Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 11.06.2024, RV/4100032/2024

Zurückverweisung - erhöhte Familienbeihilfe

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf.***, Adresse, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig MAS und Mag. Hannes Gradischnig, Rechtsanwälte, Moritschstraße 5/Stg. 1, 9500 Villach, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom mit dem der Antrag vom (richtig: ), eingereicht am , auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für den Zeitraum ab Juli 2021 abgewiesen wurde, St.Nr.***BF1StNr1*** beschlossen:

1. Der angefochtene Bescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom werden aufgehoben. Die Sache wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.
Die Beschwerde vom wird als unzulässig geworden zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Der Beschwerdeführer (Bf.), geb.***1***, beantragte mittels Formblatt Beih 3 am (richtig wohl: , Eingang Finanzamt (FA) ), den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung".

Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und Ausführungen zur Verehelichung des Bf. sowie den medizinischen Feststellungen, dass beim Bf. seit 07/2021 ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v.H. vorliege (vorher: ab 09/1999 ein GdB von 30 v.H.) und eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit (dEU) seit 07/2021 bestehe, wies das FA den Erhöhungsantrag wegen erheblicher Behinderung für den Zeitraum ab 07/2021 mit Bescheid vom ab. Begründend wurde auf § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 verwiesen, wonach die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eintreten hätte müssen.

Dagegen erhob der Bf. am Beschwerde, weil Funktionseinschränkungen bereits seit der Kindheit vorgelegen seien und diese auf mehrere traumatischen Ereignisse bzw. Erlebnisse einer äußerst schwierigen Kindheit und Jugend zurückzuführen seien.

Aufgrund der Beschwerde wurde vom FA ein zweites Sachverständigengutachten beim Sozialministeriumservice angefordert. Der medizinische Sachverständige stellte einen GdB von 60 v.H. seit 07/2021 vorliegend fest. Die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde mit 07/2021 festgestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde ab. Begründend wurde auf die §§ 8 Abs. 5 und 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und darauf verwiesen, dass die dEU erst mit 07/2021 festgestellt worden sei. Da dieser Zeitpunkt nach Vollendung des 21. Lebensjahres gelegen sei, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. erhöhte Familienbeihilfe.

Mit Vorlageantrag vom rügte der Bf. die mangelnde Nachvollziehbarkeit und fehlende Schlüssigkeit des Gutachtens, insoweit als einerseits festgestellt worden sei, dass er seit seiner Jungend an schwerwiegenden Beeinträchtigungen, sexueller Gewalt, gelitten habe bzw. keinen Pflichtschulabschluss bzw. keine Berufsausbildung habe und ab dem 12. Lebensjahr fremduntergebracht worden sei, aber andererseits festgestellt worden sei, dass er erst seit 07/2021 dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Weder sei auf die Arbeitsversuche noch auf die Gründe für deren Beendigung eingegangen worden. Aus seiner in der Vergangenheit vorliegenden Arbeitswilligkeit sei kein Rückschluss auf eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst ab 07/2021 zu schließen. Er sei nie in der Lage gewesen, seinen Unterhalt aus einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Der Bf. beantragte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Sache zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung.

Mit Vorlagebericht vom legte das FA die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor. Beantragt wurde - unter Hinweis auf § 8 Abs. 6 FLAG 1967 - die Abweisung der Beschwerde.

Das BFG forderte in der Folge das FA auf, den fehlenden Antrag des Bf. auf Familienbeihilfe (Beih 100) vorzulegen. Verwiesen wurde darauf, dass wenn in einem Verfahren nur ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages gestellt werde, der Bescheid, der die Nichtgewährung der erhöhten Familienbeihilfe betreffe, rechtswidrig und vom BFG aufzuheben sei. Weiters wurde um Bekanntgabe ersucht, ob und seit wann der Bf. verehelicht sei bzw. dass allfällig vorhandene ANV Bescheide der Gattin vorzulegen seien.

Im Antwortschreiben des FA vom führte das FA aus:

"Der Beschwerdeführer hat mit bereits in einem vorgelagerten Verfahren den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe gestellt. Dazu wurde ihm seitens der Abgabenbehörde ein Vorhalt gesendet, in welchem er aufgefordert wurde, den Antrag auf Familienbeihilfe (Beih 100) nachzureichen. Dies hat er mit auch getan.

Beide Anträge wurden mit Abweisungsbescheiden vom nach Durchführung einer Begutachtung beim Sozialministeriumservice erledigt. Das Gutachten des Sozialministeriumservice vom liegt bereits im Akt auf.

Es ist richtig, dass Herr ***Bf.*** mit neuerlich einen Antrag - wiederum "nur" auf erhöhte Familienbeihilfe (Beih3) - gestellt hat.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die FBH monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um einen im Gesetz genannten Betrag. Daraus folgt, dass der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe diese erhöht, jedoch niemals alleine gewährt werden kann. Der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG setzt also den Anspruch auf den Grundbetrag nach § 8 Abs. 1 FLAG voraus (Vgl. Lenneis in Lenneis Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 19, , ).

Auf Grund des Alters des Kindes kommt im gegenständlichen Fall ausschließlich ein Antrag gem. § 2 Abs. 1 lit c FLAG in Betracht. In diesem Fall besteht eine untrennbare Verknüpfung von Grund- und Erhöhungsbetrag. Angesichts dessen kann ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages auch als Antrag auf Gewährung des Grundbetrages gesehen werden (vgl. )."

Nach Darlegung der Verfahrenslage durch das Bundesfinanzgericht vom , nahm die Vertretung des Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung mit Schreiben vom zurück.

Rechtliche Beurteilung:

Ist gemäß § 278 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§260)
noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Der Bf. hat am einen "Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung", datiert mit (Anm.: richtig wohl 2023) beim FA eingebracht.

Einen Antrag auf Gewährung des Grundbetrages der Familienbeihilfe hat der Bf., wie das FA in der Vorhaltsbeantwortung vom mitteilte, nicht gestellt. Es sei "nur" ein Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe eingebracht worden. Es verwies aber auf ein im Jahr 2021 durchgeführtes Verfahren; danach hat der Bf. - nach einem damaligen Vorhalteverfahren - einen Antrag auf Familienbeihilfe (Beih 100) nachgereicht. Es wurde über beide Anträge am abweisend abgesprochen.

Das FA hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid über die "erhöhte Familienbeihilfe" und unter Verweis auf "§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG" sowie der "untrennbaren Verknüpfung von Grund- und Erhöhungsbetrag" auch über die Familienbeihilfe abgesprochen. Das FA hat den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages auch als Antrag auf Gewährung des Grundbetrages gesehen bzw. interpretativ den Antrag aus dem Vorverfahren auch als maßgebend für das gegenständliche Verfahren angesehen.

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den hier nicht interessierenden Fällen des § 10a FLAG 1967, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind ist besonders zu beantragen.

Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid zu erlassen.

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid einen vom Bf. nicht gestellten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abgewiesen.

Da ein derartiger Abweisungsbescheid nach der zitierten Rechtslage zwingend einen entsprechenden Antrag voraussetzt, ist der angefochtene Bescheid, der auch die Nichtgewährung der Familienbeihilfe betrifft, daher jedenfalls rechtswidrig und musste somit, ebenso wie die in der Folge ergangene Beschwerdevorentscheidung aufgehoben werden.

Da im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt wurde, ein Antrag auf Familienbeihilfe gar nicht gestellt wurde, durfte das Finanzamt den allein gestellten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages nicht in der Sache behandeln, somit dem Antrag weder stattgeben, aber diesen Antrag auch nicht in der Sache mit Bescheid abweisen (Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. 2019, § 10, Rz 3).

Durch die Aufhebung des abweisenden Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde tritt das Verfahren gemäß § 278 Abs. 2 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Für das weitere Verfahren bedeutet dies, dass das Finanzamt in dem Falle, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe einbringt, über diesen Antrag und auch über den wieder unerledigten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung zu entscheiden haben wird (vgl. RV/2100179/2017). Wobei aber die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d iVm § 6 Abs. 5 FLAG 1967 maßgebend sind.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass dem vom FA zitierten Erkenntnis des ein anders gelagerter Sachverhalt als jener im Beschwerdefall zu Grunde lag.

Das Bundesfinanzgericht hatte daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im Beschwerdefall nicht vor, daher war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 278 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100032.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at