zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.06.2024, RV/5100066/2022

Haftungsinanspruchnahme bei fehlendem Nachweis der Gläubigergleichbehandlung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , mit dem die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***A*** GmbH in Höhe von 70.987,63 € geltend gemacht wurde, Steuernummer ***StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Haftungssumme wird um den Betrag von 48.176,89 € eingeschränkt, beträgt nunmehr 22.810,74 € und schlüsselt sich wie folgt auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/15
1.641,42
Umsatzsteuer
02/16
13.640,31
Umsatzsteuer
11/16
5.202,98
Körperschaftsteuer
2014
439,14
Körperschaftsteuer
01-03/17
437,00
Säumniszuschlag 1
2016
14,90
Säumniszuschlag 1
2016
572,65
Säumniszuschlag 1
2016
88,90
Säumniszuschlag 2
2016
286,25
Säumniszuschlag 2
2016
136,40
Säumniszuschlag 3
2015
81,96
Säumniszuschlag 3
2015
268,83
Summe
22.810,74

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Vorweg wird darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Beschwerde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom zum Stichtag der Gerichtsabteilung 6026 wegen Versetzung der Richterin in den Ruhestand abgenommen und in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung 6007 zugewiesen wurde.

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom machte das Finanzamt den Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf aufmerksam, dass am Abgabenkonto der Firma ***A*** GmbH (=Primärschuldnerin) bis zur Insolvenzeröffnung Abgabenverbindlichkeiten in Höhe von 74.507,79 € unberichtigt aushaften würden. Der Beschwerdeführer sei seit Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Er sei für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Primärschuldnerin zuständig gewesen. Bis zum Beweis des Gegenteils müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer der ihm aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht vorschriftsmäßig nachgekommen sei.
Wenn die Primärschuldnerin bereits zu den einzelnen Fälligkeiten der Abgaben nicht über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, möge dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger (auch die zur Gänze befriedigten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.
Es obliege dem Vertreter Nachweise dafür zu erbringen, wie viele Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger noch Befriedigung erlangt hätten. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die ihm obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung für den Abgabenausfall ursächlich gewesen sei. Unter diesen Umständen würde der Beschwerdeführer für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß haften.

Nach Fristverlängerung gab die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom bekannt, dass die Haftung aus folgenden Gründen nicht bestehen würde:
unberichtigte Umsatzsteuern 01/15, 12/15, 2/16 und 11/16: Die ***B*** GmbH habe die Primärschuldnerin im Oktober 2013 bzw. Oktober und November 2014 mit diversen Sanierungs- und Umbauarbeiten sowie der Entrichtung von Aluschallfenstern samt Isolierverglasung beauftragt. Für diese Arbeiten habe die Primärschuldnerin laufend Teilrechnungen gestellt, wobei eine Forderung der Primärschuldnerin in Höhe von 458.207,46 € aushaften würde, deren Bezahlung von der ***B*** GmbH verweigert worden sei. Dieser Zahlungsausfall wäre auch der Anlass für die Insolvenzeröffnung im Februar 2017.
Der vom Gericht bestellte Masseverwalter habe nach Insolvenzeröffnung ein Verfahren vor dem HG Wien fortgesetzt, wobei zuletzt 297.048,72 € streitanhängig gewesen seien. Das ***OLG*** habe mit (rechtskräftigem) Teilurteil vom einen Teilbetrag des offenen Werklohnes in Höhe von 55.189,68 € als zu Recht bestehend anerkannt. Mit nicht rechtskräftigem Urteil sei eine Werklohnforderung in Höhe von 120.474,01 € anerkannt worden.
Insgesamt sei aufgrund der bislang ergangenen Urteile davon auszugehen, dass von der offen aushaftenden Gesamtforderung gegenüber der ***B*** GmbH ein Werklohn von nur 175.663,69 € zu Recht bestehen würde. Davon ausgehend würde sich ergeben, dass die verbleibende Differenz in Höhe von 282.543,77 € nicht zu Recht bestehen würde und die gelegten Rechnungen in diesem Ausmaß zu korrigieren seien. In diesem Betrag sei Umsatzsteuer in Höhe von 47.090,63 € enthalten.
Für den Fall der neuerlichen Bestätigung dieser gerichtlichen Entscheidung durch das ***OLG*** würde sich ergeben, dass es zum Wegfall der zu Unrecht verzeichneten Umsatzsteuer kommen würde.
Lohnsteuer, DB sowie Zuschlag zum DB: Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung seien drei Dienstnehmer beschäftigt gewesen (***DN1***, ***DN2***, ***DN3***). ***DN1*** habe seit Juni 2016 kein Entgelt mehr ausbezahlt erhalten, die übrigen Dienstnehmer seit 12/2016. Die Lohnabgaben für Jänner 2017 seien mangels Auszahlung der Löhne nicht entstanden und daher auch nicht am fällig geworden.
Gläubigergleichbehandlung: Im relevanten Zeitraum sei es zu einer Befriedigung der Finanz von mehr als 45 % gekommen. Aufgrund der Zahlungsstockung infolge des Forderungsausfalles gegenüber der ***B*** GmbH sei die Primärschuldnerin im relevanten Zeitraum kaum mehr am Markt tätig gewesen. Ausgehend von den Lieferantenforderungen seien die Lieferanten kaum, jedenfalls in geringem Umfang, befriedigt worden. Der Beschwerdeführer habe nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Eine entsprechende Vergleichsrechnung der Befriedigungsquoten werde nach Abschluss des Verfahrens gegen die ***B*** im Detail vorgelegt.
Konkursquote: Das Haftungsverfahren lasse unbeachtet, dass im Konkursverfahren mit der Auszahlung einer Konkursquote zu rechnen sei. Ein allfälliger Zahlungsausfall des Finanzamtes sei sohin vor dem Feststehen dieser Konkursquote ebenfalls nicht möglich.

Mit Haftungsbescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 70.987,63 € geltend. Die Abgabenschuldigkeiten wurden detailliert wie folgt aufgeschlüsselt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
01/15
20.680,05
Umsatzsteuer
12/15
28.625,40
Umsatzsteuer
02/16
13.640,31
Umsatzsteuer
11/16
5.202,98
Körperschaftsteuer
2014
952,00
Körperschaftsteuer
01-03/17
437,00
Säumniszuschlag 1
2016
14,90
Säumniszuschlag 1
2016
572,65
Säumniszuschlag 1
2016
88,90
Säumniszuschlag 2
2016
286,25
Säumniszuschlag 2
2016
136,40
Säumniszuschlag 3
2015
81,96
Säumniszuschlag 3
2015
268,83
Summe
70.987,63

Nach Darlegung der Gesetzeslage wurde begründend ausgeführt, dass über die Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren mit Beschluss des ***LG*** vom ***Datum1*** eröffnet und am ***Datum2*** nach Schlussverteilung beendet worden sei. Die Gesellschaft sei im Firmenbuch bereits gelöscht.
Das im Vorhalteverfahren angesprochene Verfahren beim ***OLG*** sei offensichtlich bereits im Juli 2019 beendet worden. Seither sei beim Finanzamt kein Antrag auf Berichtigung der Um-satzsteuer eingebracht worden, weshalb diese nach wie vor dem Rechtsbestand angehöre.
Die Behauptung in Zusammenhang mit der Gläubigergleichbehandlung sei durch keinerlei Berechnungen, Aufstellungen und Unterlagen, wie im Vorhalteverfahren angefordert, untermauert worden. Lediglich eine Aufstellung Ausgangsrechnungen - Fälligkeit - Zahlungseingang betreffend der Firma ***B*** GmbH sei vorgelegt worden. Die bloße Behauptung, eine gewisse Quote - im Vergleich zu anderen Gläubigern und den zu den jeweiligen Fälligkeitszeiträumen vorhandenen liquiden Mittel - entrichtet zu haben, würde für eine Beurteilung hinsichtlich Nichtvorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht ausreichen.

Nach Fristverlängerungen wurde mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Es wurde beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben und das Haftungsverfahren einzustellen, in eventu den erlassenen Haftungsbescheid zu beheben und das Verfahren an das Finanzamt zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Begründend wurde ausgeführt, dass zwischenzeitig ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer ergangen sei, der eine Gutschrift in Höhe von 48.103,03 € ausweisen würde. In diesem Ausmaß sei die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers zu vermindern.
Nach Abschluss des Konkursverfahrens sei eine Quote von 2,4 % ausgeschüttet worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese Quote bei den Beträgen, mit welchen der Beschwerdeführer in Anspruch genommen worden sei, berücksichtigt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe im täglichen Geschäftsbetrieb jeweils alle andrängenden Gläubiger abwechselnd befriedigt, sodass alle Lieferanten und auch das Finanzamt zu gleichen Teilen befriedigt worden seien. Aus der OP-Liste des Geschäftsjahres 2016-2017 könne für jeden Lieferanten gesondert rechts oben jeweils der getätigte Umsatz entnommen werden sowie allfällige bereits aushaftende Außenstände. Bei Auswertung der Befriedigungsquote der Lieferanten würde sich ergeben, dass insgesamt offene Lieferantenforderungen in Höhe von 179.092,76 € bestanden hätten, auf welche Verbindlichkeiten lediglich 88.029,86 € geleistet worden seien, sodass die Lieferanten insgesamt mit 44,7 % befriedigt worden seien. Dem stünden die offenen Forderungen des Finanzamtes in diesem Zeitraum gegenüber, die mit 89,1 % befriedigt worden seien.
Insgesamt habe der Beschwerdeführer dafür Sorge getragen, dass das Finanzamt im Vergleichszeitraum nicht schlechter gestellt worden sei wie alle übrigen Lieferanten, sondern vielmehr eine höhere Quote erhalten habe.
Auch der Hinweis im Behördenakt auf eine Generalzession an das finanzierende Kreditinstitut sei nicht geeignet, eine Haftung des Beschwerdeführers zu begründen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes sei bei einer Gläubigerungleichbehandlung und Benachteiligung des Finanzamtes ein Verschulden des Geschäftsführers darin zu erblicken, dass er den Zessionsvertrag unterfertigt hat. Ein Umkehrschluss, dass auch im Fall der Gläubigergleichbehandlung bzw. überaliquoten Befriedigung des Finanzamtes - wie im gegenständlichen Fall - ein Verschulden des Geschäftsführers begründet werde, sei der Judikatur nicht zu entnehmen und auch nicht zulässig.
Weiters werde auf den Aspekt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach den Geschäftsführer dann kein Verschulden treffen würde, wenn er im Rahmen des Generalzessionsvertrages Vereinbarungen treffen würde, um im Falle von Zahlungs-schwierigkeiten für eine aliquote Befriedigung aller Gläubiger Sorge tragen zu können. Für eine derartige aliquote Befriedigung habe der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall Sorge getragen.
Darüber hinaus würde sich aus der OP-Liste, Beilage./1, ergeben, dass kein gültiger Zessionsvermerk bei den einzelnen Forderungen gesetzt worden sei. Für eine wirksame Zession seien Titel (Zessionsvertrag) und Modus (Zessionsvermerk in der OP-Liste) notwendig. Mangels Modus komme es zu keiner Zession, sodass eine Generalszession aller Forderungen nicht vorgelegen sei.
Dem Schriftsatz angeschlossen war eine OP Liste der Primärschuldnerin, eine Aufstellung der Eingangsrechnungen Lieferanten und eine Aufstellung der Forderungen Finanzamt.

Mit Beschwerdevorentscheidung gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und schränkte den Haftungsbetrag auf 23.323,60 € ein. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der neue Haftungsbetrag wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
12/15
1.641,42
Umsatzsteuer
02/16
13.640,31
Umsatzsteuer
11/16
5.202,98
Körperschaftsteuer
2014
952,00
Körperschaftsteuer
01-03/17
437,00
Säumniszuschlag 1
2016
14,90
Säumniszuschlag 1
2016
572,65
Säumniszuschlag 1
2016
88,90
Säumniszuschlag 2
2016
286,25
Säumniszuschlag 2
2016
136,40
Säumniszuschlag 3
2015
81,96
Säumniszuschlag 3
2015
268,83
Summe
23.323,60

Es wurde begründend darauf hingewiesen, dass der Haftungsbetrag um den Betrag der Buchung der Umsatzsteuer 08/19 vom in Höhe von 48.103,03 € reduziert wurde, sodass insofern der Beschwerde stattgegeben worden sei.
Aufgrund der Ausschüttung der Verteilungsquote sei es zu keiner Einschränkung gekommen, das diese mit Beträgen verrechnet worden sei, für welche der Beschwerdeführer nicht haften würde.
In Zusammenhang mit der Berechnung betreffend Gläubigergleichbehandlung wurde darauf hingewiesen, dass zumindest in der Berechnung der Finanzamtsquote Beträge Berücksichtigung finden würden, die für die Darlegung des Zeitraumes keinen Niederschlag finden dürften (Veranlagung 08/19 Buchung , Gutschrift 21.219,79 €). Weiters könne auch die vorgelegte Lieferanten-Quotenberechnung nicht zur Beurteilung einer Gläubigergleichbehandlung herangezogen werden, da nicht erkennbar sei, für welchen genauen Zeitraum diese OP-Liste (OP-Lieferanten vom : von: April bis: März) ausgestellt worden sei. Außerdem könne anhand dieser Liste lediglich beurteilt werden, welche Lieferanten nicht bzw. nicht zur Gänze bedient worden seien. Da eine vollständige Liste der Lieferantenkonten für den haftungsrelevanten Zeitraum nicht vorliegen würde und offensichtlich bezahlte Lieferanten in der Berechnung der Lieferanten-Quote keinen Niederschlag gefunden hätten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Berechnung der Realität entsprechen würde.
Nach Ansicht des Finanzamtes sei ein Verschulden des Geschäftsführers darin zu erblicken, dass der Zessionsvertrag zu Gunsten der Bank unterfertigt worden sei. Durch Abschluss dieses Zessionsvertrages sei eine Gläubigerungleichbehandlung zu sehen, da einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt worden sei, andererseits die anderen andrängenden Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt würden.
Es sei kein Nachweis vorgelegt worden, aus dem hervorgehen würde, dass im Fall von Zahlungsschwierigkeiten für eine aliquote Befriedigung aller Gläubiger gesorgt worden sei. Im Übrigen seien die Bankverbindlichkeiten nicht in die Quotenberechnung mit aufgenommen worden.

Mit Schriftsatz vom wurde Vorlageantrag eingebracht. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Konkursquote grundsätzlich auf die belastendste Verbindlichkeit zu erfolgen habe, sodass eine Verrechnung auf jene Abgabenbestandteile, für die der Beschwerdeführer nicht haften würde, rechtwidrig sei.
Das Finanzamt könne offensichtlich nicht aufzeigen, welche Gläubiger konkret fehlen würden. Es werde übersehen, dass vollständige OP-Listen vorgelegt worden seien, aus welchen die Vergleichsrechnung abgeleitet worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom hielt die zuständige Richterin des Bundesfinanzgerichtes dem Beschwerdeführer Folgendes vor:

  • Die Quote, mit der im beschwerdegegenständlichen Zeitraum die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt getilgt wurden, beträgt 65,98 %. Die Differenz zu Ihrer Berechnung (89,1 %) ergibt sich im Wesentlichen durch die Position mit Buchungsdatum "Veranlagung Aug. 2019 - 21.219,79" auf. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Gutschrift bei der Berechnung der Tilgungsquote für den Zeitraum bis bzw. lt. BVE bis Niederschlag finden sollte.
    Nach ho Berechnung stehen den verbuchten Forderungen iHv 93.416,27 € Zahlungen bzw. Gutschriften iHv 61.634,11 € gegenüber.

  • Sie haben eine OP-Liste Lieferanten vom vorgelegt. Es ist jedoch nicht klar, welchen Zeitraum ("von: April bis: März") diese Liste umfasst.
    OP-Listen dienen der Verwaltung von Debitoren und Kreditoren, sie enthalten also noch nicht bezahlte Rechnungen. Das bedeutet, dass in Ihrer Berechnung jene Geschäftspartner nicht einfließen, deren Rechnungen zur Gänze bezahlt wurden, die also zu 100 % befriedigt wurden.
    Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, die Lieferanten seien insgesamt zu 44,7 % befriedigt worden, so ist dies nicht richtig, weil jene Lieferanten nicht berücksichtigt wurden, die zu 100 % befriedigt wurden.

  • Darüber hinaus betrifft der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur die Lieferanten sondern alle Gläubiger. Treibstoffkosten, Kreditzinsen, Kontoführungskosten etc. finden in Ihrer Berechnung keinen Niederschlag.

  • Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass Sie einen Zessionsvertrag zugunsten der Bank abgeschlossen haben. Um Vorlage dieses Vertrages wird ersucht!

  • Es möge eine Aufstellung vorgelegt werden, aus der hervorgeht, wie hoch ihr monatliches Einkommen ist und welche Ausgaben Sie damit begleichen müssen.

Eine Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens erfolgte nicht.

Mit Email vom gab die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers bekannt, dass dem Schreiben des Masseverwalters entsprechend die Konkursquote 2.493,94 € betragen hätte, auf welche ein Betrag von 445,92 € überwiesen worden sei. Der Restbetrag iHv 2.048,02 € sei kompensiert worden.
Diese Beträge seien auf dem Konto der Primärschuldnerin am und verbucht worden. Es werde davon ausgegangen, dass diese Beträge auf die U 08/2019 und U 09/2019 und nicht auf die älteste Steuerschuld verrechnet worden seien.

Mit Email vom wurde dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers Folgendes mitgeteilt:
"In Zusammenhang mit der Verrechnung der Quotenzahlung darf ich Ihnen die Ausführungen des Finanzamtes übermitteln:
"Wir konnten konnten die Unklarheit bei Abgabengebarung in Bezug auf die Verwendung der Insolvenzquote (2.493,94 EUR) aufklären.
Zur Übersicht die Verrechnung der Insolvenzquote auf dem Abgabenkonto:
Abgabe Jahr Betrag in EUR
ST* 2016 1.004,52
ST* 2017 512,86
SZA 2015 718,65
SZA 2016 257,91
*) Stundungszinsen
Die Abgabengebarung ist nicht vollständig richtig, weil Teile der Insolvenzquote nicht nach § 214 Abs 1 Satz 1 BAO zur Tilgung der dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten herangezogen wurde.
In Bezug auf die SZA 2015 (718,65 EUR) ist die Verrechnung richtig. Da der Fälligkeitstag ( und ) dieser Abgaben vor dem Haftungszeitraum liegt, kann dieser Betrag den Haftungsbetrag in gegenständlichen Verfahren nicht schmälern.
Die restliche Insolvenzquote iHv 1775,29 EUR wurde nicht richtig verrechnet. Teile dieser unrichtigen Verrechnung wurden vom FAÖ bereits beim Haftungsausmaß des Bf berücksichtigt und reduzierten bereits bisher dessen Haftungsbetrag.
Dies betrifft den SZA 2016 (Fälligkeitstag ), bei dem 257,91 EUR der Insolvenzquote zur Tilgung des Gesamtbetrags iHv 272,81 EUR verwendet wurden, weswegen beim SZA 2016 nur 14,90 EUR als Haftung ausgesprochen wurde.
Das gleiche gilt auch für die Stundungszinsen 2016 (Fälligkeitstag und ). Die Insolvenzquote wurde dazu verwendet, die rund 1.004,52 EUR zu tilgen. Aus diesem Grund wurde betreffend Stundungszinsen überhaupt keine Haftung ausgesprochen.
Die Verrechnung der restlichen 512,86 EUR der Insolvenzquote wurde zur Tilgung der Stundungszinsen 2017 verwendet. Dies ist ebenso nicht rechtsrichtig. Da bei richtiger Abgabengebarung im Zeitpunkt des Zuflusses der Insolvenzquote mit der ältesten fälligen verbuchte Abgabenschuldigkeit auf die K 2014 (Fälligkeitstag ) zu verrechnen gewesen wäre und der Bf für diese zur Haftung herangezogen worden ist, kann die unrichtige Verrechnung dem Bf nicht zum Nachteil gereichen.
Daher ist unserer Sicht der Haftungsbetrag um 512,86 EUR zu reduzieren
."
Die Haftungssumme lt. BVE vom iHv 23.323,60 € wäre daher um den Betrag von 512,86 € zu vermindern und würde 22.810,74 € betragen (die Haftung für die Körperschaftsteuer 2014 würde nur im Ausmaß von 439,14 € bestehen)."

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Firma ***A*** GmbH wurde mit Erklärung vom ***Datum3*** gegründet. Der am tt.mm.jjjj geborene Beschwerdeführer fungierte ab als deren alleiniger Geschäftsführer.
Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom ***Datum1*** wurde über das Vermögen der ***A*** GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom ***Datum2*** wurde der Konkurs aufgehoben und die Firma gemäß § 40 FBG gelöscht.

Die Quote iHv 2,4 % (= 2.493,94 €) wurde wie folgt verrechnet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Jahr
Betrag in €
Stundungszinsen
2016
1.004,52
Stundungszinsen
2017
512,86
Säumniszuschlag
2015
718,65
Säumniszuschlag
2016
257,91

Mit Bescheid vom wurde die Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin iHv 70.987,63 € geltend gemacht und aufgrund der Verbuchung einer Gutschrift resultierend aus der Umsatzsteuer 08/19 im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom auf den Betrag von 23.323,60 eingeschränkt.

Die nunmehr haftungsgegenständlichen Abgaben wurden in der Zeit zwischen und fällig. Die Gegenüberstellung der in diesem Zeitraum fällig gewordenen Abgaben (93.416,27 €) und getätigten Zahlungen bzw. Gutschriften (61.634,11 €) am Abgabenkonto der Primärschuldnerin ergeben eine Tilgungsquote von 65,98 %.

Im Beschwerdeverfahren wurde nicht nachgewiesen, dass das Gleichbehandlungsgebot eingehalten wurde, das heißt, dass sämtliche Gläubiger im gleichen Ausmaß befriedigt worden sind. Es wurde auch nicht dargelegt, in welchem prozentuellen Ausmaß die Verbindlichkeiten des Finanzamtes befriedigt worden wären, wenn alle Verbindlichkeiten gleichmäßig bedient worden wären.

Der Beschwerdeführer haftet für Bankschulden der Primärschuldnerin iHv 35.503,21 € (Stand ) und verfügt über kein Vermögen.
Der Beschwerdeführer bezieht Pensionseinkünfte der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, deren Pfändung mit Bescheid des zuständigen Finanzamtes vom angeordnet wurde. Folgende Beträge gelangten seither zur Überweisung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
275,00 €
1.056,23 €
1.623,94 €
676,48 €

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, den Parteienvorbringen, Einsicht in das Firmenbuch und aus dem Abgabeninformationssystem.

Die Feststellungen in Zusammenhang mit der ***A*** GmbH ergeben sich im Wesentlichen aus der Firmenbuchabfrage zu FN ***123***.

Das Gleichbehandlungsgebot bedeutet, dass sämtliche Gläubiger mit derselben Quote befriedigt werden. Das heißt, um dem Gleichbehandlungsgebot nachzukommen, müssen sämtlichen Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren finanziellen Mittel gegenübergestellt werden. Mit der daraus resultierenden Quote sind sodann alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Verbindlichkeiten Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. ()
Im Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0097, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Vertreter nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann haftet, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschuld im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen.
Der Beschwerdeführer wurde erstmals mit Schreiben des Finanzamtes vom auf seine Behauptungs- und Beweispflicht hingewiesen und aufgefordert die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Im Haftungsbescheid, in der Beschwerdevorentscheidung und zuletzt im Vorlagebericht wurde jeweils ausführlich darauf hingewiesen, dass es am Beschwerdeführer liegt, die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen bzw. eine Aufstellung vorzulegen, aus der hervorgeht, mit welcher Quote das Finanzamt zu befriedigen gewesen wäre, wenn alle Gläubiger gleichbehandelt worden wären.
Der Beschwerdeführer hat zwar eine OP-Liste Lieferanten vom vorgelegt. Es ist jedoch nicht klar, welchen Zeitraum ("von: April bis: März") diese Liste umfasst. OP-Listen dienen der Verwaltung von Debitoren und Kreditoren, sie enthalten also noch nicht bezahlte Rechnungen. Das bedeutet, dass in der Berechnung der beschwerdeführenden Partei jene Geschäftspartner nicht einfließen, deren Rechnungen zur Gänze bezahlt wurden, die also zu 100 % befriedigt wurden.
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, die Lieferanten seien insgesamt zu 44,7 % befriedigt worden, so ist dies nicht richtig, weil jene Lieferanten nicht berücksichtigt wurden, die zu 100 % befriedigt wurden.
Darüber hinaus betrifft der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur die Lieferanten sondern alle Gläubiger. Treibstoffkosten, Kreditzinsen, Kontoführungskosten etc. finden in der Berechnung der Beschwerdeführenden Partei keinen Niederschlag.
Bei der vorgelegten Aufstellung betreffend Steuern und Gebühren scheint mit Buchungsdatum die Position "Veranlagung Aug. 2019 - 21.219,79" auf. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Gutschrift bei der Berechnung der Tilgungsquote für den Zeitraum bis bzw. lt. BVE bis Niederschlag finden sollte.
Es wurde nicht dargelegt, mit welchem Anteil sämtliche Gläubiger befriedigt worden wären, wenn die vorhandenen Mittel auf alle Gläubiger gleichmäßig verteilt worden wären.
Der Beschwerdeführer ist somit seiner Behauptungs- und Beweispflicht in Zusammenhang mit dem Gläubigergleichbehandlungsgebot nicht nachgekommen.

Die Feststellungen hinsichtlich der Vermögens- und Einkommenssituation des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorliegenden Vermögensverzeichnis vom sowie einer Email der ***Bank*** vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

3.1.1. Zur Vertreterhaftung

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer ab der Gründung der Primärschuldnerin bis zur Konkurseröffnung der alleinige Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können.

Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum ( bis ) ihr abgabenrechtlicher Vertreter.

3.1.2. aushaftende Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin grundsätzlich unberichtigt aus, wobei darauf hinzuweisen ist, dass aufgrund einer Pensionspfändung auf die Haftungsschuld mittlerweile ein Betrag von 3.631,65 € entrichtet wurde.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei der Verrechnung der Konkursquote ein Fehler unterlaufen ist. Grundsätzlich erfolgte die Verrechnung gemäß § 214 Abs. 1 1. Satz BAO auf die älteste Fälligkeit bzw. wurden unrichtige Verrechnungen bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Haftungsausmaßes berücksichtigt. Letztendlich unrichtig wurde der Teilbetrag der Konkursquote iHv 512,86 € zur Tilgung der Stundungszinsen 2017 verwendet. Richtigerweise hätte auch dieser Betrag mit der ältesten fälligen Abgabenschuld, der Körperschaft 2014, fällig am , verrechnet werden müssen. Diese unrichtige Verrechnungsweise darf nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen, weshalb die haftungsgegenständliche Körperschaftsteuer 2014 um den Betrag von 512,86 € auf den Betrag von 439,14 zu reduzieren ist.

3.1.3. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 4 und 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Entrichtung durch Dritte - allenfalls auch durch Überrechnung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) - würde dazu führen, dass insoweit die Abgabenschuldigkeit erfüllt wäre; eine derartige Zahlung wäre auch noch im Beschwerdeverfahren über einen Haftungsbescheid zu berücksichtigen ().

Die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin steht unbestritten fest.

3.1.4. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Für die Haftung relevant ist die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (zB Entrichtungspflicht in § 80 Abs 1 letzter Satz, aus der das Gleichbehandlungsgebot abgeleitet wird, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht gem § 78 Abs. 3 EStG 1988 für Lohnsteuer oder gem § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer).

Den Vertreter trifft die Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung bzw. Abfuhr von Abgabenverbindlichkeiten. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter die Gleichbehandlungpflicht erfüllt hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Wie bereits dargelegt wurde hat der Beschwerdeführer keinen Nachweis erbracht, in welcher Höhe die Abgabenverbindlichkeiten bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen zu bedienen gewesen wären. Das Finanzamt hat daher entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes agiert, indem es die Haftung für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten in voller Höhe ausgesprochen hat.

Von einer Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ist daher insgesamt hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben auszugehen.

3.1.5. Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).

Als schuldhaft im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO gilt jede Form des Verschuldens. Leichte Fahrlässigkeit genügt.

Dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche und vollständige Entrichtung bzw. Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln, schuldhaft verletzt hat, wurde bereits dargelegt.

3.1.6. Kausalzusammenhang

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war ().

3.1.7. Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren³, § 224 Anm. 11).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Der Beschwerdeführer bezieht Pensionseinkünfte der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, die über dem Existenzminimum liegen und ist 68 Jahre alt, sodass mit der Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben noch zu rechnen ist. In der Zeit von bis gelangte aufgrund der Pfändung der Pensionseinkünfte ein Betrag von 3.631,65 € zur Überweisung auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin, sodass mit einer Tilgung der Haftungsschuld in absehbarer Zeit gerechnet werden kann.

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2023/13/0050, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (vgl. etwa ). Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch liegt dann vor, wenn ein solcher Umstand bei der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt wird (vgl. , mwN)."

Gegenständlich stand jedenfalls mit der Aufhebung des Konkursverfahrens mit Beschluss vom ***Datum2*** fest, dass die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich sein würden.
Bereits während des laufenden Konkursverfahren ersuchte das Finanzamt mit Schreiben vom um Stellungnahme betreffend Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin und machte mit Haftungsbescheid vom die Haftung schließlich geltend. Zwischen Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits lagen somit nur etwa vier Monate. Nach ho. Ansicht kann in diesem Fall keine Rede von einem "langen Zeitabstand" sein, sodass unter diesem Aspekt eine Minderung der Haftungsschuld einer Ermessensüberschreitung gleichkäme.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100066.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at