Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.06.2024, RV/6100242/2023

Fahrten zur Betreuung des erkrankten Sohnes: keine agBel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung (L1) für das Jahr 2020 elektronisch beim Finanzamt ein. Darin machte sie unter anderem eigene Krankheitskosten von EUR 600,95 und Krankheitskosten für ihren 1991 geborenen Sohn von EUR 2.737,28 als außergewöhnliche Belastungen geltend. Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom gab sie im Schreiben vom zu den Krankheitskosten für ihren Sohn an, dass es sich dabei um Kilometergelder handle. Ihr Sohn habe aufgrund einer Jahre andauernden Erkrankung seine Wohnung nicht verlassen können. Sie habe ihn im Haushalt und bei Besorgungen unterstützt und sei dafür fast täglich von Berndorf nach Salzburg und zurück gefahren.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2020 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 18.951,- mit EUR 917,- fest. Dabei berücksichtigte es die Aufwendungen für eigene Krankheitskosten nicht, da sie geringer als der Selbstbehalt waren. Die für den Sohn der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kosten berücksichtigte das Finanzamt ebenfalls nicht und begründete dies wie folgt: "… Da Ihr Sohn keine erhöhte Familienbeihilfe, Pflegegeld bezieht oder einen Behindertenausweis hat und auch über ein eigenes Einkommen verfügt, können die beantragten Krankheitskosten nicht anerkannt werden. Die beantragten Fahrtkosten sind reine Besuchsfahrten und nicht absetzbar. Es handelt sich dabei um Kosten der normalen Lebensführung. Abzugsfähig wären nur reine Krankheitskosten, die das Einkommen des Erkrankten derart belasten, dass das steuerliche Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 199 (11.000 Euro jährlich) unterschritten würde.".

In ihrer Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe lediglich stark reduzierte Fahrtkosten angeführt. Ein Hilfsdienst habe aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht beauftragt werden können. Ihr Sohn könne die Kosten nicht tragen, da er nur über ein Mindesteinkommen verfüge, welches für die Wohnungsmiete und Stromzahlungen fast vollständig verbraucht werde.

Über weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom gab sie weiter an, ihr Sohn würde seit 2016 an diversen Erkrankungen, Beschwerden und Allergien leiden. Sie habe eine kleine Wohnung in Salzburg in der Nähe des Krankenhauses angemietet, in der sich ihr Sohn seitdem aufhalte. Es sei das Pflegegeld beantragt, aber nicht bewilligt worden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und verwies in der Begründung darauf, dass die Fahrtkosten nicht nachgewiesen worden seien. Kosten im Zusammenhang mit Besuchen bei nahen Angehörigen, um sich um diese zu kümmern, sie zu besuchen und mit ihnen auszugehen, seien nicht außergewöhnlich.

In ihrem Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin weiter vor, sie stehe aufgrund des gesundheitlichen Zustandes ihres Sohnes unter starkem Stress und habe große finanzielle Belastungen zu tragen. Die zurückgelegten Fahrtstrecken seien auf Google nachvollziehbar.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und führte aus: "… Im Beschwerdefall wird deutlich, dass die Beschwerdeführerin durch die regelmäßigen Besuchs- und Besorgungsfahrten zum Sohn bemüht war, auf seinen Gesundheits- und Gemütszustand positiv einzuwirken und sich auch sittlich dazu verpflichtet fühlt. Dennoch fehlt den durch die Besuchsfahren verursachten Aufwendungen der Fahrtkosten das Merkmal der Außergewöhnlichkeit, weil derartige Kosten nämlich einer Vielzahl von Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen und sich damit einer steuerlichen Absetzbarkeit entziehen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Es ist angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführerin und angesichts der mit Schreiben vom dem Finanzamt vorgelegten Arztbriefe vom , vom und vom glaubwürdig, dass der 1991 geborene Sohn der Beschwerdeführerin, S, unter einer Vielzahl gesundheitlicher Beschwerden leidet und in seiner Lebensführung stark beeinträchtigt ist.

Abfragen des Bundesfinanzgerichtes in der elektronischen Verfahrensdokumentation "Finanz - Familienbeihilfe" und "Jahresveranlagung - Privat" ergab, dass im Streitjahr 2020 für den Sohn der Beschwerdeführerin keine (erhöhte) Familienbeihilfe bezogen wurde, und dass der Sohn der Beschwerdeführerin in seiner am elektronisch beim Finanzamt eingereichten Abgabenerklärung für das Jahr 2020 Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht hat. Seit erhält der Sohn der Beschwerdeführerin Bezüge von der Pensionsversicherungsanstalt.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob die von der Beschwerdeführerin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten geschätzten Fahrtkosten für Besuche zur Betreuung ihres gesundheitlich beeinträchtigten Sohnes einkommensmindernd wirken oder nicht.

Bei der Ermittlung des Einkommens sind nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 34 Abs. 1 EStG 1988).

Besuchsfahrten zu nahen Angehörigen - auch wenn diese erkrankt sind - sowie sonstige Formen der Kontaktpflege sind in der Regel nicht außergewöhnlich (vgl. Jakom, EStG, 17.A., Rz 90 zu § 34 "Besuchsfahrten" mit Judikaturhinweisen). Aufwendungen für häusliche Pflege können ab dem Verlust der Fähigkeit zur eigenen Haushaltsführung bzw. dem Bezug von Pflegegeld abzugsfähig sein (ebenda, "Häusliche Pflege" mwN).

Die Beschwerdeführerin hat zwar vorgebracht, dass sie ihren Sohn in weitem Umfang im Alltag unterstützt hat, jedoch geht aus ihren Ausführungen und dem Akteninhalt nicht hervor, dass ihr Sohn nicht imstande gewesen wäre, einen eigenen Haushalt zu führen. Ihr Sohn bezieht nach der Aktenlage keine pflegebedingten Geldleistungen. Ein Nachweis über einen Grad der Behinderung liegt nicht vor.

Daher fehlt den geltend gemachten Fahrtaufwendungen das Merkmal der Außergewöhnlichkeit.

Auch eine Berücksichtigung als Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an ein volljähriges Kind, für das keine Familienbeihilfe gewährt wird, nach § 33 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 scheidet aus, da die der Mutter entstandenen Fahrtkosten schon begrifflich beim Sohn keine außergewöhnliche Belastung sein können.

Dazu kommt, dass die Höchstgerichte nicht sämtliche Aufwendungen bzw. Fahrtkosten, die einer Verbesserung der Krankheit oder Behinderung dienen könnten bzw. einen positiven therapeutischen Zweck haben, dem § 4 der Verordnung zu außergewöhnlichen Belastungen subsumieren; es handelte sich dabei stets um Aufwendungen, die mit ärztlich verordneten Maßnahmen oder institutionellen Betreuungsformen in unmittelbarem Zusammenhang standen ( mwN).

Trotz des hinter dem Beschwerdebegehren hervortretenden subjektiven Leidensdruckes der Beschwerdeführerin ist es Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes, den festgestellten Sachverhalt nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Für eine Berücksichtigung der geltend gemachten Fahrtaufwendungen lässt die Rechtsordnung keinen Raum. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Würdigung des festgestellten Sachverhaltes unmittelbar aus dem Gesetz und der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100242.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at