Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.04.2024, RV/7500217/2024

Einstellung des Verfahrens nach Vorlage einer vermeintlichen Beschwerde, der es am anfechtenden Charakter einer Beschwerde fehlt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500217/2024-RS1
Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (). Ist dem Inhalt einer Parteierklärung unmissverständlich zu entnehmen, dass sie sich nicht gegen eine bereits ergangene Entscheidung der Behörde richtet (gegen deren Richtigkeit nichts vorgetragen wird), sondern einzig darauf abzielt, in der Zukunft nicht mehr belangt zu werden, ist ein solches Anbringen seitens des Bundesfinanzgerichts selbst dann nicht als Beschwerde in Behandlung zu nehmen, wenn die vorlegende Behörde im Vorlagebericht dennoch von einer Beschwerde gegen ein zuvor erlassenes Straferkenntnis ausgeht.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Herbert Schober BA in der Verwaltungsstrafsache (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006) hinsichtlich ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Anbringen vom in Zusammenhang mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom , GZ. MA67/GZ/2023, gemäß § 5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR) sowie § 24 Abs. 1 Satz 2 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) in Verbindung mit (iVm) § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) den Beschluss gefasst:

I.) Beim Anbringen vom handelt es sich um keine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG). Das durch die Vorlage der vermeintlichen Beschwerde beim Bundesfinanzgericht anhängig gewordene Verfahren ist daher einzustellen.

II.) Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 iVm Abs. 9 B-VG durch den Magistrat der Stadt Wien nicht zulässig.

Eine Revision durch den Einbringer des Anbringens wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 iVm Abs. 9 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Begründung

Im Rahmen einer Kontrolle stellte ein Organ der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien fest, dass das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) am um 12:06 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1120 Wien, Pohlgasse 10, abgestellt war und dass zum Beanstandungszeitpunkt ein gültiger Parkschein fehlte.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, der Magistratsabteilung (MA 67) vom wurde die Firma, als Zulassungsbesitzerin des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wem das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen worden war.

Mit fristgerechter E-Mail vom (Anhang: Lenkerauskunft) nannte die Zulassungsbesitzerin den nunmehrigen Einschreiter, Herrn ***Bf1*** als jene Person, der das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen war.

Mit Strafverfügung vom zu Zahl MA67/GZ/2023 lastete der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, Herrn ***Bf1*** an, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (A) am um 12:06 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1120 Wien, Pohlgasse 10 abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über Herrn ***Bf1*** eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Am erfolgte ein gegen diese Strafverfügung gerichteter Einspruch durch Herrn ***Bf1*** mit folgendem Inhalt: "da ich kein Geschäftsführer mehr bei der Firma2, ***Adr.1*** bin und nichtsmehr mit der Firma2 zu tun habe, senden Sie bitte keine rechtskräftige Strafe für dieFirmenautos mehr an meine Adresse Adr.Der derzeitige Geschäftsführer des Unternehmens **Firma1** ist Herr Herr."

Die Magistratsabteilung 67 erließ daraufhin das im Spruch dieses Beschlusses näher bezeichnete Straferkenntnis vom und verhängte über Herrn ***Bf1*** unter Wiederholung des Spruchs der Strafverfügung wiederum eine Geldstrafe von 60 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden. Ferner wurde dem Bf. gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ein Betrag von 10 Euro als (Mindest-)Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Der verspätet einbezahlte Betrag in Höhe von € 36,00 (Organstrafbetrag), sowie der eingezahlte Differenzbetrag in Höhe von € 34,00 wurden auf die verhängte Geldstrafe angerechnet. Der insgesamt von Herrn ***Bf1*** zu zahlende Betrag wurde von der belangten Behörde mit € 0,00 (Null Euro) festgelegt.

Auf die Begründung im Straferkenntnis wird mangels Entscheidungsrelevanz hier nicht weiter eingegangen.

Herr ***Bf1*** brachte mit E-Mail vom unter Angabe der GZ. MA67/GZ/2023 folgende Eingabe beim Magistrat der Stadt Wien ein: "ich bekomme immer wieder auf Privatname Straferkenntnis, die an die Firma2 weitergeleitetwerden sollten.Ich bin kein Funktionär im Unternehmen mehr, also senden Sie bitte in Zukunft an das Unternehmendirekt.Vielen Dank im Voraus."

Der Magistrat der Stadt Wien wertete diese Eingabe als Beschwerde und legte sie am unter Beifügung eines Vorlageberichtes ("Beschwerdevorlage") dem Bundesfinanzgericht samt den bezughabenen Akten vor. Als angefochtener Bescheid wird im Vorlagebericht das Straferkenntnis vom angegeben. Herr ***Bf1*** müsste gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 VwGVG in der Fassung BGBl. I 109/2021 eine Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien über die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhalten haben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe an (vgl. ). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen, somit auch Anbringen im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. ).

Bei der o.a. E.Mail des Herrn ***Bf1*** vom handelt es sich um keine Beschwerde. In der Eingabe wird nichts angefochten, d.h. als rechtswidrig (oder zumindest falsch) bezeichnet. Auch wenn es in der Auslegung einer Eingabe nicht formell um die Verwendung von Wörtern wie "Beschwerde" geht, so müsste zur Einstufung des Anbringens als Beschwerde doch zumindest materiell etwas vorgebracht werden, was dem anfechtenden Charakter einer Beschwerde entspricht. Dem oben wiedergegebenen Wortlaut der vermeintlichen Beschwerde vom ist ein derartiger Inhalt nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen. Die erwähnte Eingabe zielt vielmehr unmissverständlich darauf ab, in der Zukunft nicht mehr mit Straferkenntnissen belangt zu werden. Der Einschreiter trägt weder Argumente gegen die Richtigkeit des erwähnten Straferkenntnisses vom vor, noch ersucht er etwa um Rückerstattung jener Beträge, die er im Zusammenhang mit der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bereits entrichtet hat.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte u.a. über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Im vorliegenden Fall erfolgte durch die o.a. Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde eine Befassung des Bundesfinanzgerichts (Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen gemäß Art. 129 B-VG), das gemäß § 5 WAOR hinsichtlich des Bundeslandes Wien für die Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben zuständig ist.

Gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG hat die Verwaltungsbehörde, wenn sie von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen will, dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Gemäß § 34 Abs. 1 erster Satz VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass eine Pflicht des Bundesfinanzgerichtes wegen eines von der Verwaltungsbehörde (hier: Magistrat der Stadt Wien) vorgelegten Anbringens ein Beschwerdeverfahren durchzuführen und über dieses Anbringen zu entscheiden, nur bei Anbringen besteht, die eine (Bescheid)Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG darstellen.

Anbringen, die überhaupt nicht als Beschwerde zu qualifizieren sind, sind nicht in Behandlung zu nehmen, und es ist daher auch kein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 9 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) vorzunehmen. Es darf nämlich eine Parteienerklärung (Eingabe, Anbringen), die nach objektiver Auslegung des erklärten Parteiwillens keine Beschwerde darstellt, nicht nachträglich im Wege einer Mängelbehebung in eine wirksam eingebrachte Beschwerde umgewandelt werden.

Hinsichtlich des Anbringens vom besteht daher für das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegen einer Beschwerde keine Entscheidungspflicht gemäß § 34 VwGVG.

Das Bundesfinanzgericht hatte daher mittels des vorliegenden Beschlusses das bei ihm durch die Vorlage einer vermeintlichen Beschwerde anhängig gewordene Verfahren einzustellen. Eine Zurückweisung des Vorlageberichtes kam nicht in Betracht ( - Rechtssatz 1 mit Verweis auf VwGH-Rechtsprechung).

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm Abs. 9 B-VG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der vorliegende Beschluss beruht auf der Auslegung des Anbringens vom . Die Auslegung eines Anbringens geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. ; vgl. ). Daher ist die (ordentliche) Revision durch den Magistrat der Stadt Wien im gegenständlichen Fall für nicht zulässig zu erklären.

Für Herrn ***Bf1*** geht hingegen die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor (siehe Rechtsmittelbelehrung).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
Art. 129 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 5 WAOR, Wiener Abgabenorganisationsrecht, LGBl. Nr. 21/1962
§ 14 Abs. 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Art. 130 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 34 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 34 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 9 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 29 Abs. 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 50 Abs. 3 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 31 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 82 Abs. 3b VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 30 Z 4 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 64 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 14 Abs. 2 Satz 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7500217.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at