zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.06.2024, RV/2100259/2018

Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO und Anspruch auf Alleinerzieherabsetzbetrag vor der Eheschließung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen (nunmehr Finanzamt Österreich) betr. den Antrag vom auf Aufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 vom , Steuernummer ***1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom wird gemäß § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 vom wurde der Beschwerdeführerin (Bf.) der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt mit der Begründung - unter Zitierung des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 - , dass der Steuerpflichtige den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zur Abgeltung von Unterhaltspflichten erhalte - diese seien durch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag abgegolten - sondern weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person, die allein stehend Kinder aufzuziehen hat, geringer sei als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer in einer Partnerschaft lebenden Person (vgl. -I/05).
Daher sei der Begriff der "eheähnlichen Gemeinschaft" (§ 106 EStG 1988 a. F.) bzw. der "Lebensgemeinschaft" (§ 106 EStG 1988 n. F.) steuerlich eigenständig zu interpretieren und müsse nicht zur Gänze mit der Bedeutung dieser Begriffe in anderen Rechtsbereichen deckungsgleich sein.
Weiters wird ausgeführt, dass zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gehöre, wobei - wie in einer Ehe auch - mit Rücksicht aufeinander diese einvernehmlich gestaltet werde, sodass auch das eine oder andere Merkmal mehr oder weniger stark ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen könne. Auch getrennte Wohnsitze sprechen nicht zwangsläufig für das Nicht-Vorhandensein einer Lebensgemeinschaft, wenn ansonsten die gesamte Lebensplanung gemeinsam abläuft (z.B. Hochzeitsvorbereitungen, Eigenheimbau etc.).
Die Beschwerdeführerin habe am ***x***.7.2015 Herrn ***2*** geheiratet. Dass eine Beziehung erst mit dem Tag der Hochzeit begonnen worden sei, entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Der Alleinerzieherabsetzbetrag stehe daher für 2015 nicht mehr zu.

Am stellte die Bf. den Antrag gemäß § 299 BAO den Einkommensteuerbescheid 2015 vom aufzuheben und begründete dies wie folgt:
"Wie der elektronisch am übermittelten Einkommensteuererklärung 2015 entnommen werden kann, wurde in dieser die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrags für 2015 beantragt. Dieser wurde mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass ich im Kalenderjahr in mehr als 6 Monaten in einer Gemeinschaft mit einem Partner gelebt habe. Die Abgabenbehörde hat ohne weitere Prüfungen den Antrag abgeändert, und diese Abänderung mit den "Erfahrungen des täglichen Lebens" begründet.
Es entspricht der Tatsache, dass ich am
***x***. Juli 2015 Herrn ***2*** geehelicht habe. Erst im Dezember 2015 haben wir in Adr. die Wohnung fertig gestellt, bezogen und einen gemeinsamen Haushalt begründet. Laut aktueller Rechtsprechung (z.B. oder UFSI , RV/0545-I/I0) unterscheidet der Gesetzgeber bei Ehegatten zwischen zwei Gruppen:
- jenen, die nicht dauernd getrennt leben und
- jenen, die dauernd getrennt leben.
Mit diesem Unterscheidungsmerkmal soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die wirtschaftliche Leistungskraft bei den nicht dauernd getrennt lebenden Partnern durch die beiderseits erzielten Einkünfte bestimmt wird, während dies bei den getrennt lebenden Partnern nicht der Fall ist.
Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung haben verheiratete Personen nur dann Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag, wenn sie von ihrem Ehepartner dauernd getrennt leben (vgl. Doralt, EStG6, Kommentar, Band III, § 33 Tz 31 und Tz 35, Jakom, EStG3, § 33, Tz 36).
Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung, es ist dem Ehepartner allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen.
Mir ist bekannt, dass nicht zwei /getrennte Wohnsitze für die Beurteilung maßgebend sind, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob ich bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit dem Partner gelebt habe.
[Da] 2015 weder ein gemeinsamer "Familienwohnsitz" vorgelegen ist, noch die getrennte Haushaltsführung (Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in ***Adr.1***, Wohnsitz und Lebensmittelpunkt meines Partners in ***Adr.2***) aufgegeben wurde, tragen nicht beide Einkommen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei. Nachdem ich neben den getrennten Haushalten (erhöhten Lebensführungskosten) auch für ein Kind und dies mehr als 6 Monate Familienbeihilfe bezogen habe, steht mir im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG der Alleinerzieherabsetzbetrag zu.
§ 299 BAO sieht die Aufhebung von Bescheiden, deren Spruch sich als rechtswidrig erweist, vor. Ich beantrage daher die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2015 vom und die Erlassung eines neuen Sachbescheids, der den Alleinerzieherabsetzbetrag steuermindernd berücksichtigt
."

Der Antrag gemäß § 299 BAO vom wurde mit Bescheid vom abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt aus:
"Gemäß § 33 EStG sind Alleinerziehende Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.
Wie von Ihnen und auch im Erstbescheid angeführt indiziert die fehlende Wohngemeinschaft allein noch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt, weil auch in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, einvernehmlich getrenntes Wohnen als zulässig betrachtet wird. Dem Umstand, dass Ehegatten sich etwa aus beruflichen Gründen zu getrennten Wohnungen entschließen und dadurch einer finanziellen Mehrbelastung ausgesetzt sind, misst der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften betreffend die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages keine tatbestandsmäßige Bedeutung zu. Im gegenständlichen Fall sind das Unterhalten von zwei Wohnungen und die damit verbundenen finanziellen Mehraufwendungen durch persönliche Umstände bedingt.
Weiters ist anzuführen, dass Meldedaten nur Indizien für das Vorliegen getrennter Wohnungen sind.
Laut Angaben Ihres Gatten wurde im Jahr 2014 das neue Eigenheim fertiggestellt, im Jahr 2015 erfolgten die gemeinsamen Hochzeitsvorbereitungen. Im Zusammenhang mit einer Eheschließung steht normalerweise der Wille, durch gemeinsames Bemühen und Zusammenlegen der beiderseits erzielten Einkünfte, eine gemeinsame eheliche Wohnung zu schaffen. Auch wenn die Ehegatten nicht sogleich mit dem Hochzeitstag die bisherigen Wohnungen aufgeben, spricht gerade der Wille, die eigenen Wohnungen aufzugeben bzw. das bereits vorher geschaffene Wohnhaus für eine gemeinsame Lebensführung.
Da davon auszugehen ist, dass mindestens seit dem Jahr 2015 eine Lebensgemeinschaft vorliegt, konnte der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden
."

Dagegen erhob die Bf. fristgerecht die Beschwerde, mit folgender Begründung:
"Im angefochtenen Abweisungsbescheid wurde der zugrunde liegende Sachverhalt nicht zutreffend berücksichtigt, weil sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Alleinerzieherabsetzbetrag im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG erfüllt waren.
Laut Jakom - ESt Kommentar 2017 § 33 RZ 34 steht der Alleinerzieherabsetzbetrag einem Alleinverdiener zu. Ein Alleinverdiener ist gemäß Abs. 4 Ziffer 2 ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (gem. § 106 Abs. 1 EStG) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einem gemeinsamen Haushalt und nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-) Partner lebt.
Im Kalenderjahr 2015 habe ich mit meinem Sohn,
***3***, geboren am yy.yy.. 1994, in einem Haushalt in ***Adr.1***, gelebt und für ihn die Familienbeihilfe bezogen. Mir ist somit der Kinderabsetzbetrag im Sinne des Abs. 3 für zwölf Monate zugestanden.
Am
***x***. Juli 2015 habe ich Herrn ***2*** geheiratet. Trotz der Eheschließung habe ich bis Dezember 2015, ohne meinen Ehepartner, in einem Haushalt mit meinem Sohn gelebt und war für die Erziehung verantwortlich.
Laut aktueller Judikatur (z.B. oder UFSI , RV/0545-1/10) unterscheidet der Gesetzgeber bei Ehegatten zwischen zwei Gruppen:
- jenen, die nicht dauernd getrennt leben und
- jenen, die dauernd getrennt leben.
Mit diesem Unterscheidungsmerkmal soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei den nicht dauernd getrennt lebenden Partnern durch die beiderseits erzielten Einkünfte bestimmt wird, während dies bei den getrennt lebenden Partnern nicht der Fall ist.
Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung haben verheiratete Personen nur dann Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag, wenn sie von ihrem Ehepartner dauernd getrennt leben (vgl. Doralt, EStG - Kommentar, Band III, § 33 Tz 31 und Tz 35, Jakom, EStG - Kommentar 2017, § 33, Tz 36).
Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung, es ist dem Ehepartner allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen.
Mir ist bekannt, dass nicht zwei / getrennte Wohnsitze für die Beurteilung maßgebend sind, sondern ausschließlich die Sachverhaltsfrage zu klären ist, ob ich bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit meinem Partner gelebt habe oder nicht. 2015 hat bis Dezember kein gemeinsamer Familienwohnsitz vorgelegen, d.h. es wurde die getrennte Haushaltsführung (Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in
***Adr.1***, Wohnsitz und Lebensmittelpunkt meines Partners in ***Adr.2***) nicht aufgegeben, sodass nicht beide Einkommen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beitragen konnten.
Die Abgabenbehörde begründet die Aberkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages in oben angeführtem Abweisungsbescheid, dass nach Eheschließung kein dauerndes Getrenntleben anzunehmen war. Außer Acht blieb der Zeitpunkt der Eheschließung. Die Hochzeit fand am
***x***. Juli 2015 statt, sodass für mehr als sechs Monate die Kindererziehung alleine erfolgte.
Laut aktueller Rechtsprechung ist zu untersuchen, ob die Kindererziehung "nicht in einer Gemeinschaft" erfolgte und dies steht im Gegensatz von einem "dauernd getrennt leben" bei einer aufrechten Ehe (vgl. , ARD 6415/15/2014).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, wenn der Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind mehr als sechs Monate in keiner Gemeinschaft mit einem Partner lebt. Die belangte Behörde geht in oben genannter Erkenntnis nicht automatisch von einem Zusammenleben der Partner vor der Eheschließung aus. Vielmehr ist in diesem Fall zu prüfen, ob die Kindererziehung in einer Gemeinschaft erfolgte, was bei mir im Kalenderjahr 2015 nicht der Fall war.
Eine aufrechte Ehe spricht laut Judikatur grundsätzlich gegen ein dauernd getrennt leben, jedoch war in meinem Fall die Eheschließung im zweiten Halbjahr, sodass ich für mehr als sechs Monate alleine für die Kindererziehung verantwortlich war.
Zudem halte ich fest, dass ein Zusammenziehen vor der Eheschließung aus folgenden Gründen nicht möglich war:
- Der gemeinsame Wohnraum in
***Adr.*** wurde erst im Dezember 2015 fertiggestellt und war vor diesem Zeitpunkt nicht bewohnbar.
- Ein zusammenziehen nach
***Adr.2*** bzw. nach ***Adr.1*** war nicht möglich, da es zwischen den Kindern und den neuen Partnern persönliche Differenzen gab, die ein dauerhaftes Zusammensein ohne Eskalationen nicht zugelassen hätte.
Erst nach Fertigstellung des Eigenheimes in
***Adr.*** (im Dezember 2015) war es möglich einen gemeinsamen Haushalt zu begründen. Das Eigenheim in ***Adr.1*** wird seit diesem Zeitpunkt von meinem Sohn, ***3***, bewohnt.
Begehren:
Aus den oben genannten Gründen begehre ich die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag für ein Kind bei der Veranlagung 2015 berücksichtigt wird.
Der Vollständigkeit halber halte ich fest, dass auch mein jetziger Ehemann,
***2***, gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 die Bescheidbeschwerde eingebracht hat. Die Beschwerde-Vorentscheidung entsprach inhaltlich in groben Zügen dem oben angeführten Abweisungsbescheid.
Erst nachdem der Antrag gemäß § 264 BAO auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt wurde, hat die Abgabenbehörde den Alleinerzieherabsetzbetrag für 2015 gewährt (siehe Steuerakt meines Gatten StNr. (
1234). Dem Gleichheitsprinzip entsprechend sollte somit auch in meinem Fall dieser Bescheidbeschwerde stattgegeben werden."

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt aus:
"Laut Angaben Ihres Gatten in einer Vorhaltsbeantwortung wurde das Wohnhaus in ***Adr.*** im September 2014 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Ihr Sohn ***3*** hat seit Jänner 2015 seinen Hauptwohnsitz in Ihrem Eigenheim in ***Adr.1***. Aufgrund des bereits fertiggestellten bzw. der von Ihnen behaupteten Fertigstellung des gemeinsamen Wohnhauses im Dezember 2015 sowie der Verehelichung im Juli 2015 ist spätestens ab dem Jahr 2015 von einer gemeinsamen Lebensführung und Lebensplanung auszugehen und ist auch anzunehmen, dass die Kindererziehung in dieser Gemeinschaft erfolgte. Auch wenn noch zwei getrennte Wohnsitze bestanden haben, kann bei gemeinsamer Lebensführung und Lebensplanung nicht von einem dauernd Getrennt-Ieben ausgegangen werden.
In dem in Ihrer Beschwerdeschrift zitierten VwGH Erkenntnis vom , 2011/15/0002 wird über einen Fall abgesprochen in dem noch kein gemeinsamer Wohnsitz bestanden hat, aber eine gemeinsame Wohnsitzbegründung geplant war. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt hierin die Ansicht, dass bei objektivierbarer Absicht, einen gemeinsamen Wohnsitz zu schaffen, nicht von einem dauernd Getrenntleben der Ehepartner auszugehen ist, und auch das von Ihnen zitierte VwGH Erkenntnis vom , 93/13/0109 teilt diese Meinung. Außerdem geht der VwGH davon aus, dass bei dauernd Getrenntlebenden Umstände vorliegen müssen, die darauf schließen lassen, dass das einer Ehe eigentümliche gemeinsame Wirtschaften mit gemeinsamen finanziellen Mitteln nicht gegeben ist, weil der Wille zur gemeinsamen Lebensführung nicht mehr besteht.
Da gerade der Wille, die eigene Wohnung aufzugeben und in eine gemeinsame zu ziehen sowie die bevorstehende Hochzeit für eine gemeinsame Lebensführung spricht, kann der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt werden und Ihre Beschwerde ist abzuweisen
."

Daraufhin stellte die Bf. fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag), mit der ergänzenden Begründung:
"Die Abgabenbehörde begründet die Abweisung der Beschwerde, dass das Wohnhaus im September 2014 fertig gestellt wurde und mein Sohn ***3*** im Jänner 2015 seinen Wohnsitz in ***Adr.1*** gemeldet hat.
Dies entspricht nicht der Wahrheit. Im Herbst 2014 wurde das Erdgeschoss, die Büroräumlichkeiten in Betrieb genommen. Das Obergeschoss, d.h. die Wohnung, war erst ab Dezember 2015 bezugsfähig. Erst zu diesem Zeitpunkt habe ich meinen Wohnsitz nach
***Adr.*** gewechselt und lebe mit meinem Ehegatten, ***2***, in einem gemeinsamen Haushalt.
Der Wohnsitz meines Sohnes ist nicht relevant, da er seit Herbst 2013 auf der technischen Universität in
***4*** studiert und den Wohnsitz (bis Dezember 2014 Nebenwohnsitz) stets in ***Adr.1*** hatte und hat.
Die Abgabenbehörde geht davon aus, dass die Schaffung einer gemeinsamen Wohnung sowie die Eheschließung schon für eine gemeinsame Lebensführung spricht. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, jedoch ist der tatsächliche Sachverhalt zu prüfen.
Die Hochzeit fand am
***x***. Juli 2015 statt, sodass für mehr als sechs Monate die Kindererziehung alleine erfolgte.
Laut aktueller Rechtsprechung ist zu untersuchen, ob die Kindererziehung "nicht in einer Gemeinschaft" erfolgte und dies steht im Gegensatz von einem "dauernd getrennt leben" bei einer aufrechten Ehe (vgl. , ARD 6415/15/2014).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, wenn der Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind mehr als sechs Monate in keiner Gemeinschaft mit einem Partner lebt. Die belangte Behörde geht in oben genannter Erkenntnis nicht automatisch von einem Zusammenleben der Partner vor der Eheschließung aus. Vielmehr ist in diesem Fall zu prüfen, ob die Kindererziehung in einer Gemeinschaft erfolgte, was bei mir im Jahr 2015 nicht der Fall war.
Eine aufrechte Ehe spricht laut Judikatur grundsätzlich gegen ein dauerndes Getrenntleben, jedoch war in meinem Fall die Eheschließung im zweiten Halbjahr, sodass ich für mehr als sechs Monate alleine für die Kindererziehung verantwortlich war.
Zudem halte ich fest, dass ein Zusammenziehen vor der Eheschließung aus folgenden Gründen nicht möglich war:
- Der gemeinsame Wohnraum in
***Adr.*** wurde erst im Dezember 2015 fertig gestellt und war vor diesem Zeitpunkt nicht bewohnbar.
- Ein Zusammenziehen nach
***Adr.2*** bzw. nach ***Adr.1*** war nicht möglich, da es zwischen den Kindern und den neuen Partnern persönliche Differenzen gab, die ein dauerhaftes Zusammensein ohne Eskalationen nicht zugelassen hätte.
Erst nach Fertigstellung des Eigenheimes in
***Adr.*** (im Dezember 2015) war es möglich einen gemeinsamen Haushalt zu begründen. Die Eigentumswohnung in ***Adr.1*** wird seit diesem Zeitpunkt von meinem Sohn, ***3***, das Eigenheim in ***Adr.2*** vom Sohn meines Gatten, ***5***, bewohnt.
Nachdem das Steuerrecht sowie die Rechtsprechung dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung trägt, halte ich der Vollständigkeit halber fest, dass meinem Gatten der Alleinerzieherabsetzbetrag aufgrund obiger Begründung gewährt, somit der Beschwerde statt gegeben, wurde.
Begehren:
Aus den oben angeführten Gründen begehre ich die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag für ein Kind bei der Veranlagung berücksichtigt wird.
Gleichzeitig stelle ich die Anträge:
1. auf Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 BAO,
2. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1Z 1 BAO.
"

Der Beschwerdevorlage fügte das Finanzamt u.a. auch die folgenden Unterlagen an:
- die Vorhaltsbeantwortung des Ehemannes der Bf. vom , in der er mitteilt, dass das Wohnhaus in ***Adr.*** im September 2014 fertiggestellt und in Betrieb genommen worden sei, wobei die genannten Büroräumlichkeiten im Erdgeschoß an die ***2*** Stb GmbH vermietet worden seien,
- die Lohnzettel-Auskunft der Bf. für 2015, von ihrer Arbeitgeberin ***2*** Stb GmbH mit der Adresse in ***Adr.*** am in die Datenbank eingebracht,
- Ausdruck aus der Familienbeihilfen-Datenbank, wonach der andere Elternteil des Sohnes der Bf. ihr Ehegatte sei,
- ein Foto vom Familienwohnsitz in ***Adr.*** und
- folgende ZMR-Abfragen vom 22./:
Beschwerdeführerin: Hauptwohnsitz: ***Adr.1***: - ***z***.12.2015 und ***Adr***: seit ***z***.12.2015,
Sohn der Bf.: Hauptwohnsitz: ***Adr.1***: - , ***Adr.3***): - und wieder ***Adr.1***: ab ,
Ehemann der Bf.: Hauptwohnsitz: ***Adr.2***: - und ***Adr***: seit .

Im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht teilte die Beschwerdeführerin im Schreiben vom ergänzend mit:
"- Fertigstellung des Wohnhauses
Das Wohn- Bürohaus wurde im Kalenderjahr 2014 neu errichtet. Als Nachweis lege ich eine Kopie des Baubescheides bei. Im September 2014 wurden die Büroräumlichkeiten im Erdgeschoss liegend in Betrieb genommen. Das Obergeschoss, welches uns als Wohnung dient, wurde ab dem Winter 2014/2015 durch viel Eigenleistung ausgebaut. Noch zum Zeitpunkt der Eheschließung, im Juli 2015, war das Obergeschoss / die Wohnung nicht bewohnbar. Als Nachweis lege ich Fotos mit Erstellungsdatum bei. Diese Bilder beweisen, dass im Juli die Räumlichkeiten roh waren und die Küche noch nicht fertig gestellt war. Zudem waren Schlafzimmer und Wohnzimmer ebenfalls nicht möbliert. Weiters lege ich Bestellungen über die Einrichtungsgegenstände sowie Badeinrichtung bei. Diese Bestellungen bestätigen die Auftragserteilung im Juli 2015 und Lieferung ab September 2015.
Diese Unterlagen dienen dem Nachweis, dass ein Einzug bzw. die Begründung eines gemeinsamen Haushalts, wie im Vorlageantrag festgehalten, nicht vor November 2015 möglich war.
- Anmeldung bzw. Begründung des gemeinsamen Haushalts
Es ist richtig, dass ich den Hauptwohnsitz unter der Adresse ***Adr***, am
***z***.12.2015 gemeldet habe. Es wird auch richtig sein, dass mein Ehegatte den Hauptwohnsitz zu einem späteren Zeitpunkt unter der obigen Adresse angemeldet hat.
Den Grund dafür weiß ich nicht mehr, jedenfalls haben wir die Wohnung im Obergeschoss im Dezember 2015 gemeinsam bezogen.
- Stellungnahme zu den ZMR - Meldungen
Bis zur Aufgabe meines Lebensmittelpunktes im Dezember 2015 in
***Adr.1*** habe ich mit meinem Sohn ***3*** im gemeinsamen Haushalt gelebt. Warum der Wohnsitz meines Sohnes im Jänner 2015 von ***4*** nach ***Adr.1*** verlegt wurde ist mir nicht mehr erinnerlich. Auch die Meldung des Nebenwohnsitzes vom ***z***.12.2015 bis zum ***a***.01.2016 ändert nichts an der Tatsache, dass ich meinen Lebensmittelpunkt (gewöhnlichen Aufenthalt) Mitte Dezember 2015 nach ***Adr*** verlegt habe und seither diesen gemeinsam mit meinem Ehegatten ***2*** teile."
Beigelegt wurden die Heiratsurkunde vom ***x***.07.2015, der Bescheid vom der Gemeinde ***Adr.*** über die Baubewilligung eines Neubaus eines Wohn- und Bürogebäudes für den Bauwerber ***2***, Wirtschaftstreuhänder - Steuerberater, ***Adr.4***, Fotos vom Juli 2015, Rechnungen an die Beschwerdeführerin für Badmöbel, Einbaugeräte-Küche und Schlafzimmer vom Juli bzw. September 2015 und eine Rechnung an den Ehegatten der Bf. für Komplettierungsmaterial Bad OG vom Juli 2015.

Am teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit, dass die nachgereichten Unterlagen nach Meinung der Behörde zu keiner geänderten rechtlichen Beurteilung führen würden und der AEAB im strittigen Jahr 2015 nicht zustehen würde.

Mit Schreiben vom (eingelangt am ) zog die Beschwerdeführerin ihre Anträge auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück.

Nach Einsicht des BFG in die Finanzamtsdatenbanken wird festgestellt, dass dem Ehemann der Bf. im Einkommensteuerbescheid vom der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2015 gewährt wurde und die Beschwerdeführerin bis September 2017 für ihren Sohn Familienbeihilfe bezogen hat.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 299 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:
(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.

§ 302 BAO bestimmt:
(1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.
(2) Darüber hinaus sind zulässig:
a) […];
b) Aufhebungen nach § 299 auch dann, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist.

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 darzulegen ().
Sie hat weiters die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (). Ein Hinweis auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird vielfach ausreichend sein (vgl. ; , 98/15/0123; vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 299, Rz 40).

Die Sache, über die im Verfahren über die Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid bzw. gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, ist bei der beantragten Aufhebung durch eine Partei im Aufhebungsantrag bzw. bei der amtswegigen Aufhebung durch die Abgabenbehörde im Aufhebungsbescheid festgelegt (zB ; , 2011/15/0190). Im Rechtsmittelverfahren darf kein anderer Aufhebungsgrund herangezogen werden (zB ; vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 299, Rz 43a).

Sache des beschwerdeggst. Verfahrens ist nur das Verfahren um die begehrte Aufhebung gemäß § 299 BAO. Mit der Aufhebung ist nur dann der neue Einkommensteuerbescheid zu verbinden, wenn "dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist" (§ 299 Abs. 2 BAO). Da aber das Abgabenverfahren selbst nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens ist, kann das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis nur die Aufhebung aussprechen. Ein neuer Einkommensteuerbescheid ist von der Abgabenbehörde zu erlassen (vgl. ).

Gerichtsurteile sind Einzelfallentscheidungen, die darüber hinaus grundsätzlich keine Bindungswirkung entfalten. Eine formale Bindung der Abgabenbehörde an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes sieht § 278 Abs. 3 BAO nur bei Zurückverweisungen vor. Aus § 282 BAO ist jedoch abzuleiten, dass auch im Fall der Aufhebung gemäß § 299 BAO die belangte Behörde bei Erlassung des neuen Sachbescheides zumindest an jene rechtliche Beurteilung gebunden ist, die laut Verwaltungsgericht dazu geführt hat, dass der Spruch des aufgehobenen Bescheides sich als nicht richtig erwiesen hat (§ 299 Abs. 1 BAO). Nur so kann sichergestellt werden, dass unverzüglich der Rechtszustand hergestellt wird, welcher der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entspricht (vgl. § 282 BAO); (vgl. ).

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) idgF steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind iSd § 106 Abs. 1, mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner leben.

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 ist ein Kind im steuerrechtlichen Sinne ein Kind, wenn der Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 3 mehr als sechs Monate im jeweiligen Kalenderjahr zusteht. Der Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 3 steht dann zu, wenn für das Kind Familienbeihilfe im Sinn des FLAG 1967 gewährt wird.

Gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist ein (Ehe-)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG eingetragen ist.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag (AEAB) trägt der Einschränkung des Alleinerziehers im Erwerbsleben Rechnung.
Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht einem Alleinerzieher zu. Ein Alleinerzieher ist gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt. AVAB und AEAB schließen einander dem Grunde nach aus.
Für die Zuerkennung des AEAB muss ein Kind im steuerlichen Sinne vorhanden (s ) und die Sechsmonatsfrist erfüllt sein (vgl. Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 17. Aufl. (2024), § 106, Rz 65ff.).

Der Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die in § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 vorgesehene Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben. Die entsprechende Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ohne aufrechte Ehe ist das Leben "in einer Lebensgemeinschaft". Der Status des Alleinerziehers ist gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners; Alleinerzieherabsetzbetrag und Alleinverdienerabsetzbetrag schließen einander wegen der 6-Monats-Regel gegenseitig aus (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn(Hrsg.), EStG18 § 33 Rz 49 unter Verweis auf ; vgl. auch ).

Voraussetzung für den Alleinerzieherabsetzbetrag ist daher bei einem Steuerpflichtigen, der nicht mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist, dass dieser mehr als sechs Monate im Jahr alleine, dh nicht in einer Lebensgemeinschaft, lebt.

Eine allgemein gültige gesetzliche Definition der Lebensgemeinschaft fehlt. Bei der Lebensgemeinschaft handelt es sich der stRsp des VwGH zufolge um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen eine Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft. Es kann aber auch wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen, das eine oder andere Merkmal fehlen. Eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, die nicht über das hinausgeht, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet wird, führt noch nicht zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. Es muss dabei nicht immer zugleich Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft als Merkmal der Lebensgemeinschaft gegeben sein, weil jedes dieser Elemente weniger ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen kann (vgl. zB , mit Hinweis auf ; vgl. auch ; , 99/14/0224; , 2000/15/0101; , 99/14/0247).

Eine Lebensgemeinschaft (iSe eheähnl Gemeinschaft) ist anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Zusammenleben erfolgt, wie es bei Ehegatten unter den gleichen Bedingungen zu erwarten wäre, zB Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit gemeinsamem Kind (s ; , 96/15/0176, 0177; vgl. auch Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 17. Aufl. (2024), § 106, Rz 4).

Eine Wohngemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll; sie muss über die bloßen "Nebenerscheinungen" einer Geschlechtsgemeinschaft hinausgehen. Durch fallweise gemeinsame Übernachtungen in unregelmäßigen Abständen wird sie daher nicht begründet. Der Annahme eines gemeinsamen Lebensmittelpunkts steht aber nicht entgegen, dass einer der beiden Partner nicht jeden Tag in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt, etwa weil er regelmäßig auswärtige Berufstätigkeiten verrichten muss (vgl. ; , 1 Ob 98/22a).

Der polizeilichen Meldung kommt bei der Beurteilung des Vorliegens einer Wohngemeinschaft kein entscheidendes Gewicht zu ().

Für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist wesentlich, dass die Partner einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen. Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft beschränkt sich aber nicht auf diese rein materielle Seite. Vielmehr wird zudem gefordert, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen sowie einander Beistand und Dienste leisten. Neben dem Vorliegen einer seelischen Gemeinschaft ist - mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Bedeutung einer Ehe - allerdings ein Mindestmaß an einer wirtschaftlichen Gemeinschaft unverzichtbar. Dies gilt auch für eine "moderne" Lebensgemeinschaft, bei der die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Partner den Regelfall bildet (vgl. ; , 3 Ob 35/20y, mwN).

Abgesehen davon, dass weder dem Abweisungsbescheid vom noch der Beschwerdevorentscheidung vom . eine Ermessensübung des Finanzamtes zu entnehmen ist, kommt das Bundesfinanzgericht aus folgenden Gründen zu dem Schluss, dass der Einkommensteuerbescheid der Bf. für das Jahr 2015 gemäß § 299 BAO aufzuheben ist, da der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist:

Die Beschwerdeführerin wohnte im Jahr 2015 vor der Eheschließung am ***x***.07.2015 und auch in den Jahren davor mit ihrem Sohn in ihrer Wohnung in ***Adr.1***. Für ihren Sohn bezog sie lt. Familienbeihilfen-Datenbank bis September 2017 die Familienbeihilfe. Der Sohn studierte seit dem WS 2013/14 in ***4*** und wohnte dort auch in einem Studentenheim.
Die Bf. heiratete am ***x***.07.2015 Herrn ***2***, der lt. Anspruchsüberprüfungsschreiben der Bf. für die FB vom nicht der Kindesvater des Sohnes der Bf. ist. Der Kindesvater ist Herr ***6***.
Herr ***2*** war im Jahr 2015 vor der Eheschließung am ***x***.07.2015 mit seinen Söhnen (im beschwerdeggst. Zeitraum 18/19 Jahre bzw. 22/23 Jahre alt) in ***Adr.2*** an der Adresse der Landwirtschaft seiner Eltern, die er bis gepachtet hat, wohnhaft. Dem Ehegatten der Bf. wurde im Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2015 der Alleinerzieherabsetzbetrag gewährt.

Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die gemeinsame Wohnungseinrichtung für die Wohnung im Obergeschoß des neu errichteten Wohn- und Bürogebäudes in ***Adr.*** erst ab Woche 28 im Jahr 2015 (ab Montag ) und im September 2015 angeschafft wurde.

Der polizeilichen Meldung kommt in diesem Zusammenhang nur eine Indizfunktion zu. Zur Feststellung des Zeitpunktes des Vorliegens einer Lebensgemeinschaft sind die tatsächlichen Umstände maßgeblich.

Lt. Baubescheid der Gemeinde ***Adr.*** vom war Herr ***2*** alleiniger Bauwerber für die Errichtung eines Wohn- und Bürogebäudes auf dem Grundstück Nr. ***7*** der Katastralgemeinde ***Adr.***. Die Beschwerdeführerin bleibt im Baubescheid unerwähnt, sodass nach Ansicht des BFG von einer gemeinschaftlichen Anschaffung einer Wohnung nicht gesprochen werden kann.

In der Vorhaltsbeantwortung des Herrn ***2*** vom zu seinen Einkünften aus Vermietung gibt dieser zwar an, dass das Wohnhaus in ***Adr.*** im September 2014 fertig gestellt und in Betrieb genommen worden sei, da er aber nur die Büroräumlichkeiten im Erdgeschoß des Hauses, die an die ***2*** Stb GmbH vermietet wurden, benannte und die Wohnräume im Obergeschoß unerwähnt ließ, geht das Bundesfinanzgericht - auch im Zusammenhang mit den vorgelegten Rechnungen über die Wohnungseinrichtung - davon aus, dass nur die Büroräumlichkeiten im Erdgeschoß und nicht die Wohnräume im Obergeschoß Ende 2014 bzw. im ersten Halbjahr 2015 bezugsfertig waren.

Dies korrespondiert auch mit dem vom Finanzamt vorgelegten Lohnzettel der Bf. für das Jahr 2015, der am von der ***2*** Stb GmbH an die Datenbank des Finanzamtes übermittelt wurde.

Die Wohnräume im OG konnten nach Dafürhalten des BFG erst nach Vorhandensein der Einrichtung (Küche, Schlafzimmer, Bad, etc.) frühestens im Spätsommer 2015 bezogen werden.

Das Vorliegen einer Wohngemeinschaft vor der Eheschließung ist zu verneinen, weil die Beschwerdeführerin und ihr (späterer) Ehegatte nach den getroffenen Feststellungen mehr als 6 Monate im Jahr 2015 keinen gemeinsamen Lebensmittelpunkt hatten. Sie wohnten jeweils mit dem/den eigenen Kind/Kindern an getrennten Wohnsitzen.
Was die Wirtschaftsgemeinschaft betrifft, so kann eine solche ebenso wenig uneingeschränkt bejaht werden. Wirtschaftliche Verflechtungen vor der Eheschließung im Sinne einer gemeinsamen Haushaltsführung und eines gemeinsamen Wirtschaftens (zB gemeinsame Konten und gegenseitige finanzielle Unterstützungen) sind nicht ersichtlich. Dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte vor der Eheschließung wechselseitig an gemeinsamen Gütern teilhatten, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Allfällige gelegentliche Arbeiten oder Unterstützungsleistungen reichen für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht aus (vgl. zB auch ). Auch gemeinsame Hochzeitsvorbereitungen und eine damit zusammenhängende gemeinsame Lebensplanung reichen nach Ansicht des BFG für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht aus. Allenfalls könnte im vorliegenden Fall eine teilweise Wirtschaftsgemeinschaft, nämlich beschränkt auf die zwischenmenschliche Komponente, angenommen werden.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen können gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. zB ; Ritz/Koran, BAO7, § 167 Rz 8 mwH).

Insgesamt ist somit aber vor der Eheschließung - ausgehend von einer gänzlich fehlenden Wohngemeinschaft und einer allenfalls auf die zwischenmenschliche Komponente beschränkten Wirtschaftsgemeinschaft - ein eheähnlicher Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht, bei Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände zu verneinen.

Da somit die Beschwerdeführerin glaubhaft machen konnte, dass sie vor der Hochzeit am ***x***.07.2015, daher mehr als 6 Monate im Jahr 2015, nicht in einer Lebensgemeinschaft gelebt hat, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages für ein Kind vor.

Dem Antrag der Bf. vom gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom ist somit im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO stattzugeben.
Für Aufhebungen gemäß § 299 BAO ist insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 20 Rz 8).

Die Einkommensteuer für das Jahr 2015 berechnet sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabennachforderung lt. ESt-Bescheid vom
1.001,00 €
abzüglich AEAB bei einem Kind
-494,00 €
neu berechnete Abgabennachforderung
507,00 €

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da keine Rechtsfrage strittig ist, sondern der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at