Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2024, RV/5100236/2023

Berufsreifeprüfung als Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Ordnungsbegriff ***1*** betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Dezember 2021 bis Juli 2022 in Höhe von insgesamt 1.788,00 € zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Rückforderung wird auf die Zeiträume Dezember 2021 sowie Mai bis Juli 2022 und damit auf Familienbeihilfe in Höhe von 660,40 € und Kinderabsetzbeträge in Höhe von 233,60 € eingeschränkt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Formblatt Beih 100 beantragte die am ***x***.7.1998 geborene Beschwerdeführerin am die Zuerkennung der Familienbeihilfe (Eigenantrag), da sie sich in Berufsausbildung befinde (voraussichtliches Ende: 06/2022). Dem Antrag wurde eine Meldebestätigung angeschlossen, aus der hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr zum Haushalt ihrer Mutter (***KM***) zugehörig war.

Über Aufforderung des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin am Lernzeitbestätigungen des WIFI der Wirtschaftskammer OÖ vor, derzufolge sie vom bis Vorbereitungskurse zur Ablegung der Berufsreifeprüfung in den Fächern Deutsch sowie BWL und Rechnungswesen besuche (Präsenskurse, je Fach 160 Stunden zuzüglich 160 Stunden Selbststudium). Aufgrund des umfangreichen Prüfungsstoffes sei auch nach Kursende bis zum Beginn der jeweiligen Prüfungsmodule eine weitere Vorbereitung auf die Prüfung im Ausmaß von 20 bis 25 Wochenstunden für einen positiven Prüfungsabschluss notwendig.

Das Finanzamt gewährte daraufhin laut Mitteilung vom für den Zeitraum September 2020 bis April 2021 Familienbeihilfe (acht Monate ab Beginn der Vorbereitungskurse; je Prüfungsfach vier Monate).

Mit weiterem Formblatt Beih 100 beantragte die Beschwerdeführerin am die weitere Zuerkennung der Familienbeihilfe "ab ". Die Berufsausbildung ende am .

Über Aufforderung des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin am die Zeugnisse über die erfolgreich abgelegten Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung in den Fächern Deutsch sowie Betriebswirtschaft und Rechnungswesen vor (Zeugnisse vom und ).

Ferner wurden Bestätigungen des WIFI vorgelegt, denen zufolge die Beschwerdeführerin für die Berufsreifeprüfungslehrgänge in Englisch ( bis ) und Mathematik ( bis ) angemeldet war. Ergänzend wurde angegeben, dass die "Mathematura" im Mai 2022 und die "Englischmatura" im Juli 2022 stattfinden werde.

Das Finanzamt gewährte daraufhin laut Mitteilung vom für den Zeitraum Dezember 2021 bis Juli 2022 Familienbeihilfe (acht Monate rückgerechnet vom voraussichtlich letzten Prüfungstermin im Juli 2022; je Prüfungsfach vier Monate).

Mit Überprüfungsschreiben vom wurde die Beschwerdeführerin um Bekanntgabe der Termine für die Teilprüfungen in Mathematik und Englisch ersucht. Allenfalls vorhandene Zeugnisse wären vorzulegen.

Da die Beschwerdeführerin zu dieser Aufforderung trotz Erinnerung vom nicht Stellung nahm, forderte das Finanzamt mit Bescheid vom für den Zeitraum Dezember 2021 bis Juli 2022 gewährte Familienbeihilfe (1.320,80 €) samt Kinderabsetzbeträgen (467,20 €) zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie das Überprüfungsschreiben und die Erinnerung falsch verstanden habe. Da sie Familienbeihilfe für Dezember 2021 bis Juli 2022 erhalten habe und dazu bereits die entsprechenden Kursbestätigungen geschickt hatte, wäre sie der Ansicht gewesen, dass damit die Angelegenheit abgeschlossen sei. Das Erinnerungsschreiben vom habe sie so aufgefasst, dass es dabei um einen Antrag um weitere Beanspruchung der Familienbeihilfe gehe. Da sie gewusst habe, dass ihr keine mehr zustehe, sei sie davon ausgegangen, dass sie auch keine Unterlagen mehr zu schicken brauche. Die Berufsreifeprüfung in Mathematik habe sie laut beiliegendem Zeugnis am abgelegt. Für die Berufsreifeprüfung in Englisch gäbe es derzeit noch keinen verbindlichen Prüfungstermin, für den sie sich anmelden könne. Der diesbezüglichen Mailverkehr mit dem WIFI werde beigelegt.

Diesem Mailverkehr ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im Juli 2022 den Vorbereitungskurs in Englisch beendet hat und sie im Jänner/Februar 2023 zur Prüfung antreten wollte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Rückforderung auf den Zeitraum Dezember 2021 bis Juni 2022 ein. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordere eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 einen praktischen und theoretischen Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reiche für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzunehmen. Die Ausbildung müsse ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies werde dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind durch Prüfungsantritte innerhalb eines angemessenen Zeitraumes die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung erfüllt (vgl. ZI. 98/15/0001). Weiters sei die Vorbereitungszeit pro Teilprüfung der Berufsreifeprüfung laut Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98, mit vier Monaten bemessen. Die Familienbeihilfe könnte somit immer nur zurückgerechnet vom Prüfungstermin für maximal vier Monate gewährt werden und stehe somit grundsätzlich für 16 Monate (4 Prüfungen) zu. Im gegenständlichen Fall seien bisher folgende Prüfungen abgelegt worden:
Betriebswirtschaft/Rechnungswesen - Juni 2021
Deutsch - Juli 2021
Mathematik - Oktober 2022
Englisch - geplant im Jänner 2023
Grundsätzlich würde Anspruch auf Familienbeihilfe somit für die Zeiträume von Dezember 2020 bis Juli 2021 und von Juli bis Oktober 2022 bestehen. Da die Beschwerdeführerin jedoch im Juli 2022 das 24. Lebensjahr vollendet hat, bestehe ab August 2022 kein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Die Teilprüfung in Mathematik für die Berufsreifeprüfung habe die Beschwerdeführerin nicht im Oktober 2022, sondern am abgelegt, im Oktober sei lediglich das Zeugnis ausgestellt worden. Ihrem Antrag auf Familienbeihilfe für die Teilprüfungen in Mathematik und Englisch sei vom Finanzamt für Dezember 2021 bis Juli 2022 stattgegeben worden. Da sie im Juli 2022 das 24. Lebensjahr erreichte, habe sie in diesem Zeitraum nur die Kurse besuchen können. Für die Wahrnehmung der erstmöglichen Prüfungstermine (Mathematikkursende , Prüfungstermin: , Englischkursende: , mündlicher Prüfungstermin: ) hätte sie also gar nicht die Möglichkeit einer angemessenen Vorbereitungszeit gehabt. Dass die Familienbeihilfe nur für vier Monate rückgerechnet vom Prüfungstermin je Gegenstand gewährt wird, sei ihr nicht bekannt gewesen. Betreffend Prüfungsvorbereitungszeit verweise sie auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zu RV/7103392/2016, in der ausgeführt worden sei, dass bei der Vorbereitung und Ablegung der Berufsreifeprüfung pro Prüfungsgegenstand 4 Monate und für die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung selbst 6 Monate an Familienbeihilfe zuerkannt werden. Die mündliche Englisch-Prüfung lege sie zum nächstmöglichen Termin Anfang 2023 ab. Sie habe in den letzten beiden Jahren die Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig (neben einer Teilzeitarbeit) betrieben und ersuche, dass die Monate der Kursteilnahme als Prüfungsvorbereitung anerkannt werden.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine teilweise Stattgabe (Einschränkung der Rückforderung auf den Zeitraum Dezember 2021 bis Mai 2022).

In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes vom mit Stellungnahme vom legte die Beschwerdeführerin näher dar, dass sie anspruchsberechtigt im Sinne des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 war (eigener Haushalt, Teilzeitbeschäftigung, keine überwiegende Kostentragung der in § 2 Abs. 2 FLAG 1967 genannten Personen). Die Berufsreifeprüfung in Englisch habe sie am erfolgreich abgelegt. Dazu wurde das entsprechende Zeugnis des WIFI OÖ und eine Bestätigung vorgelegt, dass sie am erstmals zu dieser Berufsreifeprüfung angetreten ist. Ferner wurde das Berufsreifeprüfungszeugnis vorgelegt. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, dass es ihr aus gesundheitlichen (psychischen) Gründen nicht möglich gewesen sei, früher zur Englischprüfung als letzter Teilprüfung anzutreten. Sie habe den Termin daher mehrfach verschoben. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr sei sie vom Bundessozialamt als zu 50 % behindert eingestuft worden. Schließlich wurden Arztbriefe und ärztliche Bestätigungen vom , , und vorgelegt, in denen seit der Kindheit bekannte rezidivierende depressive Störungen und Angststörungen diagnostiziert wurden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt samt Beweiswürdigung

Die am ***x***.7.1998 geborene Beschwerdeführerin hat am ***x***.7.2022 das 24. Lebensjahr vollendet.

Zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfungen in Deutsch sowie BWL und Rechnungswesen besuchte die Beschwerdeführerin vom bis Vorbereitungskurse am WIFI der Wirtschaftskammer OÖ mit Kursstunden (Präsenskurs) je Fach von 160 Stunden zuzüglich 160 Stunden Selbststudium (am vorgelegte Lernzeitbestätigungen des WIFI).

Die Prüfung in BWL und Rechnungswesen wurde am erfolgreich abgelegt, jene in Deutsch am (vorgelegte Zeugnisse).

Ferner besuchte die Beschwerdeführerin aufgrund der vorgelegten Bestätigungen des WIFI die Berufsreifeprüfungslehrgänge in Englisch ( bis ) und Mathematik ( bis ). Diese Kurse umfassten laut vorgelegten Bestätigungen je 180 Trainingseinheiten. Für das Selbststudium ist wie bei den oben genannten Kursen ein ebensolcher Zeitaufwand (hier somit je 180 Stunden) zu berücksichtigen.

Die Teilprüfung in Mathematik wurde am erfolgreich abgelegt, jene in Englisch erst am (erster Prüfungsantritt).

Die Beschwerdeführerin führte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einen eigenen Haushalt, war teilzeitbeschäftigt und es erfolgte keine überwiegende Kostentragung der in § 2 Abs. 2 FLAG 1967 genannten Personen.

Der Beihilfendatenbank ist zu entnehmen, dass die Mutter der Beschwerdeführerin für diese von Februar 2014 bis Juli 2016 und von April 2017 bis September 2019 erhöhte Familienbeihilfe bezogen hat.

In der zugrundeliegenden Bescheinigung des Bundessozialamtes aus dem Jahr 2016 wurde ein Grad der Behinderung von 50 % ab festgestellt. Die Einschätzung sei entsprechend der verminderten psychischen Belastbarkeit und sozialen Einschränkung erfolgt. Eine psychische Stabilisierung sei im Lauf der nächsten Jahre unter entsprechender Therapie möglich.

Die für das Jahr 2019 avisierte Nachuntersuchung erfolgte nicht mehr, da die Mutter der Beschwerdeführerin den Antrag auf weitere Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe zurückgezogen hatte.

Die vorgelegten Arztbriefe und ärztliche Bestätigungen datieren zwischen dem und vom und geben damit keine gesicherte Auskunft über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in den Jahren 2022 und 2023: der Vorbereitungskurs in Englisch wurde am beendet, zur Prüfung trat die Beschwerdeführerin erstmals (und erfolgreich) am an.

Da mit dieser letzten Prüfung alle Teilprüfungen erfolgreich absolviert wurden, hat die Beschwerdeführerin die Berufsreifeprüfung bestanden.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 FLAG 1967).

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auch auf sie diese Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden (§ 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967).

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967).

Da die Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Zeitraum einen eigenen Haushalt geführt hat, und die grundsätzlich Anspruchsberechtigten iSd § 2 Abs. 2 FLAG 1967 nicht den überwiegenden Unterhalt für die Beschwerdeführerin geleistet haben, bestand ein Eigenanspruch der Beschwerdeführerin.

Zu prüfen war das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 StudFG 1992 liegen. Die genannten Voraussetzungen müssen auch im Fall der Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung vorliegen. Somit kommt es nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung an, diese Ausbildung muss vielmehr auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (z.B. mwN).

Es müssen damit zwei Kriterien erfüllt sein, damit eine Ausbildungsmaßnahme eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellt: zum einen muss ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung vorliegen, und zum anderen muss die Ausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

Zur Umsetzung dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung in einem Massenverfahren wie dem Beihilfenverfahren ist im Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98, Folgendes geregelt:

"Bei Beantragung der Familienbeihilfe sind vom Finanzamt daher neben der Zulassung zur Berufsreifeprüfung jedenfalls auch die Angabe der (des) jeweiligen Prüfungstermine(s) sowie der Beleg (z.B. Kursbestätigung) oder die Glaubhaftmachung (bei Selbststudium) des tatsächlichen Vorbereitungsbeginns abzuverlangen. Die Familienbeihilfe ist immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist. Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen. Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."

Der Unabhängige Finanzsenat und das Bundesfinanzgericht haben dazu wiederholt die Meinung vertreten, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Teilprüfung sei ausreichend (Judikaturnachweise bei Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Tz 44). Als Vergleichsmaßstab wurde die Ablegung der Matura an einer allgemein bildenden höheren Schule herangezogen. Die wöchentliche Unterrichtsdauer an der Oberstufe einer derartigen Schule betrage mit gewissen Schwankungen rund 30 bis 35 Unterrichtsstunden; demgegenüber umfasse die Dauer der Vorbereitungskurse für die Ablegung der Berufsreifeprüfung typischerweise weniger Zeit. Unter der Prämisse, dass das Kind seinen vollen Lerneinsatz dem jeweils einzelnen Gegenstand widme, sei eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Prüfung ausreichend. Damit wird zum einen sichergestellt, dass in dieser intensiven Lernphase tatsächlich die volle Zeit des Kindes für die Vorbereitung auf die einzelnen Teilprüfungen in Anspruch genommen wird, und zum anderen auch ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung gefordert.

Der Beschwerdeführerin wurde daher vom Finanzamt zu Recht für die Teilprüfungen in Deutsch sowie Betriebswirtschaft und Rechnungswesen ein Beihilfenanspruch in Höhe von je vier Monaten für den Zeitraum September 2020 bis April 2021 zuerkannt. Dabei wurden entsprechend dem oben zitierten Erlass zutreffend jene Monate gewählt, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fielen, nämlich jene Monate, in denen die Vorbereitungskurse am WIFI in den genannten Fächern besucht wurden ( bis ). Zwar soll die Beihilfe grundsätzlich vom Prüfungstermin rückgerechnet gewährt werden. Kann aber wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit die Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum (Beginn des Vorbereitungskurses bis zum letzten Prüfungstermin; hier: bis ) gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen. Das sind regelmäßig jene Monate, in denen ein Vorbereitungskurs besucht wird.

Der Vorbereitungskurs für die Teilprüfung in Mathematik dauerte vom bis , zur Prüfung trat die Beschwerdeführerin am an. Der viermonatige Beihilfenanspruch kommt daher im Zeitraum August 2021 bis September 2022 in Betracht. Im Hinblick darauf, dass die Vorbereitungskurse erfahrungsgemäß gegen Kursende besonders intensiv und den gelernten Stoff nochmals wiederholend sind, ist es sachgerecht, die vier Monate Jänner bis April 2022 für den Beihilfenanspruch zu wählen.

Grundsätzlich bestünde auch für die letzte Teilprüfung in Englisch ein viermonatiger Beihilfenanspruch. Der Vorbereitungskurs am WIFI dauerte vom bis . Die Beschwerdeführerin trat zur Teilprüfung in Englisch aber erst mehr als ein Jahr später, nämlich am , erstmals - und erfolgreich - an. Der Verwaltungsgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass es für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG auch darauf ankommt, dass ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung vorliegt. Ein solches Bemühen kann aber nicht mehr angenommen werden, wenn der Prüfling zu einer Teilprüfung erstmals nach mehr als einem Jahr nach Abschluss des Vorbereitungskurses antritt. Der in der Stellungnahme vom vorgebrachte Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe den Prüfungstermin aus gesundheitlichen (psychischen) Gründen mehrfach verschoben, rechtfertigt den erstmaligen Prüfungsantritt erst nach über einem Jahr nicht. Zum einen werden zwar in den vorgelegten ärztlichen Bestätigungen depressive Störungen und Angststörungen der Beschwerdeführerin bestätigt, doch liegen diese Bestätigungen mehrere Jahre zurück und geben damit keine gesicherte Auskunft über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in den Jahren 2022 und 2023. Die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wurde mit Ablauf des Monates September 2019 eingestellt. Zum anderen hat die ins Treffen geführte gesundheitliche Beeinträchtigung die Beschwerdeführerin nicht gehindert, zu den übrigen Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach Abschluss der Vorbereitungskurse anzutreten.

Da es somit hinsichtlich der Teilprüfung in Englisch an einem zielstrebigen Bemühen um den Abschluss der Berufsausbildung gefehlt hat, lagen insofern die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nicht vor, und war daher die Beihilfe für vier Monate zurückzufordern. Da für die Teilprüfung in Mathematik ein Anspruch für die Monate Jänner bis April 2022 bejaht wurde (siehe oben), umfasst die Rückforderung die Monate Dezember 2021 und Mai bis Juli 2022.

Zu dem im Vorlageantrag erhobenen Einwand, der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt gewesen, dass pro Fach der Berufsreifeprüfung nur vier Monate Familienbeihilfe gewährt würde, wurde bereits im Vorhalt vom auf den entsprechenden Hinweis in der Mitteilung vom (vorletzter Absatz) verwiesen.

Ferner wurde zu der im Vorlageantrag erwähnten Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes im Vorhalt vom bemerkt, dass die darin zitierte erlassmäßige Regelung aus dem Jahr 1996 überholt ist, da gemäß § 8b Abs. 1 BRPG erfolgreich abgelegte Abschlussprüfungen an anerkannten Lehrgängen iSd § 8 BRPG (z.B. die von der Beschwerdeführerin besuchten WIFI-Lehrgänge) als Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung im entsprechenden Fach anzuerkennen sind. Sind alle Teilprüfungen erfolgreich abgelegt, ist die Berufsreifeprüfung erfolgreich bestanden, ohne dass eine weitere Prüfung abzulegen wäre, zu deren Vorbereitung ein weiterer beihilfenbegründender Zeitraum von sechs Monaten zur Verfügung stünde. Es stehen daher nach der erlassmäßigen Regelung aus dem Jahr 1998 nur je vier Monate pro Teilprüfung (insgesamt daher maximal 16 Monate) zur Verfügung.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG, der auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 verweist, auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie (fehlendes) Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Tz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung bereits mehrfach dargestellt. Da sich die gegenständliche Entscheidung auf eben diese Rechtsprechung stützt (), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100236.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at