Keine Haftung des Vermieters für die Glücksspielabgabe seines Mieters bei einem Bestandvertrag von nur sehr kurzer Dauer
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RV/7103025/2020-RS1 | Die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, stellt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden dar. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***Stb.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , Abgabenkontonummer ***1***, betreffend Haftung gem. § 59 Abs. 4 lit. a Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit dem o.a. Haftungsbescheid nahm das Finanzamt die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die ***Bf*** als Haftungspflichtige gem. § 59 Abs. 4 lit. a GSpG für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***NNGmbH***, ***Adr1***, im Ausmaß von € 10.569,60 in Anspruch.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Die Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.
Mit Vorhalt vom übermittelte das Bundesfinanzgericht der Bf. eine Stellungnahme des Finanzamtes Österreich zur aktuellen einschlägigen Rechtsprechung des VwGH. Eine schriftliche Reaktion auf diesen Vorhalt durch die Bf. erfolgte nicht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. befand sich im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum in unbeschränkter Verfügung über das Hotel- und Gastronomieobjekt mit der Firmenbezeichnung **Bf**.
Am schlossen die Bf. und die ***NNGmbH*** (kurz: **NNGmbH**) einen Vertrag mit der Bezeichnung "Mietvertrag und Kooperationsvereinbarung".
Laut Pkt. I dieses Vertrages verpflichtete sich die **NNGmbH** die im Keller des genannten Hotels befindlichen Räumlichkeiten auf eigene Kosten zu adaptieren und stimmte zu, dass alle diesbezüglichen Investitionen/Veränderungen entschädigungslos in das Eigentum der Bf. übergehen.
Unter Pkt. VIII dieses Vertrags hielten beide Vertragsteile fest, dass alle vertragsgegenständlichen Mieträumlichkeiten ausschließlich zu Geschäftszwecken und zwar zur Abhaltung von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen verwendet werden.
Die **NNGmbH** veranstaltete am angeführten Standort im Zeitraum vom Jänner bis März 2011 Ausspielungen gem. § 2 Glücksspielgesetz in Form von Poker-Cashgames.
Die **NNGmbH** entrichtete die dafür anfallenden Glücksspielabgaben nicht.
Das Finanzamt nahm daher die Bf. als Haftende gem. § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in Anspruch.
2. Beweiswürdigung
Die sachverhaltsrelevanten Feststellungen wurden seitens des Bundesfinanzgerichts im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich dabei auf die durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse stützen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Rechtslage:
§ 59 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 54/2010, bestimmt u.a.:
"(1) Die Abgabenschuld entsteht in den Fällen der §§ 57 und 58:
1. in Fällen des § 58 im Zeitpunkt des Zustandekommens des Spielvertrages;
2. bei allen anderen Ausspielungen mit der Vornahme der Handlung, die den Abgabentatbestand verwirklicht. Bei Sofortlotterien entsteht die Abgabenschuld in dem Zeitpunkt, in dem im Verhältnis zwischen Konzessionär und Vertriebsstelle die Abrechenbarkeit der geleisteten Spieleinsätze eingetreten ist. Bei elektronischen Lotterien entsteht die Abgabenschuld mit Erhalt der Einsätze und Auszahlung der Gewinne.
(2) Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 sind
1. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57:
- der Konzessionär (§ 17 Abs. 6) oder der Bewilligungsinhaber (§ 5);
- bei Fehlen eines Berechtigungsverhältnisses der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler (Abs. 5) sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand.
2. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 58 der Vertragspartner des Spielteilnehmers sowie die Veranstalter, die die in § 58 genannten Ausspielungen anbieten oder organisieren.
(3) Die Schuldner der Abgaben nach §§ 1, 57 und 58 haben diese jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie eine Abrechnung über die abzuführenden Beträge in elektronischem Weg vorzulegen. Der Bundesminister für Finanzen kann dabei im Verordnungsweg nähere Details der elektronischen Übermittlung regeln. Dieser Abrechnung sind Unterlagen anzuschließen, die eine Überprüfung der Einsätze und Gewinne der Glücksspiele während des Abrechnungszeitraumes gewährleisten. Die Abrechnung gilt als Anzeige. § 29 Abs. 3 über die Überwachung der Abgaben gilt sinngemäß. Trifft die Verpflichtung zur Entrichtung zwei oder mehr Personen, so sind sie zur ungeteilten Hand verpflichtet.
(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand
a. derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;
b. bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).
…"
Erwägungen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2021/17/0006 u.a. ausgesprochen:
"Nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG haftet für die korrekte Entrichtung der (Glücksspiel-)Abgaben derjenige zur ungeteilten Hand, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Die Begriffe "Verfügungsbereich" und "erlaubt" definiert das Gesetz nicht näher; auch die Materialien zur GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 9) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen. Im GSpG verwendet der Gesetzgeber den Begriff "Verfügungsbereich" allerdings nicht nur in § 59 Abs. 4 lit. a, sondern auch in dessen lit. b, wonach bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten unter anderen derjenige für die korrekte Entrichtung der Abgaben haftet, "der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt". Ferner gelten gemäß § 59 Abs. 7 GSpG entgeltliche Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen ohne vermögenswerte Leistung unter weiteren Voraussetzungen "nicht als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a)". Dieser systematische Zusammenhang, insbesondere der Verweis auf § 59 Abs. 4 lit. a in (dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 eingefügten) Abs. 7 leg. cit. zeigt, dass der Gesetzgeber mit "Verfügungsbereich" nicht alleine (potentiell Haftenden zuzuordnende) Örtlichkeiten bezeichnet, wo Ausspielungen stattfinden oder Glücksspielautomaten aufgestellt werden können, sondern es für die Qualifikation als "Verfügungsbereich" darauf ankommt, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Bestätigt wird dieses Verständnis von "Verfügungsbereich" dadurch, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - "erlaubt", daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt.
…
Im Revisionsfall wurde der Mietvertrag mit der C GmbH im Jahr 2003 abgeschlossen. Mit Vertrag vom kaufte die mitbeteiligte Partei die Liegenschaft und trat in den geltenden Mietvertrag mit der C GmbH in die Rechtsposition als Vermieterin ein. Erst im Jahr 2010 wurden im Rahmen der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, die Glücksspielabgaben der §§ 57 ff GSpG einschließlich der Haftungsbestimmung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in das GSpG aufgenommen. Diese abgabenrechtlichen Bestimmungen der §§ 57 bis 59 GSpG traten am in Kraft (§ 60 Abs. 22 zweiter Satz GSpG).
Damit bestand für die mitbeteiligte Partei aber keine Möglichkeit mehr, ihr Risiko, zur Haftung herangezogen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen, zumal vor der genannten Novelle keine vergleichbare Haftungsbestimmung in Geltung stand. Denn weder im GSpG noch andernorts - insbesondere auch nicht im GebG, das die hier interessierenden Glücksspiele bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2008 der Gebührenpflicht unterwarf - war eine vergleichbare Haftung vorgesehen (vgl. zum Übergang von der Gebührenpflicht nach dem GebG zur Abgabenpflicht nach dem GSpG für die hier interessierenden Glücksspiele Ro 2018/17/0003, Rn. 73 und 76). Die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.; vgl. VfSlg. 11.921/1988) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, stellt aber nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden dar. Da für die mitbeteiligte Partei diese Möglichkeit der Risikobegrenzung nicht bestand, weil der maßgebliche Mietvertrag bei Auftreten des durch den neu erlassenen § 59 Abs. 4 lit. a GSpG ausgelösten Haftungsrisikos bereits abgeschlossen und nicht mehr einseitig änderbar war, wird der Haftungsbestimmung bei Anwendung auf diese Konstellation ein sachlich nicht gerechtfertigter und somit gleichheitswidriger Inhalt unterstellt." ().
Der gegenständliche Mietvertrag wurde am und somit nach Kundmachung der Haftungsbestimmung im BGBL 54/2010 am abgeschlossen.
Als Mietzweck wurde die Abhaltung von Glücks- u Geschicklichkeitsspielen vereinbart. Beide Vertragsteile hielten fest, dass alle vertragsgegenständlichen Mieträumlichkeiten ausschließlich zu Geschäftszwecken und zwar zur Abhaltung von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen verwendet werden. Es wurde daher insbesondere der Betrieb eines Casinos und sohin die Durchführung von Ausspielungen nicht bloß geduldet, sondern ausdrücklich bedungen.
Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Bf. der **NNGmbH** entsprechend dem Wortlaut des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG die Durchführung der Ausspielung in ihrem Verfügungsbereich erlaubte.
Unter Bedachtnahme auf die eben zitierte Rechtsprechung des VfGH und des VwGH ist auch im Streitfall das Vorliegen der dort geforderten Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden zu untersuchen. Zu prüfen ist daher, ob für die Bf. als Vermieterin die Möglichkeit bestand, das Risiko, als Haftende in Anspruch genommen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarungen o.ä.) zu begrenzen oder ganz auszuschließen.
Dabei sind die Besonderheiten des hier zu betrachtenden Einzelfalls zu berücksichtigen, die nach der Aktenlage u.a. dadurch geprägt sind, dass der Mietvertrag von vornherein auf nur etwas mehr als drei Monate beschränkt war, dass laut Bescheid die **NNGmbH** nur drei Monate in den Räumlichkeiten der Bf. Ausspielungen nach § 2 Glücksspielgesetz veranstaltete, dass die Frage ob derartige Ausspielungen überhaupt der Glücksspielabgabe unterliegen damals (also Anfang 2011) noch höchst strittig war (siehe die zahlreichen im angefochtenen Bescheid vom Finanzamt zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen, die allesamt erst nach 2011 ergingen), dass die **NNGmbH** nach den Feststellungen des Finanzamtes keine Aufzeichnungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen führte, dass die Bf. am Unternehmensertrag der **NNGmbH** in keiner Weiser partizipieren konnte, dass im Mietvertrag die Leistung einer Kaution nicht vereinbart wurde und schließlich dass der Haftungsbescheid erst viele Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruchs erlassen wurde.
Diese Prüfung führt zum Ergebnis, dass es der Bf. nicht möglich war, ihr Risiko, zur Haftung herangezogen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen, sodass es an der von den Höchstgerichten geforderten sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden mangelt. Der Beschwerde war daher schon aus diesem Grunde Folge zu leisten.
Dazu im Einzelnen:
Zur Vertragsdauer:
Laut dem vorliegenden Mietvertrag begann das Bestandverhältnis am und endete am , ohne dass es einer vorangegangenen Kündigung bedurfte. Angesichts dieser besonders kurzen Bestanddauer erscheint es lebensfremd, wenn man der Bf. abverlangen wollte, sie hätte zur Minimierung ihres Risikos Kündigungsbestimmungen im Mietvertrag vereinbaren sollen, die es ihr ermöglicht hätten, das Bestandverhältnis noch früher zu beenden und die Zurückstellung des Mietobjekts bereits vor dem zu verlangen.
Wenn das Finanzamt meint, die Bf. hätte durch die Vereinbarung einer zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit für den Fall, dass die **NNGmbH** ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Entrichtung der Glücksspielabgabe nicht nachkommen würde, ihr Haftungsrisiko minimieren können, kann ihm nicht gefolgt werden.
Denn gem. § 59 Abs. 3 GSpG hat der Schuldner der Abgaben diese jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt zu entrichten. Im vorliegenden Fall wurde der Abgabentatbestand iSd § 59 Abs. 2 GSpG am Tag der Veranstaltung der Ausspielung verwirklicht. Die Bf. hätte daher frühestens am feststellen können, dass die Glücksspielabgabe nicht entrichtet worden war. Dies aber auch nur dann, wenn sie diesbezügliche Einschaurechte im Mietvertrag vereinbart hätte und diese auch zeitnah wahrnehmen hätte können sowie unter der weiteren Voraussetzung, dass es ihr überhaupt möglich gewesen wäre, eine abgabenrechtliche Würdigung vorzunehmen. Angesichts dieser Umstände und unter Bedachtnahme auf die Tatsache, dass die Abgabenpflicht für Poker-Cashgames damals höchst strittig war, erscheint es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts kaum vorstellbar, dass es der Bf. möglich gewesen wäre, sich innerhalb der kurzen Bestanddauer einen entsprechenden Überblick zu verschaffen und danach noch rechtswirksam eine vorzeitige Kündigung durchzusetzen, um ihr Haftungsrisiko auszuschließen. Dazu kommt, dass - wie nachstehend noch auszuführen sein wird - die **NNGmbH** keinerlei zweckmäßige Aufzeichnungen führte, wodurch das Ergreifen allfälliger rechtlicher Schritte für eine fristgerechte Kündigung zusätzlich erschwert wurde.
Zu den Aufzeichnungen der **NNGmbH**:
In der Niederschrift des Finanzamts vom über die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO anlässlich der Außenprüfung bei der **NNGmbH** wird u.a. festgehalten:
"Gemäß § 57 Abs. 1 GSpG unterliegen Ausspielungen (§ 2 GSpG), an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz.
Gemäß § 184 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Die Spieleinsätze werden bei den Cashgames von den Spielern an die Spielgemeinschaft geleistet und nicht an das Casino.
Aufzeichnungen zu den Einsätzen liegen nicht vor. Dazu wäre bei jedem Tisch zu jedem Zeitpunkt des laufenden Spiels eine Beobachtung nötig. Dies kann vom Prüfer nicht nachgeholt werden. Das bedeutet für die Glücksspielabgabe, dass die Bemessungsgrundlage zu den Cashgames nur im Schätzungswege ermittelt werden kann.
Die Berechnung des Finanzamtes baut auf der von der Abgabenschuldnerin selbst vorgenommenen Schätzung auf Basis des Tischgeldes auf. Bei den Cashgames werden Tischgelder abhängig von der Pothöhe einbehalten. Dabei wurde das Tischgeld mit durchschnittlich 3,5% des Pots angenommen. Anhand der vorgelegten Tischabrechnungen, die täglich erstellt werden, wurde eine Rückrechnung auf die Einsätze vorgenommen."
Daraus folgt, dass es der Bf. selbst dann, wenn sie im Mietvertrag Einschaurechte vereinbart hätte und diese auch wahrnehmen hätte können, wohl kaum möglich gewesen wäre, die Höhe der allenfalls entstandenen Glücksspielabgaben (deren Bemessungsgrundlage seitens des Finanzamtes im Wege der Schätzung ermittelt wurden) zu beurteilen und daraus Rückschlüsse auf ein allfälliges Haftungsrisiko zu ziehen und etwaige Maßnahmen dagegen zu ergreifen.
Zur Kautionsleistung
Wie bereits oben ausgeführt vereinbarten die Vertragsparteien im o.a. Mietvertrag keine Kautionsleistung. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der außergewöhnlich kurzen Bestanddauer eine solche als entbehrlich erachtet wurde.
Das Finanzamt meint, die Bf. hätte sich durch eine Kautionsleistung zivilrechtlich absichern und dadurch das Risiko einer Haftungsinanspruchnahme minimieren können.
Dem ist zu entgegnen, dass es nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts als lebensfremd zu erachten ist, in einem Mietvertrag, der die rechtliche Grundlage für Mietzahlungen in der Höhe von maximal € 3.500,00 netto für die gesamte Mietdauer bildet, Kautionsleistungen in der Höhe von vielen Tausend Euro (die von der **NNGmbH** nicht entrichtete Glücksspielabgabe für die in Rede stehenden drei Monate beträgt € 176.160,00) zu vereinbaren. Dies umso mehr, als der Vertreter der Bf. am Rande der mündlichen Verhandlung glaubhaft versicherte, weder er noch der von ihm beauftragte Vertragserrichter hätten damals auch nur im Entferntesten die Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme für Glücksspielabgaben in Erwägung gezogen.
Genauso wenig scheint es durchsetzbar, die Rückerstattung einer allfälligen Kaution über viele Jahre hinauszuzögern, um eine Begrenzung des Risikos zu erreichen (zwischen der Abgabenentstehung und der Heranziehung der Bf. als Haftende liegen mehr als acht Jahre). Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Vertreters des Finanzamts, dass es im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung auf die Klärung der Frage nicht ankomme, ob die Zurückhaltung einer Kaution über viele Jahre in der Praxis auch funktioniere, wird nicht gefolgt. Denn wenn die Kaution bereits lange vor der Inanspruchnahme des Haftenden rückerstattet werden muss, steht sie selbstverständlich nicht mehr zu der von den Höchstgerichten geforderten Risikobegrenzung zur Verfügung.
Zur Partizipation der Bf. am Unternehmensertrag der **NNGmbH**:
Nach der Aktenlage bestehen nicht die geringsten Hinweise darauf, dass die Bf. am wirtschaftlichen Erfolg der Mieterin in irgendeiner Weise teilhaben konnte. Dieser Umstand fand keinen Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Eine Auslegung, wonach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG erlauben würde, in einer Konstellation wie der vorliegenden die bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, in denen Glücksspiele durchgeführt werden, zur Haftung für die dabei entstehenden Glücksspielabgaben heranzuziehen, würde aber dann der Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen, wenn man den für die sachliche Rechtfertigung relevanten Zusammenhang der Haftung mit der Teilnahme der in Anspruch Genommenen am Unternehmensertrag der Primärschuldnerin völlig außer Acht lässt (vgl. VfSlg. 12.572/1990; ähnlich VfSlg. 14.263/1995). Somit spricht auch aus dieser Sicht alles gegen eine Heranziehung der Bf. als Haftende.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
2.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Glücksspiel |
betroffene Normen | § 59 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103025.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at