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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.05.2024, RV/7104473/2015

Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010, 2011, 2012 und 2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden im Sinne der Beschwerdevorentscheidungen abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am reichte der Beschwerdeführer (Bf) seine Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 ein. Darin wurden ua die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen betreffend Behinderung seines Sohnes beantragt.

Mit Ergänzungsersuchen vom sowie vom ersuchte die belangte Behörde um Vorlage weiterer Unterlagen im Zusammenhang mit den außergewöhnlichen Belastungen. Mit Beantwortungsschreiben vom und wurden die angeforderten Unterlagen vorgelegt.

Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2009 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Sohn des Bf keine auswärtige Berufsausbildung absolviere und daher kein Anspruch auf den beantragten pauschalen Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung bestünde. Weiters wurde angeführt, dass der Kostenbeitrag direkt vom Pflegegeld einbehalten würde und daher nicht berücksichtigt werden könne. Die Wartungskosten für den Treppenlift würden keine Kosten für Hilfsmittel darstellen und könne daher nicht anerkannt werden. Die beantragten Kosten für Emotioncenter, Kerzentherapie und Körperkerzen sowie Bioresonanz würden mangels ärztlicher Verordnungen als Nachweis für die geforderte Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können. Die beantragten Fahrtkosten würden nicht anerkannt werden, da diese aufgrund von Beihilfen abgegolten worden wären.

Mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2010 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Sohn des Bf keine auswärtige Berufsausbildung absolviere und daher kein Anspruch auf den beantragten pauschalen Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung bestünde. Weiters wurde angeführt, dass der Kostenbeitrag direkt vom Pflegegeld einbehalten würde und daher nicht berücksichtigt werden könne. Die Wartungskosten für den Treppenlift würden keine Kosten für Hilfsmittel darstellen und könne daher nicht anerkannt werden. Die beantragten Fahrtkosten würde nicht anerkannt werden können, da diese aufgrund von Beihilfen abgegolten worden wären.

Mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2011 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Sohn des Bf keine auswärtige Berufsausbildung absolviere und daher kein Anspruch auf den beantragten pauschalen Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung bestünde. Weiters würden die beantragten Kosten laut Honorarnote für Bioresonanz/Vitalfeldtherapie mangels ärztlicher Verordnung für den Nachweis der geforderten Zwangsläufigkeit nicht anerkannt werden können. Die beantragten Fahrtkosten würden nicht anerkannt werden können, da diese aufgrund von Beihilfen abgegolten worden wären.

Mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2012 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Sohn des Bf keine auswärtige Berufsausbildung absolviere und daher kein Anspruch auf den beantragten pauschalen Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung bestünde. Weiters wurde angeführt, dass der Kostenbeitrag direkt vom Pflegegeld einbehalten würde und daher nicht berücksichtigt werden könne. Die Wartungskosten für den Treppenlift würden keine Kosten für Hilfsmittel darstellen und daher nicht anerkannt werden können. Die beantragten Kosten laut Rechnung für Cranio-Sacrale-Balance würden mangels ärztlicher Verordnung für den Nachweis der geforderten Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können. Die Kosten betreffend Kuraufenthalt wären um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Die beantragten Fahrtkosten würden nicht anerkannt werden können, da diese aufgrund von Beihilfen abgegolten worden wären.

Mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2013 abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Sohn des Bf keine auswärtige Berufsausbildung absolviere und daher kein Anspruch auf den beantragten pauschalen Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung bestünde. Weiters wurde angeführt, dass der Kostenbeitrag direkt vom Pflegegeld einbehalten würde und daher nicht berücksichtigt werden könne. Die Wartungskosten für den Treppenlift würden keine Kosten für Hilfsmittel darstellen und würden daher nicht anerkannt werden können. Die beantragten Kosten laut Rechnung für Energetische Behandlungen würden mangels ärztlicher Verordnung nicht anerkannt werden können. Die Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine, Vitalpilzkapseln, Tee, Goji Beeren und Grapefruitkernextrakt würden mangels ärztlicher Verordnung nicht als Kosten für Heilbehandlung anerkannt werden können. Die beantragten Fahrtkosten würden nicht anerkannt werden können, da diese aufgrund von Beihilfen abgegolten wären.

Mit Eingabe vom wurde zeitgerecht Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 erhoben. Darin wurde beantragt, die Aufwendungen für die Wartung des Treppenliftes als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung des Sohnes anzuerkennen. Ebenso wurde beantragt die Aufwendungen für alternative Heilbehandlungen (Emotioncenter, Kerzentherapie, Bioresonanz/Vitalfeldtherapie, Cranio Sacrale Balance und Energetische Behandlungen) als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Weiters wurde beantragt die Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Begründend wurde angeführt, dass auch Therapieformen die nicht zu den anerkannten wissenschaftlichen Heilbehandlungsmethoden zählen, außergewöhnliche Belastungen darstellen würden. In den Fällen einer Dauerbehinderung (100%) wären bereits Aufwendungen für Maßnahmen zur Stabilisierung bzw. Erhaltung des (aktuellen) Gesundheitszustandes Aufwendungen im Sinne des § 34 und § 35 EStG. Ein Versuch mit diesen Therapien wäre gerechtfertigt, weil sie als Ergänzung zu den konventionellen Therapien eine Lockerung der Spastik mit sich bringen würden.

In der Beschwerdevorentscheidung 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 jeweils vom wurde der jeweiligen Beschwerde teilweise stattgegeben. Begründend wurde ausgeführt (für alle Beschwerdevorentscheidungen gleichlautend), dass als Kosten der Heilbehandlung Leistungen absetzbar wären, die von Ärzten erbracht werden. Leistungen von nicht ärztlichem Personal wären nur dann absetzbar, wenn diese durch Ärzte verschrieben worden sind bzw. ein Teil der Kosten vom Sozialversicherungsträger übernommen werde. Ebenso verhielte es sich mit Nahrungsergänzungsmitteln und rezeptfreien Medikamenten. Aufwendungen aus dem Bereich der Alternativ- und Naturmedizin, für beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel, kinesiologische Behandlungen oder Massagen wären als außergewöhnliche Belastung dann anzuerkennen, wenn die medizinische Notwendigkeit durch ärztliche Verordnungen nachgewiesen werden würde. Da ärztliche Verordnungen für die geltend gemachten Behandlungen nicht vorgelegt worden wären, hätten die Ausgaben nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können. Die Wartungskosten für den Treppenlift wurden anerkannt.

Mit Eingabe vom wurde beantragt die Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2010, 2011, 2012 und 2013 dem Bundesfinanzgericht vorzulegen (Vorlageantrag). Kein Vorlageantrag wurde betreffend Einkommensteuer 2009 eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Nichtanerkennung der Aufwendungen für Emotioncenter, Kerzentherapie, Bioresonanz/Vitalfeldtherapie, Cranio Sacrale Balance, Energetische Behandlungen sowie spezielle Nahrungsergänzungsmittel der Vorlageantrag gestellt wurde. Demnach ginge es bei der Beurteilung von Aufwendungen im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer schweren Behinderung nicht ausschließlich darum ob hinter jeder Maßnahme die das Voranschreiten der Behinderung verzögern bzw. lindern solle eine Verordnung oder Empfehlung eines Schulmediziners Deckung finde. Vielmehr wären in den Fällen einer Dauerbehinderung bereits Aufwendungen für Maßnahmen zur Stabilisierung bzw. Erhaltung des aktuellen Gesundheitszustandes Kosten im Sinne des § 34 und § 35 EStG zuzurechnen.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerden für die Jahre 2010 bis 2013 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde beantragte die in der Beschwerde angeführten Aufwendungen nicht anzuerkennen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn des Bf ist zu 100% behindert und bewegungsunfähig. Erhöhte Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag sowie eine pflegebedingte Geldleistung werden bezogen. Folgende Therapien wurden in Ergänzung zu den konventionellen Therapien in Anspruch genommen und wurden in den jeweiligen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung sowie in den Beschwerden als außergewöhnliche Belastung beantragt, von der belangten Behörde jedoch weder im Erstbescheid noch in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt:

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass vom Emotioncenter 1. Stk Pyramide zu einem Gesamtbetrag von 230,00 Euro erworben wurde. Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass vom Emotioncenter insgesamt 9 Emotionscans
(1 Stunde Nachbehandlung) zu einem Gesamtbetrag von 630,00 Euro durchgeführt wurden.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass eine Bioresonanz/Vitalfeldtherapie mit Energieausgleich, Farbtherapie, Toxinausleitung, Schwermetallausleitung, Mykosetherapie, Narbenentstörung, Meridiandurchflutung, Allergien, Schmerztherapie und Nervregenation zu einem Gesamtbetrag von 626 Euro durchgeführt wurde.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass eine Cranio-Sacrale-Balance Behandlung zu einem Gesamtbetrag von 100 Euro durchgeführt wurde.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass zehn energetische Behandlungen Pranic-Energy-Healing zu einem Gesamtbetrag von 500 Euro durchgeführt wurden.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass betreffend Körperkerzentherapie 1 Starterset zu einem Gesamtbetrag von 201,60 Euro erworben wurde. In der Beschwerde wurde beantragt die Aufwendungen für Kerzentherapie anzuerkennen. Der Leistungszeitraum sowie das Rechnungsdatum befinden sich außerhalb des vom Vorlageantrag erfassten Zeitraums. Die vorgelegte Rechnung kann daher rechtlich nicht gewürdigt werden.

Für keine der oa Therapien wurde ein ärztlicher Behandlungsplan, eine ärztliche Verordnung oder dergleichen vorgelegt.

Aufgrund der Behinderung des Sohnes wurden spezielle Nahrungsergänzungsmittel im Jahr 2013 angeschafft und im Rahmen des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung 2013 als außergewöhnliche Belastung beantragt, von der belangten Behörde aber weder im Erstbescheid noch in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass Goji Beeren und Reishi L Kapseln (die Kapseln enthalten reines Pulver vom getrockneten Reishi-Pilz) zu einem Gesamtbetrag von 87,20 Euro erworben wurden. Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass Garcinia Camb 400 MG Kapseln (die Kapseln enthalten eine Fruchtsäure der Pflanze Tamarinde) zu einem Gesamtbetrag von 18,50 Euro erworben wurde. Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass Hericium 250 MG Kapseln (die Kapseln enthalten ein Pulver aus Pilzfruchtkörpern) und Sidroga Tee Wellness Grün Rein zu einem Gesamtbetrag von 35,05 Euro erworben wurden. Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass Grapefruit Kern Extr Cisamen 20 ML und Vitamin C + Zink Kapseln zu einem Gesamtbetrag von 22,25 Euro erworben wurden.

Für keine dieser Nahrungsergänzungsmittel wurde ein ärztliches Rezept, ein ärztlicher Behandlungsplan, eine ärztliche Verordnung oder dergleichen vorgelegt.

Aufgrund der Behinderung und der damit einhergehenden Bewegungsunfähigkeit des Sohnes wurde ein Treppenlift im Wohnhaus eingebaut. Die damit einhergehenden Wartungsaufwendungen wurden in den jeweiligen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung als außergewöhnliche Belastung beantragt, von der belangten Behörde im Erstbescheid jedoch nicht berücksichtigt. In den jeweiligen Beschwerdevorentscheidungen kam es zur Anerkennung sämtlicher diesbezüglicher Aufwendungen.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass die ***Fa1*** eine Prüfung Treppenaufzug zu einem Gesamtbetrag von 102,00Euro durchgeführt hat. Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass die ***Fa2*** eine Wartung des Treppenlifts zu einem Gesamtbetrag von 260,40 Euro durchgeführt hat. Dies ergibt einen Gesamtbetrag für 2010 von 362,40 Euro.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass die ***Fa3*** eine Wartung des Treppenlifts zu einem Gesamtbetrag von 266,40 Euro durchgeführt hat.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass die ***Fa1*** eine Prüfung des Treppenaufzugs zu einem Gesamtbetrag von 108 Euro durchgeführt hat.

Aus einer vorgelegten Rechnung vom geht hervor, dass von der ***Fa3*** eine Wartung des Treppenlifts zu einem Gesamtbetrag von 283,20 Euro durchgeführt wurde.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung erfolgte aufgrund des Vorbringens des Bf sowie der von der belangten Behörde vorgelegten Akten. Gewürdigt wurden die im bisherigen Verfahren vorgelegten Beweismittel, insbesondere die im bisherigen Beschwerdeverfahren vorgelegten und bezahlten Rechnungen. Die Beschwerdepunkte betreffen die Berücksichtigung der Aufwendungen für alternativmedizinische Behandlungen und Therapien, die Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel sowie die Aufwendungen für den Treppenlift. Die Kategorisierung der in Anspruch genommenen Therapien als Alternativmedizin bzw als Nahrungsergänzungsmittel ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gem § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Gem § 264 Abs 3 gilt die Bescheidbeschwerde als unerledigt wenn ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wurde. Im gegenständlichen Fall wurde gegen die Beschwerdevorentscheidung 2010, 2011, 2012 und 2013 ein Vorlageantrag eingereicht. Gegen die Beschwerdevorentscheidung 2009 wurde kein Vorlageantrag eingebracht. Die Bescheidbeschwerde 2009 gilt somit durch die Beschwerdevorentscheidung 2009 als erledigt.

Gem. § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2)

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3)

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gem. § 34 Abs 2 EStG ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gem. § 34 Abs 3 EStG erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gem. § 34 Abs 4 EStG beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 in Verbindung mit Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gem. § 34 Abs 6 EStG können folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

  1. Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.

  2. Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs 8.

  3. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

  4. Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs 5).

  5. Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des
    § 35 Abs 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderungohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 Abs 1 EStG lautet: Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

  1. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

  2. bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs 3),

  3. ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs 4 Z 1 von höchstens 6.312 Euro jährlich erzielt,

  4. durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs 3) zu.

Gem. § 35 Abs 5 EStG können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs 6).

§ 1 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 lautet: Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

  1. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung.

  2. bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs 3 EStG 1988) oder

  3. ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des
    (Ehe-)Partners (§ 106 Abs 3 EStG), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs 4 Z 1 EStG von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt, oder

  4. bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs 1 und 2 EStG), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

so sind die in den § 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Gem. § 1 Abs 2 der Verordnung liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gem. § 1 Abs 3 der Verordnung sind die Mehraufwendungen gemäß § 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG zu kürzen.

Gem. § 2 Abs 1 der Verordnung sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro, bei Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro, Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro pro Kalendermonate zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

§ 3 Abs 1 der Verordnung normiert, dass für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich zu berücksichtigen ist. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gem. § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gem. § 2 Abs 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gem. § 2 Abs 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gem. § 4 Abs 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.

Gem. § 4 der Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Gem. § 5 Abs 1 der Verordnung sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gem. § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage zu berücksichtigen. Gem. § 5 Abs 3 sind zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs 1 auch Aufwendungen gem. § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Der Bf ist grundsätzlich berechtigt, gem § 34 Abs 1 und Abs 6, § 35 Abs 1 und Abs 5 EStG iVm
§ 5 Abs 1, Abs 3 und § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu beantragen.

Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel iSd § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw zu mildern wie beispielsweise Treppenlifte (vgl Peyerl in Jakom EStG16 (2023), § 35 Rz 25, 26).

Im gegenständlichen Fall wurde der Treppenlift aufgrund der Behinderung und der damit einhergehenden Bewegungsunfähigkeit des Sohnes des Bf eingebaut. Der Lift wird nur durch den behinderten Sohn benutzt. Der Treppenlift ist somit geeignet die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu mildern. Die Aufwendungen für die Wartung und Prüfung des Treppenliftes stellen somit für das Jahr 2010 iHv 362,40 Euro, für das Jahr 2011 iHv 266,40 Euro, für das Jahr 2012 iHv 108 Euro und für das 2013 iHv 283,20 Euro abzugsfähige Aufwendungen iSd § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen dar.

Kosten der Heilbehandlung iSd § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien. Aufwendungen für alternativmedizinische Behandlungen sind absetzbar, wenn die Zwangsläufigkeit mittels ärztlicher Verordnung (vgl ) oder anderweitig wie etwa der teilweisen Kostenübernahme durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger (vgl ) nachgewiesen wird. Entscheidend ist, ob die Wirkungsweise einer Behandlung im konkreten Einzelfall hinreichend nachgewiesen wird (vgl RV/0427-G/06). § 34 EStG gibt für die Form des Nachweises keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Einen geeigneten Nachweis, für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme, stellt eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes und damit vor der Anwendung erstellte, ärztliche Verordnung dar. Eine außergewöhnliche Belastung kann anerkannt werden, wenn durch ein ärztliches Gutachten nachgewiesen wird, dass die Behandlung aus medizinischen Gründen zur Heilung oder Linderung der Krankheit erforderlich ist (vgl.
RV /7104331/2016; ; ; ). Eine Maßnahme zur therapeutischen Behandlung einer Krankheit erfordert nach der Rechtsprechung ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren (vgl. ).

Alternativmedizin ist ein Überbegriff für therapeutische Verfahren außerhalb der etablierten Medizin (Schulmedizin). Diese Verfahren werden ergänzend zur etablierten Medizin genutzt. Komplementärmedizinische Methoden basieren auf anderen Modellen der Krankheitsentstehung und -behandlung als die Schulmedizin. Komplementärmedizinische Verfahren werden auch von Personen außerhalb der Gesundheitsberufe als Dienstleistung angeboten. In Österreich dürfen diese Personen keine Diagnosen stellen und nicht therapieren. Daher bewegen sich diese gewerblichen Anbieter vorwiegend in der Gesundheitsförderung und im Wellnessbereich (vgl Alternativmedizin A bis Z | UNIQA Österreich).

Bei den im gegenständlichen Fall durchgeführten Behandlungen Emotionscans, Bioresonanz/Vitalfeldtherapie, Cranio-Sacrale-Balance-Behandlung sowie Pranic-Energy-Healing handelt es sich zweifellos nicht um Schulmedizin sondern um alternativmedizinische Behandlungsformen.

Mangels Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsplanes, einer ärztlichen Verordnung oder dgl wird den oa Anforderungen an die Nachweisführung für die Anerkennung der gegenständlichen alternativmedizinischen Behandlungskosten nicht entsprochen. Die individuellen Wahrnehmungen des Vaters und Bf betreffend Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Sohnes sind zwar menschlich nachvollziehbar, laut ständiger Rechtsprechung aber nicht ausreichend um die geforderte Zwangsläufigkeit der Maßnahmen nachzuweisen.

Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, es sei denn der Nachweis der Zwangsläufigkeit kann mittels ärztlicher Verordnung () dargelegt werden, oder wenn sich medizinische Gründe aus medizinischer Fachliteratur und ärztlichen Befunden ergeben.

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, keine Arzneimittel. Sie unterschieden sich von anderen Lebensmitteln aufgrund der Dosierung und der Darreichungsform, wie zum Beispiel Kapseln oder Tabletten. Zweckbestimmung von Nahrungsergänzungsmitteln ist die Ergänzung der Ernährung oder die gezielte Versorgung mit bestimmten Lebensmittelinhaltsstoffen und nicht die Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden (vgl Nahrungsergänzungsmittel Informationen - AGES).

Bei den im gegenständlichen Fall erworbenen Produkte Reishi, Garcinia Camb 400 MG Kapseln, Goji Beeren, Hericium 250 MG Kapseln, Sidroga Tee Wellness, Grapefruit Kern Extr Cisamen 20 ML sowie Vitamin C - Zink Kapseln handelt es sich zweifellos um Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel.

Mangels Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsplanes, einer ärztlichen Verordnung oder dgl wird den oa Anforderungen an die Nachweisführung für die Anerkennung der gegenständlichen Nahrungsergänzungsmittel nicht entsprochen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage am eindeutigen Gesetzestext sowie an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104473.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at