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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2024, RV/7100297/2024

Keine Verfassungswidrigkeit des EKBSG

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2202/2024 anhängig.

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7100297/2024-RS1
wie RV/7100706/2024-RS2
Das Bundesfinanzgericht hegt keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des EKBSG, die zu einem Aufhebungsantrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG Anlass geben würden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH, Parkring 2, 1010 Wien über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Festsetzung Energiekrisenbeitrag-Strom für den Zeitraum Dezember 2022 bis Juni 2023 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist insbesondere die Recht- und Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG), BGBl I Nr. 220/2022 idF BGBl I Nr. 64/2023.

Die beschwerdeführende Partei unterliegt aufgrund der von ihr durchgeführten Tätigkeit dem EKBSG. Der Energiekrisenbeitrag-Strom (EKB-S) wurde durch die beschwerdeführende Partei selbstberechnet und abgeführt. Mit Antrag vom wird die Festsetzung des EKB-S mit € 0,00 begehrt. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde abgewiesen.

Die Beschwerde macht im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit des EKBSG geltend.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge die Bf.) ist im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insb. der Windenergie, tätig.

Die Bf. berechnete den EKB-S für die Monate Dezember 2022 bis Mai 2023 mit € 0,00 und für Juni 2023 mit € 9.813,09 selbst.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

1. Die Bf. ortet die Verfassungswidrigkeit des EKBSG mit Verweis auf die folgenden Argumente.

2.1. Einerseits sei der Gleichheitssatz des Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 2 StGG verletzt. Der EKB-S sei kein sachgerechtes Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, Verbraucher vor zu hohen Strompreisen zu schützen. Es gebe aber keine direkte Lieferkette zwischen Stromerzeugern und Endverbrauchern. Das Ziel einer Preissenkung bei Endverbrauchern könne daher nicht durch die Erlösabschöpfung bei den Stromerzeugern erreicht werden. Die Erlösabschöpfung habe keinen Einfluss auf den Preis. Es wurde daher vom Gesetzgeber eine Maßnahme gewählt, die für die Zielerreichung ein gänzlich ungeeignetes Mittel darstellt, weshalb eine Verletzung des Gleichheitssatzes vorliege.

2.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Aus den Erwägungsgründen der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise (in der Folge EU-Notfallmaßnahmen-VO) ergibt sich, warum die Markerlöse von Erzeugern mit niedrigen Grenzkosten, so wie die Bf., vorübergehend beschränkt werden. So wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchwegs hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen (vgl. ErwGr 24 der EU-Notfallmaßnahmen-VO). Es ist nicht ersichtlich, dass die befristete Regelung untauglich gewesen wäre, diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Da durch die Notfallmaßnahmen gerade die Auswirkungen der hohen Energiepreise abgemildert werden sollten (ErwGr 72), kann mit der Begründung, der EKB-S habe nicht zu einer Senkung der Strompreise geführt, die Sachlichkeit der Regelungen des EKBSG nicht in Zweifel gezogen werden.

3.1. Zudem argumentiert die Bf., den unterschiedlich hohen Investitions- und Betriebskosten bei der Stromerzeugung würde durch die Abschöpfung des Erlöses keine Rechnung getragen. Dies sei eine unsachliche Gleichbehandlung von Stromerzeugern.

3.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Zum Einen hat die Bf. hierzu nicht substantiiert dargetan, welche unterschiedlich hohen Investitions- und Betriebskosten die Bf. im Vergleich zu anderen Stromerzeugern benachteiligen. Zum Anderen sieht § 3 Abs. 3 EKBSG die Möglichkeit zur Anpassung der Obergrenze für Markterlöse vor, wenn notwendige Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse liegen. Dass dies für die Bf. zutreffend sein sollte, wurde weder behauptet, noch ergibt sich dies aus der Selbstberechnung des EKB-S. Die Unsachlichkeit ist für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich.

4.1. Generell führt die Bf. aus, die EU-Notfallmaßnahmen-VO sei nicht mehr anwendbar, weil diese nur bis zum in Geltung stand.

4.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Einschlägig für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist der Zeitraum bis inklusive Juni 2023. Die EU-Notfallmaßnahmen-VO ist daher für den vorliegenden Zeitraum einschlägig und anwendbar.

5.1. Die Bf. argumentiert weiters, es liege eine Ungleichbehandlung zu Stromerzeugern fossiler Energieträger vor. Das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG), BGBl. I Nr. 220/220 sehe nämlich eine Anknüpfung an den Gewinn und nicht den Erlös vor. Unternehmen im Bereich der fossilen Wirtschaft würden wesentlich geringer belastet, als jene Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energie. Diese augenscheinliche Ungleichbehandlung der Unternehmen im Energiesektor könne insbesondere schon vor den Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit sowie des Klimaschutzes sachlich nicht gerechtfertigt sein und stelle somit ebenfalls eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar.

5.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Sowohl das EKBSG als auch das EKBFG basieren auf der EU-Notfallmaßnahmen-VO. Die EU-Notfallmaßnahmen-VO normiert auch die Differenzierung, ob an die Erlöse oder Gewinne angeknüpft wird. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrecht kann schon alleine deswegen keine Verfassungswidrigkeit in der Differenzierung erblickt werden. Die sachliche Begründung für die Differenzierung in der EU-Notfallmaßnahmen-VO ist auch aus den Erwägungsgründen der Verordnung ersichtlich (vgl. ErwGr 45 der EU-Notfallmaßnahmen-VO).

6.1. Zusätzlich argumentiert die Bf., es liege die Verletzung des Grundrechts auf Eigentum vor. Die vom Gesetzgeber gewählte Maßnahme der Abschöpfung bei den Energieerzeugern sei nicht dazu geeignet, die Verbraucher vor überhöhten Strompreisen zu schützen. Die Maßnahme sei daher weder geeignet noch verhältnismäßig.

6.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Einerseits kann nochmals zu den Überlegungen zur Sachlichkeit hingewiesen werden. Aus den Erwägungsgründen der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise (in der Folge EU-Notfallmaßnahmen-VO) ergibt sich, warum die Markerlöse von Erzeugern mit niedrigen Grenzkosten, so wie die Bf., vorübergehend beschränkt werden. So wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchwegs hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen (vgl. ErwGr 24 der EU-Notfallmaßnahmen-VO). Es ist nicht ersichtlich, dass die befristete Regelung untauglich gewesen wäre, diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Da durch die Notfallmaßnahmen gerade die Auswirkungen der hohen Energiepreise abgemildert werden sollten (ErwGr 72), kann mit der Begründung, der EKB-S habe nicht zu einer Senkung der Strompreise geführt, die Sachlichkeit der Regelungen des EKBSG nicht in Zweifel gezogen werden.

6.3. Andererseits ist das EKBSG im Lichte der unionsrechtlichen Grundlage in Form der EU-Notfallmaßnahmen-VO im Allgemeininteresse gelegen. Dass der EKB-S unverhältnismäßig ist und die Vermögensverhältnisse der Bf., also ihren Stamm, beeinträchtigt hätte, legt die Bf. nicht konkret dar und kann angesichts des Umstandes, dass durch den EKB-S außergewöhnliche, die Stromgestehungskosten bei weitem übersteigende Markterlöse aus dem Stromverkauf abgeschöpft wurden, auch nicht nachvollzogen werden. Die Regelung des § 3 Abs. 3 EKBSG berücksichtigt zudem jene Fälle, in denen die direkten Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der im EKBSG normierten Obergrenze für Markterlöse lagen. Der Gesetzgeber hat augenscheinlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Energieerzeugern berücksichtigt.

7.1. In einer weiteren Stellungnahme argumentiert die Bf., der Gesetzgeber habe den unionsrechtlichen Rahmen überschritten, weshalb das Gesetz am Verfassungsrecht zu prüfen sei. Insbesondere sei der Gesetzgeber von der einheitlichen Obergrenze von € 180 je mWh auf € 140/mWh bzw. € 120/mWh (ab Juni 2023) abgewichen. Dies sei zwar nach Art. 8 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO möglich, aber am nationalen Verfassungsrecht zu messen. Ebenso sei die Obergrenze für den EKB-S willkürlich gewählt und es gebe keine Rechtfertigung für die Obergrenze. Die Obergrenze von € 180 zeige, dass Erträge unterhalb dieser Grenze keinen Übergewinn darstellen und ein Abschöpfen daher unsachlich wäre. Weiters argumentiert die Bf., Investitionen seien im Lichte des § 4 EKBSG nur für den Zeitraum nach dem und vor dem beim Absetzbetrag für begünstige Investitionen zu berücksichtigen. Dies gehe an der Realität vorbei, weil der Großteil der Investitionen vor Inbetriebnahme der Anlage anfalle.

7.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO sieht eine Begrenzung der Markterlöse für betroffene Stromerzeuger von höchsten € 180 je MWh erzeugter Elektrizität vor. Art. 7 Abs. 5 EU-Notfallmaßnahmen-VO erlaubt es den Mitgliedstaaten, die Obergrenze für Markterlöse auf 90% der Obergrenze der Markterlöse gemäß Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO zu beschränken. Diese Option wurde von Österreich ausgeübt (vgl. EB EKSBG, 3024/A XXVII. GP - Initiativantrag, S. 8).

7.3. Die von Österreich gewählte Obergrenze von € 140 bzw. € 120 je MWh erzeugter Elektrizität liegt aber weiterhin unter der durch Art 7. Abs. 5 iVm Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO beschränkten Grenze von rechnerisch € 162 (€ 180*90%) je MWh. Die Umsätze der betroffenen Erzeuger werden damit weitgehender beschränkt, als die unionsrechtliche Grundlage dies vorsieht. Hierzu normiert Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-Notfallmaßnahmen-VO, dass Mitgliedstaaten optional Maßnahmen einführen können, durch die die Markterlöse der Erzeuger weiter begrenzt werden. Die Ausübung dieser Option hat unter den Art. 8 Abs. 2 EU-Notfallmaßnahmen-VO dargelegten Kriterien zu erfolgen.

7.4. Für den vorliegenden Fall stellt sich lediglich die Frage, ob die gewählte Obergrenze von € 120 je MWh unionsrechtlich gedeckt ist, weil die Bf. lediglich für den Juni 2023 eine Selbsterklärung für den EKB-S abgegeben hat.

7.5. Die Kriterien des Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-Notfallmaßnahmen-VO sind für die Herabsetzung auf € 120/MWh ab Juni 2023 nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts erfüllt: Weder verzerrt die Maßnahme das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. d EU-Notfallmaßnahmen-VO), noch ist die Herabsetzung mit dem Unionsrecht unvereinbar (vgl. Art 8 Abs. 2 Buchst. e EU-Notfallmaßnahmen-VO). Ebenso sind Investitionssignale nicht gefährdet (vg. Art. 8 Abs. 2 Buchst. b EU-Notfallmaßnahmen-VO): Flankierend zur Herabsetzung der Grenze sieht § 4 EKBSG nämlich einen Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz vor, der gerade eben die Investitionen der Beitragsschuldner in erneuerbare Energien und Energieeffizienz unterstützten soll (vgl. EB EKBSG, 3024/A XXVII. GP - Initiativantrag, S. 8). Weiters wird sichergestellt, dass Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. c EU-Notfallmaßnahmen-VO): § 3 Abs. 3 EKBSG normiert die Möglichkeit zur Anpassung der Obergrenze, wenn notwendige Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse liegen. Schließlich ist die Herabsetzung der Obergrenze auch verhältnismäßig und diskriminierungsfrei (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. a EU-Notfallmaßnahmen-VO): Die Inflation der Republik Österreich lag deutlich über dem Durchschnitt der anderen Mitgliedstaaten (vgl. Thomas/Böttcher, Inflation im Jahr 2023 (2024), abzurufen unter: https://www.statistik.at/fileadmin/pages/214/PK_17.01.24_Praesentation.pdf). Eine Herabsetzung der Grenze im Lichte dieses Umstandes ist daher als verhältnismäßig einzustufen. Da die Herabsetzung für alle dem EKBSG unterliegenden Abgabepflichtigen gilt, ist auch keine Diskriminierung ersichtlich.

7.6. Nichts Anderes würde sich für die Herabsetzung auf € 140 je mWh ergeben. Dies ist aber für den vorliegenden Fall irrelevant, weil für die Zeiträume 12/2022 bis inklusive 05/2023 ohnehin kein EKB-S erklärt wurde.

7.7. Die entsprechenden Argumente der Bf. (vgl. Eingabe vom ), wonach die Kriterien des Art. 8 Abs. 2 EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht erfüllt seien, teilt das Bundesfinanzgericht nicht: Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass um € 40 bzw. € 60 weniger Erlöse zur Verfügung stehen, als von der unionsrechtlichen Vorgabe vorgesehen. Die EU-Notfallmaßnahmen-VO erlaubt ebendiese Maßnahme gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-Notfallmaßnahmen-VO. Die Investitionssignale, die im Umfeld der Höchstpreise getroffen wurden, sind auch nicht gefährdet (im Details sogleich unter 7.8.). Eine Verzerrung der Stromgroßhandelsmärkte ist dem Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich. Weiteres substantielles Vorbringen hierzu wurde nicht erstattet. Eine Verletzung des Unionsrecht durch Abweichung von der EU-Notfallmaßnahmen-VO liegt ebenso nicht vor, weil diese Abweichung - wie ausgeführt - im Lichte des Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-Notfallmaßnahmen-VO gerechtfertigt ist.

7.8. Die Bf. argumentiert jedoch, Investitionen seien vor dem Zeitraum angefallen, der für den Absetzbetrag gemäß § 4 EKBSG maßgeblich ist. Dies mag zwar zutreffen, ist aber schlussendlich nicht überzeugend. Die Investitionen zum damaligen Zeitpunkt wurden im einem Marktpreisumfeld getroffen, das weit unterhalb der Obergrenze für Markterlöse iSd EKBSG bzw. der EU-Notfallmaßnahmen-VO liegt (vgl. hierzu die historischen Marktpreise abzurufen unter https://www.e-control.at/industrie/oeko-energie/oekostrommarkt/marktpreise-gem-paragraph-20; unionsrechtlich siehe auch ErwGr 24 der EU-Notfallmaßnahmen-VO). So zeigt sich, dass Investitionen im ersten Quartal 2021 bei Marktpreisen von knapp unter € 50 je mWh getroffen wurden. Daraus zu schließen, die Obergrenze für Markterlöse von € 140 bzw. € 120 je mWh behindere Investitionssignale, ist nicht überzeugend. Abseits dessen wurde nicht dargelegt, wie der EKB-S iHv knapp € 10.000 die Investitionssignale der Bf. beeinträchtigt hat.

7.9. Schließlich ergibt sich für das Bundesfinanzgericht auch keine Verfassungswidrigkeit des EKBSG, wenn man tatsächlich davon ausgehen würde, dass die weitere Beschränkung der Markterlöse nicht mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Geht man - hypothetisch - davon aus, dass die Kriterien des Art. 8 Abs. 2 EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht erfüllt sind, bedingt das nicht die komplette Verfassungswidrigkeit des EKBSG, sondern würde lediglich dazu führen, die in der EU-Notfallmaßnahmen-VO normierte Grenze für Markterlöse von € 180 je mWh anzusetzen, was im Ergebnis eine Abänderung des Bescheides zur Folge hätte.

8.1. Weiters argumentiert die Bf., der nationale Gesetzgeber habe die Verteilung der Überschusserlöse nicht geregelt. Zwar gebe es einen Stromkostenzuschuss, dieser sei aber vor dem EKBSG beschlossen worden. Der Stromkostenzuschuss könne daher nicht im Zusammenhang mit dem EKBSG stehen. Zusätzlich sei der EKB-S nicht zweckgebunden und es gebe keinerlei Verpflichtung den EKB-S zur Entlastung von Stromkunden zu verwenden. Ebenso sei der Stromkostenzuschuss unabhängig vom Aufkommen des EKB-S und könne jederzeit abgeschaffen werden, egal, ob der EKB-S erhoben werde oder nicht. Der Stromkostenzuschuss sei zudem ein Anreiz bis zu 2.900 kWh pro Haushalt zu verbrauchen anstatt den Verbrauch zu senken. Zusammengefasst erfülle der EKB-S die Voraussetzung der EU-Notfallmaßnahmen-VO, insb. des Art. 3, 4 und Art. 10 EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht.

8.2. Hierzu ergibt sich: Eine verpflichtende Zweckbindung des EKB-S ergibt sich aus der EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht. Für den vorliegenden Zeitraum ist das Argument der Bf., der Stromkostenzuschuss könne abgeschafft werden, ein rein hypothetisches Vorbringen, weil der Stromkostenzuschuss iSd Stromkostenzuschussgesetzes jedenfalls in Geltung steht. Diese Maßnahme steht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts auch im Zusammenhang mit dem EKB-S. Das Bundesfinanzgericht ist daher der Ansicht, dass notwendige Maßnahmen getroffen wurden, um sicher zu stellen, dass die Überschusserlöse iSd EKBSG zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern.

8.3. Dass der Stromkostenzuschuss bereits zeitlich vor dem EKBSG im Rechtsbestand war, ist in Hinblick darauf, dass die unionsrechtliche Grundlage in Form der EU-Notfallmaßnahmen-VO bereits am im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist, unmaßgeblich.

8.4. Sofern darauf verwiesen wird, das EKBSG erfülle die Art. 3 und 4 EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht, sind diese Regelungen ohnehin unmittelbar anwendbar. Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es hierzu nicht.

9.1. Die Bf. argumentiert zur Verfassungswidrigkeit weiter, die EU-Notfallmaßnahmen-VO gebe einen Sozialzweck vor, nämlich Verbraucher zu entlasten. Der EKB-S sei nicht geeignet, Stromendkunden zu entlasten.

9.2. Hierzu ergibt sich: Aus der EU-Notfallmaßnahmen-VO ergibt sich lediglich, dass die Überschusserlöse auf bestimmte Weise verteilt werden müssen (vgl. Art. 10 EU-Notfallmaßnahmen-VO). Die von Österreich entsprechend getroffenen Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit dem EKBSG (vgl. Punkt 8.2. oben). Dem Zweck der EU-Notfallmaßnahmen-VO wird damit Rechnung getragen.

10.1. Zudem argumentiert die Bf. es liege ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip und das Leistungsfähigkeitsprinzips vor, weil entgegen des EKB-f auf die Erträge und nicht Gewinne abgestellt werde und damit nicht auf unterschiedliche Kosten Betracht genommen werden könne. Eine Rechtfertigung liege nicht vor, weil der EKB-S der unionsrechtlichen Zielsetzung nicht entspreche.

10.2. Hierzu ergibt sich: Das Abstellen auf Erträge anstelle von Gewinnen ergibt sich eindeutig aus der unionsrechtlich, unmittelbar anwendbaren Rechtsgrundlage, nämlich Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO. Da unmittelbar anwendbares Unionsrecht Anwendungsvorrang genießt, ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts auch kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, wenn das EKBSG an Erträge bzw. Markterlöse anstelle von Gewinnen anknüpft. Schließlich ist das unionsrechtlich determinierte Abstellen auf die Erträge auch sachlich gerechtfertigt: Die betroffenen Stromerzeuger wie die Bf. profitierten von extremen, durch eine Krisensituation hervorgerufenen Preisanstiegen, ohne dass diesen Mehrerlösen höhere Grenzkosten gegenüberstanden wären. Das wird auch in ErwGr 45 der EU-Notfallmaßnahmen-VO deutlich zum Ausdruck gebracht: "Die Geschäfts- und Handelspraktiken und der Rechtsrahmen im Stromsektor unterscheiden sich deutlich vom Sektor für fossile Brennstoffe. Da mit der Obergrenze für Markterlöse das Marktergebnis nachgebildet werden soll, das die Erzeuger hätten erwarten können, wenn die globalen Lieferketten seit Februar 2022 normal und ohne Störungen bei den Gaslieferungen funktionieren würden, muss die Maßnahme für Stromerzeuger auf die Erlöse aus der Stromerzeugung angewandt werden. Umgekehrt muss der befristete Solidaritätsbeitrag, da er auf die Rentabilität von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen und Betriebsstätten der Union abzielt, die im Vergleich zu den Vorjahren erheblich zugenommen hat, auf deren Gewinne angewandt werden."

10.3. Die Differenzierung zu im Vergleich zum EKBFG ergibt sie - wie bereits angemerkt - ebenso aus der EU-Notfallmaßnahmen-VO.

11.1. Die Bf. verweist zudem darauf, dass eine Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und Fernwärmeversorgern vorliege, weil letztere trotz gleichgelagerter Sachverhalte nicht einer Abschöpfung unterlägen.

11.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Dass bei den Fernwärmeversorgern auf Grund der Preissteigerungen (außergewöhnliche) Übergewinne entstanden wären, hat die Bf. unbelegt in den Raum gestellt. Außerdem waren die Preissteigerungen bei den Fernwärmeversorgern auf den starken Anstieg der Gaspreise zurückzuführen, da Fernwärmeversorger Gas, das sie zur Herstellung der Fernwärme einsetzten, teurer einkaufen mussten. Anhand des Vorbringens der Bf. kann daher nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber Stromhändler und Fernwärmeversorger gegenüber Stromerzeugern privilegiert hätte.

12.1. Weiters argumentiert die Bf., es liege eine Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und Stromhändlern vor. Händler hätten keine Steuer auf die Zufallsgewinne zu leisten, profitierten aber ebenso von den gestiegenen Stormpreise. Es seien gerade die Händler, die den Strom an die Endverbraucher verkaufen. Für die Ungleichbehandlung gebe es keine Rechtfertigung.

12.2. Hierzu ergibt sich: Dass die Stromhändler durch die krisenbedingten Preissteigerungen außergewöhnliche Markterlöse oder Übergewinne erzielt hätten, macht die Bf. mit der bloßen Behauptung, diese würden ebenso von gestiegenen Strompreisen profitieren, nicht deutlich. Da Stromhändler an der Marge zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis verdienen, damit wohl nicht nur zu gestiegenen Preisen verkauft haben, sondern auch zu gestiegenen Preisen einkaufen mussten, tritt ein von der Bf. vermuteter (außergewöhnlicher) Profit der Stromhändler auch nicht offensichtlich zu Tage.

13.1. Die Bf. verweist zudem darauf, dass eine Ungleichbehandlung von Stromerzeugern untereinander vorliege. Entgegen der EU-Notfallmaßnahmen-VO habe der Gesetzgeber nämlich die Stromerzeugung von Steinkohle dem EKB-S unterworfen und lediglich Pumpspeicherkraftwerke davon ausgenommen. Die Erzeugung von Strom durch Windkraftbetreiber sei mit ungleich höheren Investitionskosten verbunden verglichen mit einem Betreiber eines bereits seit Jahrzehnten betriebenen und abgeschriebenen Braunkohlekraftwerks. Da eine Gleichbehandlung von unterschiedlichen Sachverhalten vorliege, sei dies verfassungswidrig.

13.2. Hierzu ergibt sich: Das von der Bf. gezogene Vergleichspaar ist rein hypothetisch, weil - bezogen auf den Streitzeitraum - in Österreich kein Kohlekraftwerk mehr in Betrieb steht (bis August 2019: Kraftwerk Dürnrohr 2 [bspw. https://noe.orf.at/stories/3007102/]; bis Ende März 2020: Kraftwerk Mellach [https://steiermark.orf.at/stories/3191002/]; zusammengefasst E-Control Betriebs- und Bestandsstatistik, abrufbar unter https://www.e-control.at/documents/1785851/1811756/BeStGes-2022_KW2EPLTyp.xlsx). Dass das EKBSG sowohl die Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom aus Braun- und Steinkohle erfasst, ist in Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. c EU-Notfallmaßnahmen-VO gerechtfertigt (vgl. EB 3024/A XXVII. GP, S 6). Dass die Kriterien nach Art. 8 Abs. 2 EU-Notfallmaßnahmen-VO nicht erfüllt wären, wird weder vorgebracht, noch ergibt sich dies für das Bundesfinanzgericht.

13.3. Andererseits ergibt sich für das Bundesfinanzgericht nicht, dass Pumpspeicherkraftwerke überhaupt von Art. 7 EU-Notfallmaßnahmen-VO erfasst wären.

14.1. Abschließend macht die Bf. einen Verstoß gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot geltend. Die Zielsetzung des EKB-S bestehe in der Reduzierung der Strompreise beim Endverbraucher. Dies könne durch den EKB-S nicht erreicht werden und sei zur Zielerreichung völlig ungeeignet.

14.2. Hierzu ergibt sich für das Bundesfinanzgericht: Aus den Erwägungsgründen der EU-Notfallmaßnahmen-VO ergibt sich, warum die Markerlöse von Erzeugern mit niedrigen Grenzkosten, so wie die Bf., vorübergehend beschränkt werden. So wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchwegs hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen (vgl. ErwGr 24 der EU-Notfallmaßnahmen-VO). Es ist nicht ersichtlich, dass die befristete Regelung untauglich gewesen wäre, diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Da durch die Notfallmaßnahmen gerade die Auswirkungen der hohen Energiepreise abgemildert werden sollten (ErwGr 72), kann mit der Begründung, der EKB-S habe nicht zu einer Senkung der Strompreise geführt, die Sachlichkeit der Regelungen des EKBSG nicht in Zweifel gezogen werden.

15. Aus den dargelegten Gründen besteht kein Anlass, gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG einen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

16. Auf Grundlage der dem Rechtsbestand angehörenden und auch vom Bundesfinanzgericht anzuwendenden Bestimmungen des EKBSG ist daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Rechtsprechung des VwGH zum EKBSG fehlt, ist die Revision zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
EKBFG, Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 4 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
Art. 89 Abs. 2 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 3 Abs. 3 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100297.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at