Keine Hauptwohnsitzbefreiung, wenn über 1/3 der Wohnung vermietet wurde
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Im Zuge des Verkaufes einer Wohnung im Jahr 2022 wurde bei der Berechnung der Immobilienertragsteuer durch den Parteienvertreter die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 in Anspruch genommen.
2. Mit Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2022 am und der gesondert am ausgefertigten Begründung versagte das Finanzamt die Gewährung der Hauptwohnsitzbefreiung und setzte die Steuer für Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung mit 21.316,01 Euro fest.
3. Gegen diesen Bescheid wurde mit am eingebrachtem Schriftsatz, nach einem Fristverlängerungsantrag, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
Die gesamte Wohnung Top 4 sei ab dem Zeitpunkt des Ablebens des Vaters der Bf am zuerst gemeinsam genutzt worden vom Onkel und der Großmutter der Beschwerdeführerin und ab dem vom Onkel zusammen mit der Bf selbst.
Eine gemeinsame Nutzung sei nur möglich gewesen, weil es sich sowohl beim Onkel, als auch ab dem bei der Cousine der Bf, um sehr nahestehende Familienmitglieder der Bf gehandelt habe.
Ab dem habe die Bf bis zur Veräußerung im Juli 2022 die gesamte Wohnung Top 4 in ihrem gesamten Umfang für ihre eigenen Wohnzwecke verwendet.
Eine Aufteilung in eine Hauptwohnung und eine Einliegerwohnung habe in der Natur nicht stattgefunden. Die Wohnung sei von der Bf und deren Onkel gemeinsam als Hauptwohnsitz genutzt worden.
Mit den von der Bf angeführten zwei Räumen (Einliegerwohnung) allein wäre ein Bewohnen der Wohnung Top 4 nicht möglich gewesen, weil sich in diesen beiden Räumen weder eine Küche, noch eine Waschmaschine befunden habe. Es befanden sich in der Wohngemeinschaft seit dem , so wie bei Wohngemeinschaften üblich, lediglich getrennte Schlafzimmer.
Die Bf habe die gesamte Wohnung zusammen mit dem Onkel und nach dem Auszug des Onkels mit ihrer Cousine bewohnt. Sie habe daher innerhalb der letzten 10 Jahren vor der Veräußerung diese Wohnung im Ausmaß von mindestens 2/3 der Wohnfläche insgesamt 7,5 Jahre durchgehend für sich als Hauptwohnsitz genutzt.
Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG seien für den gesamten Zeitraum der Nutzung dieser Wohnung durch die Bf vom bis Juli 2022 gegeben, was zu einer Steuerfreiheit des Veräußerungsvorganges führe.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt:
"Fraglich scheint nur, ob mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche eigenen Wohnzwecken dienten. Dazu wird festgehalten, dass aus Sicht der Nutzflächenbetrachtung die Voraussetzungen für eine private Nutzung von mindestens zwei Drittel der Wohnnutzfläche nicht erfüllt werden, wie die im Antwortschreiben vom dargelegte Berechnung zeigt. Darin wurde von der steuerlichen Vertretung der Bf angeführt, dass in Hinblick auf die Ermittlung der Betriebskosten (Aufstellung Kostenanteile für die Wohnung Top 4 zwischen der Bf und Ihrem Onkel) 28,57% auf die Bf und 71,43% auf den Onkel der Bf entfallen. Des Weiteren führt die Bf selbst mit Mail vom an: "Der Umbau der Wohnung in eine Hauptwohnung mit 92m2 (= Top 4) sowie eine Einliegerwohnung mit 36m2 (= Top 4a bzw. in Ihrem Fall Top 3) erfolgte bereits einige Jahre früher als meine Eltern... und meine Großeltern... darin lebten".
Stützt sich der steuerliche Vertreter auf die Behauptung die Angaben seiner Mandantin im Mail seien klarerweise unvollständig gewesen, aufgrund von fehlendem Fachwissen, kann entgegnet werden, dass es keines (steuerlichen)Fachwissens bedarf, um beurteilen zu können, wie sich die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse einer Wohnung darstellen. Wird eine Wohnung vermietet, wird ein Vermieter sehr wohl beurteilen können, ob sich die Wohnung aus mehrere Wohneinheiten zusammensetzt und die Größe der Wohneinheiten darlegen.
Den Nutzungsverhältnissen entsprechend verteilen sich auch die anfallenden (Betriebs)Kosten. Entgegen dem Einwand der steuerlichen Vertretung, spielt es für die Beurteilung keine Rolle, dass zum Zeitpunkt des Einzuges der Bf nur ein Bad bzw. eine Küche zur gemeinsamen Nutzung vorgelegen habe und somit eine Vermietung nur zwischen Familienangehörigen möglich gewesen sei. Denn wie bereits eingangs erwähnt, sind Gebäudeteile, die gemeinschaftlichen Zwecken dienen (z.B. Stiegenhaus, Gang, Heizraum) aus der Verhältnisrechnung auszuscheiden. Wurden demnach z.B. das Bad oder die Küche gemeinsam genutzt und würde man diese Räume aus der Berechnung ausschließen, würde die Bf dennoch die vom Gesetz geforderte zwei Drittel Grenze nicht erreichen.
Aus dem Parifizierungsgutachten vom ergibt sich, dass die in der Beschwerdeschrift gelb markierten Flächen (Zimmer die ausschließlich von der Bf bewohnt wurden) eine Nutzfläche von insgesamt 30.85 m2 ausweisen. Dahingegen hatten die Räume des Onkels eine Nutzfläche von 49,30 m2. Sohin ergibt sich eine Gesamtnutzfläche von 80,15 m2. Wird diese im Verhältnis der für die beiden Nutzungsarten (Wohnzwecke und sonstige Zwecke) verwendeten Flächen aufgeteilt, kommt man zu dem Ergebnis, dass nur ca. ein Drittel (38,50%) der Wohnung von der Bf (Wohnungsplan gelb markierte Flächen) privat genutzt wurde. Der restliche Teil (mehr als 33,33%) diente jedenfalls dem Zweck der entgeltlichen Vermietung. Auch die in der Beschwerdeschrift getätigte Aussage, neben der Küche und dem Bad sei auch das Wohnzimmer gemeinsam genutzt worden, scheint wenig erfolgsversprechend. Im Gegensatz zu Küche, Bad, Gang etc. ist eine zwingende gemeinsame Nutzung nicht vorgesehen. Daneben kommt es auch nicht auf die persönliche Verwendung der Räume durch die Bf an, sondern auf die objektive Eignung. Die von der Bf bewohnten Zimmer waren sehr wohl geeignet, diese auch als Wohnzimmer zu nutzen und nicht nur, wie in der Beschwerde angeführt, als Ankleide- und Schlafzimmer. Auch die Aufstellung der Hausverwaltung betreffend die Kostenteile für das Jahr 2014 ergibt, dass nur 28,57% der Betriebskosten auf die Bf fallen. Auch dies bestätigt die Ansicht der Finanzverwaltung, dass der Bf weniger als zwei Drittel der Gesamtnutzfläche privaten Wohnzwecken dienten, solange sie den kleineren Teil der Wohnung bewohnte.
Aus den vorliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass die Bf von Ihrem Einzug (Jänner 2014) bis zu dem Auszug Ihres Onkels (Oktober 2017) den kleineren Teil der Räumlichkeiten (=28,57%) bewohnt hat. Erst danach hat Sie die größeren Räumlichkeiten (=71,43%) bezogen. Der Einzug erfolgte also frühestens mit Oktober 2017 und der Auszug mit dem Verkauf im Juli 2022. Dies entspricht einem Zeitraum von 4 Jahren und 10 Monaten. Wie bereits eingangs erwähnt muss für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung die Wohnung für mindestens 5 Jahre innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Veräußerung zu mindestens 2/3 als Hauptwohnsitz genutzt worden sein."
5. Mit Schriftsatz vom wurde ohne neues Vorbringen die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.
6. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung unter Verweis auf Begründung der Beschwerdevorentscheidung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Aufgrund der Beweiswürdigung festgestellter Sachverhalt
Die Bf war seit dem Einantwortungsbeschluss vom bis zum Verkauf um 380.000 Euro mit Vertrag vom , mit 540/4136 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ***3***. Mit diesen Anteilen untrennbar verbunden ist das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 4. Die Wohnung verfügt über einen (Haupt-)Eingang und weist eine Nutzfläche von insgesamt 128,55 m² aus. Zum Zeitpunkt der Veräußerung bestand sie aus 5 Zimmern, 2 Bädern mit WC und 2 Küchen.
Dem Melderegisterauszug zufolge hatte die Bf von bis ihren Hauptwohnsitz in der streitgegenständlichen Wohnung. Gemäß Punkt 10 des Kaufvertrags vom versichert die Bf als Verkäuferin, dass sie die kaufgegenständliche Wohnung von Jänner 2014 bis Mai 2022 als Hauptwohnsitz genutzt habe und der Hauptwohnsitz im Zuge der Veräußerung aufgegeben werde.
Ab bis zur Veräußerung wurde ein Teil der Wohnung von der Bf vermietet, der andere Teil wurde von der Bf selbst zu Wohnzwecken genutzt.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden in allen Jahren erklärt.
Der Onkel der Bf bewohnte die Wohnung von bis .
In diesem Zeitraum diente über ein Drittel der Gesamtnutzfläche der Erzielung von Vermietungseinkünften.
Dies ergibt sich einerseits aus dem Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom auf ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes in Zusammenhang mit der Ermittlung der Vermietungseinkünfte. In diesem wurde mitgeteilt, dass das Top 4 mit einem Größenanteil von 71,43% an den Onkel vermietet sei und der Anteil der Bf 28,57% betrage. Dazu wurde auf die Kostenaufstellung der Hausverwaltung verwiesen. Die Bf bewohne den Wohnungsteil, welcher zuvor von der inzwischen verstorbenen Großmutter genutzt worden sei.
Die Bf selbst teilte mit E-Mail vom dem Finanzamt mit, dass der Umbau der Wohnung in eine Hauptwohnung (92m²) sowie eine Einliegerwohnung (36m²) bereits vor dem Jahr 2006 erfolgt sei. Nach der Einantwortung in die Erbschaft blieb die Hauptwohnung zwei Jahre leer, während in der Einliegerwohnung weiter die Großeltern der Bf bis zu deren Ableben wohnten.
2008 zog der Onkel in die Hauptwohnung. 2014 zog sie selbst in die Einliegerwohnung.
2017 zog der Onkel aus und die Bf wechselte in die Hauptwohnung.
Die Cousine der Bf war von bis mit Hauptwohnsitz an der betreffenden Adresse gemeldet, sie bewohnte die Einliegerwohnung.
Der Einzug der Bf in den größeren Teil der Räumlichkeiten erfolgte frühestens nach dem Auszug des Onkels im Oktober 2017 und der Auszug spätestens mit dem Verkauf im Juli 2022. Dies entspricht einem Zeitraum vom 4 Jahren und 10 Monaten.
Der Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten, insbesondere dem E-Mail der Bf vom und dem Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom .
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 sind die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
Zur Begriffsbestimmung des Eigenheims bzw der Eigentumswohnung knüpft das Gesetz an die Definition in § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 an.
Nach der Bestimmung des § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 muss sowohl das Eigenheim als auch die Eigentumswohnung mindestens zu zwei Dritteln der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen. Für sonstige Zwecke, wie etwa für betriebliche Zwecke oder für Zwecke der Einkünfteerzielung (zB als häusliches Arbeitszimmer im Rahmen der nichtselbständigen Einkünfte oder für Vermietung) darf somit höchstes ein Drittel der Gesamtnutzfläche genutzt werden ().
Bei der Hauptwohnsitzbefreiung wird die unentgeltliche Nutzung durch nahe Angehörige als unschädlich angesehen, sofern diese unentgeltlich erfolgt (Doralt, EStG, 23. Lieferung, zu § 30, Rz 140).
Die Eigenschaft eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung muss während der gesamten Frist (durchgehend 5 Jahre) erfüllt gewesen sein.
Für die Beurteilung, ob der Wohnzwecken dienende Teil der Gesamtnutzfläche in einem bestimmten Kalenderjahr mindestens zwei Drittel erreicht, ist auf die in diesem Zeitraum maßgeblichen Verhältnisse abzustellen ().
Um das zulässige Nutzungsausmaß festzustellen ist die Gesamtnutzfläche im Verhältnis der für die beiden Nutzungsarten (Wohnzwecke und sonstige Zwecke) verwendeten Fläche aufzuteilen.
Die gegenständliche Wohnung ist unstrittig eine Eigentumswohnung nach § 2 Abs 2 WEG 2002 im Eigentum der Bf.
Strittig ist hingegen, ob zumindest zwei Drittel der Gesamtnutzfläche durchgehend 5 Jahre Wohnzwecken dienten bzw. über ein Drittel der Einkünfteerzielung diente.
Im Zusammenhang mit Begünstigungsbestimmungen - wie hier der Hauptwohnsitzbefreiung - tritt nach der Judikatur des VwGH der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund (; , 99/13/0070; , 2003/13/0117). Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Die Bf konnte die Voraussetzungen für das Vorliegen der Hauptwohnsitzbefreiung nicht zweifelsfrei darlegen.
Aus dem E-Mail der Bf vom und dem Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom ergibt sich einerseits, dass die Bf den größeren Teil der Räumlichkeiten weniger als 5 Jahre als Hauptwohnsitz nutzte und andererseits, dass vor Oktober 2017 mehr als ein Drittel der Erzielung von Vermietungseinkünften diente.
Es kann nicht als erwiesen angenommen werden, dass mindestens zwei Drittel der Wohnung durchgehend 5 Jahre der Bf als Hauptwohnsitz gedient hätten.
Die Hauptwohnsitzbefreiung steht daher nicht zu und die Beschwerde ist spruchgemäß abzuweisen.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, daher ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in | Ehgartner/Knechtl in SWK 23-24/2024, 1033 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100241.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at