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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2024, RV/7200072/2022

Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union im Rahmen eines gemeinsamen Versandverfahrens

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Erfolgt die Verbringung von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union im Rahmen eines gemeinsamen Versandverfahrens besteht gem. Art. 141 Abs. 1 UZK keine Gestellungspflicht gem. Art. 139 Abs. 1 UZK.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. ***1***, betreffend Eingangsabgaben und Verzugszinsen zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zl. ***1***, setzte das Zollamt Österreich der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der ***Bf.***, Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt € 416.000,00 fest.

Am sei für die Bf. durch Nichterfüllung einer der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union die Eingangsabgabenschuld für das KFZ der Marke ***NN1*** ***Typ1***, Fahrgestell-Nummer ****2****, gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Buchstabe a Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entstanden.

Als Folge der Entstehung dieser Eingangsabgabenschuld seien gem. Art. 114 Abs. 2 UZK weiters Verzugszinsen in der Höhe von € 36.585,21 zu entrichten.

Gegen diesen Sammelbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***3***, als unbegründet ab.

Die Bf. brachte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag ein.

Mit Schreiben vom zog die rechtsfreundlich vertretene Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 274. Abs. 1 BAO zurück und erstattete gleichzeitig ein ergänzendes Vorbringen hinsichtlich des Sachverhaltes.

Das Bundesfinanzgericht brachte dem Zollamt dieses Schreiben im Rahmen eines Vorhaltes zur Kenntnis.

Das Zollamt gab daraufhin mit Schreiben vom eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. führt in der Beschwerdeschrift zum Sachverhalt u.a. aus:

"Im Jahr 2018 wurde die **Bf** vom schweizerischen Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs der Marke ***NN1*** **Typ1** damit beauftragt, das in Italien produzierte Fahrzeug zu veräußern. Konkret wurde vereinbart, dass das für den Straßenverkehr zugelassene Fahrzeug vorerst im Eigentum des schweizerischen Auftraggebers bleiben soll und es - sobald die **Bf** einen geeigneten Käufer gefunden hat - im Wege eines Kommissionsgeschäfts an die **Bf** und von dieser im eigenen Namen an den Kunden weiterveräußert wird. In diesem Zusammenhang hat ein Mitarbeiter der **Bf** das Fahrzeug (gemeinsam mit einem zweiten Fahrzeug und einem Ersatzmotor für einen ***NN1*** **Typ1**) in der Schweiz abgeholt, auf einen LKW geladen und im März 2018 zu den Geschäftsräumlichkeiten der **Bf** nach Österreich transportiert, damit das Fahrzeug dort von potenziellen Kunden besichtigt werden kann. Ergänzend ist anzumerken, dass der sich im Fahrzeug befindliche Motor bereits einen höheren Kilometerstand aufweist und wurde aus diesem Grund der angeführte Ersatzmotor mit einem wesentlich niedrigeren Kilometerstand nach Österreich transportiert, um bei den Verkaufsverhandlungen eventuell einen besseren Preis erzielen zu können (zB möglicher zusätzlicher Verkauf des Ersatzmotors an einen potentiellen Käufer).

Entsprechend der bisherigen Handhabung bei bereits erfolgten Drittlandssachverhalten hat Herr ***Gf.*** auch in diesem Fall die Spedition ***4*** darüber informiert, dass der gegenständliche ***NN1***, ein Ersatzmotor für diesen ***NN1*** sowie ein anderes (nicht für den Straßenverkehr zugelassenes) Fahrzeug gemeinsam auf einen LKW geladen und anschließend von der Schweiz nach Österreich transportiert werden sollen. Herr ***Gf.*** hat sich somit vorab bei der Spedition ***4*** hinsichtlich der erforderlichen zollrechtlichen Schritte erkundigt und (mündlich) den Auftrag für eine zollrechtliche Abwicklung des Transports dieser Waren erteilt.

Nach dem erfolgten Transport nach Österreich hat die **Bf** Kontakt mit potenziellen Käufern des Fahrzeugs aufgenommen und auch Gespräche mit Interessenten geführt. Entsprechend den Erwartungen der **Bf** hat insbesondere Interesse potenzieller Käufer aus den USA bestanden, da das gegenständliche Fahrzeug speziell für den US-amerikanischen Markt erzeugt wurde. Aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen und vor dem Hintergrund, dass sich eine Besichtigung durch ausländische Interessenten aufgrund der C0VID-19-Pandemie und den damit verbundenen Reisebeschränkungen als äußerst schwierig erwiesen hat, konnte jedoch das Fahrzeug in der Folge nicht veräußert werden. Ergänzend ist anzumerken, dass das Fahrzeug in Österreich zu keinem Zeitpunkt gefahren wurde, sondern sich die ganze Zeit über in den Geschäftsräumlichkeiten der **Bf** befunden hat (bzw ausnahmsweise auf zwei Messen ausgestellt wurde, um den Verkauf voranzutreiben).

Da das Fahrzeug bisher nicht verkauft wurde, sollte dieses nunmehr wieder in die Schweiz zurücktransportiert werden. Aus diesem Grund hat die **Bf** wiederum die Spedition ***4*** mit der zollrechtlichen Abwicklung des Rücktransports beauftragt. Der geplante Rücktransport konnte jedoch zum heutigen Stand aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Beschlagnahme des Fahrzeugs bisher nicht erfolgen."

Das Zollamt geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass ein (mittlerweile verstorbener) Mitarbeiter der Bf. das verfahrensgegenständliche Fahrzeug (aufgeladen auf einem LKW) ohne Gestellung und Abgabe einer Zollanmeldung von der Schweiz kommend widerrechtlich in das Zollgebiet der Union verbrachte.

2. Beweiswürdigung

Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wird in freier Überzeugung als erwiesen angenommen und ergibt sich vor allem aus dem Inhalt der dem BFG vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten unter Bedachtnahme auf die Ermittlungsergebnisse des Zollamtes und die Angaben der Bf. Zusätzlich wurden auch die nach der Beschwerdevorlage beigebrachten Vorbringen der beiden Parteien berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Rechtslage:

Artikel 79 Abs. 1 UZK bestimmt:

Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a. eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

b. eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,

c. eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren.

Artikel 293 Abs. 1 UZK-IA lautet:

Wendet der Inhaber der Waren das gemeinsame Versandverfahren an, so gelten Absatz 2 dieses Artikels und Artikel 189 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446. Waren, die sich im Zollgebiet der Union befinden, gelten jedoch gemäß Artikel 1 Absatz 2 des Übereinkommens über ein gemeinsames Versandverfahren als in das Unionsversandverfahren übergeführt.

Das Übereinkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über ein gemeinsames Versandverfahren, Amtsblatt Nr. L 226 vom 13/08/1987 S. 0002 - 0117 (ÜgemVV) bestimmt in Art. 1 Abs. 2:

Unbeschadet dieses Übereinkommens, insbesondere seiner Bestimmungen über die Sicherheitsleistung, gelten Warenbeförderungen innerhalb der Gemeinschaft als im gemeinschaftlichen Versandverfahren durchgeführt.

Erwägungen:

Strittig ist zunächst der Tag der Einfuhr. Während das Zollamt basierend auf den ursprünglichen Angaben der Bf. im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, das Verbringen sei am erfolgt, meint die Bf. nunmehr, die Einfuhr habe erst am stattgefunden.

Die Bf. gab dazu in ihrer Eingabe vom u.a. bekannt:

"Nach nochmaliger Prüfung ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug tatsächlich erst am erstmalig nach Österreich gelangt ist. Die auf den ersten Blick gegenteilige Angabe von Herrn ***Gf.*** in der Vernehmung ist darauf zurückzuführen, dass

  1. es sich bei dieser Angabe um eine erste Aussage von Herrn ***Gf.*** im Rahmen der von der Zollstrafbehörde unangekündigt und rund 4Jahre nach dem tatsächlichen Transport durchgeführten Vernehmunghandelt (ohne Möglichkeit einer Vorbereitung für Herrn ***Gf.***) und

  2. die Angabe des insoweit richtig ist, als der das Fahrzeugtransportierende LKW bereits am von ***BundeslandNN*** aus indie Schweiz gestartet ist bzw das Fahrzeug dort geladen wurde, damit- wie mit ***4*** vereinbart bzw von ***4*** gegen ***Gf.*** vorgegeben - die Zollabfertigung durch ***4*** bzw die Zollbehörde an der Grenzstelle sodann am vorgenommen werden kann.

Klarstellend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es nur einen Transportvorgang des **NN1** aus der Schweiz nach Österreich gegeben hat."

Das Zollamt führte in der dazu ergangenen Stellungnahme vom u.a. aus:

"Vom T1 MRN ***5*** umfasst waren jedenfalls nur der PKW Sauber Mercedes und der Motor ***NN1*** **Typ1**. Ob das verfahrensgegenständliche Fahrzeug - wie nunmehr vorgebracht - dann tatsächlich erst am mit dieser Sendung gemeinsam auf einem LKW ohne Zollverfahren mittransportiert wurde oder nach Erhalt der Auskunft, dass für dieses Fahrzeug kein "Transitpapier" erforderlich sei, vom Mitarbeiter der **Bf** doch gesondert mit einem anderem LKW bereits am , ist damit auch noch nicht eindeutig belegt.

Folgt man den nunmehrigen, im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Angaben, dass die Einfuhr am erfolgt sei, ändert dies aber jedenfalls nichts an der Tatsache, dass das gegenständliche Fahrzeug zu Unrecht ohne notwendiges Zollverfahren vorschriftswidrig in die EU verbracht worden ist."

Das Bundesfinanzgericht erachtet es im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen, dass die Einfuhr erst am erfolgte. Dafür spricht vor allem die Aussage der Frau ***6***. Dabei handelt es sich um jene Mitarbeiterin der in Schweiz ansässigen Hauptverpflichteten, die die o.a. Versandanmeldung T1 erstellt hat.

Im Zuge eines Auskunftsersuchens gab sie dem Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde mit Schreiben vom bekannt, dass sie am von der Bf. den Auftrag über die Erstellung eines Transitpapiers über ein Fahrzeug Sauber Mercedes und einen Motor ***NN1*** **Typ1** erhalten habe. Sie hätte gewusst, dass ein Fahrzeug ***NN1*** **Typ1** mit nach Österreich ausgeführt werde. Das Fahrzeug sei aber zum Zeitpunkt der Ausfuhr mit einem Schweizer Kennzeichen versehen gewesen. Daher sei kein "Transit" zu erstellen gewesen.

Bei dem von Frau ***6*** erwähnten Transitpapier handelt es sich unzweifelhaft um die Versandanmeldung T1 mit der MRN ***5*** vom mit der bei der in der Schweiz gelegenen Abgangsstelle Zollamt St. Margrethen Freilager ein gemeinsames Versandverfahren eröffnet wurde.

Es spricht daher alles dafür, dass der verfahrensgegenständliche PKW auf dem österreichischen LKW der Bf. mit dem Kennzeichen ***7*** / ***8*** geladen war, der im Feld 18 der Versandanmeldung vermerkt ist, und dass die Einreise somit am erfolgte.

Dafür, dass das Fahrzeug mehrmals hintereinander nach Österreich verbracht worden sein könnte (also am und am ) bestehen hingegen nach der Aktenlage nicht die geringsten Hinweise. Ein derartiges Handeln wäre auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht erklärbar. Außerdem spricht der - außer Streit stehende - zeitliche Ablauf des übrigen Geschehens gegen eine derartige Annahme.

Es ist daher als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass von einer Verbringung am auszugehen ist.

Als Bestimmungsstelle (und Land) war im Feld 53 dieser Versandanmeldung "Linz Wels, AT" vermerkt. Die Erstellung dieser Versandanmeldung erfolgte durch die ***9***, die im Feld 50 als Hauptverpflichtete (Art. 68 ÜgemVV) genannt ist und die als Zugelassener Versender (Art. 63 ÜgemVV) auftrat.

Die Versandanmeldung umfasste laut Feld 5 der Versandanmeldung (siehe Anhang VIII Buchstabe B ÜgemVV) zwei verschiedene Warenpositionen, die in den Feldern 31.4 (Warenbezeichnung) und 33 (Warennummer) wie folgt beschrieben werden:

Unter Position 1 meldete die Hauptverpflichtete eine Ware mit der Warenbezeichnung "Sauber Mercedes Rennsportwagen ***10***" unter Warennummer 8703 2430 (das sind laut Schweizer Zolltarif Personenautomobile mit einem Stückgewicht von nicht mehr als 1.600 kg) an.

Unter Position 2 meldete die Hauptverpflichtete eine Ware mit der Warenbezeichnung "***NN1*** **Typ1** MOTORFG ***11***" unter Warennummer 8703 2440 (das sind laut Schweizer Zolltarif Personenautomobile mit einem Stückgewicht von mehr als 1.600 kg) an.

Laut Auskunft des Triple-C-Austria erfolgte der Grenzübertritt von der Schweiz nach Österreich bei der Durchgangszollstelle (Art. 304 UZK-IA) am um 08.07 Uhr.

Beim Versandverfahren ist zu unterscheiden zwischen Beendigung und Erledigung.

Gem. Art. 233 Abs. 2 UZK sind die Verpflichtungen des Inhabers des Verfahrens erfüllt und endet der Versand, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Angaben entsprechend den zollrechtlichen Vorschriften bei der Bestimmungszollstelle zur Verfügung stehen.

Nach den Bestimmungen des Art. 215 Abs. 2 UZK wird der Versand durch die Zollbehörden erledigt, wenn diese durch einen Vergleich der der Abgangszollstelle vorliegenden Daten mit den der Bestimmungszollstelle vorliegenden Daten feststellen konnten, dass das Verfahren ordnungsgemäß beendet wurde.

Laut Auskunft des Triple-C-Austria erfolgte die Beendigung des als Unionsversandverfahren geltenden Versandverfahrens bei der in Österreich gelegenen Bestimmungszollstelle am und erledigte die in der Schweiz gelegene Abgangszollstelle am selben Tag dieses gemeinsame Versandverfahren (Art. 26 Abs. 4 letzter Satz der Anlage I ÜgemVV). Durch die Rückmeldung des Kontrollergebniscodes "A2 - Konform" brachte die Bestimmungsstelle zum Ausdruck, dass keinerlei Unregelmäßigkeiten/Unstimmigkeiten festgestellt wurden.

Ausgehend von dem oben näher beschriebenen Sachverhalt ist zunächst zu prüfen, ob der verfahrensgegenständliche PKW der Marke ***NN1*** Gegenstand des am in der Schweiz eröffneten gemeinsamen Versandverfahrens war.

Das Zollamt meint, dies sei nicht der Fall. Die Angaben in der o.a. Versandanmeldung T1 (die insgesamt zwei verschiedene Positionen umfasst) würden nicht den PKW der Marke ***NN1*** sondern bloß den PKW der Marke Mercedes und einen Ersatzmotor der Marke ***NN1*** betreffen.

Dieser Ansicht kann auch folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Gemäß Artikel 3 Abs. 1 der Anlage II des ÜgemVV werden die Exemplare der Vordrucke, auf denen die Anmeldungen T1 und T2 zu erstellen sind, in dem Merkblatt im Anhang VII zu Anlage II beschrieben und sind nach Maßgabe dieses Merkblatts auszufüllen.

In diesem Merkblatt heißt es unter der Überschrift "Feld Nr. 31: Packstücke und Warenbezeichnung; Zeichen und Nummern-Container-Nr. - Anzahl und Art" u.a.:

"Einzutragen sind Zeichen und Nummern, Anzahl und Art der Packstücke oder - im besonderen Fall unverpackter Waren - die Anzahl der in der Anmeldung erfassten Gegenstände bzw. die Angabe "lose" sowie in beiden Fällen die zum Erkennen der Waren erforderlichen Angaben. Unter Warenbezeichnung ist die übliche Handelsbezeichnung der Ware zu verstehen, die so genau sein muss, dass die Identifizierung und die Einreihung der Ware möglich ist. Dieses Feld muss ferner die für etwaige spezifische Regelungen (Verbrauchsteuern usw.) verlangten Angaben enthalten. Werden die Waren in Containern befördert, so ist außerdem die Nummer der Container in diesem Feld anzugeben."

In Position 2 der o.a. Versandanmeldung sind unter Feld 31 zutreffende Angaben sowohl hinsichtlich der Marke als auch der Type des in Rede stehenden PKW vermerkt. Diese Angaben erfüllen zweifellos die im eben erwähnten Merkblatt festgelegten Anforderungen und sind jedenfalls so genau, um die Identifizierung der Ware (als PKW) und deren Einreihung zu ermöglichen. Letzteres wird durch die vollständige Anführung der korrekten Warennummer laut Schweizer Zolltarif verdeutlicht. Auch die Gewichtsangabe (die, wie das Zollamt selbst einräumt, dem PKW ***NN1*** - und somit nicht etwa dem ebenfalls geladenen ***NN1*** Ersatzmotor - entspricht) führt zum Ergebnis, dass es sich bei der in der Versandanmeldung genannten Ware um einen PKW der Marke ***NN1*** und eben nicht bloß um einen Ersatzmotor handelt.

Der Umstand, dass im Feld 44 der Versandanmeldung (Besondere Vermerke / Vorgelegte Unterlagen / Bescheinigungen u. Genehmigungen) auf die Proformarechnung 2 18 verwiesen wird, die einen ***NN1*** Ersatzmotor betrifft, ändert an dieser Einschätzung nichts.

Denn wenn durch die eindeutigen Eintragungen im Feld 31 der Versandanmeldung bereits den Anforderungen des Merkblatts vollinhaltlich entsprochen wird, bedarf es keines Rückgriffes auf die Angaben in den zusätzlichen Unterlagen mehr.

Aus dem selben Grund kommt im gegebenen Zusammenhang der Tatsache, dass die Fahrgestellnummer im T1 nicht ganz richtig wiedergegeben wurde, keine entscheidungsmaßgebliche Relevanz zu. Denn es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass es bei der Wiedergabe der langen Buchstaben-Ziffern-Kombinationen von Fahrgestellnummern häufig auf Grund von Tippfehler oder ähnlichen Versehen zu "Schlampigkeitsfehlern" kommt. Die letzten fünf Ziffern der Fahrgestellnummer, auf deren Nennung man sich in der Praxis aus Gründen der Vereinfachung oft beschränkt, sind jedenfalls ebenso richtig angeführt, wie die ersten sieben Stellen der Nummer. Bemerkt wird, dass es sich bei der in der Versandanmeldung angeführten Nummer keinesfalls um die Motornummer handeln kann, zumal diese völlig anders aufgebaut ist (z.B. ***12*** beim verfahrensgegenständlichen PKW).

Es schadet auch nicht, dass die Zolldeklarantin der Hauptverpflichteten laut ihren eigenen Angaben die Daten des Fahrzeuges in der Versandanmeldung irrtümlich aufgenommen hat und tatsächlich den Ersatzmotor nennen wollte.

Denn bei der Zollanmeldung handelt es sich um eine (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung. Wie jede Willenserklärung bedarf die Zollanmeldung im Zweifelsfall der Auslegung, für die in sinngemäßer Anwendung der §§ 863 Abs. 2 und 914 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) der objektive Erklärungswert der Willenserklärung maßgebend ist. Für die Frage, welche der gestellten Waren von der Zollanmeldung erfasst werden, kommt es primär nicht auf den Willen des Erklärenden an. Vielmehr ist das Verständnis, das ein objektiv redlicher Erklärungsempfänger (hier: die Zollbehörde) von der Anmeldung gewinnen durfte und gewonnen hat, von entscheidender Bedeutung.

Bei dieser Auslegung kann nicht aus jeder Unrichtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung geschlossen werden, dass sich diese nicht auf die jeweils gestellte Ware bezieht. Die Überführung einer Ware in ein Zollverfahren setzt voraus, dass diese in der entsprechenden Anmeldung wenigstens im Kern zutreffend bezeichnet worden ist. Ob dies geschehen ist, ist eine Frage der Auslegung der mit der Anmeldung abgegebenen Willenserklärung und damit eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung auf Grund einer Tatsachenwürdigung zu erfolgen hat (vgl BFH , VII R 70/03).

Wenn die Zolldeklarantin - wie oben ausführlich dargelegt - in der gegenständlichen Zollanmeldung objektiv den tatsächlich gestellten und im LKW verladenen PKW ***NN1*** *Typ1* genannt hat, kommt ihrer subjektiven Einschätzung, wonach für diesen PKW auf Grund der aufrechten Zulassung in der Schweiz kein gemeinsames Versandverfahren zu eröffnen sei, keine entscheidungsmaßgebliche Bedeutung zu.

Es ist daher als zweites Zwischenergebnis festzuhalten, dass der in Rede stehende PKW am in der Schweiz mittels der o.a. Versandanmeldung T1 in das gemeinsame Versandverfahren übergeführt wurde.

Das Zollamt legt der Bf. zur Last, am habe ein (mittlerweile verstorbener) Mitarbeiter den genannten PKW - aufgeladen auf einem LKW - ohne Gestellung und Abgabe einer Zollanmeldung von der Schweiz kommend widerrechtlich in das Zollgebiet der Union verbracht.

Dem ist zu entgegnen, dass gem. Art. 141 Abs. 1 UZK die Art. 135 Abs. 2 bis 6 sowie die Art. 139, 140 und 144 bis 149 keine Anwendung finden, wenn sich die Waren beim Verbringen in das Zollgebiet der Union bereits im Versandverfahren befinden.

Mit dieser Regelung wird der Situation Rechnung getragen, dass sich die Waren beim Verbringen in das Zollgebiet im Rahmen eines Versandverfahrens bereits unter zollamtlicher Überwachung befinden und sich aus den Bestimmungen zum Versandverfahren ohnehin die Verpflichtung ergibt, die Waren bei der Bestimmungszollstelle oder einem anderen von den Zollbehörden zugelassenen Ort zu gestellen, um dort das Versandverfahren zu beenden (Art. 233 Abs. 1 Buchstabe a UZK; vgl. auch Rogmann in Wolffgang/Jatzke, UZK, 2021, Art. 141, Rz 3).

Der Bf. ist somit im Zusammenhang mit der Verbringung des verfahrensgegenständlichen PKW in das Zollgebiet am keine Verletzung der Gestellungspflicht gem. Art. 139 UZK vorzuwerfen.

Alleine mit dieser für das Schicksal der vorliegenden Entscheidung wesentlichen Feststellung wird klar, dass der angefochtene Bescheid zu Unrecht ergangen ist. Denn angesichts des gegebenen Sachverhalts kann der Bf. hinsichtlich des genannten PKW ***NN1*** die Nichterfüllung einer der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union gem. Art. 79 UZK nicht zur Last gelegt werden.

Damit fällt auch die Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Verzugszinsen gem. Art. 114 Abs. 2 UZK weg.

Aus der Aktenlage ergibt sich der Verdacht, dass der in Rede stehende PKW nach Beendigung des o.a. gemeinsamen Versandverfahrens u.U. in kein Zollverfahren (Art. 5 Nr. 16 UZK) übergeführt worden sein könnte. Die sich daraus allenfalls ergebenden zollschuldrechtlichen Konsequenzen und die Frage, welche Person gegebenenfalls als Zollschuldner in Betracht kommt, sind nicht Sache des vorliegenden Rechtsbehelfsverfahrens, bei der ausschließlich die Frage zu klären war, ob im Zusammenhang mit der Verbringung des PKW in das Zollgebiet eine Zollschuld entstanden ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass Waren, die sich beim Verbringen in das Zollgebiet der Union bereits im Versandverfahren befinden von der Gestellungspflicht gem. Art. 139 Abs. 1 UZK ausgenommen sind, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (Art. 141 Abs. 1 UZK).

Da somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war, musste der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 3 Abs. 1 Anlage II ÜgemVV, Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren, ABl. Nr. L 226 vom S. 2
Art. 79 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 63 ÜgemVV, Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren, ABl. Nr. L 226 vom S. 2
Art. 26 Abs. 4 ÜgemVV, Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren, ABl. Nr. L 226 vom S. 2
Art. 141 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 68 ÜgemVV, Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren, ABl. Nr. L 226 vom S. 2
Verweise
UZK, Zollkodex Art. 233 Abs. 2
BFH , VII R 70/03
UZK, Zollkodex Art. 215 Abs. 2
UZK, Zollkodex Art. 141 Abs. 1
UZK, Zollkodex Art. 233 Abs. 1 Buchstabe a
UZK, Zollkodex Art. 139
UZK, Zollkodex Art. 79
UZK, Zollkodex Art. 5 Nr. 16
UZK, Zollkodex Art. 139 Abs. 1
UZK, Zollkodex Art. 114 Abs. 2
UZK, Zollkodex Art. 79 Abs. 1
UZK-IA Art. 293 Abs. 1
UZK-DA Art. 189
UZK-IA Art. 304
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7200072.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
FAAAF-24643