitnahe zu den elektronischen Zustellungen der Bescheide des
***FA*** an das Ansässigkeitsportal in Litauen.
zB. (neue Sach-)Bescheide vom , übermittelt an Ansässigkeitsportal ,
Mails vom von litauischer Finanzverwaltung an E-Mail Adressen zur Bf, die laut gegenständlicher Erstattungsanträge als Kontaktadressen angegeben waren.
zB. BVEs vom , übermittelt an Ansässigkeitsportal ,
Mails vom von litauischer Finanzverwaltung an E-Mail Adressen, die laut gegenständlicher Erstattungsanträge als Kontaktadressen angegeben waren.

Die Bf führte dazu aus, dass aus den beigelegten Auszügen nicht hervorgehe, ob tatsächlich die gegenständlichen Bescheide ergangen sind, oder nicht evtl. ein anderes Schreiben.
Für das BFG ist damit nicht erkennbar, wann die gegenständlichen Bescheide tatsächlich rechtswirksam an die Bf zugestellt worden sind.

Aus den Ausführungen und der Aktenlage ergibt sich, dass im Rahmen eines Amtshilfeersuchens mit Litauen abzuklären wäre, wann die gegenständlichen Vorsteuererstattungsanträge 01/2013 bis 06/2015 (10 Bescheide) und die 10 BVEs für den gleichen Zeitraum von Litauen rechtswirksam an die Bf zugestellt wurden (zweckmäßiger Weise wohl durch Beilage von Bescheidkopien).

Es wäre a) anzufragen und festzustellen, wie die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen in Litauen zur rechtswirksamen Zustellung im Vorsteuererstattungsverfahren lauten (es besteht Grund zur Annahme, dass eine dem § 21 Abs. 11 UStG 1994 bestehende Bestimmung besteht, wonach Zustellungen iZm der Erstattung von Vorsteuerbeträgen in einem anderen Mitgliedstaat elektronisch zu erfolgen haben);
b) wann genau und auf welche Weise (elektronisch durch Abruf der Bescheide im Ansässigkeitsportal, per Mail Benachrichtigung, per Brief -mit/ohne Zustellnachweis) die gegenständlichen Bescheide der Bf tatsächlich und rechtswirksam zugegangen sind.
Als Frist für die Beantwortung/Durchführung wird vorerst der vorgemerkt.

Nach mehrfachen Urgenzen des BFG beim FAÖ und Urgenzen des FAÖ mit Anfragen/Amtshilfeersuchen an Litauen langten Anfragebeantwortungen aus Litauen ein, welche der Bf mit Vorhalt vom zur Stellungnahme vorgehalten wurden:
"Sehr geehrte steuerliche Vertretung der Bf !
In Ihrer Beschwerdesache werden Sie ersucht, zu nachstehenden Ermittlungsergebnissen und den Ausführungen des Finanzamtes Österreich (FAÖ) vom bis spätestens Stellung zu nehmen und anhand von entsprechenden gegenteiligen Unterlagen die Ansicht des FAÖ, wonach die Zustellung in Litauen an die Bf. mit Einlangen im litauischen Portal bewirkt wurde, zu widerlegen.

1. Dem FAÖ wurde mit aufgetragen, im Rahmen eines Amtshilfeersuchens an Litauen abzuklären, wann die beschwerdegegenständlichen Bescheide rechtswirksam an die Bf. zugestellt wurden.

2. Zur Antwort aus Litauen vom informierte das FAÖ das BFG mit E-Mail:
Von: Amtspartei
Gesendet: Montag, 10:03
An: Richterin
Betreff:
***BF1StNr1***: ***Bf1*** Auskunftsersuchen Antwort Litauen
Sehr geehrte Frau …!
Leider etwas verspätet, aber ich darf Ihnen im Anhang die heute übermittelte Antwort der litauischen Behörde auf folgendes, über das CLO gestellte Auskunftsersuchen weiterleiten:

Auskunftsersuchen:
The lithuanian Company
***Bf1*** is applying for VAT refund in Austria. Due to a tax Audit the tax office in Austria issued new tax assessments for the period 01/2013-06/2015. This lead to additional charges as followed: - 01-03/2013: 27.782,52 Euro - 01-03/2014: 84.021,41 Euro - 01-03/2015: 33.908,98 Euro Against those tax assessments the Company issued complaints, which were rejected by the tax office reasoning that the complaints were not issued timely. This because the Service of process happened on 10th of May 2016 and the complaints were issued on 8th of July 2016. The appellant claimed that the Service of process was not taking place on the 10th of May 2016. The court ruled that there needed to be more determinations wheter when and in which way the Service of process was operated in Lithuania. The Information of the tax office was based on the Service of process to the Portal of the member state Lithuania. This leads to following Questions: - Which Legislation is applying to the Service of process in Lithuania (for tax assessments from tax Offices of member states)? - When and in which way was the Service of process taking place concerning the tax assessments 01/2013-06/2015?

Antwort: (mit Beilage, siehe OZ 13)
Pursuant to the Rules on the submission of Electronic Applications for refund of VAT payed in Other Member States of the European Union, approved by the Order No. VA-1 of the Head of the State Tax Inspectorate under the Ministry of Finance of the Republic of Lithuania on 5th of January 2010 "Approval of the Rules for the submission of electronic requests to refund the value added tax paid in other Member States of the European Union": 49 paragraph: Upon receipt by the State Tax Inspectorate of Vilnius County via EPRIS of the acknowledgement of receipt of the VAT Refund in the refunding Member State, the applicant (the applicant's representative) is automatically informed of the date of receipt of the VAT 1 Refund in the refunding Member State. Information for the applicant (applicant's representative) is provided on the EPRIS portal and/or by e-mail. 50 paragraph: Upon receipt by the State Tax Inspectorate of Vilnius County via EPRIS of the notification of Member State about the decision of refund the VAT, the applicant (the applicant's representative) is automatically informed about that decision of the Member State which refunds the VAT. Information for the applicant (applicant's representative) is provided on the EPRIS portal and/or by e-mail. 20 paragraph: EPRIS means of identification may not be applied, if: 20.1 paragraph: The Registration Application or Supplementary Application does not provide or indicates an inaccurate email address; Applications / EPRIS number / Notification number: - 01-03/2013: - 27.782,52 EUR - PVMGR_379612 - PVMSP10000000000000441729 - 01-03/2014: - 84.021,41 EUR - PVMGR_509889 - PVMSP10000000000000441733 - 01-03/2015: - 33.908,98 EUR - PVMGR_643212 - PVMSP10000000000000441737 Notifications about changes of the application status shall be sent to the taxpayer or his representative who submitted the document and to that email address provided at the time of application submission. Notifications are sent to e-mail only for the convenience of the taxpayer, and all the necessary information is placed in the EPRIS system, which can be seen having logged in to the system. The attached displays of decisions (according to EPRIS application numbers) show that all relevant information with attached decision documents is placed in the EPRIS system. The taxpayer can see all the necessary information by logging in to EPRIS."

3. Das BFG forderte eine ergänzende Anfrage zum tatsächlichen Zustellzeitpunkt der Bescheide an.
4. Das FAÖ stellte ein weiteres Auskunftsersuchen an Litauen mit (Beilage OZ 22)
5. Nach mehreren (zunächst erfolglosen) Urgenzen erfolgte aus Litauen eine Antwort vom (Beilage OZ 20).
6. Zu dieser nahm das FAÖ nach Aufforderung seitens des BFG wie folgt Stellung vom :
Von: Amtspartei
Gesendet: Dienstag, 08:05
An: Richterin
Betreff: AW: Anfrage ATCT Vat refund Postkorb - [Steuernummer…]… Bf (Litauen)

Sehr geehrte Frau … !
An die litauische Behörde wurden der Sachverhalt sowie die konkreten Fragen zur Zustellung der gegenständlichen Bescheide an die Beschwerdeführerin übermittelt. Nach mehrmaligen Ergänzungen und weiteren Urgenzen zur Beantwortung des Ersuchens der österreichischen Abgabenbehörde wurden die Fragen nunmehr dahingehend "beantwortet", als auf die Datumsangaben laut EPRIS verwiesen wurde.
Eine neuerliche Rückfrage bei der litauischen Behörde erscheint unter Berücksichtigung der bereits mehrmaligen Nachfrage und des Versuchs, die konkreten Fragen noch näher zu erläutern, nach Ansicht der Abgabenbehörde nicht zielführend.
Offenbar wird seitens der litauischen Behörde selbst vertreten, dass die Zustellung mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit (also 3 Stunden nach Einlangen) erfolgt ist:
In the EPRIS system, these messages are visible after about 3 hours (coming from ITIS-EU, to ITIS_EU coming from VIES).
Damit wäre der Bescheid betreffend das Jahr 2014 am sowie die Bescheide betreffend die Jahre 2013 und 2015 jeweils am wirksam zugestellt worden.
Nach Ansicht der Abgabenbehörde ist der Rechtsansicht des VwGH, wonach auf die Zustellung nach litauischem Recht hinsichtlich dieser Bescheide abzustellen ist, dahingehend Rechnung getragen, als auch nach mehrmaliger diesbezüglicher Nachfrage bei der litauischen Behörde von dieser selbst auf das Zustelldatum laut EPRIS abgestellt wird.
Es wäre sohin Aufgabe des Beschwerdeführers, nunmehr Beweise darzubringen, weshalb - entgegen der Auskunft der litauischen Behörde - dennoch auf ein anderes Zustelldatum abzustellen wäre. Unserer Ansicht nach erscheint es unwahrscheinlich, dass bei nochmaliger Nachfrage über das CLO eine andere Mitteilung durch die litauische Behörde erfolgen würde als bisher.
7. Die Bf. wird daher eingeladen, Beweise dahingehend vorzulegen, dass die verfahrensgegenständliche Beschwerde und der Vorlageantrag (entgegen der Schlussfolgerungen des FAÖ aus der Antwort zum litauischen Auskunftsersuchen) seitens der Bf. rechtzeitig eingebracht wurden."

Dazu erfolgte die Stellungnahme der steuerlichen Vertretung der Bf vom :

"Zum Vorhalt des zugestellt am , erstattet die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) fristgerecht nachfolgende
STELLUNGNAHME:
1. Einleitung
Mit dem eingangs erwähnten Vorhalt wurde der Bf. aufgetragen, in der Beschwerdesache (Beschwerde vom gegen die Bescheide des
***FA*** vom betreffend die Umsatzsteuer 1/2013 bis 6/2015), zu nachstehenden Ermittlungsergebnissen und den Ausführungen des Finanzamtes Österreich (FAÖ) vom bis spätestens Stellung zu nehmen und anhand von entsprechenden gegenteiligen Unterlagen die Ansicht des FAÖ, wonach die Zustellung in Litauen an die Bf. mit Einlangen im litauischen Portal bewirkt worden sei, zu widerlegen.

2. Zusammenfassung der Beweisergebnisse
2.1. Dem FAÖ wurde am aufgetragen, im Rahmen eines Amtshilfeersuchens an Litauen abzuklären, wann die beschwerdegegenständlichen Bescheide rechtswirksam an die Bf. zugestellt wurden.
Das Auskunftsersuchen des FAÖ an die litauische Steuerbehörde beinhaltet im Wesentlichen die Frage, welche Gesetzgebung für die Zustellung in Litauen (konkret für Steuerbescheide von Finanzämtern der Mitgliedsstaaten) gelte. Weiters ersuchte die Abgabenbehörde um Auskunft, wann und in welcher Form die Zustellung der Steuerbescheide 01/2013- 06/2015 erfolgte.
2.2. In ihrer Rückäußerung (Anmerkung1: Übersetzung aus dem englischen Original durch den Verfasser) vom bezieht sich die Behörde aus Litauen zunächst auf die einschlägige innerstaatliche Bestimmung über die Einreichung von elektronischen Anträgen auf Erstattung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gezahlten Mehrwertsteuer, wonach gemäß § 49 der konkreten litauischen Verordnung der Antragsteller (der Vertreter des Antragstellers) automatisch über das Datum des Eingangs der Mehrwertsteuererstattung im Erstattungsmitgliedstaat informiert werde, sobald die staatliche Steuerinspektion des Bezirks Vilnius über EPRIS die Empfangsbestätigung für die Mehrwertsteuererstattung im Erstattungsmitgliedstaat erhalten habe. Die Informationen für den Antragsteller (den Vertreter des Antragstellers) würden über das EPRIS-Portal und/oder per E-Mail bereitgestellt werden.
Die beigefügte Übersicht der Entscheidungen (nach EPRIS-Antragsnummern) zeige, dass alle entsprechenden Informationen mit den beigefügten Entscheidungsunterlagen in das EPRIS-System eingegeben werden. Der Steuerzahler könne alle notwendigen Informationen einsehen, indem er sich bei EPRIS anmeldet.
2.3. Diese Rückäußerung der Behörde aus Litauen vom hat das FAÖ an das BFG übermittelt. Allerdings hat das BFG eine ergänzende Anfrage zum tatsächlichen Zustellzeitpunkt der Bescheide angefordert.
Das FAÖ stellte daher am ein weiteres Auskunftsersuchen an Litauen.
Schließlich erfolgte eine weitere Antwort der litauischen Behörde am (Beilage OZ 20), die jedoch wiederum keine konkreten Angaben zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung enthält. Es wird lediglich angemerkt, dass die Meldungen im EPRIS System nach etwa drei Stunden sichtbar seien.
2.4. Zu dieser abschließenden Auskunft der litauischen Behörde nahm das FAÖ nach Aufforderung seitens des BFG Stellung und interpretierte die erhaltene Auskunft dahingehend, dass seitens der Behörde aus Litauen auf die Datumsangaben laut EPRIS verwiesen worden sei. Eine neuerliche Rückfrage bei der litauischen Behörde erscheine laut Auffassung des FAÖ unter Berücksichtigung der bereits mehrmaligen Nachfrage und des Versuchs, die konkreten Fragen noch näher zu erläutern, nicht zielführend. Daher dürfte eine weitere Anfrage nicht durchgeführt worden sein.
Laut Ansicht der Abgabenbehörde werde seitens der litauischen Behörde selbst vertreten, dass die Zustellung mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit (also drei Stunden nach Einlangen) erfolgt sei.
Aus der Sichtbarkeit von drei Stunden leitet das FAÖ schließlich ab, dass der Bescheid betreffend das Jahr 2014 am sowie die Bescheide betreffend die Jahre 2013 und 2015 jeweils am wirksam zugestellt worden seien.
Nach Ansicht der Abgabenbehörde sei der Rechtsansicht des VwGH, wonach auf die Zustellung nach litauischem Recht hinsichtlich dieser Bescheide abzustellen sei, dahingehend Rechnung getragen worden, als auch nach mehrmaliger diesbezüglicher Nachfrage bei der litauischen Behörde von dieser selbst auf das Zustelldatum laut EPRIS abgestellt werde. Schließlich vermeint das FAÖ, dass es Aufgabe der Bf. sei, nunmehr Beweise darzubringen, weshalb entgegen der Auskunft der litauischen Behörde - dennoch auf ein anderes Zustelldatum abzustellen wäre.
Auf Grundlage dieser Einschätzung der Abgabenbehörde ist der gegenständliche Vorhalt des BFG ergangen.
3. Stellungnahme zu den Beweisergebnissen
3.1. Vorauszuschicken ist, dass der VwGH in seinem verfahrensgegenständlichen Erkenntnis vom darauf hingewiesen hat, dass durch § 3 Abs 3 ErstattungsVO die Form der Zustellung für Bescheide im Erstattungsverfahren derart geregelt sei, dass diese Bescheide auch "elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden" [können]. Alternativ werde zudem die Zustellung "mit E-Mail" erlaubt, wobei "die Zustellung des E-Mails ... mit dessen Absendung als bewirkt [gilt], ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist."
3.2. Diese Regelung - so der VwGH weiter - entspreche der
RL 2008/9/EG, die in Art 7 lediglich für den Erstattungsantrag eine Einreichung über das elektronische Portal des Ansässigkeitsstaates verlange, in dem nach Art 8 Abs 1 lit b RL 2008/9/EG auch eine "Adresse für die elektronische Kommunikation" angegeben sein müsse. Für die weitere Kommunikation mit dem Antragsteller lege die RL 2008/9/EG in der Folge nur mehr fest, dass diese "auf elektronischem Wege" zu erfolgen habe (Anmerkung2: Vgl. etwa Art. 10 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2008/9/EG).
3.3. Im Hinblick auf die elektronische Zustellung der Bescheide an das Ansässigkeitsportal weist der VwGH darauf hin, dass dies § 3 Abs 3 ErstattungsVO entspreche, der allerdings - anders als für Zustellungen durch E-Mail - keine gesetzliche Vermutung darüber enthalte, wann bei Zustellungen über das Ansässigkeitsportal die Zustellung in Litauen als bewirkt gelte.
3.4. Laut der Abgabenbehörde übermittle Österreich der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates seine Entscheidung auf demselben elektronischen Weg, wie es den Antrag übermittelt erhalten habe. Über die Art der Zustellung der rückübermittelten Erledigung an die Antragstellerin (über das elektronische Portal oder in Papierform) entscheide der Ansässigkeitsstaat.
3.5. Dazu hat der VwGH zutreffend darauf hingewiesen, dass damit bei der Übermittlung der Entscheidung über das elektronische Portal in Litauen mit dieser nicht zwingend ein automatischer Zugang der Erledigung an den Empfänger verbunden ist, sondern der Abschluss der Zustellung an den Empfänger vom Ansässigkeitsstaat abhängt, wozu jedoch keinerlei Feststellungen getroffen wurden.
Insofern war die Abgabenbehörde bzw. das BFG dazu angehalten, die konkrete Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide in Litauen abzuklären.
3.6. Entgegen der Auffassung der Abgabenbehörde haben die Auskünfte der Behörde aus Litauen jedoch keine konkreten Ergebnisse im Hinblick auf den Zustellzeitpunkt der Bescheide geliefert. Insbesondere hat die Auskunft nicht ergeben, dass die litauische Behörde selbst auf das Zustelldatum laut EPRIS abstellen würde.
Weder aus den erteilten Auskünften noch aus den übermittelten Anlagen ergibt sich, dass das Zustelldatum laut EPRIS einschlägig wäre. Auch existiert kein konkreter Hinweis dafür, dass seitens der litauischen Behörde selbst vertreten werde, dass die Zustellung mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit erfolgt sei. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Interpretation des FAÖ.
Tatsache ist, dass die erste Rückäußerung der Behörde aus Litauen vom keine konkrete Auskunft zu dem tatsächlichen Zustellzeitpunkt der Bescheide an die Bf. enthält. Daher hat das BFG eine ergänzende Anfrage zum tatsächlichen Zustellzeitpunkt der Bescheide angefordert.
3.7. Auch nach dem erneuten und spezifizierten Auskunftsersuchen seitens des FAÖ vom konnte mit der nachfolgenden Auskunft keine konkrete Information zu dem Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide übermittelt werden, sodass weitere Anfragen seitens der Abgabenbehörde als nicht zielführend erachtet wurden.
3.8. Mangels einer konkreten Auskunft aus Litauen interpretiert die Abgabenbehörde die übermittelte, jedoch relativ rudimentäre Auskunft dahingehend, dass seitens der litauischen Behörde selbst vertreten werde, die Zustellung sei mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit (also 3 Stunden nach Einlangen) erfolgen würde. Dies wird insbesondere durch die Verwendung des Ausdrucks "offenbar" unterstrichen, der der getroffenen Annahme des FAÖ vorangestellt ist. Eine konkrete und zweifellose Feststellung - wie vom Verwaltungsgerichtshof gefordert - wurde jedoch nicht getroffen.
Allerdings kann die Vermutung des FAÖ nach Dafürhalten der Bf. aus der übermittelten Auskunft nicht abgeleitet werden bzw. könnte dieser Ansicht eine allenfalls unrichtige Übersetzung aus der - in englischer Sprache gehaltenen - Auskunft der litauischen Behörde zugrunde liegen.
3.9. In ihrer Auskunft bezieht sich die litauische Behörde (vgl. OZ 20) auf das Datum der Zurverfügungstellung der Mitteilungen aus einem anderen Mitgliedstaat und führt dabei die jeweilige Entgegennahme der Meldungen an (litauisch: "Pranesimo gavimo"). Diese Entgegennahme dürfte jedoch offenbar lediglich jene an die litauische Steuerbehörde selbst und nicht an die Bf. betreffen. Hinweise einer Entgegennahme der Bf. sind den übermittelten Unterlagen nicht zu entnehmen.
Weiters weist die litauische Behörde ausdrücklich darauf hin, dass im EPRIS-System diese Meldungen nach etwa 3 Stunden sichtbar seien (von ITIS-EU kommend, an ITIS_EU vom MIAS kommend).
Somit liegt zwischen der Entgegennahme der Meldung und ihrer Sichtbarkeit im EPRIS System ein Zeitraum von drei Stunden. Mangels einer konkreten Auskunft bleibt jedoch unklar, ob etwa die Meldungen lediglich für die litauische Steuerbehörde sichtbar werden oder bereits auch für die jeweiligen Benutzer des EPRIS-Systems. Darüber hinaus steht nicht fest, wie lange die Sichtbarkeit der Meldungen im EPRIS-System besteht.
3.10. Aus der Mitteilung der litauischen Behörde können daher keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Zustellzeitpunkt bei der Bf. gezogen werden, zumal die Steuerbehörde aus Litauen in ihrer Auskunft lediglich das Prozedere des Meldungstransfers über das EPRIS-System zur litauischen Steuerbehörde skizziert, ohne dabei auf den Zustellzeitpunkt an die Bf. einzugehen oder diesen gar zu nennen.
Der Hinweis, wonach im EPRIS-System die Meldungen nach etwa drei Stunden sichtbar seien bedeutet keinesfalls, dass die litauische Behörde der Auffassung sei, dass damit die Zustellung bewirkt wäre und dass seitens der Behörde in Litauen auf das Zustelldatum laut EPRIS bgestellt werde. Ungeachtet dessen fehlen zweifelsfreie Ausführungen bzw. Feststellungen zur konkreten Zustellung der Bescheide an die Bf. gänzlich.
3.11. Selbst unter der Prämisse, dass die Sichtbarkeit der Meldung auch für den jeweiligen Benutzer im EPRIS-System gegeben wäre, stellt sich die Frage, wie der Benutzer davon Kenntnis erlangt bzw. in Kenntnis gesetzt wird. Im konkreten Fall wurde diesbezüglich gar keine Auskunft erteilt.
Insofern fehlt es gänzlich an Informationen, ob die Bf. überhaupt von der Meldung einer "Hinterlegung" Kenntnis erlangte oder nicht und bejahendenfalls in weiterer Folge, ob und wenn ja, wann diese Meldung von der Bf. tatsächlich auch abgerufen wurde.
3.12. In diesem Zusammenhang hat die Abgabenbehörde wesentliche Informationen aus der übermittelten Auskunft nicht berücksichtigt, die die Auffassung, wonach seitens der Behörde in Litauen auf das Zustelldatum laut EPRIS abgestellt werde, nach Dafürhalten der Bf. nicht stützen.
Laut Auskunft der litauischen Behörde mussten einige Entscheidungen - offensichtlich durch Anklicken - "angenommen" werden, die nachfolgenden waren zur "Ablehnung" des Antrags. Im Falle der Annahme durch den Benutzer müsste eine entsprechende Bestätigung der Annahme bzw. des Herunterladens des Dokuments erfolgen bzw. auf dem Server der litauischen Behörde vorhanden sein. Eine derartige Annahmebestätigung liegt offenbar nicht vor, jedenfalls wurde eine solche Bestätigung nicht übermittelt.
Wenn jedoch eine Benachrichtigung der Bf. von der Hinterlegung der Bescheide über EMail erfolgt sein sollte, so würden entsprechende E-Mail-Benachrichtigungen der litauischen Steuerbehörde vorliegen. Da auch solche Benachrichtigungen nicht übermittelt wurden, ist davon auszugehen, dass die Bf. tatsächlich auch nicht via E-Mail benachrichtigt wurde.

4. Rechtsfolgen
4.1. Im vorliegenden Fall wurden der Bf. die Bescheide somit nicht zugestellt, sodass auch keine Wirksamkeit der Erledigungen eintreten konnte. Gemäß
§ 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß lit a leg cit bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung.
Gemäß
§ 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
Die Abgabenbehörde hat jedoch weder die Tatsache noch den Zeitpunkt des Einlangens der Dokumente von Amts wegen festgestellt, selbst nicht unter Zuhilfenahme eines Auskunftsersuchens an eine ausländische Behörde.
Insofern gelten die Dokumente als nicht zugestellt, da kein objektivierter Nachweis vorliegt, dass sie in den Verfügungsbereich der Bf. gelangt sind. Mangels eines konkreten Nachweises interpretiert die Abgabenbehörde lediglich die allgemein gehaltene Auskunft der ausländischen Behörde zur Zustellung, womit jedoch einer amtswegigen Feststellung der Tatsache und des Zeitpunktes des Einlangens nicht Genüge getan wird.
4.2. Ungeachtet dessen wäre die Bf. - selbst wenn ihr die Bescheide rechtswirksam zugestellt worden wären bzw. sie von deren Inhalt Kenntnis erlangt hätte - nicht in der Lage gewesen, den Inhalt der übermittelten Bescheide zu verstehen, da diese in deutscher Sprache verfasst sind und die Bf. der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Daher hätte die Bf. mangels Sprachkenntnisse auch kein Rechtsmittel innerhalb der tatsächlich ausgelösten Fristen gegen die verfahrensgegenständlichen Entscheidungen erheben können.
4.3. Laut dem verfahrensgegenständlichen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom (Rz 34) schreibe Art 12 der RL 2008/9/EG fest, dass der Mitgliedsstaat der Erstattung festlege, in welcher Sprache oder welchen Sprachen das Erstattungsverfahren zu führen sei. Dies sei in Österreich in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelung die Amtssprache Deutsch (Art 8 Abs 1 B-VG).
4.4. Richtigerweise lautet die zitierte Bestimmung, dass der Mitgliedstaat der Erstattung angeben kann, in welcher Sprache die Angaben in dem Erstattungsantrag oder andere zusätzliche Angaben von dem Antragsteller vorgelegt werden müssen.
4.5. Insofern bezieht sich die konkrete Bestimmung lediglich auf den Erstattungsantrag des Antragstellers selbst (sohin seine Eingaben und Angaben) und nicht darauf, in welcher Sprache das Erstattungsverfahren zu führen ist. Daher ist nach Dafürhalten der Bf. auch kein Raum für die automatische Annahme einer Amtssprache deutsch.
Gemäß
§ 11 ZustG (iVm § 98 BAO) hätten die zuzustellenden Dokumente (in Ermangelung bestehender internationaler Verträge zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen) sowohl gemäß den innerstaatlichen Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften der Republik Litauen als auch nach internationaler Übung in die litauische Sprache übersetzt und der Bf. in ihrer Landessprache übermittelt werden müssen.
Dies ist jedoch nicht erfolgt, sodass ein Zustellmangel vorliegt und wurden daher auch keine Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt (
§ 93 Abs 4 BAO). Schon aus diesem Grund hätte weder die dem bekämpften Beschluss zugrundeliegende Beschwerde vom noch der Vorlageantrag vom als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.

5. Zusammenfassung
5.1. Die Ansicht des FAÖ, wonach die Zustellung in Litauen an die Bf. mit Einlangen im litauischen Portal bewirkt worden sei, kann aus den übermittelten Unterlagen der litauischen Behörde nicht abgeleitet werden. Dies stellt lediglich eine Interpretation der Abgabenbehörde dar, welche mit den vorliegenden Unterlagen nicht in Einklang zu bringen ist.
5.2. Dementsprechend ist mangels Vorliegen von konkreten Feststellungen der Rechtsansicht des VwGH, wonach auf die Zustellung nach litauischem Recht hinsichtlich dieser Bescheide abzustellen sei, nicht Rechnung getragen worden.
5.3. Wenn die Abgabebehörde dem Auftrag, im Rahmen eines Amtshilfeersuchens an Litauen abzuklären, wann die beschwerdegegenständlichen Bescheide rechtswirksam an die Bf. zugestellt wurden, nicht oder nicht ausreichend nachkommt, berechtigt dies die Abgabenbehörde nicht zur Annahme, dass seitens der litauischen Behörde selbst vertreten werde, dass die Zustellung mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit erfolgt sei, wenn keine konkreten Angaben zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung vorliegen.
Daher bleibt die Abgabenbehörde verpflichtet, zusätzliche Ermittlungen durchzuführen und auf andere Art nach erforderlichen Nachweisen zu suchen, wann die Bescheide tatsächlich zugestellt wurden.
5.4. Demgegenüber hat die Bf. sämtliche, ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen bereits zur Vorlage gebracht. Darüber hinaus hat sie in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht den Inhalt ihrer Anbringen erläutert sowie dessen Richtigkeit bewiesen bzw. glaubhaft gemacht. Insofern hat die Bf. den sie treffenden Pflichten entsprochen."

Zum Schreiben der Bf vom nahm die Amtspartei mit Schreiben vom wie folgt Stellung:

"Zum Bescheidbeschwerdeverfahren GZ. RV/2100739/2020 wird aufgrund der übermittelten Stellungnahme der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom wie folgt Stellung genommen:
Aus Sicht der Abgabenbehörde erscheint es gegenständlich wichtig, den Verfahrensverlauf bzw. die erfolgten Auskunftsersuchen an Litauen wiederzugeben, damit diese jedenfalls bei der Entscheidung berücksichtigt werden.
Mit Erkenntnis des zu Ra 2019/15/0026 wurde der GZ RV/2101777/2016, mit welchem die gegen die Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01/2013 bis 06/2015, datiert , eingebrachte Beschwerde vom , als verspätet zurückgewiesen wurde, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend wurde vom VwGH wie folgt ausgeführt: "[...] bei der revisionsgegenständlichen Übermittlung der Entscheidung über das elektronische Ansässigkeitsportal [ist] mit dieser nicht zwingend ein automatischer Zugang der Erledigung an den Empfänger verbunden, sondern [hängt] der Abschluss der Zustellung an den Empfänger vom Ansässigkeitsstaat ab, wozu im angefochtenen Erkenntnis jedoch keinerlei Feststellungen getroffen wurden."
Das Finanzamt wurde folglich mit Vorhalt vom vom BFG aufgefordert, dass im Rahmen eines Amtshilfeersuchens mit Litauen abzuklären wäre, wann die verfahrensgegenständlichen Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01/2013 bis 06/2015 Beschwerdevorentscheidungen in Litauen zugestellt wurde. Konkret wurde mitgeteilt, dass
a) anzufragen und festzustellen wäre, wie die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen in Litauen zur rechtswirksamen Zustellung im Vorsteuererstattungsverfahren lauten und
b) wann genau und auf welche Weise (elektronisch durch Abruf der Bescheide im Ansässigkeitsportal, per Mail Benachrichtigung, per Brief - mit/ohne Zustellnachweis) die gegenständlichen Bescheide der Bf. tatsächlich und wirksam zugegangen sind.

Diesem Auftrag kam das Finanzamt nach, indem es das folgende Auskunftsersuchen an Litauen richtete:
"The lithuanian Company
***Bf1*** is applying for VAT refund in Austria. Due to a tax Audit the tax office in Austria issued new tax assessments for the period 01/2013-06/2015. This lead to additional charges as followed: - 01-03/2013: 27.782,52 Euro - 01-03/2014: 84.021,41 Euro - 01- 03/2015: 33.908,98 Euro Against those tax assessments the Company issued complaints, which were rejected by the tax office reasoning that the complaints were not issued timely. This because the Service of process happened on 10th of May 2016 and the complaints were issued on 8th of July 2016. The appellant claimed that the Service of process was not taking place on the 10th of May 2016. The court ruled that there needed to be more determinations wheter when and in which way the Service of process was operated in Lithuania. The Information of the tax office was based on the Service of process to the Portal of the member state Lithuania. This leads to following Questions: - Which Legislation is applying to the Service of process in Lithuania for tax assessments from tax Offices of member states')? - When and in which way was the Service of process taking place concerning the tax assessments 01/2013-06/2015?"

Beantwortet wurde dieses erste Auskunftsersuchen durch die litauische Behörde wie folgt: "Pursuant to the Rules on the submission of Electronic Applications for refund of VAT payed in Other Member States of the European Union, approved by the Order No. VA-1 of the Head of the State Tax Inspectorate under the Ministry of Finance of the Republic of Lithuania on 5th of January 2010 "Approval of the Rules for the submission of electronic requests to refund the value added tax paid in other Member States of the European Union": 49 paragraph: Upon receipt by the State Tax Inspectorate of Vilnius County via EPRIS of the acknowledgement of receipt of the VAT Refund in the refunding Member State, the applicant (the applicant's representative) is automatically informed of the date of receipt of the VAT Refund in the refunding Member State. Information for the applicant (applicant's representative) is provided on the EPRIS portal and/or by e-mail. 50 paragraph: Upon receipt by the State Tax Inspectorate of Vilnius County via EPRIS of the notification of Member State about the decision of refund the VAT, the applicant (the applicant's representative) is automatically informed about that decision of the Member State which refunds the VAT. Information for the applicant (applicant's representative) is provided on the EPRIS portal and/or by e-mail. 20 paragraph: EPRIS means of identification may not be applied, if: 20.1 paragraph: The Registration Application or Supplementary Application does not provide or indicates an inaccurate email address; Applications / EPRIS number / Notification number: - 01-03/2013: - 27.782,52 EUR - PVMGR_379612 - PVMSP10000000000000441729 - 01-03/2014: - 84.021,41 EUR - PVMGR_509889 - PVMSP10000000000000441733 - 01-03/2015: - 33.908,98 EUR - PVMGR_643212 - PVMSP10000000000000441737 Notifications about changes of the application status shall be sent to the taxpayer or his representative who submitted the document and to that email address provided at the time of application submission. Notifications are sent to e-mail only for the convenience of the taxpayer, and all the necessary information is placed in the EPRIS system, which can be seen having logged in to the system. The attached displays of decisions (according to EPRIS application numbers) show that all relevant information with attached decision documents is placed in the EPRIS system. The taxpayer can see all the necessary information by logging in to EPRIS."

Das BFG forderte das Finanzamt in weiterer Folge auf, bei der litauischen Behörde nochmal nachzufragen, ob mit dieser Antwort explizit ausgesagt wird, dass mit der Mail die Zustellung des Bescheides rechtswirksam erfolgt ist oder erst mit dem Öffnen der konkreten Bescheide im EPRIS bzw. ob es dazu auch ein Datum im System gäbe.

Daraufhin wurde erneut mit der litauischen Behörde Kontakt aufgenommen und - unter Darlegung des ursprünglichen Auskunftsersuchens sowie der Antwort darauf - folgende Fragen gestellt:
"Our current request relates to the exact time of delivery of the tax assessments for the period 01/2013-06/2015 issued by the tax office in Austria in order to be able to assess the timeliness of the complaints. When were the tax assessments issued by the tax office in Austria served in a legally effective manner under Lithuanian law? Is it the time of receipt of the notification in the EPRIS system (in our case 09/09/2016 and 10/05/2016), the time at which the decision was called up in the EPRIS system by the applicant (using the button "atsisiqsti") or any other time?"
Die ergänzende Antwort der litauischen Behörde legte wie folgt dar:
Request version date- when the request was submitted. For example:
2013-05-11
Date of decision. For example:
2016-05-09
Date of receipt of notices from another member state:
Pranesimo gavimo is ES VIES e data
For the year 2014 request: 2014-07-22 00:30:17
(MSGID AT@DECLT@a45d87fae1@03b775c144fea4f21f733760065c65@6bb13cceb9b8)

Pranesimo gavimo is ES VIES e data

For the year 2013 request: 2016-09-09 20:02:27
(MSGID AT@DECLT@e01 a02e08c@c1180f5a006c11 e54b3d2acec8f183@7b1f513cf511)

Pranesimo gavimo is ES VIES e data
For the year 2015 request: 2016-09-09 20:02:36
(MSGID AT@DECLT@b 165dec2aa@700880660743b75aa85ee3c964e95d@63398da307dd)

In the EPRIS system, these messages are visible after about 3 hours (coming from ITIS-EU. to ITIS_EU coming from VIES).

Wie aus obiger Darstellung des Verlaufs betreffend die Auskunftsersuchen an die litauische Behörde bezüglich Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide ersichtlich ist, wurden dem ersuchten Staat konkrete Fragen gestellt. Auf diese konkreten Fragen, nämlich
1. hinsichtlich anzuwendender Gesetzesbestimmung betreffend Zustellung von Bescheiden über die Erstattung von Vorsteuern anderer Mitgliedstaaten und
2. Tatsächlicher Zeitpunkt der Zustellung im gegenständlichen Fall sowie erfolgte Zustellart wurden von der litauischen Behörde konkrete Antworten übermittelt.

Aus der Beantwortung der Auskunftsersuchen durch die litauische Behörde ist erkennbar, dass die Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide (umfasst auch die Beschwerdevorentscheidungen) anhand der Regeln für die Einreichung von elektronischen Anträgen auf Erstattung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gezahlten Mehrwertsteuer, genehmigt durch die Verordnung Nr. VA-1 des Leiters der staatlichen Steuerinspektion des Finanzministeriums der Republik Litauen vom "Genehmigung der Regeln für die Einreichung von elektronischen Anträgen auf Erstattung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gezahlten Mehrwertsteuer" zu beurteilen ist.
Es gilt daher wie folgt:
49. Absatz: Sobald die staatliche Steuerinspektion des Kreises Vilnius über EPRIS die Empfangsbestätigung der Mehrwertsteuererstattung im Erstattungsmitgliedstaat erhalten hat, wird der Antragsteller (der Vertreter des Antragstellers) automatisch über das Datum des Eingangs der Mehrwertsteuererstattung im Erstattungsmitgliedstaat informiert. Die Informationen für den Antragsteller (den Vertreter des Antragstellers) werden auf dem EPRIS-Portal und/oder per E-Mail bereitgestellt.
50. Absatz: Nach Eingang der Mitteilung des Mitgliedstaates über die Entscheidung über die Erstattung der Mehrwertsteuer bei der Staatlichen Steuerinspektion des Komitats Vilnius über EPRIS wird der Antragsteller (der Vertreter des Antragstellers) automatisch über diese Entscheidung des Mitgliedstaates, der die Mehrwertsteuer erstattet, informiert. Die Informationen für den Antragsteller (den Vertreter des Antragstellers) werden auf dem EPRIS-Portal und/oder per E-Mail bereitgestellt.
20. Absatz: EPRIS-Identifikationsmittel dürfen nicht verwendet werden, wenn: 20.1. Absatz: Der Registrierungsantrag oder der Ergänzungsantrag keine oder eine unrichtige E-Mail-Adresse enthält.
Zu den angefragten Erledigungen wurde wie folgt ausgeführt:
Anträge / EPRIS-Nummer / Meldungsnummer:- 01-03/2013: - 27.782,52 EUR - PVMGR_379612 - PVMSP10000000000000441729- 01-03/2014: - 84.021,41 EUR - PVMGR_509889 - PVMSP10000000000000441733- 01-03/2015: - 33.908,98 EUR - PVMGR_643212 - PVMSP10000000000000441737
Benachrichtigungen über Änderungen des Antragsstatus werden an den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter, der das Dokument eingereicht hat, und an die zum Zeitpunkt der Antragstellung angegebene E-Mail-Adresse gesendet. Die Bescheide werden nur aus Gründen der Bequemlichkeit für den Steuerpflichtigen per E-Mail versandt, und alle erforderlichen Informationen werden in das EPRIS-System eingestellt, das nach dem Einloggen in das System eingesehen werden kann. Die beigefügten Anzeigen der Entscheidungen (nach EPRIS-Antragsnummern) zeigen, dass alle relevanten Informationen mit den beigefügten Entscheidungsdokumenten in das EPRIS-System zugestellt wurden. Der Steuerpflichtige kann alle notwendigen Informationen einsehen, wenn er sich in EPRIS einloggt.

Gemäß der Bestimmung des 50. Absatzes der Verordnung Nr. VA-1 des Leiters der staatlichen Steuerinspektion des Finanzministeriums der Republik Litauen vom "Genehmigung der Regeln für die Einreichung von elektronischen Anträgen auf Erstattung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gezahlten Mehrwertsteuer" gilt demnach, dass nach Eingang der Mitteilung des Mitgliedstaates über die Entscheidung über die Erstattung von Vorsteuern der Antragsteller (bzw. der Vertreter des Antragstellers) automatisch über diese Entscheidung informiert wird. Die Information für den Antragsteller wird auf dem EPRIS-Portal und/oder per E-Mail bereitgestellt und ist - wie der zweiten Antwort aus Litauen zu entnehmen ist - drei Stunden nach Einlangen im EPRIS System ersichtlich.

Im gegenständlichen Fall wurde von der litauischen Behörde nicht aufgezeigt, dass (iSd 20.1. Absatzes leg cit) der Registrierungsantrag oder der Ergänzungsantrag keine oder eine unrichtige E-Mail-Adresse aufgewiesen hätten. Wie der Antwort der litauischen Behörde zu entnehmen ist, erfolgte die Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide im EPRIS System und hatte die Bf. die Möglichkeit, diese bei Einloggen - spätestens drei Stunden nach Einlangen im EPRIS - einzusehen. Als Eingangsdatum (=Zustellung) werden im zweiten Antwortschreiben aus Litauen hinsichtlich der erlassenen Bescheide betreffend das Jahr 2014 der sowie betreffend die Jahre 2013 und 2015 der explizit angeführt.

Aus Sicht der Abgabenbehörde gibt es daher keinen Zweifel daran, dass die Zustellung gegenständlich mit Einlangen der Bescheide im EPRIS bewirkt wurde. Dies wurde - wie aus obiger Darstellung ersichtlich ist - auch bei nochmaliger Nachfrage von der litauischen Behörde bestätigt. Die Argumentation der steuerlichen Vertretung, wonach mit Einlangen der Dokumente im litauischen Portal keine Zustellung erfolgt wäre, unterstellt der litauischen Behörde, dass diese die konkret gestellten Fragen hinsichtlich Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide nicht verstanden hätte. Es gibt aber gegenständlich keine Anhaltspunkte, die diese Auffassung der steuerlichen Vertretung der Bf. stützen würden. Daraus ergibt sich im Weiteren aber auch, dass die litauische Behörde die konkret hinsichtlich erfolgter Zustellung gestellten Fragen dahingehend beantwortet, als die Zustellung eben - wie bereits oben ausgeführt - mit Einlangen im EPRIS bzw. laut übermittelten Ausschnitten aus dem EPRIS am bzw. erfolgt ist. Da damit der Zustellungszeitpunkt (nach litauischem Recht) geklärt werden konnte, bedarf es im gegenständlichen Fall keiner weiteren Ermittlungsschritte."

Dazu nahm die steuerliche Vertretung mit Schreiben vom nochmals Stellung:
"1. Zusammenfassung der Stellungnahme des FAÖ:
1.1. Das FAÖ verweist wiederum auf die Antwort der litauischen Behörde, wonach dieser zu entnehmen sei, dass die Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide im EPRIS System erfolgt sei und die Bf. die Möglichkeit gehabt hätte, diese bei Einloggen - spätestens drei Stunden nach Einlangen im EPRIS - einzusehen.
1.2. Als Eingangsdatum (=Zustellung) seien im zweiten Antwortschreiben aus Litauen hinsichtlich der erlassenen Bescheide betreffend das Jahr 2014 der sowie betreffend die Jahre 2013 und 2015 der explizit angeführt. Aus Sicht des FAÖ gäbe es daher keinen Zweifel daran, dass die Zustellung gegenständlich mit Einlangen der Bescheide im EPRIS bewirkt worden sei. Dies sei auch bei nochmaliger Nachfrage von der litauischen Behörde bestätigt worden.
1.3. Schließlich habe die litauische Behörde die konkret hinsichtlich erfolgter Zustellung gestellten Fragen dahingehend beantwortet, als die Zustellung mit Einlangen im EPRIS bzw. laut übermittelten Ausschnitten aus dem EPRIS am bzw. erfolgt sei. Da damit der Zustellungszeitpunkt habe geklärt werden können, würde es keiner weiteren Ermittlungsschritte bedürfen.
2. Stellungnahme zu den Ausführungen des FAÖ:
2.1. Die Abgabenbehörde hält zusammenfassend ihre bisherige Ansicht aufrecht, ohne jedoch weiterhin Näheres über den konkreten Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide in Erfahrung gebracht zu haben. Tatsache ist, dass die Auskünfte der Behörde aus Litauen keine konkreten Ergebnisse im Hinblick auf den Zustellzeitpunkt der Bescheide geliefert haben. Insbesondere hat die Auskunft nicht ergeben, dass die litauische Behörde selbst auf das Zustelldatum laut EPRIS abstellen würde, sodass auch keine Rede von einer Bestätigung der litauischen Behörde sein kann.
2.2. Vielmehr konnte auch nach dem erneuten und spezifizierten Auskunftsersuchen seitens des FAÖ keine konkrete Information zu dem Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide übermittelt werden, sodass weitere Anfragen seitens der Abgabenbehörde als nicht zielführend erachtet wurden.
2.3. Die Behörde aus Litauen beschreibt lediglich im Allgemeinen die Funktionsweise im EPRIS System, ohne jedoch konkrete Informationen hinsichtlich der Zustellung der gegenständlichen Bescheide zu liefern. Mangels einer konkreten Auskunft aus Litauen interpretiert die Abgabenbehörde die wenig aussagekräftige Auskunft dahingehend, dass seitens der litauischen Behörde selbst vertreten werde, die Zustellung würde mit Einlangen im Portal bzw. bei Sichtbarkeit (also 3 Stunden nach Einlangen) erfolgen.
2.4. Nach Dafürhalten der Bf. ist es jedoch nicht ausreichend, den Mangel an konkreter Auskunft und Information durch Schlussfolgerungen und Vermutungen auszugleichen, indem der allgemein gehaltenen Auskunft der litauischen Behörde vermeintlich ausdrückliche Nachweise des Zustellzeitpunktes unterstellt werden.
2.5. Darüber hinaus kann lediglich durch das Zitieren der einschlägigen litauischen Bestimmungen betreffend das allgemeine Prozedere im EPRIS-System eine Feststellung, ob im konkreten Fall die Bescheide an die Bf. tatsächlich zugestellt wurden und bejahendenfalls zu welchem Zeitpunkt, nicht getroffen werden.
2.6. Die ins Treffen geführten Eingangsdaten hinsichtlich der erlassenen Bescheide betreffend das Jahr 2014 () bzw. für die Jahre 2013 und 2015 () werden von der Abgabenbehörde als Zustellung interpretiert. Dies ist jedoch unzutreffend, da dies offenbar lediglich der Zeitpunkt der Erfassung im EPRIS-System bzw. der Zurverfügungstellung der Mitteilungen aus einem anderen Mitgliedstaat (Einlangen im Portal) ist und daher nicht automatisch von einer Sichtbarkeit (also 3 Stunden nach Einlangen) und daher einer Bereitstellung im Benutzerkonto der Bf. (oder gar eines Abrufens) ausgegangen werden kann. Hinweise auf eine tatsächliche Bereitstellung oder gar eine Entgegennahme der Bf. sind den übermittelten Unterlagen nicht zu entnehmen.
2.7. Mangels eines konkreten Nachweises einer Bereitstellung im Benutzerkonto der Bf. kann die Sichtbarkeit und damit die Möglichkeit eines Einloggens und Abrufens der Unterlagen über das EPRIS-Portal nicht vorausgesetzt werden, zumal auch keine entsprechende E-Mail-Benachrichtigung der Bf. über die Bereitstellung erfolgt ist.
2.8. Ihre Auffassung über die tatsächlich erfolgte Zustellung an die Bf. versucht die Abgabenbehörde dadurch zu untermauern, dass mangels eines Hinweises der litauischen Behörde, wonach der Registrierungs- oder Ergänzungsantrag keine oder eine unrichtige E-Mail-Adresse aufgewiesen hätten. Dies ist nicht von Relevanz und würde dessen ungeachtet eine Verständigung über E-Mail der Bf. voraussetzen, die jedoch nicht erfolgt ist, widrigenfalls würden konkrete Bestätigungen der Benachrichtigung zur Vorlage gebracht werden. Da diese jedoch offenbar nicht existieren, wurden sie auch von der litauischen Behörde nicht übermittelt. Gleiches gilt für Daten betreffend die Zeiträume der Nutzung des Portals durch die Bf., sohin Logindaten.
2.9. Entgegen der Auffassung der Abgabenbehörde bestehen somit berechtigte Zweifel daran, dass einerseits die Zustellung der konkreten Bescheide im EPRIS-Portal bewirkt wurde, und andererseits, dass die Bf. davon Kenntnis erlangte bzw. die Unterlagen in ihren Verfügungsbereich gelangten, zumal objektive Beweise dafür nicht vorliegen und diese seitens der Abgabenbehörde auch nicht beigebracht werden konnten. Tatsache ist somit, dass eine konkrete und zweifellose Feststellung nicht getroffen wurde.
2.10. Stattdessen versucht die Abgabenbehörde auf Grundlage von Vermutungen und Schlussfolgerungen eine Zustellung der Bescheide abzuleiten. Damit wird jedoch einer amtswegigen Feststellung der Tatsache und des Zeitpunktes des Einlangens nicht entsprochen."

Das Finanzamt äußerte sich dazu mit E-Mail vom :
"Aus Sicht der Abgabenbehörde ist es der Pflichtige bzw. dessen steuerlicher Vertreter, der lediglich Vermutungen hinsichtlich nicht wirksam erfolgter Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide aufstellt. Wie bereits in unserer Stellungnahme ausgeführt, dürfen wir explizit nochmal darauf hinweisen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die litauische Behörde die konkret an sie gerichteten Fragen bzgl. Zustellvorgang- und zeitpunkt nicht verstanden und folglich - wie vom steuerlichen Vertreter behauptet - falsch beantwortet hätte. Dass die litauische Behörde die an sie gerichteten Fragen nicht verstanden hätte, wird aber nicht einmal vom steuerlichen Vertreter (auch in der ggstl. Stellungnahme) behauptet.
Es wird daher an den bisherigen Ausführungen festgehalten und obliegt es dem BFG im Rahmen der Beweiswürdigung zu entscheiden, wie die erteilte Auskunft einer Behörde (!) zu konkret gestellten Fragen zu würdigen ist."

Darauf replizierte die steuerliche Vertretung mit E-Mail vom :
"Bemerkenswert ist die nunmehrige Auffassung der Abgabenbehörde, wonach keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die litauische Behörde die konkret an sie gerichteten Fragen bezüglich den Zustellvorgang und -zeitpunkt nicht verstanden und folglich falsch beantwortet hätte. Dabei bringt die Abgabenbehörde vor, dass unsererseits behauptet worden sei, die litauische Abgabenbehörde hätte die an sie gerichteten Fragen "falsch" verstanden und hätte diese daher "falsch beantwortet".
Dies ist verwunderlich und unzutreffend, zumal eine entsprechende Behauptung - soweit ersichtlich - unsererseits nicht aufgestellt worden ist. Ungeachtet dessen ist die Frage, ob die litauische Steuerbehörde die an sie gerichteten Fragen verstanden hätte oder nicht, hier nicht von Relevanz.
Relevant und entscheidend ist lediglich die Tatsache, dass dem FAÖ aufgetragen wurde, im Rahmen eines Amtshilfeersuchens an Litauen abzuklären, wann die beschwerdegegenständlichen Bescheide rechtswirksam an die Bf. zugestellt wurden und diese Fragen jedoch nicht eindeutig beantwortet werden konnten.
Bekanntlich hat das BFG nach der (ersten) Rückäußerung aus Litauen eine ergänzende Anfrage zum tatsächlichen Zustellzeitpunkt der Bescheide angefordert, da der Antwort der litauischen Behörde eine eindeutige Beantwortung der Fragen nicht entnommen werden konnte. Das FAÖ stellte daher ein weiteres Auskunftsersuchen an Litauen, wobei auch die (zweite) Antwort der litauischen Behörde keine konkreten Angaben zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung enthält. Da aus Sicht der Abgabenbehörde eine neuerliche Rückfrage bei der litauischen Behörde unter Berücksichtigung der bereits mehrmaligen Nachfrage und des Versuchs, die konkreten Fragen noch näher zu erläutern, "nicht zielführend" war, hat die Abgabenbehörde die rudimentäre und nicht eindeutige Auskunft der litauischen Behörde entsprechend interpretiert und unterstellt der Auskunft aus Litauen einen Inhalt, der jedoch objektiv nicht vorliegt.
Tatsache ist somit, dass entgegen der Auffassung der Abgabenbehörde die Auskünfte aus Litauen keine konkreten Ergebnisse im Hinblick auf den Zustellzeitpunkt der Bescheide geliefert haben. Nichtsdestotrotz versucht die Abgabenbehörde auf Grundlage von Schlussfolgerungen die zu klärenden Fragen zu beantworten. Insofern stellt die Abgabenbehörde selbst Vermutungen an. Damit wird jedoch einer amtswegigen Feststellung nicht entsprochen, da Spekulationen keine taugliche Grundlage für konkrete Feststellungen in einem Verfahren bilden (sollen).
Im Übrigen wird auf die bisherigen Eingaben verwiesen."

Zu diesem Vorbringen verwies das Finanzamt mit Mail vom darauf, an den bisherigen Stellungnahmen der Abgabenbehörde festzuhalten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

An die Bf wurden nach erfolgter Außenprüfung abgeänderte Bescheide vom betreffend Vorsteuererstattung für die Zeiträume 1/2013 bis 6/2015 ausgestellt und elektronisch mit an deren Ansässigkeitsportal in Litauen übermittelt. Es kam zu Kürzungen der Vorsteuerbeträge wegen fehlender Unterlagen zu Fahrzeugen, für welche Vorsteuer beantragt worden war.
Diese Bescheide wurden ins EPRIS, dem Electronic Application Reception System Litauens, übermittelt und für die Bf bereitgestellt.
Wann genau diese Bescheide rechtswirksam an die Bf zugestellt wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Mit Schreiben vom , eingebracht per Fax vom und postalisch mit und in englischer Sprache, beschwerte sich die Bf gegen die Kürzung der Vorsteuerbeträge in den Bescheiden nach der erfolgten Außenprüfung. Das Finanzamt forderte Unterlagen zu den Fahrzeugen, die nicht in der Fuhrparkliste aufschienen, an. Eine rechtzeitige Übermittlung der Unterlagen erfolgte nicht.

Das Finanzamt wies daraufhin die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom ab; diese wurden mit wiederum elektronisch an das Ansässigkeitsportal (adressiert zu Handen des Steuerberaters und damaligen Zustellbevollmächtigten der Bf mit Adresse in Deutschland) übermittelt.
Wann genau diese Bescheide rechtswirksam an die Bf bzw. deren Zustelbevollmächtigten zugestellt wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , brachte die Bf durch ihren bevollmächtigten Vertreter einen Vorlageantrag ein. Die zuvor aufgrund von Sprachschwierigkeiten unvollständig vorgelegte Fuhrparkliste wurde vervollständigt beigefügt und die fehlenden Fahrzeugbriefe/Fahrzeugscheine wurden nachgereicht.

Das FAÖ ging in seinem Vorlagebericht nunmehr von einer verspäteten Beschwerde und einem verspäteten Vorlagebericht aus.
Der Bf wurde seitens des BFG der Umstand der nach der Aktenlage als verspätet zu wertenden Rechtsmitteleinbringung mit Vorhalt vom mit Zustellnachweis (Rückschein vom ) vorgehalten und ausgeführt, dass bei Nichtvorlage entsprechender gegenteiliger Nachweise innerhalb der gesetzten Frist nach der Aktenlage das Rechtsmittel zurückgewiesen werde.
Dazu erfolgte seitens der Bf innerhalb der gesetzten Frist weder ein Antrag auf Fristverlängerung noch eine Antwort.

Die Beschwerde wurde daraufhin als verspätet zurückgewiesen ().
Dagegen wurde seitens der Bf Beschwerde an den VfGH erhoben, deren Behandlung mit Beschluss vom (E 3416/2018-5) abgelehnt und eine Abtretung gemäß Art. 144 Abs. 3 und 4 B-VG an den VwGH beschlossen wurde (§ 19 Abs. 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).

Der VwGH hob den angefochtenen Beschluss vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf (), es würden Feststellungen zum Abschluss der Zustellung an den Empfänger im Ansässigkeitsstaat fehlen.

Im fortgesetzten Verfahren konnte der tatsächliche, rechtswirksame Zustellzeitpunkt der beschwerdegegenständlichen Bescheide an die Bf in Litauen trotz mehrfacher Anfragen an Litauen und zahlreicher Urgenzen zur ausstehenden Anfragebeantwortung nicht zweifelsfrei geklärt werden.

2. Beweiswürdigung

Die im fortgesetzten Verfahren zu klärende Frage, ob die beschwerdegegenständlichen Bescheide bereits mit der Übermittlung an das Ansässigkeitsportal in Litauen rechtswirksam zugestellt wurden, konnte trotz eines mehrjährigen Ermittlungs- und Auskunftsverfahrens mit Litauen nicht eindeutig geklärt werden.
Trotz eindeutiger Fragen zum konkreten Zustellzeitpunkt der Bescheide war die erste litauische Antwort, weitergeleitet vom CLO am , nur sehr allgemein gehalten, eine verlässliche Beurteilung über den Zeitpunkt der Zustellung ergab sich daraus nicht.
Das BFG bat um eine ergänzende Konkretisierung zur erfolgten Zustellung, was zu einer neuerlichen Anfrage zum Zustellungszeitpunkt führte (Zeitpunkt des Eingangs im EPRIS oder Abruf der Bescheide im EPRIS durch den Bf oder wann?).
Nach mehrfachen Urgenzen langte nach sehr langer Zeit am eine sehr rudimentäre und wiederum wenig aufschlussreiche und interpretationsbedürftige Antwort aus Litauen ein.
Es kann dem FAÖ nicht gefolgt werden, dass aus dieser Antwort auch im Zusammenhang mit der Antwort davor, eindeutig ableitbar wäre, dass der Zeitpunkt des Einlangens der Bescheide im EPRIS zugleich der rechtswirksame Zustellzeitpunkt gewesen sei.
Außerdem wurde nicht eindeutig zu den verfahrensgegenständlichen 10 Bescheiden bzw. Beschwerdevorentscheidungen geantwortet, was daraus zu ersehen ist, dass ein Bescheid 2014 vom angeführt wird, der hier aber nicht angefochten ist.
Die Interpretation der Antworten aus Litauen seitens des FAÖ fußt auf Vermutungen, ein konkreter Zustellzeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Bescheide kann den Antworten aus Litauen nicht entnommen werden.
Dass die Bescheide aber zugestellt worden sein müssen, ergibt sich aus dem Umstand, dass Beschwerde und Vorlageantrag erhoben wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Enthält der Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt.
Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.

Gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Die Zurückweisung nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt gemäß § 264 Abs. 5 BAO dem Verwaltungsgericht.

Gemäß § 108 Abs. 2 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Gemäß § 108 Abs. 3 BAO werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.

Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Nach § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Nach § 3 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, können Bescheide im Erstattungsverfahren elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden. Die Zustellung kann auch mit E-Mail erfolgen. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend, wonach die Zustellung des E-Mails mit dessen Absendung als bewirkt gilt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Zur im fortgesetzten Verfahren strittigen Frage, wann genau von einer rechtswirksamen Zustellung der beschwerdegegenständlichen Bescheide an die Bf auszugehen ist, erfolgte trotz mehrjähriger dahingehender Anfragen und Urgenzen von Seiten des FAÖ keine zuverlässige Antwort dazu aus Litauen. Es können daher keine zweifelsfreien Feststellungen zum genauen Zustellzeitpunkt wie vom VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0026, Rz 38, gefordert, getroffen werden (siehe Sachverhalt und Beweiswürdigung).

Weiters führte der VwGH im zitierten Erkenntnis in Rz 35 ff aus: "Nach den Feststellungen des BFG wurden die gegenständlichen Bescheide jeweils "an das Ansässigkeitsportal der Revisionswerberin" elektronisch zugestellt.
Dies entspricht § 3 Abs. 3 ErstattungsVO, der allerdings - anders als für Zustellungen durch E-Mail - keine gesetzliche Vermutung darüber enthält, wann bei Zustellungen über das Ansässigkeitsportal die Zustellung in Litauen als bewirkt gilt.
In der Revisionsbeantwortung bringt das Finanzamt dazu vor, dass Österreich "der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates" seine Entscheidung "auf demselben elektronischen Weg" übermittle, wie es den Antrag übermittelt erhalten habe. Über die Art der Zustellung der rückübermittelten Erledigung an die Antragstellerin (über das elektronische Portal oder in Papierform) entscheide der Ansässigkeitsstaat. Jene Unternehmer, deren Ansässigkeitsstaaten es ablehnten, die Bescheide der österreichischen Finanzverwaltung zuzustellen, erhielten den Bescheid direkt an die im Erstattungsantrag angegebene E-Mail-Adresse zugestellt.
Damit räumt aber auch das Finanzamt ein, dass bei der revisionsgegenständlichen Übermittlung der Entscheidung über das elektronische Ansässigkeitsportal mit dieser nicht zwingend ein automatischer Zugang der Erledigung an den Empfänger verbunden ist, sondern der Abschluss der Zustellung an den Empfänger vom Ansässigkeitsstaat abhängt…"

Wann in Litauen der Abschluss der Zustellung an die Bf erfolgte, konnte aber nicht geklärt werden.
Selbst wenn von einem Zustellzeitpunkt zeitgleich mit der Übermittlung der Bescheide ins EPRIS ausgegangen werden könnte, bleibt fraglich, wann der Außenprüfungsbericht, der in der Begründung der Bescheide angeführt wird, tatsächlich an die Bf übermittelt wurde.
Gemäß § 245 Abs. 1 letzter Satz BAO wird der Lauf der Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe eines Berichtes nach § 150 BAO in Lauf gesetzt, wenn der Bescheid auf einen solchen verweist (vgl. dazu Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) § 245 Rz 3). Ein solcher Verweis war in den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom enthalten.

Weiters gab es einen Zustellbevollmächtigten (mit Adresse in Deutschland) im Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen und bliebe unklar, wann genau an diesen die Zustellung als bewirkt gilt, auch wenn die Bescheide an das Ansässigkeitsportal in Litauen übermittelt wurden.

Das Finanzamt hat selbst eingeräumt, dass weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit der rechtswirksamen Zustellung in/durch Litauen nach mehrjährigen erfolglosen Bemühungen um eine brauchbare Antwort wenig zielversprechend sind.

Dass die Bescheide in der Amtssprache Deutsch übermittelt wurden, stand - entgegen dem Vorbringen der Bf - einer rechtswirksamen Zustellung jedenfalls nicht entgegen (vgl. , RS 2: "Dass für die Einbringung des Erstattungsantrags und für dessen darauf folgende Bearbeitung unterschiedliche elektronische Kommunikationswege vorgesehen sind und nur erstere unter zwingender Einbindung des Ansässigkeitsstaates über dessen elektronisches Portal erfolgen muss, erklärt sich vor dem Hintergrund des Art. 18 der RL 2008/9/EG. Nach dieser Bestimmung kommt dem Ansässigkeitsstaat nämlich eine Vorprüfungspflicht für Erstattungsanträge zu. Werden von einem Erstattungswerber im Erstattungszeitraum die in Art. 18 der RL 2008/9/EG niedergelegten Voraussetzungen nicht erfüllt (wie etwa die Eigenschaft als "Steuerpflichtiger" für Zwecke der Mehrwertsteuer oder die Nichtinanspruchnahme der Kleinunternehmerbefreiung), übermittelt der Ansässigkeitsstaat den Erstattungsantrag von Vornherein nicht an den Erstattungsstaat. Art. 12 der RL 2008/9/EG schreibt auch fest, dass der Mitgliedsstaat der Erstattung festlegt, in welcher Sprache oder welchen Sprachen das Erstattungsverfahren zu führen ist. Dies ist in Österreich in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelung die Amtssprache Deutsch (Art. 8 Abs. 1 B-VG)".

Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerde und der Vorlageantrag mangels einer verlässlichen Möglichkeit anderslautender Feststellungen rechtzeitig eingebracht worden sind.

Die fehlenden Unterlagen und Informationen zu den Fahrzeugen, welche der Außenprüfung aufgrund von Verständnisschwierigkeiten nur unvollständig übermittelt wurden, sind anlässlich des Vorlageantrages nunmehr nachgereicht worden. Aufgrund von sprachlichen Problemen und Missverständnissen umfasste die ursprünglich vorgelegte Fuhrparkliste an die Außenprüferin nur die neu eingekauften Fahrzeuge.
Eine vollständige Fuhrparkliste samt Fahrzeugbriefen/Fahrzeugscheinen wurde mit dem Vorlageantrag nachgereicht.
Das FAÖ hat im Zuge der Vorlage der Unterlagen an das BFG keine Bedenken zu den Unterlagen geäußert.
Im Übrigen ist aus dem elektronischen Akt ersichtlich, dass auch in den Vor- und Folgejahren offensichtlich keine Bedenken hinsichtlich der beantragten Vorsteuern bestand.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben, und die beantragten Vorsteuern zu gewähren.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob eine übermittelte Beschwerde bzw. ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wurde, ist eine Sachverhaltsfrage, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beantworten ist. Sachverhaltsfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Es liegt auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100739.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at