Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2024, RV/4100780/2019

Außergewöhnliche Belastung für behindertes Kind bei Bezug von erhöhter Familienbeihilfe und Pflegegeld: Betreuungskosten und Freibetrag für gehbehinderte Menschen; Kosten des Studiums der Tochter als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Auxiliaris Steuerberatung GmbH, Grazer Straße 12, 8480 Mureck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 279 BAO wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wird der angefochtene Bescheid abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig sind die Fragen, ob die Aufwendungen für die persönliche Assistenz der Tochter sowie der Freibetrag für gehbehinderte Menschen für die Tochter als außergewöhnliche Belastung und die Studienmaterialien für das Studium der Tochter als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

I. Verfahrensgang

Am brachte der Beschwerdeführer seine Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 beim Finanzamt Klagenfurt ein und beantragte unter anderem den Abzug für Werbungskosten hinsichtlich Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten i.H.v. € 945,-- sowie die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen betreffend seine Tochter, deren Behinderungsgrad 100% beträgt. Im Formular L1k wird der pauschale Freibetrag für Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG hinsichtlich seiner Tochter sowie die Berücksichtigung unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung i.H.v. € 24.820,17 geltend gemacht. Den monatlichen Bezug einer pflegebedingten Geldleistung gab er i.H.v. € 1.595,80 für das gesamte Kalenderjahr an.

Dem Ergänzungsersuchen vom folgend legte der Beschwerdeführer am beim Finanzamt Klagenfurt Kopien und eine detaillierte Aufstellung zu den beantragten Kosten betreffend außergewöhnliche Belastungen vor.

Einkommensteuerbescheid 2017

Am erließ das Finanzamt Klagenfurt den Einkommensteuerbescheid 2017, jedoch unter anderem ohne Berücksichtigung der Selbstkosten für die persönliche Assistenz der Tochter des Beschwerdeführers mit der Begründung, dass diese Aufwendungen mit dem Pflegegeld abgegolten seien. Weiters sind Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen i.H.v. € 2.941,31 für Medikamente zur Heilung und Linderung einer Krankheit nicht berücksichtigt worden, da diese niedriger seien als der für den Beschwerdeführer gültige Selbstbehalt i.H.v. € 4.865,53.

Beschwerde

In der am eingebrachten Beschwerde vom gab der Beschwerdeführer an, dass seine Tochter die Pflegestufe 7 habe und aufgrund ihrer Krankheit rund um die Uhr auf Unterstützung angewiesen sei. Mit dem Pflegegeld müsse eine 24 Stunden Betreuung finanziert werden. Der Pflegebedarf umfasse 744 Stunden pro Monat, davon seien aber nur 215,5 Stunden von der Assistenz abgedeckt. Wenn man das Pflegegeld durch die Monatsstunden dividieren, erhalte man einem Betrag, welcher bei weitem geringer sei als der stündliche Selbstbehalt. Die sich daraus ergebende Differenz i.H.v. € 5.668,89 werde als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Mit Verweis auf das Erkenntnis des argumentierte der Beschwerdeführer, dass die Überschreitung des Pflegegeldes durch den Selbstbehalt als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden müsse.

Ergänzend machte der Beschwerdeführer den Freibetrag für gehbeeinträchtigte Menschen i.H.v. € 190,-- monatlich geltend, da seine Tochter an einer 100% Behinderung leide und infolge ihrer Behinderung öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen könne.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt Klagenfurt begründete dies damit, dass kein Freibetrag für Behinderten-Kfz gewährt werde, wenn ein behindertes Kind erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG beziehe.

Die Aufwendungen im Zusammenhang mit der persönlichen Assistenz der Tochter des Beschwerdeführers werden nicht berücksichtigt, da diese Aufwendungen mit dem Pflegegeld zu verrechnen seien. Sollte der tatsächliche Pflegeaufwand der Eltern pro Monat höher als der maßgebliche Pflegegeldbezug sein, sei dieser Mehraufwand grundsätzlich einer Unterhaltsverpflichtung gleichzustellen. Unterhaltsleistungen für ein Kind seien durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge habe. Darüber hinaus seien Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) aufgrund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten sei nicht zu berücksichtigen. Da die Tochter des Beschwerdeführers im Veranlagungsjahr 2017 bereits das 16. Lebensjahr vollendet habe, können die Aufwendungen auch nicht als Aufwendungen für die Betreuung von Kindern berücksichtigt werden.

Vorlageantrag

Im Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich des Freibetrages für gehbehinderte Menschen verwies der Beschwerdeführer auf § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 303/1996, der hinsichtlich der Gewährung des gegenständlichen Freibetrages keinerlei Einschränkungen durch den Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vorsehe. Das Pflegegeld für die behinderte Tochter betrage € 1.628,90. Dieser Betrag werde jedoch vor Auszahlung um eben jenen Freibetrag gemäß § 3 Abs. 1 der oben zitierten Verordnung seitens der das Pflegegeld auszahlenden Behörde gekürzt. Seitens der das Pflegegeld auszahlenden Behörde erfolge dies mit der Begründung, dass eben der Freibetrag seitens der Abgabenbehörde gewährt werde. Eine Doppelgewährung liege somit nicht vor.

In Bezug auf die geltend gemachten Selbstkosten für die persönliche Assistenz der Tochter wurde vom Beschwerdeführer auf den § 34 Abs. 6 EStG verwiesen und ausgeführt, dass die zweifellos außergewöhnlichen, zwangsläufigen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers wesentlich beeinträchtigenden Aufwendungen für die dauerhafte Assistenz der Tochter unter Berücksichtigung des bezogenen Pflegegelds außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 EStG darstellen würden. Die Berücksichtigung (der Abzug) des Pflegegelds habe nur für jene Assistenzstunden zu erfolgen, welche tatsächlich geleistet worden sind. Der Betrag des Pflegegeldes i.H.v. € 1.438,90 sei in einen Teil, der auf die Zeit entfällt, in der keine Assistenz notwendig ist, und in einen Teil, der auf die Zeit entfällt, in der die Assistenz beansprucht wird, aufzuteilen. Diese Zuordnung sei dadurch erreicht worden, indem für die Berechnung der gemäß § 34 Abs. 6 EStG zum Ansatz zu bringenden außergewöhnlichen Belastung die Stundensätze des Pflegegelds mit den Stundensätzen des Aufwands für die Assistenz verglichen und so der Mehraufwand als außergewöhnliche Belastung im Stundensatzvergleich dargestellt worden sei.
Die Stundensätze des Pflegegelds seien ermittelt worden, indem der Pflegegeldbetrag durch die Gesamtstunden des jeweiligen Monats geteilt worden sei.
Die Stundensätze des Aufwands für die Assistenz seien ermittelt worden, indem der seitens der Assistenz in Rechnung gestellte Monatsbetrag durch die Stunden der im jeweiligen Monat in Anspruch genommenen Assistenzstunden geteilt worden sei.
Die so ermittelten Stundensätze haben den Mehraufwandsbetrag pro Assistenzstunde ergeben, der als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wäre. In der der Beschwerde beigelegten Tabelle seien letztlich unter der Spaltenbezeichnung "Absetzbetrag Mal in Anspruch genommene Stunden" jene monatlichen Summenbeträge ausgewiesen, welche den Mehraufwand für die Assistenzstunde unter Berücksichtigung des Pflegegeldes je Stunde darstellen würden.
Die Jahressumme der so ermittelten Monatsbeträge zuzüglich des im Jahr 2017 nachzuzahlenden Assistenzbetrages aus 2016 i.H.v. € 286,67 ergäbe den Betrag von € 5.668,89.

Dieser Mehraufwand i.H.v. € 5.668,89 sowie der monatliche Freibetrag von € 190 seien als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer 2017 rechtswidrig nicht berücksichtigt worden.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Einkommensteuerbescheid dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Verwaltungsgerichtliches Verfahren

Am fand ein Erörterungstermin vor dem Bundesfinanzgericht statt, bei welchem der Beschwerdeführer ausführte, dass die pflegebedürftige Tochter mittlerweile durchgehend einer Assistenz in Form einer anderen Person bedürfe und dafür weitere pflegebedingte Mehraufwendungen anliefen. Die Übermittlung diesbezüglicher Unterlagen, Berechnungen und Nachweise wurde in Aussicht gestellt.

Die belangte Behörde brachte im Erörterungstermin vor, dass es sich bei den bisher anerkannten Werbungskosten i.H.v. € 945,-- um Kosten für das Studium der Tochter gehandelt habe und diese nicht zu gewähren seien.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde zurückgezogen.

Mit Eingabe vom führte der Beschwerdeführer aus, dass der Nachweis für die im Erörterungstermin besprochenen pflegebedingten Mehraufwendungen durch Rechnungen nicht erbracht werden könne, da man darauf seitens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Veranlagungsjahr 2017 nicht vorbereitet gewesen sei. Der Beschwerdeführer beantragte in Glaubhaftmachung dieser Aufwendungen den Ansatz des Betrages i.H.v. € 34.159,36 als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit den bisher geltend gemachten Pflegekosten. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: Für die nicht von der persönlichen Assistenz abgedeckten Stunden (monatlich durchschnittlich 533,74 Stunden) ergibt sich laut Ausführungen des Beschwerdeführers bei Zugrundelegung von Kosten für eine österreichische selbstständige Betreuungskraft pro Stunde i.H.v. € 16,-- ein Monatsbetrag von € 8.539,84 und somit einen Jahresbetrag i.H.v. € 102.478,08. Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Eltern in zwei Drittel der nicht von der persönlichen Assistenz abgedeckten Stunden die Tochter betreuen, sodass lediglich ein Mehraufwand von einem Drittel, somit € 34.159,36, angefallen sei. Der Beschwerdeführer brachte weiters vor: "Im Lichte dieses Drittels der zusätzlich zu "BASIS" zu bezahlenden Pflegekosten erscheint eine Kürzung der bislang geltend gemachten Pflegekosten um die Höhe des Pflegegelds nicht gerechtfertigt, weil eben das Pflegegeld nicht einmal für die Deckung dieses Drittels der zusätzlichen Jahrespflegekosten reicht. Wir beantragen daher, die bisher geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ohne Kürzung um das Pflegegeld zum Ansatz zu bringen."

Die belangte Behörde verwies in Schreiben vom hinsichtlich der Anerkennung der Pflegekosten auf die Rechtsprechung des .

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der mit neu besetzten Gerichtsabteilung 5010 zugewiesen.

Nach Vorhalt durch das Bundesfinanzgericht legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor und erklärte, dass er € 5.668,89 als außergewöhnliche Belastung für die Kosten der Assistenzleistung begehre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat ein 1998 geborenes Kind, welches eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100% aufweist. Im Kalenderjahr 2017 hatten sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Tochter den Wohnsitz in ***Adr Bf***.

Der Beschwerdeführer bezog für seine Tochter erhöhte Familienbeihilfe.

Aufgrund ihrer Erkrankung hat die Tochter einen Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 7. Ab betrug das Pflegegeld unter Anrechnung von € 60,-- von der erhöhten Familienbeihilfe monatlich € 1.595,80 . Für das Jahr 2017 wurden der Tochter Selbstkosten für Persönliche Assistenz iHv. € 10.058,09 von "BASIS"- Büro für Assistenz, Information und Service in Rechnung gestellt (maximal € 921,4 monatlich). Aufgrund einer Nachverrechnung für das Jahr 2016 iHv. € 4.797,52 trug der Beschwerdeführer im Jahr 2017 insgesamt Aufwendungen iHv. € 14.021,43 für die Persönliche Assistenz der Tochter. Die Selbstkosten für die Persönliche Assistenz betreffend Dezember 2017 i.H.v. € 834,18 wurden vom Beschwerdeführer im Jänner 2018 bezahlt. Weitere Kosten im Zusammenhang mit den Assistenzleistungen der Tochter hat der Beschwerdeführer im Jahr 2017 nicht getragen.

Die Tochter belegte ab Oktober 2017 das Multimedia Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz. Hierbei handelt es sich um ein Fernstudium, bei welchem Vorlesungen bzw. Kurse den Studierenden auf DVDs zur Verfügung gestellt werden. An den laufenden Lehrveranstaltungen nehmen die Studierenden während des Semesters über Internet teil. Schriftliche Lehrveranstaltungsprüfungen können weltweit abgelegt werden, mündliche Prüfungen können auch über Videokonferenzenschaltungen absolviert werden. Der Tochter wurden für den 1. Studienabschnitt am € 945,-- als Multimedia Pauschale für die Medienkoffer "Privatrecht I", "Öffentliches Recht I", "Römisches Recht", "Rechtsgeschichte" und Strafrecht I" von Multimediale Studienmaterialien GmbH in Rechnung gestellt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich der Erwerbsminderung, des Bezuges der erhöhten Familienbeihilfe und der Pflegegeldstufe betreffend die Tochter sind unstrittig und konnte sich das Bundesfinanzgericht diesen Ansichten bedenkenlos anschließen. Der gemeinsame Wohnsitz des Beschwerdeführers und seiner Tochter im Veranlagungsjahr 2017 folgt der Abfrage des Zentralen Melderegisters der belangten Behörde und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Höhe der Selbstkosten für die Persönliche Assistenz ergeben sich aus den vorgelegten Rechnungen der "BASIS"- Büro für Assistenz, Information und Service. Der Zeitpunkt der Bezahlung der Selbstkosten für die Persönliche Assistenz betreffend Dezember 2017 ist aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Kontoauszug ersichtlich.

Trotz Vorhalt durch das Bundesfinanzgericht wurden keine weiteren familienfremden Personen neben den angestellten Assistenzpersonen, deren Kosten im Betrag von € 14.021,43 enthalten sind, namhaft gemacht, welche Assistenzleistungen gegen Entgelt an die Tochter erbracht und hierfür Rechnungen ausgestellt haben sollen, sodass der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Behauptungsebene nicht verlässt. Aus diesem Grund kam das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2017 keine dem Betrag von €14.021,43 übersteigenden Kosten im Zusammenhang mit der persönlichen Assistenz der Tochter erwachsen sind.

Die Feststellungen betreffend das Studium der Tochter gründen sich einerseits auf den vorgelegten Akt, insbesondere Auszug aus dem Abgabeninformationssystems, und andererseits auf die Beschreibungen der Johannes Kepler Universität unter https://www.linzer.rechtsstudien.at/de/index.html.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

ad Kosten für persönliche Assistenz

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 idF. BGBl. I Nr. 112/2012 können folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden: [..]

TS 2: Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.

TS 3: Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9.

TS 4: Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

TS 5: Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

TS 6: Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 idF. BGBl. I Nr. 112/2012 gelten Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 als abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

Gemäß Z 4 leg. cit. sind Unterhaltsleistungen darüber hinaus nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 34 Abs. 9 Z 2 EStG 1988 idF. BGBl. I Nr. 112/2012gelten Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung: Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Hat der Steuerpflichtige gemäß § 35 Abs. 1 TS 4 EStG 1988 idF. BGBl. I Nr. 112/2012außergewöhnliche Belastungen durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Gemäß § 1 Abs. 1 TS 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF. BGBl II Nr. 430/2010, sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988) hat, für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird.

Gemäß § 1 Abs. 2 dieser Verordnung liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gemäß § 1 Abs. 3dieser Verordnung sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 dieser Verordnung sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

Einleitend festzuhalten ist, dass Kosten nach § 34 EStG 1988 lediglich dann als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden, wenn diese tatsächlich auch erwachsen sind. Diese Bestimmung sieht es nicht vor, dass ein persönlicher unentgeltlicher Pflegeeinsatz durch Eltern in die Beurteilung miteinzufließen hat. Das Pflegegeld hat nach § 1 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) den Zweck, in Form eines Betrages Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftige Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Obwohl sich die Pflegestufe nach dem monatlichen Pflegebedarf nach Stunden orientiert (§ 4 Abs. 2 BPGG), wird das Pflegegeld als monatlicher Pauschalbetrag ausbezahlt. Die Umrechnung des gewährten Pflegegeldes auf die Stunden, in denen Betreuung gebraucht wird, so wie es der Beschwerdeführer vorbringt, ist aufgrund der pauschalierten Betrachtung des Pflegegeldes nicht gesetzeskonform.

Setzt man die festgestellten Aufwendungen des Beschwerdeführers im Veranlagungsjahr 2017 im Zusammenhang mit den persönlichen Assistenzleistungen, die die Tochter bezogen hat, i.H.v. € 14.021,43 in Verhältnis zu dem laut Bescheid vom gebührenden jährlichen Pflegegeld i.H.v. € 19.149,60 (12 x € 1.595,80), übersteigt das Pflegegeld die angefallenen Aufwendungen. Daher scheitert die Berücksichtigung der angefallenen Kosten im Zusammenhang mit den persönlichen Assistenzleistungen für die Tochter als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 6 TS 4 EStG 1988.

Aus dem gleichen Grund muss auch eine Berücksichtigung dieser beim Beschwerdeführer angefallenen Kosten nach § 34 Abs. 9 EStG 1988 unterbleiben, da das Gesetz vorsieht, dass eine Berücksichtigung insoweit stattfinden kann, als die Aufwendungen für die Betreuung die Summe des Pflegegeldes übersteigen.

Die Berücksichtigung gemäß § 34 Abs. 6 TS 5 oder TS 6 EStG 1988 der beim Beschwerdeführer angefallenen Kosten kann deshalb nicht erfolgen, da der Beschwerdeführer für seine Tochter erhöhte Familienbeilhilfe bezieht, deren Bezug jedoch ein Ausschlusskriterium der zitierten Gesetzesstellen ist, da auf § 35 EStG verwiesen wird.

Die Gewährung des Freibetrages nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 ist ebenso aufgrund des Bezuges der erhöhten Familienbeihilfe, aber auch aufgrund des Bezuges des Pflegegeldes ausgeschlossen.

Der Gewährung des Freibetrages nach § 5 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen steht zwar der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe nicht entgegen, jedoch sind Mehraufwendungen Voraussetzung. Mehraufwendungen liegen vor, wenn die Aufwendungen das Pflegegeld übersteigen. Aufwendungen, die das Pflegegeld übersteigen, fallen im verfahrensgegenständlichen Jahr laut Sachverhaltsfeststellungen nicht an.

Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

ad Freibetrag für gehbehinderte Menschen

Gemäß § 1 Abs. 1 TS 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF. BGBl II Nr. 430/2010, sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988) hat, für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird.

Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, daß ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich gemäß § 3 Abs. 1 dieser Verordnung zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.

Da der Beschwerdeführer laut festgestelltem Sachverhalt erhöhte Familienbeihilfe für seine Tochter bezieht, scheidet die Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß der angeführten Verordnung aus. Wie die belangte Behörde im Vorlagebericht ausführt, rechtfertigt der Umstand, dass der Freibetrag im Zuge der Auszahlung des Pflegegeldes von der auszahlenden Stelle laut Auskunft des Beschwerdeführers abgezogen wird, nicht die Berücksichtigung des Freibetrages durch die belangte Behörde. Im Übrigen ist aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom auch keine Verminderung des Pflegegeldes um diesen Freibetrag ersichtlich.

Der Beschwerde kann dahingehend kein Erfolg beschieden sein.

ad Werbungskosten

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 ist für Werbungskosten, die bei nichtselbständigen Einkünften erwachsen, ohne besonderen Nachweis ein Pauschbetrag von 132 Euro jährlich abzusetzen.

Laut festgestellten Sachverhalt handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Werbungskosten um Studienmaterialkosten seiner Tochter. Da diese Aufwendungen nicht zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen des Beschwerdeführers führen, ist eine Berücksichtigung dieser Kosten als Werbungskosten im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung unzulässig.

Im Rahmen der Werbungskosten ist somit mangels weiterer Kosten lediglich ein Pauschbetrag i.H.v. € 132,-- absetzbar.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 idF. BGBl. I Nr. 112/2012 können folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden: [..]

TS 2: Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.

Ein Freibetrag im Zusammenhang mit dem Studium der Tochter steht nicht zu, da die Tochter das Studium als "Fernstudium" betreibt und es somit an einer auswärtigen Berufsausbildung mangelt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall waren Sachverhaltsfragen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu klären, die nicht der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegen. Die rechtliche Beurteilung stützt sich auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 1 TS 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 1 TS 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100780.2019

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