Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.06.2024, RV/5100097/2024

Bescheidänderung aufgrund eines nachträglich eingetretenen Ereignisses.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 und 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden entsprechend den Beschwerdevorentscheidungen vom abgeändert.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2021
Einkommen
13.142,63 €
Einkommensteuer
-396,47 €
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabengutschrift) gerundet
-396,00 €
2022
Einkommen
13.004,91 €
Einkommensteuer
-424,02 €
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabengutschrift) gerundet
-424,00 €

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin erhielt in den beschwerdegegenständlichen Jahren Bezüge von der Pensionsversicherungsanstalt und Zahlungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung.

In der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung für 2021 und 2022 fand die Schweizer Invalidenrente keine Berücksichtigung (2021: Bescheid vom - Abgabengutschrift 506 €; 2022: Bescheid vom - Abgabengutschrift 513 €).

Am beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Bescheide gemäß § 295a BAO, da sie ab 2020 Anspruch auf eine Schweizer Rente habe.

Die beantragte Änderung der Bescheide erfolgte am ; durch Einbeziehung der Schweizer Rente ergab sich eine festgesetzte Einkommensteuer von 811 € (2021) und 841 € (2022).

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Beschwerde und beantragte die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide; auf die Beschwerdeausführungen wird verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom gab das Finanzamt der Beschwerde insoweit teilweise statt, als es die Krankenversicherungsbeiträge für die Schweizer Rente auf jeweils 501,48 € berichtigte und die Rückzahlungen der Ausgleichszulage als Werbungskosten berücksichtigte; eine Anerkennung der pauschalen Freibeträge für Behinderung erfolgte nicht, da der Behindertenpass erst am ausgestellt worden war und auf die Beschwerdeführerin kein Kfz zugelassen ist. Auf die Bescheidbegründungen wird verwiesen.

Die Beschwerdeführerin ersuchte mit Eingabe vom um Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht; auf die nähere Begründung wird verwiesen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin erhielt 2021 und 2022 folgende Bezüge:


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2021
Pensionsversicherungsanstalt
10.083,96 €
Eidgenössische Invalidenversicherung
8.845,05 €
2022
Pensionsversicherungsanstalt
10.232,64 €
Eidgenössische Invalidenversicherung
9.517,65 €

Mit Verfügung vom teilte die Schweizerische Eidgenossenschaft (Eidgenössische Invalidenversicherung IV, IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVST) der Beschwerdeführerin mit, dass sie ab einen Anspruch auf eine Ordentliche Invalidenrente (ganze Rente) habe.

Der Behindertenpass der Beschwerdeführerin wurde am ausgestellt. Auf die Beschwerdeführerin ist im beschwerdegegenständlichen Zeitraum kein Kfz zugelassen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt hinsichtlich des Bezuges der Schweizer Rente sowie deren Berücksichtigung bei der Steuerberechnung ist unstrittig. Allerdings bestreitet die Beschwerdeführerin wegen des Bezuges der Schweizer Rente, einen Antrag auf Abänderung gemäß §295a BAO gestellt zu haben. Dies ist nicht richtig. Ein dementsprechender Antrag wurde seitens der Beschwerdeführerin am für die Jahre 2020 bis 2022 handschriftlich gestellt und persönlich am selben Tag beim Finanzamt eingereicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Die Beschwerdeführerin beantragt die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide, da sie keinen Antrag auf Bescheidänderung gemäß § 295a BAO gestellt habe. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Bescheidänderungen die Schweizer Rente als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; in den Beschwerdevorentscheidungen entsprach es zudem dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Anerkennung der Rückzahlungen der Ausgleichszulage als Werbungskosten; eine Gewährung des pauschalen Freibetrages für ein Kfz erfolgte mangels Zulassung eines solchen auf die Beschwerdeführerin nicht; ebenso wenig erfolgte eine Berücksichtigung des Diätfreibetrages mangels Nachweises bzw. die Erwerbsminderung von 60 % aufgrund der Ausstellung des Behindertenpasses erst am .

Das Bundesfinanzgericht folgt obiger Rechtsansicht; eine inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Bescheide ist gegeben.

Die Beschwerdeführerin räumt in ihrem Vorlageantrag ein, dass ihr Beschwerdebegehren inhaltlich zum größten Teil berücksichtigt worden sei. Bekämpft wird lediglich die Anwendung des § 295a BAO; stattdessen hätte eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO bzw. eine Bescheidänderung gemäß § 299 BAO erfolgen müssen.

Grundsätzlich verändern nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4) eingetretene Ereignisse nicht den Bestand und Umfang des Abgabenanspruches (vgl. Stoll, BAO, 58 ff).

Tritt ein Ereignis, das abgabenrechtliche Wirkung entfaltet, vor Bescheiderlassung ein, so ist es im Bescheid zu berücksichtigen. Tritt ein solches Ereignis jedoch nachträglich dh nach Erlassung des Bescheides ein, so ist zu überprüfen, ob dieses Ereignis eine abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang des Abgabenanspruches entfaltet. Für diesen Fall stellt § 295a BAO den Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden dar (Ritz, BAO, § 295a Tz 5).

Nach dem Gesetzeswortlaut ist § 295a BAO dann anzuwenden, wenn abgabenrelevante Umstände rückwirkend erfasst werden müssen, weil sie den Sachverhalt, der einem Bescheid zugrunde gelegt wurde, ändern. Im Gegensatz zu den anderen Rechtschutzinstrumenten der BAO, bei denen die ursprünglichen Bescheide an einem wichtigen Mangel leiden, ermöglicht § 295a BAO die Abänderung eines ursprünglich richtigen Bescheides, der aufgrund eines richtig festgestellten Sachverhaltes ergangen ist. Dieser Bescheid wird durch den Eintritt eines Ereignisses, das auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld zurückwirkt, rechtswidrig (Reiter, § 295a BAO - Ereignisse mit Wirkung für die Vergangenheit, Orac, 2006, Seite 20). Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergeben ().

Die Erstbescheide wurden ursprünglich aufgrund eines richtig festgestellten Sachverhaltes erlassen. Durch die Zuerkennung einer Schweizer Rente im Jahr 2023 mit Anspruchsbeginn ist ein Ereignis im Sinne des § 295a BAO eingetreten, dem das Finanzamt mit dementsprechenden Bescheidänderungen richtigerweise Rechnung getragen hat.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zu § 295a BAO liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100097.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at