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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2024, RV/1200021/2020

Rückbier und produktionsbedingter Schwund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG, Schloßgraben 10, 6800 Feldkirch, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom betreffend Nachsicht § 236 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Antragstellerin hatte 2009 - Juli 2011 Bier aus ihrem Steuerlager entnommen und zum Unternehmen Abfüller in Deutschland zur Abfüllung verbracht; ein Steueraussetzungsverfahren wurde nicht eröffnet. Am selben Tag wurden die angefüllten Flaschen wieder retour gebracht. Das Zollamt hat in der Folge dies als Entnahme und Verbringung in den steuerrechtlich freien Verkehr gewertet und die entstandene Biersteuer mittels Bescheide vom , ZI. 920000/xxxx-yyyy/2012, vorgeschrieben. Was die Steuerschuld im Abgabenverfahren betraf, hat das BFG zunächst eine diesbezügliche Beschwerde hinsichtlich mehrerer Bescheide (Berichtigung Biersteueranmeldungen 2009 - 2011) abgewiesen ( Zl. RV/5200073/2012), wobei der VwGH dieses E mit E vom , Ro 2018/16/0013 wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben hat. Das nachfolgende E des BFG im fortgesetzten Verfahren erging mit , RV/5200032/2019 (teilweise Stattgabe). Das BFG stellte darauf ab, dass die Biersteuer für die nicht zurückgebrachten Mengen festzusetzen sei.

Mit Antrag vom wurde ein Antrag auf Nachsicht nach § 236 BAO gestellt; dies mit der Begründung, dass der produktionsbedingte Schwund durch das Abfüllen in Deutschland zu berücksichtige wäre; Hinweis auf § 7 Abs 4 BierStG: "Die Abgabeneinhebung ist unbillig, da bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis - namentlich die Versteuerung von Schwund - eintritt. Dies führt zu einer anormalen Belastungswirkung."

Das Zollamt wies den Antrag mit der Begründung ab, dass keine sachliche Unbilligkeit erkennbar wäre: "Das Wegbringen von Bier aus einem Steuerlager in den freien Verkehr ist ein vom Gesetzgeber beabsichtigtes Ergebnis und kein außergewöhnlicher Geschehensablauf. Auch führt die Steuerbelastung für das nicht zurückgebrachte Bier nicht zu einem unproportionalen Vermögenseingriff. Schließlich ist daran zu erinnern, dass die Antragstellerin die Rechtsfolge leicht hätte vermeiden können, wenn sie - wie sie es üblicherweise auch getan hat - das Bier im Steueraussetzungsverfahren aus dem Steuerlager verbracht hätte. Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor".

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wiederholt die Bf. die Rechtsansicht, dass eine Unbilligkeit nach Lage der Sache vorliege: "Der Gesetzgeber hat klar vor Augen gehabt, dass zerstörtes, unwiederbringlich verlorengegangenes Bier nicht zu versteuern ist. Nach der Judikatur trifft dies auf den Abfüllschwund genauso zu. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Biersteuer eben eine Verbrauchssteuer und nicht eine Produktionsschwundsteuer ist. Die Formulierung lautet zwar, dass die Steuerschuld nicht entstehe, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, jedoch besteht hier eine Gesetzeslücke und ist diese Bestimmung so zu lesen, dass eine Steuerschuld nicht entsteht bzw. entfällt, wenn diese Voraussetzungen vor der Verpflichtung zur Anmeldung gegeben sind. Erst mit der Anmeldung entsteht die Steuerschuld endgültig".

Die Beschwerde wurde mit BVE vom als unbegründet abgewiesen. Im Vorlageantrag ergänze die Bf. ihr Vorbringen, in dem sie betonte, dass § 7 Abs 1 Z 1 BierStG knüpft an der Wegbringung aus einem Steuerlager, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt, oder durch die Entnahme zum Verbrauch in einem Steuerlager an. Unter "Wegbringung" kann jedenfalls nur das endgültige Ausscheiden aus einem Steuerlager verstanden werden, nicht aber eine bloß temporäre Wegbringung".

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist ein Unternehmen, welches sich mit der Herstellung, der Lagerung und dem Vertrieb von Bier und Biermischgetränken sowie mit dem Handel von Fremdbier und alkoholfreien Getränken beschäftigt. Sie war in den hier relevanten Zeiträumen Inhaberin einer vom damaligen Hauptzollamt erteilten Bewilligung gemäß § 12 BierStG. Anlässlich einer durchgeführten Betriebsprüfung wurde u.a. festgestellt, dass die Bf. Bier in Großbehältern aus ihrem Steuerlager in den Jahren 2009 bis 2011 entnommen, nach Deutschland zur Abfüllung in Flaschen versendet und nach erfolgter Rücklangung der Flaschenware am selben Tag wiederum in ihr Steuerlager aufgenommen hat. Für die Beförderung der Großbehälter nach Deutschland wurde kein begleitendes (elektronisches) Verwaltungsdokument von der Bf. erstellt. Die Entstehung der Abgabenschuld ist unstrittig; s. ; strittig ist aber, ob ein produktionstechnischer Schwund wegen des Abfüllens durch Gewährung einer Nachsicht zu berücksichtigen sei; die Bf. vindiziert eine schwundbedingte Remuneration.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und unter Berücksichtigung der seitens des Bundesfinanzgerichts zusätzlich vorgenommenen Ermittlungen.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 236 BAO lautet:

(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Die Unbilligkeit kann eine persönliche oder sachliche sein:

"Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist" (Ritz/Koran, BAO 7. Aufl § 236 Rz 11 mwN).

Dass die Steuerschuld grundsätzlich wegen § 7 Abs 1 Z 1 BierStG entstanden ist, ist soweit rechtskräftig belegt (). Unstrittig ist auch, dass § 7 Abs 4 BierStG nicht greift, weil die Bf. kein Aussetzungsverfahren in Anspruch genommen hat. Abgesehen davon, dass ein diesbezüglicher Antrag auf Nachsicht durch das BFG schon zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt (zurückgewiesen) wurde; , hat sich auch das BFG schon im Hauptverfahren mit nachsichtsbezogenen Einwendungen in extenso befasst und ausgeführt: "[…] ist zunächst zu entgegnen, dass die von der Bf. vorstehend genannte Regelung erst mit Wirksamkeit (§ 46f BierStG - BGBl 151/2009) in § 7 BierStG eingefügt wurde und somit bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung unstrittig keine Anwendung finden kann.

Außerdem erweist sich die diesbezügliche Ausführung der Abgabenbehörde in der, der Bf. auch zur Kenntnis gebrachten Stellungnahme des Zollamtes vom als zutreffend, nämlich, dass die Bestimmung des § 7 Abs. 4 BierStG ab ihrer Gültigkeit nur jene Fälle umfasse, in denen sich das Bier in einem Verfahren der Steueraussetzung befindet. Dies ist auch dadurch eindeutig klargestellt, da die Einfügung des § 7 Abs. 4 BierStG mit dem zuvor genannten Datum laut den Erläuternden Bemerkungen (RV, Beilage 479 zur XXIV. GP) aus jenem Grund erfolgte, die nationalen österreichischen Bestimmungen den aktuellen Regelungen der vom Rat der Gemeinschaft erlassenen Richtlinien für verbrauchsteuerpflichtige Waren entsprechend anzupassen. In Art. 14 Abs. 1 der bis in Kraft gewesenen Systemrichtlinie 92/12/EWG wird der zugelassene Lagerinhaber für einen eingetretenen Schwund von der Steuer für im Verfahren der Steueraussetzung befindliche Verbrauchsteuerwaren befreit, soweit dieser während der Herstellung, Verarbeitung sowie der Lagerung und Beförderung aus Gründen, die sich aus der Eigenart der Waren ergeben, eintritt. Mit Wirkung wurde die vorgenannte Systemrichtlinie aufgehoben und durch die neu gefasste 2008/118/EG vom ersetzt. In dieser legt Art. 7 Abs. 4 fest, dass die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust von - dem Verfahren der Steueraussetzung unterstellten - verbrauchsteuerpflichtigen Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit, infolge unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt oder einer von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates erteilten Genehmigung nicht als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gelten. Im Sinne dieser Richtlinie gelten Waren dann als vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen, wenn sie nicht mehr als verbrauchsteuerpflichtige Waren genutzt werden können.

Die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust der betreffenden verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die vollständige Zerstörung oder der unwiederbringliche Verlust eingetreten ist, oder, wenn nicht festgestellt werden kann, wo der Verlust eingetreten ist, den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Verlust entdeckt wurde, hinreichend nachzuweisen.

Gegenständlich ist der von der Bf. behauptete Abfüllschwund unstrittig nicht im Verfahren der Steueraussetzung eingetreten, wodurch die vorgenannten Bestimmungen bereits aus diesem Grund keine Anwendung finden können. Der sinngemäßen Ansicht der Bf. , dass der Gesetzgeber klar vor Augen gehabt hätte, zerstörtes, unwiederbringlich verlorengegangenes Bier generell nicht der Besteuerung zu unterwerfen, kann vom BFG nicht gefolgt werden, da eine solche Befreiungsmöglichkeit selbst die vorgenannten Richtlinien der Union nicht vorsehen". Das BFG hält an dieser Rechtsansicht fest.

Überdies liegt im Nachsichtsverfahren das Hauptgewicht der Behauptungslast und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Incidentaliter ganz allgemein (und pauschal) auf produktionstechnischen Schwund zu rekurrieren, entspricht diesen Voraussetzungen ohnehin nicht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Voraussetzungen der Gewährung einer Nachsicht wenn ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, ist in einer jahrzehntelangen Rechtsprechung des VwGH hinlänglich geschärft; Ritz/Koran, BAO7, § 236 Rn 11 mwN zur Judikatur des VwGH.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200021.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at