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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.06.2024, RV/5100071/2023

Entscheidung über einen Eventualantrag vor Eintritt des Eventualfalls

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, über die Abweisung eines Eventualantrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe für ***K.***, VNR: *********, für die Zeiträume ab September 2016 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Am stellte die Beschwerdeführerin (Bf.) einen Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn ***K.*** und kreuzte dabei im Vordruck "Beih 3-WAI" das Feld "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung (siehe Erläuterungen)" an.

Das Finanzamt gewährte die Familienbeihilfe sowie den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab Mai 2019" (Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 vom ).

Mit Eingabe vom stellte die anwaltlich vertretene Bf. einen Antrag auf "Bescheiderlassung".
Unter Berufung auf ein näher genanntes Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der am ***GebDat.*** geborene Sohn der Bf. wegen einer bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande gewesen sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die Mitteilung nach § 12 FLAG 1967 vom sei diesbezüglich "fehlerhaft" gewesen.

In eventu stellte die Bf. hinsichtlich eines Zeitraumes von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung (betreffend den Antrag vom ) einen Antrag auf Wiederaufnahme, welchen das Finanzamt mit dem hier angefochtenen Bescheid vom abwies.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der u.a. vorgebracht wird, dass das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Bf. auf Wiederaufnahme hinsichtlich Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe für den Sohn der Bf. ab September 2016 abgewiesen habe. Tatsächlich habe die Bf. um Bescheiderlassung angesucht, da vom Finanzamt über den Antrag der Bf. auf erhöhte Familienbeihilfe nicht abschließend abgesprochen worden sei. In der Mitteilung des Finanzamtes vom habe die Behörde nur über den Zeitraum ab Mai 2019 insofern entschieden, als mitgeteilt worden sei, dass für diesen Zeitraum die erhöhte Familienbeihilfe gewährt werde. Über die ebenfalls beantragte erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum von fünf Jahren rückwirkend ab Antragstellung sei nicht bescheidmäßig abgesprochen worden. Es sei kein abweislicher Bescheid erlassen worden. Daher habe die Bf. beantragt, dass über diesen Zeitraum (fünf Jahre vor Antragstellung) abgesprochen werden möge. Dies sei nunmehr wiederum nicht erfolgt. Vielmehr sei im angefochtenen Bescheid nur über den Eventualantrag auf Wiederaufnahme abgesprochen worden. Da der Hauptantrag auf Bescheiderlassung nicht behandelt worden sei, sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Dass die Mitteilung vom als Bescheid zu werten sei, habe die erstinstanzliche Behörde nicht ausgeführt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. daraufhin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Mit Vorlagebericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, stellte in weiterer Folge beim Sohn der Bf. den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit mit "05/2015" fest.

Daraufhin veranlasste das Finanzamt für die betroffenen Zeiträume ab Mai 2015 einerseits die Nachzahlung der (erhöhten) Familienbeihilfe sowie die Erstellung einer Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 über den Bezug der Familienbeihilfe und wies andererseits den Antrag vom auf Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur FB für näher genannte Zeiträume wegen res judicata zurück.

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich u.a. dagegen, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid, ohne über den Primärantrag auf "Bescheiderlassung" zu entscheiden, sogleich über den Eventualantrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens entschieden habe.

Ein Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Hauptantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Der Eventualantrag stellt keine bloße "Ergänzung" des Hauptantrages oder eine "Antragsabänderung" dar; es handelt sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren) Antrag unter der obgenannten aufschiebenden Bedingung. Eine Entscheidung über den Eventualantrag ist somit überhaupt erst zulässig, wenn über den Hauptantrag (abschlägig) entschieden worden ist. Die Erledigung eines Eventualantrags vor dem Eintritt des Eventualfalls belastet diese mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Der angesprochenen Abweisung steht eine Zurückweisung des Hauptantrages bzw. dessen Zurückziehung gleich (vgl. etwa mwN).

Da im vorliegenden Fall eine Zurückziehung des Hauptantrags nicht zu erkennen war, wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, zunächst über den Hauptantrag zu entscheiden.
Daraus folgt, dass der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben war.

Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass das Bundesfinanzgericht aufgrund der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage zu entscheiden hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Da das Finanzamt mittlerweile dem Hauptantrag entsprochen hat, hat eine Entscheidung über den gegenstandslos gewordenen Eventualantrag nicht mehr zu ergehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100071.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at