Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.04.2024, RV/7103593/2017

1. Unvollständige Erklärung der lohnsteuerpflichtigen Bezüge unter Kz. 245 des Lohnzettels 2. Inanspruchnahme des Dienstnehmers bei Lohnzahlungen nur zum Teil ohne Verwendung von Bargeld wegen Insolvenz des Dienstgebers 3. Schwarzgeldzahlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterDr,.R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Wien 4/5/10 ) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011, Steuernummer 04 XXX/XXX, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ein ehemaliger Arbeitnehmer der A-GmbH. Seine lohnsteuerpflichtigen Bezüge wurden im Jahr 2011 nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil ohne Verwendung von Bargeld gezahlt.
Mit der beim Finanzamt am eingelangten elektronischen Abgabenerklärung des Bf. zur Arbeitnehmerveranlagung 2011 wurden Werbungskosten (§ 16 EStG 1988) in Form des Eintrags des Betrags von "1.356,00 €" unter der Position "Pendlerpauschale - tatsächlich zustehender Jahresbetrag" geltend gemacht. Der Lohnzettel zu der laut Abgabenerklärung des Bf. einzigen inländischen gehaltsauszahlenden Stelle wurde auf elektronischen Weg an das Finanzamt nach Ablauf des Jahres 2011 über ELDA (=Elektronischer Datenaustausch mit den österreichischen Sozialversicherungsträgern) und somit nicht über FinanzOnline übermittelt.
Mit dem Einkommensteuerbescheid 2011 vom wurden die Bemessungsgrundlagen und die Einkommensteuer - gemessen am Steuertarif - auf der Grundlage der elektronischen Abgabenerklärung 2011 und des elektronischen Lohnzettels, welcher die lohnsteuerpflichtigen Bezüge für das Jahr 2011 unter der Kennzahl 245 lediglich in Höhe der ohne Verwendung von Bargeld bezahlten Löhne ausgewiesen hatte, festgesetzt. Das Abgabenguthaben in Höhe der negativen Einkommensteuer - 495,00 € - wurde auf das Girokonto des Bf. überwiesen.

Aufgrund der Insolvenz der im Firmenbuch unter der Nummer XXX registrierten
Fa. A-GmbH und der Löschung der Firma gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch steht die Zulässigkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme des Bf. dem § 83 Abs. 3 EStG 1988 entsprechend wegen vorsätzlichen Zusammenwirkens mit der Fa. A-GmbH zwecks Verschaffung eines gesetzeswidrigen Vorteils, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer für das Jahr 2011 bewirkt hat, in Streit.

  • Angesichts der Zentralmelderegisterdaten mit der Bestätigung der Übernahme des Eintrags einer Wiener Adresse als Hauptwohnsitzadresse des Bf. am und dem Bezug des Bf. zur Stadt "Kaman" in der Türkei sei der besseren Verständlichkeit halber zur Herkunft des Bf. und des türkischen Steuersystems festgestellt, dass "Kaman" der Hauptort des gleichnamigen Landkreises in der Provinz Kırşehir in Zentralanatolien ist. Die Wirtschaft Kamans und seines Landkreises ist durch die Landwirtschaft geprägt. Hauptsächlich werden Getreide, Hülsenfrüchte, Futter- und Industriepflanzen, Gemüse und Obst angebaut. Bäume mit deren Nussfrüchten -Walnüsse- sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung in der Wirtschaft des Landkreises. Neben der Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen wird Geflügelzucht, Imkerei, Fischerei und Straußenzucht betrieben. Der Hirfanlı-Stausee enthält in großer Zahl Süßwasserfische (z.B.: Karpfen, Welse, Schleien, Zander und Hechte). Die Region von Kaman liegt in einem alten Weinbaugebiet, in dem heute der Weinbau nicht mehr von größerer Bedeutung ist. Die gewerblichen Betriebe - meist Kleinbetriebe - dienen der Befriedigung des lokalen Bedarfs, wie eine Ziegelei, Betriebe für Landmaschinen und metallverarbeitende Betriebe. Die Erzeugnisse der Steinbruchbetriebe für farbigen Marmor in den zum Landkreis gehörenden Kleinstädten Ömerhacılı & Hamit werden auch exportiert. Lagerstätten für Eisen, Zementgrundstoffe und Fluorit sind existent. Darüber hinaus werden Teppiche und Kelims in Kleinbetrieben und in Heimarbeit hergestellt.
    Die Steuersysteme der Türkei, Deutschland und Österreich sind infolge der Entwicklung des türkischen Steuersystems unter Einfluss des deutschen Steuersystems grundsätzlich vergleichbar. Ebenso wie das österreichische erfolgt das türkische Besteuerungssystem durch Jahres- und Sondersteuererklärungen bzw. vorsteuerliche Erklärungen.
    Auch das türkische System wird in die drei großen Steuerarten Einkommenssteuer, Ausgabensteuer und Vermögenssteuer unterteilt. Innerhalb dieser drei Steuerarten wurden weitere Steuerarten, Abgaben und Sondersteuern, wie z.B. die Stempelsteuer, die Sonderverbrauchssteuer und die Kommunikationssteuer, in der Türkei eingeführt.
    Maßgeblich für die Berechnung des Steuersatzes für die Einkommensteuer (Gelir Vergileri) ist der innerhalb eines Jahres von der steuerpflichtigen Person erzielteNettobetrag. Der Einkommensteuersatz ist vom individuellen Einkommen abhängig. Für die Körperschaftssteuer (Kurumlar Vergisi) gilt hingegen ein einheitlicher Steuersatz, welcher auf den Geschäftsgewinn anzuwenden ist.
    Die Ausgabensteuern (Gider Vergileri) werden in die Mehrwertsteuer, die Sonderverbrauchssteuer, die Steuer für Bank- und Versicherungsleitungen und die Stempelsteuer unterteilt.
    Die Vermögenssteuern (Varlık Vergileri) bestehen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grund- und Grunderwerbsteuer sowie der Kraftfahrzeugsteuer.
    In einkommensteuerrechtlicher Hinsicht ist dem türkischen und dem österreichischen Steuersystem gemein, dass nur jenes Einkommen, das nach Abzug von der Erzielung des Einkommens dienenden Ausgabenübrigbleibt, besteuert werden soll.

Einkommensteuererstbescheid 2011 vom
Mit dem Einkommensteuererstbescheid 2011 wurde das Einkommen auf der Grundlage der Lohnzetteldaten "Bruttobezüge (210) 24.993,57 €", "Sonstige Bezüge vor Abzug d.
SV-Beiträge (220) 3.567,66 €
", "SV-Beiträge für laufende Bezüge (230) 3,909,54 €", "Steuerpflichtige Bezüge (245) 17.516,37 €", "Einbehaltene Lohnsteuer 2.103,44 €" und "Anrechenbare Lohnsteuer (260) 2.103,44 €" berechnet. Die steuerpflichtigen Bezüge (17.516,37 €) abzüglich Pendlerpauschale laut Veranlagung (1.356,00 €) und Pauschbetrag für Werbungskosten (132,00 €) ergaben einen Gesamtbetrag der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 16.028,37 €. Das Einkommen wurde in Höhe von [16.028,37 € (Gesamtbetrag der Einkünfte) - 60,00 € [Pauschbetrag für Sonderausgaben) =] 15.968,37 € festgesetzt. Der Betrag von 495,00 €, in dessen Höhe die negative Einkommensteuer (=das Abgabenguthaben) im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 ermittelt wurde, wurde auf das Girokonto des Bf. überwiesen.
Im Gefolge von auf das Jahr 2011 bezüglichen Feststellungen zu Lohnzahlungen in bar anlässlich der Prüfung bei der Fa. A-GmbH durch die GPLA im Jahr 2013 erließ das Finanzamt an die Fa. A-GmbH adressierte Haftungs- und Abgabenbescheide. Mangels Einbringlichkeit der Abgabenschuld beim Dienstgeber wurde der Bf. als Dienstnehmer für das Jahr 2011 hinsichtlich der Lohnsteuer gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 in Anspruch genommen. Aufgrund der abgabenbehördlichen Feststellung, wonach die bezugsauszahlende Stelle die lohnsteuerpflichtigen Bezüge des Bf. nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil ohne Verwendung von Bargeld gezahlt hatte, nahm das Finanzamt das Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2011 mit Bescheid gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und erließ auf der Grundlage des im Gefolge der GPLA-Prüfung neu erstellten Lohnzettels für das Jahr 2011 den mit datierten neuen Sachbescheid.
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom .

Einkommensteuerbescheid 2011vom
Abweichend vom Erstbescheid vom , mit dem die Einkommensteuer 2011 noch in Höhe von - 495 € ausgezeichnet wurde, wurde die Abgabe für das Jahr 2011 mit Bescheid vom in Höhe von 4.038,00 € festgesetzt und die Abgabennachforderung mit 4.533,00 € angegeben. Der Neuberechnung der Abgabe für das Jahr 2011 lag der berichtigte Lohnzettel mit den Daten "Bruttobezüge (210) 36.885,74 €", "Sonstige Bezüge vor Abzug d. SV-Beiträge (220) 3.567,66 €", "SV-Beiträge für laufende Bezüge (230) 3,909,54 €", "Steuerpflichtige Bezüge (245) 29.408,57 €", "Einbehaltene Lohnsteuer 2.103,44 €" und "Anrechenbare Lohnsteuer (260) 2.103,44 €" zugrunde.

Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom
Mit der Beschwerde gegen den im gemäß § 300 Abs. 1 BAO wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen neuen Sachbescheid für das Jahr 2011 wurde in Verbindung mit dem Ergänzungsschreiben vom die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2011 samt Erlassung eines neuen Bescheides und die amtswegige Feststellung des Lohnzettels 2011 von der Fa. A-GmbH beantragt. Begründet wurde der Antrag damit, dass der Bf. steuerpflichtige Bezüge in Höhe von nur 19.570,59 € inkl. Sonderzahlungen-das entspreche einem Nettolohn von 17.467,15€ inklusive Sonderzahlungen-erhalten hätte, womit der Gesamtbetrag von 29.408,57 € nicht den Tatsachen entsprechen würde. Um nochmalige Überprüfung der Lohnzettel wurde ersucht.
Das nachfolgende Schaubild zeigt den dem Schreiben vom beigelegten Bankkontoauszug vom als Beweis dafür, dass der Bf. nicht mehr Nettolohn überwiesen bekommen hätte. Die Beträge in den handschriftlichen Kästen sind die auf das Konto des Dienstnehmers Bf. überwiesenen lohnsteuerpflichtigen Bezüge:


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Beschwerdevorentscheidung betreff Einkommensteuer 2011 vom
Mit der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde dem Bf. nochmals vorgehalten, dass im Zuge einer Prüfung bei der Fa. A-GmbH "Schwarzlohnzahlungen" in bar festgestellt worden wären. Die Zahlungen wären dem Bf. neben dem offiziellen Lohn, mit dem der Bf. bei der Gebietskrankenkasse angemeldet gewesen war, geleistet worden. Diese (bis dato unbesteuerten) Zahlungen, welche in den Lohnzettel aufzunehmen gewesen wären, hätten zu einem neuen Sachbescheid mit einer Abgabennachforderung im wiederaufgenommenen Verfahren geführt.
Nach Wiedergabe des § 83 Abs. 1 EStG 1988 (Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug ist Steuerschuldner) und § 83 Abs. 3 EStG 1988 (Unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitnehmers bei vorsätzlichen Zusammenwirken des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers zwecks Verschaffung eines gesetzeswidrigen Vorteils mit dem Effekt einer Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer) wurde die Insolvenz des Arbeitgebers als Grund für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme des Arbeitnehmers bei nachweislichen Schwarzlohnzahlungen mit der Begründung, dass ein Haftungsbescheid an den Dienstgeber aufgrund dessen Insolvenz ins Leere gehen würde, genannt.

Vorlageantraggemäß § 264 BAO vom
Mit dem Vorlageantrag wurde die Unrichtigkeit der Beschwerdevorentscheidung in Form der Wiederholung des Vorbringens des Bf., den Lohn von der Fa. A-GmbH ausschließlich durch Überweisung auf das Bankkonto ausgezahlt bekommen zu haben bzw. keine Barzahlungen erhalten zu haben, begründet.

Stellungnahme der Amtsvertretung zum Vorlageantrag vom
Mit der im Vorlagebericht enthaltenen Stellungnahme der Amtsvertretung wurde dem Bf. vorgehalten, dass die einzelnen Lohnkonten der Arbeitnehmer im Zuge der bei der Fa. A-GmbH durchgeführten GPLA-Prüfung geprüft worden wären. Nach den Feststellungen bei der Gegenüberstellung der Lohnkonten mit den Arbeitszeitaufzeichnungen (Listen Baustellenübersicht und Stundenzettel) wäre ein großer Teil der geleisteten Arbeitsstunden nicht über die Lohnkonten abgerechnet und ausbezahlt worden. Auch die sichergestellten "Auszahlungslisten" hätten keine Übereinstimmung mit den in der Lohnverrechnung angeführten Stunden und Auszahlungsbeträgen ergeben. Aufzeichnungen als Beweis dafür, dass die tatsächlich geleisteten Stunden, welche über das Ausmaß der offiziell abgerechneten Mehr- bzw. Überstunden gearbeitet worden wären, in Form von Zeitausgleich konsumiert worden wären, hätten nicht vorgelegt werden können.
Die Prüfer hätten weiters in Erfahrung gebracht, dass es eine mündliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern - eine Nettolohnvereinbarung für alle Stunden, d.h. für Normalstunden und Überstunden, - gebe, woraus sich der tatsächlich ausbezahlte Nettolohn errechne. Die Differenz von Nettostundensatz mal geleistete Stunden und Nettoauszahlung laut Lohnverrechnung werde in bar, in Kuverts übergeben, ausbezahlt.
Der Arbeitnehmer könne gemäß § 83 Abs. 3 EStG 1988 unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn er und der Arbeitgeber vorsätzlich zusammenwirken würden, um sich einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirke (z.B. wenn, wie im gegenständlichen Fall, wegen Insolvenz des Arbeitgebers ein Haftungsbescheid an diesen ins Leere geht). Der Bf. bestreite den Erhalt von Barzahlungen und ersuche um Korrektur des Lohnzettels anhand der per Überweisung erhaltenen Löhne.

Vorhalt des
Mit Schreiben des wurden die Stundenaufzeichnungen, das Lohnkonto 2011, das Berechnungsblatt zum Vorlageantrag und darüber hinaus der Artikel "Schwarzarbeit in Wien nimmt zu- oesterreich.ORF.at" vom übermittelt. Nach rechtlichen Ausführungen zu den §§ 115 Abs. 1, 166 und 167 Abs. 2 BAO wurde dem Bf. vorgehalten, dass bei beruflich Beschäftigten im Baugewerbe davon auszugehen sei, dass ihnen die Finanzpolizei bekannt sei. Kernaufgabe dieser Betrugsbekämpfungseinheit des Finanzministeriums sei die Durchführung gezielter Kontrollen, um Steuerhinterziehung, Sozialbetrug und organisierte Schattenwirtschaft aufzudecken und damit den Schutz der finanziellen Interessen der Republik Österreich zu wahren. Die präventive Arbeit der Finanzpolizei solle im Interesse des Arbeitsmarktes und des Wirtschaftsstandortes Österreich unfaire Konkurrenzverhältnisse in Folge von Wettbewerbsvorteilen durch Schwarzarbeit, Sozial- und Abgabenbetrug verhindern. Dies diene auch der Sicherung der Lohn- und Arbeitsbedingungen inländischer und integrierter ausländischer Arbeitskräfte, vor allem in Hinblick auf die Entwicklung der österreichischen Arbeitsmarktlage.
Zu den originären Aufgaben der finanzpolizeilichen Tätigkeit würden im Wesentlichen die Maßnahmen zur Steueraufsicht (Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten zum Zwecke der Abgabenerhebung) sowie die ordnungspolitischen Maßnahmen (insbesondere Arbeitsmarktaufgaben sowie Kontrollen nach dem Sozialbetrugsgesetz und zur Einhaltung des Glücksspielgesetzes) zählen. Die Bündelung dieser Maßnahmen in der Finanzpolizei verfolge den Zweck, die erforderlichen Handlungen aktueller und rascher zu setzen, Sachverhalte zeitnah zu erkennen und zu bewerten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse zielgerichtet auszuwerten und weiterzuleiten.
Zu den Steueraufsichtsmaßnahmen der Finanzpolizei würden die Ermittlung der Grundlagen für die Abgabenerhebung einschließlich Festsetzung der Abgaben und die Einbringung der Abgaben zählen. Die Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten würden insbesondere • die Feststellung steuerlich relevanter Sachverhalte, • das Verhindern der Nichterklärung getätigter Umsätze und erzielter Einkünfte sowie der Nichtmeldung bzw. -abfuhr von Lohnabgaben, • das Aufdecken steuerlich nicht erfasster Unternehmen bzw. von Unternehmen ohne Betriebsstätte im Bundesgebiet, •das Sichern von Besteuerungsgrundlagen (z.B. Aufdecken und Erkennen von risikobehafteten Unternehmen und Vorgängen sowie Kommunikation der Risikoeinstufung) umfassen.
Zu den ordnungspolitischen Maßnahmen (insbesondere Arbeitsmarktaufgaben) würden insbesondere a) die Aufdeckung illegaler Ausländerbeschäftigung; b) die Kontrolle von und in Unternehmen, Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen und Aufenthaltsräumen sowie der dort angetroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Vorliegen der arbeitsmarkt-, aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Bewilligungen zählen. In diesem Zusammenhang treffe die Finanzpolizei die Pflicht zur Kontrolle der Auftraggeberin/ des Auftraggebers betreffend die Erfüllung der Meldeverpflichtungen hinsichtlich der beauftragten Unternehmen ebenso wie zur Anzeigenlegung und Wahrung der Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren.
Zwecks Aufdeckung von Sozialbetrug nach dem Strafgesetzbuch sei für die Finanzpolizei notwendig, Sachverhalte betreffend Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung, betrügerischen Vorenthaltens von Beiträgen zur Sozialversicherung und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz sowie organisierte Schwarzarbeit als Ergebnis von Eigenermittlungen oder Ermittlungen im Auftrag der Strafverfolgungsbehörden festzustellen. In den Jahren vor der Errichtung der Finanzpolizei sei die "Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung" (kurz: KIAB) als Team des Zollamtes für die Überprüfung der Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes im Zeitraum zwischen bis zuständig gewesen. Nach der Installation von Teams KIAB an allen österreichischen Finanzämtern per Jahreswechsel 2006/07 wären die Kompetenzen und Zuständigkeiten der KIAB in den darauffolgenden Jahren Richtung Steueraufsichtsmaßnahmen gelenkt worden.
Aufgrund des dem Vorhalt angefügten ORF-Artikel sei daher davon, dass jeder Bauarbeiter Kenntnis über die Aufgaben der KIAB und der Finanzpolizei und die Lohnsteuerpflichtigkeit seiner gesamten Bezüge habe, auszugehen.
Zur Datei "Aufzeichnungen" wurde dem Bf. vorgehalten, dass in dieser die monatlichen Zeilen betreff Bf. aus der bei der Hausdurchsuchung gesicherten Excel-Datei "Baustellenübersicht" und die jeweiligen Zeilen der erhaltenen Differenzbeträge aus der beschlagnahmten Auszahlungsliste zusammengefasst worden wären.
Zum Aufbau der Auszahlungsliste wurde der Bf. darüber informiert, dass der Gesamtbetrag das Ergebnis der Hochrechnung der Arbeitsstunden mit einem vereinbarten Stundenfaktor (in diesem Fall 16 €) sei. Die Spalte "Acconto" sei ident mit den Netto-Auszahlungsbeträgen am Lohnkonto, Ausnahme November. Die Spalte "Gesamt" seien die Bar-Auszahlungsbeträge. Diese Vorgangsweise sei der GPLA in Einvernahmen vom Betriebsleiter bestätigt worden.
Angesichts der Aktenlage zum Stichtag , aufgrund dieser der Sachverhaltsvariante der Amtsvertretung eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich und damit der Ausschluss der Sachverhaltsvariante des Bf. mit Wahrscheinlichkeit bzw. die Erscheinung der Variante des Bf. als zumindest weniger wahrscheinlich bescheinigt wurde, erging das an den Bf. adressierte Ersuchen um Abgabe einer Stellungnahme zum Schreiben des samt Beilagen mit substantiiert vorgetragenen Daten und Nachreichung von eventuell noch vorhandenen Unterlagen.
Abschließend wurde der Bf. zwecks Wahrung seiner Interessen daran erinnert, dass in Österreich ein kooperatives Verhältnis der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände mit dem Ziel, Interessengegensätze durch Konsenspolitik zu lösen und offene Konflikte einzudämmen, bestehe. Von den Sozialpartnern, die jeweils die Interessen verschiedener Personengruppen vertreten, seien es die Arbeiterkammer und der ÖGB, die die Interessen der Arbeitnehmer in Österreich vertreten würden. Die gesetzliche Interessensvertretung der Arbeitgeber sei die Wirtschaftskammer Österreich. Was die Leistungen der Arbeiterkammer anbelangt, berät diese Kammer ihre Mitglieder in vielen Belangen konkret (siehe nachfolgende Ablichtung eines Teils aus der Website https://www.arbeiterkammer.at/ueberuns/leistungen/index.html).

Vorhaltsbeantwortung des Bf. vom
Mit Schreiben vom bestritt der Bf., eine schriftliche Arbeitsvereinbarung getroffen zu haben, und fügte hinzu, dass der Chef dem Bf. persönlich versprochen hätte, alles richtig und offiziell zu machen. Die Lohnzettel wären immer später erfolgt, auch nach telefonischen Nachfragen. Der Bf. habe sein Gehalt auf sein Girokonto ausbezahlt bekommen, das Zeitguthaben im nächsten Monat.
Bezüglich Bar-Auszahlungen habe der Bf. gedacht, dass der Chef steuerlich alles richtiggemacht oder gemeldet habe, sodass den Bf. eine Schuld hinsichtlich der Steuern für die Barauszahlung nicht treffe. Der Chef habe persönlich versprochen, die Steuern richtig zu bezahlen und zu melden. Bei Bedarf des Lohnzettels für Amtswege und telefonischen Ersuchen um Zusendung des Lohnzettels habe es lange gedauert, bis der Bf. seinen Lohnzettel bekommen habe.
Abschließend bedauerte der Bf., "ihnen das alles nicht beweisen" zu können.

Vorhalt des
Mit Schreiben vom wurde dem Bf. im ersten von zwei Punkten vorgehalten, dass die Feststellung, wonach ein großer Teil der geleisteten Arbeitsstunden nicht über die Lohnkonten abgerechnet und ausbezahlt worden wäre, das Ergebnis der Gegenüberstellung der Lohnkonten der Firma mit den Arbeitszeitaufzeichnungen (Listen Baustellenübersicht und Stundenzettel) anlässlich der beim Dienstgeber durchgeführten GPLA-Prüfung gewesen wäre. Auch die Gegenüberstellung der bei einer Hausdurchsuchung sichergestellten Auszahlungslisten hätte keine Übereinstimmungen mit den in der Lohnverrechnung angeführten Stunden und Auszahlungsbeträgen erbracht. Darüber hinaus hätten auch keine weiteren Arbeitszeitaufzeichnungen betreff den Konsum der Stunden, die über das Ausmaß der offiziell abgerechneten Mehr- bzw. Überstunden hinaus tatsächlich geleistet worden wären, in Form von Zeitausgleich vorgelegt werden können.
Den Ausführungen unter Pkt. 2 des Schreibens zufolge habe der Betriebsleiter zur Frage nach der Art und Weise der Verrechnung der Stunden auf der Baustellenliste und der Auszahlung an die Mitarbeiter im Zuge der Konfrontation mit den vorgefundenen Unterlagen (Auszahlungslisten, Baustellenübersicht und Lohnkonten) bei einer Vernehmung im Jahr 2012 zu Protokoll gegeben, dass es über den offiziellen Stundenlohn hinaus eine zweite mündliche Vereinbarung - eine Nettolohnvereinbarung für alle Stunden (Normal- und Überstunden) -gebe, aus der sich der tatsächlich ausbezahlte Nettolohn errechne. Die Ausbezahlung der Differenz von Nettostundensatz mal geleisteter Stunden und Nettoauszahlung lt. Lohnverrechnung in bar erfolge in Form der Übergabe in Kuverts.
Aufgrund der Nichtentsprechung der offiziellen Lohnverrechnung den tatsächlichen Gegebenheiten (Nettolohnvereinbarung) wären im Zuge der Prüfung in einer Auf-Hundert Rechnung die vom Arbeitgeber zu tragende Lohnsteuer sowie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung hinzugerechnet worden. Von den sich danach ergebenden Bruttolöhnen wäre nach Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung die dafür anfallende Lohnsteuer errechnet worden. Die über die Lohnkonten einbehaltenen lohnabhängigen Abgaben (LSt, DB, DZ) wären in Abzug gebracht und die fehlenden Abgaben zur Vorschreibung gebracht worden.
Im Anschluss an die Ausführungen in den Punkten 1 und 2 dieses Schreibens des BFG wurde dem Bf. u.a. vorgehalten, dass diese Ausführungen in Widerspruch zu den Ausführungen im Schreiben des Bf. vom stünden und daher für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des § 83 Abs. 3 EStG 1988 im gegenständlichen Fall sprechen würden.
Aufgrund der Widersprüchlichkeit der abgabenbehördlichen Feststellungen beim ehemaligen Dienstgeber sowie den protokollierten Angaben des Betriebsleiters zu den Ausführungen im Schreiben des Bf. vom wurde auf die Bestimmung des § 167 Abs. 2 BAO und die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen.

Der Vorhalt des blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass die Löhne des Bf. im Jahr 2011 nicht zur Gänze, sondern nur zum Teil ohne Verwendung von Bargeld gezahlt worden sind. Die Barzahlungen an den Bf. sind in Form der Übergabe von Bargeldbeträgen in Kuverts erfolgt.
Das nachfolgende Schaubild zeigt die Gegenüberstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in den Lohnzetteln zu den Abgabenbescheiden vom und :


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Lohnzettel zum Bescheid vom
Lohnzettel zum Bescheid vom
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Die GPLA-Prüfung bei der Fa. A-GmbH mit dem Ergebnis der Feststellung von steuerpflichtigen Bezügen in Höhe von 29.408,54 € anstelle von 17.516,37 € bedeutet eine Hinzurechnung von 11.892,17 € (ca. 40,44 % von 29.408,54 €) zu den lohnsteuerpflichtigen Bezügen im für den Bf. erstellten Lohnzettel des Dienstgebers - 17.516,37 € - (ca. 59,56% von 29.408,54 €). Mit dem im gemäß § 303 BAO wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Sachbescheid ist die Abgabe für das Jahr 2011 aufgrund des Lohnzettels in der berichtigen Fassung mit 4.038,00 € neu festgesetzt worden. Die Nachforderung beträgt (4.038,00 € + 495,00 € =) 4.533,00 €.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltselemente beruhen auf dem abgabenbehördlichen Erhebungsergebnis bei der Fa. A-GmbH, demnach dem Bf. über die auf ein Bankkonto überwiesenen lohnsteuerpflichtige Bezüge hinaus Bargeldzahlungen im Streitjahr zugeflossen sind. Der Empfang von Bargeldern wird durch die Angaben des Bf. in dessen Schreiben vom bestätigt.

Rechtslage
§ 83 EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 105/2010 lautet wie folgt:


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§ 8 FinStrG in der Fassung des BGBl. Nr. 335/1975 enthält die nachfolgend zitierten Bestimmungen zu den Begriffen "Vorsatz" und "Fahrlässigkeit":


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§ 84 EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I Nr. 58/2010, betrifft Lohnzettel und enthält in Abs. 1

Z. 1und Z. 2 EStG 1988 folgende Bestimmungen:

Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften gemäß § 9 BAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zur Vertretung juristischer Personen befugt sind bei einer GmbH die Geschäftsführer (§§ 18 ff GmbHG) und darüber hinaus auch die gemäß § 15a GmbHG vom Gericht bestellten Geschäftsführer.

Nach § 80 Abs. 3 BAO ist Vertreter Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation derjenige, der nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

Nach dem durch das Betrugsbekämpfungsgesetz 2010 (BGBl I 105) eingefügten § 83 Abs. 3 EStG 1988 kann ab der Arbeitnehmer auch bei vorsätzlichen Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber in Betrugsfällen unmittelbar in Anspruch genommen werden. Bloße Fahrlässigkeit schließt die Inanspruchnahme daher aus. Primär ist der Arbeitgeber zur Haftung heranzuziehen, die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers darf nur subsidiär erfolgen. Sind aber nachweislich Schwarzlohnzahlungen an den Arbeitnehmer geflossen, der Arbeitgeber jedoch mittlerweile insolvent oder nicht greifbar, geht ein Haftungsbescheid an diesen ins Leere. Diesfalls kann (Ermessen) somit eine unmittelbare Inanspruchnahme des Arbeitnehmers erfolgen.

§ 40 FBG (Firmenbuchgesetz) in der Fassung des BGBl. I Nr. 120/2005 lautet wie folgt:


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Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (z.B. ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132). Die Abgabenbehörde muss, wenn die Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand dieser Tatsache nicht "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen ().

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 war abzuweisen, weil die Dienstgeberfirma - die Fa. A-GmbH - wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht wurde. Da nachweislich Schwarzlohnzahlungen an den Arbeitnehmer geflossen waren, der Arbeitgeber jedoch mittlerweile insolvent war, hatte eine unmittelbare Inanspruchnahme des Bf. als Arbeitnehmer dadurch, dass ein Haftungsbescheid an den Arbeitgeber ins Leere gehen würde, zu erfolgen.
Hinsichtlich des Tatbestandselements "Vorsatz" beim Zusammenwirken des Bf. mit dem Arbeitgeber war von einem Vorsatz des Bf. im Sinn des § 83 Abs. 3 EStG 1988 auszugehen, weil vorsätzlich auch jemand handelt, der eine Straftat zwar nicht direkt verwirklichen will, aber dennoch um die möglichen Folgen seines Verhaltens weiß und diese billigend in Kauf nimmt. Eine vorsätzliche Handlungsweise des Bf. war daran festzustellen, dass er den auf der Grundlage von ca. 59,56% von den tatsächlichen steuerpflichtigen Einkünften (29.408,54 €) ergangenen Einkommensteuererstbescheid mit einer Gutschrift hingenommen hatte, obwohl er gewusst hatte, dass die tatsächlichen steuerpflichtigen Bezüge um 11.892,17 € (ca. 40,44 % von 29.408,54 €) höher als jene in dem vom Dienstgeber für den Bf. erstellten Lohnzettel gewesen waren.
Die Annahme einer fahrlässigen Handlungsweise des Bf. war auszuschließen, weil eine solche Handlungsweise vorliegt, wenn jemand aus Unvorsichtigkeit eine verbotene Handlung begeht. Der Täter will das Delikt nicht verüben, bedenkt die Folgen seiner Tat aber nicht, weil er nicht die Sorgfalt anwendet, zu der er nach den konkreten Umständen verpflichtet wäre.
Von Fahrlässigkeit ist beispielsweise auszugehen, wenn ein Abgabenpflichtiger dem Finanzamt unbewusst falsche Daten offenlegt und die Einkommensteuerveranlagung dadurch mit Fehler behaftet wird. Wenn er sich allerdings nicht sicher ist beziehungsweise es für möglich hält, dass die Daten im vom Dienstgeber für den Bf. erstellten Lohnzettel ungeeignet sind, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände dem Finanzamt vollständig und wahrheitsgemäß nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen, dieses aber dennoch ohne weitere Abklärungen hinnimmt und eine Gutschrift in Kauf nimmt, handelt er eventualvorsätzlich.
Aufgrund der Aktenlage war davon auszugehen, dass der Bf. die Verwirklichung des Unrechts des Sachverhalts nicht angestrebt hatte, ja nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Erfolg gerechnet hatte, ihn aber sehr wohl für möglich gehalten hatte. Da der bedingte Vorsatz (Eventualvorsatz) an der Untergrenze des Vorsatzes liegt, verschaffte die Hinnahme der Nichterklärung von ca. 40% der lohnsteuerpflichtigen Bezüge und sogar einer Gutschrift im Einkommensteuererstbescheid 2011 Gewissheit über ein vorsätzliches Zusammenwirken des Bf. und der Fa. A-GmbH als Arbeitgeber des Bf. zu dem Zweck, einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirkt.
Die Entscheidung über die Anwendung des § 83 Abs. 3 EStG 1988 ist eine Ermessensentscheidung, die sich § 20 BAO zufolge in den Grenzen zu halten hat, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Unter dem Begriff "Billigkeit" versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (vgl. z.B. ; , 2003/17/0132; , 2009/15/0161; , Ro 2018/15/0025).
Die "Billigkeit" gebietet etwa die Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei (vgl. z.B. Stoll, BAO, 208). Zur "Zweckmäßigkeit" im Sinn des § 20 BAO gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (z.B. Ritz, ÖStZ 1996, 70). Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (-0381; ; Orientierung an der Intention des Gesetzgebers, ). Da bei der Entscheidung über die Beschwerde des Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten war, war der angefochtene Sachbescheid für das Jahr 2011 in seinem Bestand zu bestätigen und die Beschwerde gegen den mit datierten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die gegenständliche Entscheidung gründet auf der Rechtsprechung des VwGH zur wahrheitsgemäßen Offenlegung des Sachverhalts durch Abgabepflichtige. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.
Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend freie Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) gründet. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Insolvenz des Dienstgebers
Schwarzgeld
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103593.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at