Richterliche Rechtsfortbildung und ihre Grenzen
1. Aufl. 2019
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S. VVorwort
Bei vollständiger Gewaltenteilung haben die Gerichte das Recht anzuwenden; eine Befugnis zur Rechtssetzung kommt der dritten Staatsgewalt hingegen nicht zu. Im Unterschied zum angloamerikanischen Rechtskreis bildet das Richterrecht nach kontinentaleuropäischer Rechtstradition keine vollwertige Rechtsquelle (vgl auch § 12 ABGB). Dennoch ist die richterliche Rechtsfortbildung zumindest im Grundsatz allgemein anerkannt, wodurch den Gerichten zumindest ein gewisses Maß an Rechtsschöpfungskompetenz zugebilligt wird (vgl § 7 ABGB).
Die österreichische Judikatur war insofern lange von Zurückhaltung geprägt. In jüngerer Zeit wird der OGH aber häufiger und stärker rechtsfortbildend tätig. Manifestation sind aufsehenerregende Grundsatzurteile, die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum kontrovers diskutiert werden. Hingegen ist in Deutschland nach einer Phase besonders mutiger Rechtsfortbildungsschritte sogar die umgekehrte Tendenz einer „Rechtsrückbildung“ (Westermann) zu beobachten.
Mit der richterlichen Rechtsfortbildung geht die Gefahr einher, dass sich das tatsächlich verbindliche Recht immer weiter vom Gesetzesrecht entfernt. Auch bildet die Rechtsfortbildung eine Einfallspforte für gesetzesferne ...