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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.06.2024, RV/2100125/2024

res iudicata - keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Antrag auf (erhöhte) Familienbeihilfe vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom , RV/2100931/2020, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers (Bf.) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Abweisung des Eigenantrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Februar 2014 abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis des BFG wurde kein Rechtsmittel erhoben, sodass es in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Beschwerdeführer beantragte am die Zuerkennung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab November 2016 mit dem Hinweis, dass er seit 2016 Pflegegeld beziehe.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die o.a. Anträge vom zurück. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Am brachten Sie (wiederholt) Anträge auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für die eigene Person ein.
Diese Anträge werden zurückgewiesen.
Es kann keine geänderte Sachlage hinsichtlich einer, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen dauernden Erwerbsunfähigkeit erkannt werden.
Es liegen drei Sachverständigengutachten vor, die den Eintritt Ihrer dauernden Erwerbsunfähigkeit NICHT vor Vollendung des 21. Lebensjahres ausweisen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass unzulässige Anträge von der Abgabenbehörde zurückgewiesen werden müssen.
Dies zum Beispiel, wenn wie im vorliegenden Fall zu einem Antrag bei gleicher Sach- und Rechtslage eine bereits in Rechtskraft erwachsene Erledigung vorliegt. Auf die rechtskräftige Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zum Familienbeihilfenanspruch für die eigene Person vom wird verwiesen
."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass seine Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei.
Beigelegt wurden
- ein Begleitbrief "Arbeitsunfähigkeit - 21 Jahre", in dem er die Arbeitsunfähigkeit seit seiner Jugend darlegt. Insbesondere weist er darauf hin, dass die Arbeit im ***1*** (von bis ) keine reguläre Arbeitsstelle gewesen sei, sondern nur eine Stelle in einem sozialökonomischen Betrieb mit dem Ziel arbeitsunfähige Jugendliche erst arbeitsfähig zu machen,
- Unterlagen über das ***1***,
- Fachärztliches psychiatrisches Gutachten Dris. ***2***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, vom , in der sie ausführt, dass beim Beschwerdeführer durch Vernachlässigung, Gewalt, Alkohol, Mobbing etc. in der Kindheit eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen sei. Auch weist sie darin auf die von ihr bereits am verfasste Stellungnahme hin, die zur Gutachtenerstellung im Februar 2020 an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen übermittelt und vom Sozialministeriumservice bereits in die Gutachtenerstellung eingeflossen war. Im neuen ärztlichen Gutachten vom führt Frau Dr. ***2*** aus: "Bei Herrn ***Bf1*** war zusammenfassend seit dem Jugendalter keine Selbsterhaltungsfähigkeit vorhanden. Bei der Beurteilung wegen des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe müsse unbedingt die frühkindliche Entwicklungsstörung, die schon juvenil starke Ausprägung der Depressionen und Angststörungen und auch die Arbeitszeitenaufzeichnungen, die ein authentisches Bild der massiv eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zeigen, berücksichtigt werden." und
- der Zurückweisungsbescheid vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen und begründend ausgeführt:
"Sachverhalt:
Am brachte der Beschwerdeführer (BF) (wiederholt) Anträge auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (Formular Beih100) und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (Formular Beih3) für die eigene Person ein.
Diese Anträge wurden mit Bescheid vom wegen bereits rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen mit der Begründung, dass keine geänderte Sachlage hinsichtlich einer, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen dauernden Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Auch liegen drei ärztliche Sachverständigengutachten vor, die den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit NICHT vor Vollendung des 21. Lebensjahres ausweisen, sondern mit 01/2003 (als der BF im 30. Lebensjahr stand). Im vorliegenden Fall, liegt eine rechtskräftige Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom zum Familienbeihilfenanspruch für die eigene Person zum Familienbeihilfe - Abweisungsbescheid vom vor.
In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid, eingelangt am , geht der nicht BF auf den Umstand der Zurückweisung selbst ein und bringt keinen Grund vor, nach dem die Zurückweisung unzulässig gewesen sei.
Er bringt inhaltlich vor, dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung 21. Lj, nämlich in der Jugend eingetreten sei. Er legt zum Nachweis einen Begleitbrief "Arbeitsunfähigkeit-21 Jahre" vor, in dem er die Arbeitsunfähigkeit seit Jugend darlegt. Insbesondere weist er darauf hin, dass die Arbeit im
***1*** (von bis ) keine reguläre Arbeitsstelle gewesen sei, sondern nur eine Stelle in einem sozialökonomischen Betrieb mit dem Ziel arbeitsunfähige Jugendliche erst arbeitsfähig zu machen. Unterlagen über das ***1*** wurden ebenfalls vorgelegt. Weiter wurde ein psychiatrisches Gutachten von Fr. Dr. ***2*** vom vorgelegt, in der sie angab, dass beim BF durch Vernachlässigung, Gewalt, Alkohol, Mobbing etc. in der Kindheit eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen sei. Auch weist sie darin auf die von ihr bereits am verfasste Stellungnahme hin, die zur Gutachtenerstellung im 02/2020 an das BSB übermittelt und vom SMS bereits in die Gutachtenerstellung eingeflossen war. Im neuen Gutachten vom schreibt Dr. ***2***: "Bei Herrn ***Bf1*** war zusammenfassend seit dem Jugendalter keine Selbsterhaltungsfähigkeit vorhanden. Bei der Beurteilung wegen des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe müsse unbedingt die frühkindliche Entwicklungsstörung, die schon juvenil starke Ausprägung der Depressionen und Angststörungen und auch die Arbeitszeitenaufzeichnungen, die ein authentisches Bild der massiv eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zeigen, berücksichtigt werden."
Tatsache ist, es liegen nach wie vor keine Befunde aus der Jugendzeit selbst über den damaligen Zustand des BF vor. Die Ärztin, die den Beschwerdeführer seit 2017 behandelt hat, hat nach den Schilderungen ihres Patienten eine Zusammenfassung über seinen Zustand in der Kindheit und Jugend verfasst und zieht daraus den Schluss, dass die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt war.
Bisheriger Verfahrenslauf:
1. Erstantrag: Mit Antrag vom beantragte der BF erstmals die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für die eigene Person. Zur Beurteilung, ob die Anspruchsvoraussetzungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erfüllt sind, wurde ein ärztliches Gutachten eingeholt, die Begutachtung erfolgte durch eine Fachärztin für Psychiatrie:
Gutachten des Sozialministeriumservice vom GZ: 15564168000043
Grad der Behinderung: 50% ab , dauernd erwerbsunfähig: ja
Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres: nein.
Bei Nichterfüllung der Anspruchsvoraussetzungen wurde der Antrag vom mit Bescheid vom abgewiesen.
2. Beschwerdeverfahren: Gegen diesen Bescheid wurde am eine Beschwerde eingebracht. Nach Übermittlung weiterer Befunde an BSB (Stellungnahme Dr.
***2*** v. ) wurde zur Erledigung der Beschwerde neuerlich ein ärztliches Gutachten angefordert, das von einem Allgemeinmediziner erstellt wurde.
Gutachten des Sozialministeriumservice vom GZ: 15564168000055
Grad der Behinderung: 50% ab , dauernd erwerbsunfähig: ja.
Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres: nein
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung am abgewiesen.
3. Mit Anruf am bemängelte der BF, dass bei Erstellung des Gutachtens am jene Befunde nicht berücksichtigt wurden, die im Wege der Beschwerde vorgelegt wurden. Der Bescheid vom (Beschwerdevorentscheidung vom zum Abweisungsbescheid vom ) wurde aufgehoben und war die Beschwerde vom zum Abweisungsbescheid vom als unerledigt anzusehen.
Ein weiteres ärztliches Gutachten wurde am unter Übermittlung aller, im Beschwerdeverfahren vorgelegten (weiteren) Befunde angefordert
Gutachten des Sozialministeriumservice vom GZ: 15564168000067
Grad der Behinderung: 50% ab , dauernd erwerbsunfähig: ja.
berücksichtigte Befunde:
04/1991: sogenannte Adolezentenkrise.
05/1991: Borderline Persönlichkeit, Depressio DD Adolezentenkrise
07/1991: Identitätsstörung
11/1991: Stellungskommission - untauglich
09/1992: Antriebsminderung und Lustlosigkeit
01/1994 Nervenfachärztliches Attest für die Polizei
Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres: nein.
Stellungnahme des begutachtenden Arztes:
Eine maßgebliche Änderung ergibt sich aus den nachgereichten Befunden nicht. Dass bereits früher psychische Probleme unter unterschiedlichen Diagnosen mit Behandlungen bestanden, wurden nie abgestritten, hieraus ergibt sich aber keine seit der Jugend bestehende Erwerbsunfähigkeit - was auch durch die im Versichertendatenauszug gezeigten wiederkehrende Erwerbstätigkeiten über insgesamt doch 10 Jahre hinaus, in denen offensichtlich damit eine Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben war, gezeigt wird.
In einem Attest von 01/1994 (21. Lebensjahr!) wird die negativistische Ausgangslage als überwunden bezeichnet und eine Stabilisierung der Persönlichkeitsstruktur bescheinigt.
Mit Befund von 08/2011 (38. LJ.) dann wieder (erneuter) Therapiebeginn bescheinigt.
Vermerk: Nach erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung (Lehre) wurde durch regelmäßige Erwerbstätigkeit eine Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht und gehalten.
Die jahrelange Erwerbstätigkeit begründete einen Pensionsanspruch.
4. Vorlage an das Bundesfinanzgericht
Die Beschwerde vom wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dazu erging am folgende Entscheidung: Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Im Erkenntnis wird ausgeführt: Im beschwerdegegenständlichen Fall liegen drei Gutachten von Sachverständigen vor, die im Ergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher vorhandener und vorgelegter Unterlagen zum Schluss kommen, dass die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.
Gegen dieses BFG-Erkenntnis bestand für den Beschwerdeführer die Möglichkeit ein weiteres Rechtsmittel (Revision an den Verwaltungsgerichtshof) zu erheben und die Entscheidung des BFG vom VwGH überprüfen und gegebenenfalls ändern zu lassen. Da dies nicht erfolgt ist, ist die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes in Rechtskraft erwachsen und nicht mehr bekämpfbar.
Rechtliche Beurteilung:
§ 2 Abs 1 FLAG lautet: Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,....
§ 8 Abs 5 FLAG: Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3, des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. 22, 1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Abs 6: Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behinderten wesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
Nach den drei Sachverständigengutachten trat die dauernde Erwerbsunfähigkeit erst im Jänner 2003 ein, als der BF im 30. Lebensjahr stand, daher nicht vor dem 21. Lebensjahr. Aus diesem Grund erging auch die rechtskräftige Abweisung durch das BFG.
Zur Geltungsdauer von Familienbeihilfenabweisungsbescheiden gilt nach ständiger Rechtsprechung (), dass ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt, jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.
Die Entscheidung des BFG wurde am erlassen. Bis zu dieser Entscheidung liegt jedenfalls "res iudicata" vor.
Ein neues ärztliches Sachverständigen-Gutachten wird seitens der Abgabenbehörde nicht angefordert, da alle vorhandenen Befunde, bereits dreimal vom Sozialministeriumsservice begutachtet wurden. Es gab offensichtlich keine Behandlungen in der Jugend und hat das Sozialministeriumservice bisher den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit immer mit dem Pensionsantritt angesetzt.
Befunde, die das für den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit relevante 21. Lebensjahr betreffen und damals erstellt wurden, liegen nicht vor. Neue Befunde, die im Nachhinein den Zustand des Beschwerdeführers in der Vergangenheit beurteilen, können nicht die Feststellung des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr herbeiführen. Dies ist daraus ersichtlich, dass die Stellungnahme von Frau Dr.
***2***, Facharzt für Psychiatrie, vom im zweiten erstellten BSB-Gutachten vom auch nicht dazu führte, dass festgestellt werden konnte, dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr gelegen sei. Frau Dr. ***2***, gab im Schreiben vom an, dass der Beschwerdeführer seit 02/2017 bei ihr in Behandlung ist und in der Kindheit durch Vernachlässigung, Gewalt, Alkohol, Mobbing etc. eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen sei. Auch weist sie darin auf die von ihr bereits am verfasste Stellungnahme hin, die zur Gutachtenerstellung im 02/2020 an das BSB übermittelt und vom SMS bereits in die Gutachtenerstellung eingeflossen war.
Das erste Gutachten des SMS erfolgte bereits durch eine Fachärztin der Psychiatrie, die weiteren zwar durch einen Allgemeinmediziner, jedoch wurde in der Stellungnahme des Gutachtens vom ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit des BF eingegangen. Darin ist ersichtlich, dass nicht nur die Erwerbstätigkeit beim
***1***, sondern auch die anderen Erwerbstätigkeiten, verteilt über 10 Jahre, dazu führten, dass der BF seit seinem 30. Lebensjahr eine unbefristete Invaliditätspension erhielt. Aufgrund des Grundsatzes, dass derselbe bereits abschließend rechtskräftig entschiedene Sachverhalt nicht ein zweites Mal entschieden werden kann (Grundsatz "ne bis in idem") und keine Änderung der Rechts-und Sachlage vorliegt (Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem vollendeten 21. Lebensjahr), wird die Beschwerde abgewiesen."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine weitere Beschwerde, die als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gewertet wird. In der Begründung wurde ausgeführt:

[...]

Beigelegt wurde die Meldebestätigung der Stadt ***3*** vom , dass der Beschwerdeführer vom bis mit HWS in ***3*** gemeldet war.

In der Stellungnahme des Vorlageberichtes des Finanzamtes vom wurde unter Zitierung der §§ 2 Abs. 1 lit. c, 8 Abs. 5 und Abs. 6 FLAG 1967 ausgeführt:
"Nach den drei vorhandenen Sachverständigengutachten, in denen alle vorgelegten Befunde aus dem für den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit relevanten Zeitraum berücksichtigt wurden, trat die dauernde Erwerbsunfähigkeit erst im Jänner 2003 ein, als der BF im 30. Lebensjahr stand, daher nicht vor dem 21. Lebensjahr.
Aus diesem Grund erging auch die rechtskräftige Abweisung durch das BFG.
Zur Geltungsdauer von Familienbeihilfenabweisungsbescheiden gilt nach ständiger Rechtsprechung (), dass ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt, jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.
Die Entscheidung des BFG wurde am erlassen. Bis zu dieser Entscheidung liegt jedenfalls "res iudicata" vor.
Zum Vorbringen und den Unterlagen im Vorlageantrag wird ausgeführt:
Alle vorhandenen für den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr relevanten Befunde wurden bereits dreimal vom Sozialministeriumsservice begutachtet.
Es gab auch laut Aussage des BF und Fr. Dr. Dr.
***2*** offensichtlich keine Behandlungen in der Jugend und hat das Sozialministeriumservice bisher den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit immer mit dem Pensionsantritt angesetzt. Befunde, die das für den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit relevante 21. Lebensjahr betreffen und damals erstellt wurden, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der BF angibt, dass Personen in der Kindheit die Behinderung aufgefallen sei, deutet zwar auf eine vorhandene Behinderung hin, aber mangels Vorliegen von ärztlichen Befunden aus dieser Zeit, sind diese Angaben nicht belegt.
Neue Befunde (wie das ärztliche Gutachten von Dr.
***2*** von ), die im Nachhinein den Zustand des Beschwerdeführers in der Vergangenheit beurteilen, können nicht die Feststellung des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr herbeiführen. Dies ist daraus ersichtlich, dass die Stellungnahme von Frau Dr. ***2***, Facharzt für Psychiatrie, vom im zweiten erstellten BSB-Gutachten vom auch nicht dazu führte, dass festgestellt werden konnte, dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr gelegen sei. Frau Dr. ***2***, gab im Schreiben vom an, dass der Beschwerdeführer seit 02/2017 bei ihr in Behandlung ist und in der Kindheit durch Vernachlässigung, Gewalt, Alkohol, Mobbing etc. eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen sei. Auch weist sie darin auf die von ihr bereits am verfasste Stellungnahme hin, die zur Gutachtenerstellung im 02/2020 an das BSB übermittelt und vom SMS bereits in die Gutachtenerstellung eingeflossen war. Das erste Gutachten des SMS erfolgte bereits durch eine Fachärztin der Psychiatrie, die weiteren zwar durch einen Allgemeinmediziner, jedoch wurde in der Stellungnahme des Gutachtens vom ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Eintrittes der dauernden Erwerbsunfähigkeit des BF eingegangen. Darin ist ersichtlich, dass nicht nur die Erwerbstätigkeit beim ***1***, sondern auch die anderen Erwerbstätigkeiten, verteilt über 10 Jahre, dazu führten, dass der BF seit seinem 30. Lebensjahr eine unbefristete Invaliditätspension erhielt.
Aufgrund des Grundsatzes, dass derselbe bereits abschließend rechtskräftig entschiedene Sachverhalt nicht ein zweites Mal entschieden werden kann (Grundsatz "ne bis in idem") und keine Änderung der Rechts-und Sachlage vorliegt (Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem vollendeten 21. Lebensjahr), wurde die Beschwerde mit BVE vom abgewiesen
."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Es ist ständige Rechtsprechung des VwGH, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. zu § 68 AVG; ).

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (vgl. ).

Formelle Rechtskraft bedeutet, dass ein Bescheid durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. , 0275). Materielle Rechtskraft bedeutet Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (vgl. ). Die materielle Rechtskraft tritt mit der wirksamen Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides ein. Die BAO (zB § 302 Abs 2 lit a) verwendet den Begriff der Rechtskraft im formellen Sinn (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 92 Rz 5).

Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2, § 26 Rz 3).

Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2, § 13 Rz 25; vgl. ).

Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. ; ; ; u.v.a.).

Gegen das Erkenntnis des , wurde vom Beschwerdeführer kein Rechtsmittel erhoben, somit ist dieses in formelle Rechtskraft erwachsen.

Die Sachlage gegenüber dem Erkenntnis des , hat sich nicht geändert: das ggst. Beschwerdevorbringen beinhaltet keine neuen Tatsachen oder Beweismittel über das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit des Bf. vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Auch das fachärztliche psychiatrische Gutachten Dris. ***2***, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, vom wiederholt das Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorverfahren und verweist auf die Stellungnahme der Ärztin vom , die auch bereits im Vorverfahren Berücksichtigung gefunden hat. Der Beschwerdeführer ist erst seit 2017 bei ihr in Behandlung, damals war der Bf. bereits 43 Jahre alt.
Ergänzende medizinische Befunde aus der Jugendzeit, aus denen hervorgeht, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit des Bf. vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorgelegen ist, wurden nicht vorgelegt.

In diesem Zusammenhang wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auch auf die Feststellungen im rechtskräftigen Erkenntnis des , und die umfangreichen Ausführungen in der Stellungnahme des Vorlageberichtes des Finanzamtes vom verwiesen.

Auch die anzuwendenden Rechtsvorschriften des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben sich inzwischen nicht geändert. Die anzuwendenden Normen sind unverändert geblieben.

Der bekämpfte Zurückweisungsbescheid vom ist daher nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet und die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100125.2024

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