Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2024, RV/4100442/2020

Haftung res judicata

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Vn.Nn. in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Dr. Vn2.Nn. - Mag. Vn3.Nn, Rechtsanwälte, Str.***1***-Nr.x, Plz.St., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Stadt (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung gemäß § 9 Bundesabgabenordnung (BAO) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vorhalt vom :

Das Finanzamt teilte mit schriftlichem Vorhalt unter Darstellung der Rechtslage dem Bf. mit, dass es beabsichtige, ihn als selbständig, vertretungsbefugten Alleingeschäftsführer zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma Fa.X GmbH heranzuziehen. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, die Gründe, die zur Nichtentrichtung der angeführten Abgaben geführt haben darzulegen. Dem Beschwerdeführer wurde erklärt, dass er als Geschäftsführer für die Gleichbehandlung aller Gläubiger, insbesondere des Abgabengläubigers im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben, Sorge zu tragen gehabt hat. Um Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger wurde ersucht. Dem Ersuchen wurde der Rückstandsausweis des Finanzamtes vom als Beilage angeschlossen. Auf die VwGH Judikatur wurde verwiesen und diese erläutert.

Stellungnahme vom :

In der Stellungnahme vom übermittelte der Bf. die von ihm berechnete Aufstellung des Zahlungsverkehrs anhand des Firmenkontos bei der Bank für den Zeitraum 12/2009 bis 3/2011 und führte im Begleitschreiben aus, dass das Finanzamt 22,37% aller Zahlungen in diesem Zeitraum erhalten habe. Schriftlich führte der Bf. wörtlich aus:
"Weitere großen Anteile waren die Gehälter mit 20%, die Zahlungen für Vorführwagen und Ersatzteile an den Importeur von über 10% sowie die Gebietskrankenkasse von über 15%. Die Miete sei lediglich unregelmäßig bezahlt worden, da intensive Verhandlungen über eine Anpassung der zu hohen Miete auf den reduzierten Umsatz keinen Erfolg brachten."

Vorgelegt wurde die Umsatzliste des Kontokorrentkontos für den Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011. Zur wirtschaftlichen Entwicklung führte der Bf. aus, dass man ursprünglich von der Bank einen Kontokorrentrahmen iHv Euro 300.00,00 eingeräumt bekommen habe. Dieser habe nach Rücksprache mit der Bank auf bis zu Euro 450.000,00 ausgeweitet werden können.

Aus der Umsatzliste des Kontokorrentkontos bei der Bank ergibt sich, dass die GmbH bis zur Konkurseröffnung () folgende Ausgaben und Zahlungseingänge im Zeitraum Dezember 2009 bis März 2011 gehabt hat:


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Umsätze
Eingang
Ausgang
Finanzamt
  1. 417.988,73
Versicherung
  1. 48.224,79
Miete
  1. 110.985,00
Gebühren
  1. 15.424.96
Vorführwagenleasing
  1. 81.558,81
Gehälter
  1. 410.517,36
Energie Stadt
  1. 9.760,00
Gemeinde
  1. 7.761,98
Auto Monatsabrechnung
  1. 138.466,50
Gebrauchtwagengarantien
  1. 6.399,00
Gebietskrankenkasse
  1. 295.990,19
Lieferanten
  1. 299.511,94
Zinsen
  1. 25.653,86
Fahrzeuge
  1. 4,461.196,25
Einnahmen
6.278.167,07
ENDSALDO
  1. 490.366,37

Die Umsatzliste zum Bankkonto für den Zeitraum bis wurde beigelegt.

Daraus leitet sich ab, dass der negative Stand am Kontokorrentkonto bei der Bank sich von
Euro - 395.419,77 im Jahr 2009 auf Euro - 506.481,40 im Jahr 2010 erhöht hat.
Zum betrug der aushaftende Saldo am Konto bei der Bank: Euro - 690,366,37.

Zur Position "Fahrzeugzahlungen" bzw. "Fahrzeuge" führte der Bf. aus, dass diese einen Durchlauferposten darstellen, weil im Gegenzug für die Lieferung die Kunden das Fahrzeug bezahlt haben. Ohne Bezahlung der Fahrzeuge an den Importeur hätte man keine Fahrzeugpapiere bekommen. Eine Auslieferung an den Kunden wäre nicht möglich gewesen.

In den Monaten Jänner bis März 2011 wurden - entgegen der angekündigten Ratenzahlungen - an das Finanzamt keine Zahlungen mehr geleistet.

Insolvenzverfahren, Aktenzeichen ***2***:

Über die GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Stadt vom das Konkursverfahren eröffnet. Das Unternehmen und die Gesellschaft wurden im Zuge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst.

Am Abgabenkonto hafteten laut Rückstandsausweis vom Abgaben in Höhe von Euro 556.967,82 unberichtigt aus. Das Finanzamt meldete am Forderungen in Höhe von Euro 556.967,82 und am Forderungen in Höhe von Euro 120.399,68 an und begehrte die Anerkennung der Richtigkeit der Forderungen.

Die gesamten anerkannten Forderungen im Insolvenzverfahren betrugen Euro 2,335.821,61.

Die größten Gläubiger waren
- das Finanzamt, mit Forderungen in Höhe von Euro 556.967,82 und Euro 120.399,68;
-die Hausbank, mit Forderungen in Höhe von Euro 396.085,18;
-die Krankenkasse mit Forderungen iHv Euro 212.507,60;
-eine Bau GmbH mit Forderungen iHv Euro 138.101,47 (privat);
-die Firma ***1*** GmbH mit Forderungen iHv Euro 151.327,08.

Zur Verteilung gelangte der Betrag in Höhe von Euro 39.956,95. Die Massegläubiger wurden vollständig befriedigt. Auf die Konkursgläubiger entfiel eine Quote in Höhe von 1,71% (Schlussbericht des Masseverwalters vom ). An das Finanzamt wurden Euro 9.527,49 und Euro 2.059,56 ausgeschüttet.

Die Dauer des Verfahrens begründete sich auf einem zivilgerichtlichen Prozess. Das Landesgericht hob mit Beschluss vom den Konkurs auf. Mit Beschluss vom stellt das Gericht fest, dass die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig ist. Die Firma wurde am gemäß § 40 Firmenbuchgesetz gelöscht.

Antrag Zahlungserleichterung der Firma, vertreten durch den Beschwerdeführer, vom :

Das Bf. beantragte für die GmbH am die Abstattung des aushaftenden Abgabenrückstandes iHv Euro 266.732,70 in zwölf monatlichen Raten a Euro 10.000,00, beginnend mit und die Zahlung einer Restrate iHv Euro 146.732,70. Laut Aktenvermerk wurde die beantragte Zahlungserleichterung vorerst gewährt.

Haftungsbescheid vom :

Der Beschwerdeführer wurde mit Haftungsbescheid vom zur Haftung gemäß § 9 Bundesabgabenordnung (BAO) für unberichtigt aushaftende Abgabenschulden der Firma Fa.X in Höhe von Euro 212.753,80 herangezogen. Der Bf. wurde aufgefordert, diesen Betrag binnen einen Monat zu entrichten.

Die Abgaben wurden nach Abgabenart der Höhe nach gegliedert wie folgt dargestellt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
Oktober 2010
28.228,00
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00
Umsatzsteuer
Dezember 2010
46.013,82
Umsatzsteuer
November 2010
47.765,29
Normverbrauchsabgabe
01/2011
5.156,66
Normverbrauchsabgabe
08/2010
13.078,66
Normverbrauchsabgabe
10/2010
10.088,49
Normverbrauchsabgabe
11/2010
12.680,50
Normverbrauchsabgabe
12/2010
4.870,62
Umsatzsteuer
2010
2.173,47
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2007
102,75
Dienstgeberbeitrag
2007
1.100,92
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2008
1.277,81
Dienstgeberbeitrag
2008
1.987,70
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2009
473,85
Dienstgeberbeitrag
2009
1.774,86
Lohnsteuer
2010
17.699,69
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2010
817,60
Dienstgeberbeitrag 2010
2010
9.294,01
Säumniszuschlag
2010
353,99
Säumniszuschlag
2010
185,88
Umsatzsteuer
2010
7.192,23
SUMME
€ 212.753,80

Mit dem Haftungsbescheid wurden nachstehend angeführte, bezughabende Abgabenbescheide als Beilagen übermittelt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag (Euro)
Datum
Umsatzsteuer
2010
2.173,47
Umsatzsteuer -Beschwerdevorentscheidung
2010
7.192,23
Dienstgeberbeitrag
2007
7.974,99
Zuschlag z. DG
2007
744,33
Dienstgeberbeitrag
2008
31.007,94
Zuschlag z. DG
2008
2.825,17
Dienstgeberbeitrag
2009
30.135,07
Zuschlag z.DG
2009
2.745,64
Bescheid Lohnsteuer gem. § 82 EStG 1988
2010
17.699,69
Säumniszuschlag
2010
353,99
Dienstgeberbeitrag
2010
27.848,79
Zuschlag z. DG
2010
2.537,33

Diese Abgabenbescheide waren im Insolvenzverfahren an die "***7*** GmbH als Masseverwalterin der Fa.X GmbH" adressiert und wurden der Masseverwalterin rechtswirksam im Insolvenzverfahren zugestellt. Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Das Finanzamt begründete den Haftungsbescheid damit, dass am Abgabenkonto der GmbH ein Rückstand in Höhe von Euro 425.507,59 unberichtigt aushaftet. Über die Primärschuldnerin sei am das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die GmbH sei im Zuge des Konkursverfahrens aufgelöst worden. Die Abgaben wären bei der Abgabenschuldnerin uneinbringlich.

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) sei mit Haftungsvorhalt vom ersucht worden, die genauen Umstände und Gründe für die Nichtentrichtung der Abgabenverbindlichkeiten darzulegen. Die geltende Rechtslage wurde ausführlich dargestellt.

Der Bf. habe zwar am dem Finanzamt Umsatzlisten aus dem Firmenkonto bei der Bank mitsamt einer Aufstellung über sämtliche Zahlungen der GmbH im Zeitraum 2009 bis 2011 übermittelt. Daraus lassen sich jedoch keine Rückschlüsse zwecks Überprüfung der Gleichbehandlung aller Gläubiger ziehen. Es mag sein, dass der Bf. sich als Geschäftsführer um die Gleichbehandlung der Gläubiger bemüht habe; der Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger wurde jedoch nicht erbracht.

Zum Vorbringen des Bf., dass Finanzamt habe im Zeitraum 2/2009 bis 03/2011 insgesamt 22,37% der gesamten Zahlungen erhalten, während die Krankenkasse lediglich 15% der Zahlungen erhalten habe, entgegnete das Finanzamt, dass der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung, durch eine Aufstellung sämtlicher Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Abgaben zu erfolgen habe.

Das Insolvenzverfahren sei am rechtskräftig aufgehoben worden, sodass ab diesem Zeitpunkt der tatsächliche Abgabenausfall bekannt geworden sei. In Berücksichtigung dieses zeitlichen Umstandes, nehme das Finanzamt die Kürzung des Abgabenausfalles um 50% vor und ziehe den Bf. lediglich für den aushaftenden Betrag in Höhe von Euro 212.753,80 zur Haftung heran.

Hinsichtlich der Lohnsteuer wurde auf die geltende Rechtslage gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 hingewiesen, wonach diese immer vollständig zur Gänze an das Finanzamt abzuführen gewesen wären.

Beschwerde vom , eingelangt am :

Der Beschwerdeführer wendete ein, dass er aus prozessualer Hinsicht gleichzeitig mit der Beschwerde auch die Abgabenansprüche bekämpft. Diese wären nicht/nie gegenüber dem Bf. festgesetzt worden.

Der Bf. führte aus, dass die Abgabenbescheide im Jahr 2011 dem Masseverwalter im Insolvenzverfahren zugestellt worden sind. Eine Zustellung der Bescheide an den Bf. sei nicht erfolgt, sodass dieser nicht die Möglichkeit gehabt habe, diese Abgabenbescheide zu bekämpfen. Nunmehr habe er (10 Jahre später) nicht mehr dieselben Möglichkeiten, die Abgabenbescheide zu bekämpfen, wie er sie im Jahre 2011 gehabt hätte.
Wörtlich wurde ausgeführt:

"Aufgrund des Umstandes, dass Unterlagen aus steuerrechtlicher Sicht 7 Jahre aufzubewahren sind, der Beschwerdeführer seit 2011 nicht mehr Vertreter der Firma Fa.X GmbH ist und diese überdies seit 2016 nicht mehr existent ist, ist absolut nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zum jetzigen Zeitpunkt über keine Unterlagen betreffend die Firma Fa.X GmbH verfügt. Selbst wenn sohin theoretisch die Möglichkeit der Anfechtung der damaligen Bescheide aus dem Jahr 2011 eingeräumt würde, kann diese Möglichkeit mangels Unterlagen unmöglich in Anspruch genommen werden. Eine Überprüfung der Bescheide ist faktisch gar nicht mehr möglich und sind die Bescheide aufgrund der mittlerweile abgelaufenen Zeit (nahezu 10 Jahre) nicht mehr nachvollziehbar aufschlüsselbar sowie überprüfbar. - Dem Verfahren haftet allein aufgrund dessen ein Verfahrensmangel an, der den Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten derart massiv beschneidet, dass ein massiver Verstoß gegen die grundlegendsten Verfahrensvorschriften, aber auch gegen Art. 6 MRK vorliegt."

Hätte man die Bescheide im Jahre 2011 bereits dem Geschäftsführer zugestellt, so hätte er die Möglichkeit gehabt, diese im Jahre 2011 zu überprüfen und zu bekämpfen. Wörtlich führte der Bf. aus:
"Dieser seinerzeitige Verfahrensmangel kann auch nicht damit saniert werden, dass dem Beschwerdeführer jetzt, gegenüber der eigentlichen Abgabenschuldnerin zwar rechtskräftige, ihm aber niemals zugestellte und somit auch nicht in Rechtskraft erwachsene Bescheide beigelegt werden, die nicht einmal an ihn adressiert sind."

Inhaltlich wären die Bescheide nicht vollständig übermittelt worden, weil in den Bescheiden über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zu Dienstgeberbeiträgen hinsichtlich der Prüfung auf den Bericht von verwiesen werde. Dieser Bericht sei dem Bf. jedoch nicht übermittelt worden.

Punkt 2.-tens:

Unter Punkt 2.-tens führte der Bf. aus, dass die Abgaben zwar gegenüber der Primärschuldnerin rechtkräftig festgesetzt worden sind, der Bf. jedoch niemals die Möglichkeit einer Intervention gehabt hatte. Wörtlich wurde ausgeführt:

"Eine Festsetzung der Abgabenschuldigkeit gegenüber dem Beschwerdeführer wäre jedoch innerhalb der gesetzlichen Frist, sohin gemäß § 207 Abs. 2 BAO innerhalb von fünf Jahren nach Entstehung des Abgabenanspruches Paragraf (§ 208 Abs. 1 BAO) notwendig gewesen. Dies ist jedoch bis zum heutigen Tage nicht erfolgt, sondern wurde der Abgabenanspruch lediglich gegenüber dem Masseverwalter festgesetzt, sodass die Abgabenschuldigkeit aufgrund fehlender Festsetzung gegenüber dem Beschwerdeführer bereits mit (für die Abgaben im Zeitraum 2009), (für die Abgaben im Zeitraum 2010) und (für die Abgaben im Zeitraum 2011 verjährt ist."

"Zudem wird darauf hingewiesen, dass die dem Haftungsbescheid beiliegenden Bescheide nicht die gesamte angeführte Abgabenschuld in Höhe von Euro 212.753,80 bzw. 425.507,59 abdecken, sodass davon ausgegangen wird, dass die nicht von den Bescheiden abgedeckten Abgaben nicht einmal gegenüber dem Masseverwalter rechtskräftig festgesetzt wurden! Es handelt sich dabei um folgende Positionen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
Oktober 2010
28.228,00
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00
Umsatzsteuer
Dezember 2010
46.013,82
Umsatzsteuer
November 2010
47.765,29
Normverbrauchsabgabe
01/2011
5.156,66
Normverbrauchsabgabe
08/2010
13.078,66
Normverbrauchsabgabe
10/2010
10.088,49
Normverbrauchsabgabe
11/2010
12.680,50
Normverbrauchsabgabe
12/2010
4.870,62
Umsatzsteuer
2010
2.173,47

Diese Positionen, welche Abgaben in Höhe von Euro 168.319,04 darstellen, wurden daher zu keinem Zeitpunkt rechtskräftig festgesetzt, sodass sie nun nicht Basis eines Haftungsbescheides sein können und jedenfalls verjährt sind.

Es liegen daher hinsichtlich obiger Positionen keine Bescheide vor, die überprüfbar sind und eine diesbezügliche Beschwerde zur Abgabenfestsetzung noch nicht einmal möglich wäre. Diese Positionen sind jedenfalls verjährt, da keine entsprechende Abgabenfestsetzung vorliegt und dieser daher auch nicht dem Beschwerdeführer vorgehalten werden können. Die Frist zur Festsetzung der Abgaben ist bereits abgelaufen.
…"

Schließlich sei die Einhebung der Abgaben bereits gemäß § 238 BAO gegenüber dem Abgabenschuldner verjährt, sodass diese auch nicht mehr gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemacht werden kann.

"Gemäß § 238 BAO verjährt das Recht zur Erhebung einer Abgabe binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, aber nicht früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Da die Einhebungsverjährung sowie die Festsetzungsverjährung fünf Jahre betragen, ist auch für die Einhebungsverjährung von 5 Jahren (bzw. sechs Jahren, sollte dies sich die Festsetzungsverjährung aufgrund erkennbare Amtshandlung verlängert haben) auszugehen, sodassobig Gesagtes zum Verjährungszeitpunkt gilt. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist ist für maximal ein Jahr zulässig, nicht jedoch länger!"

Der angefochtene Bescheid enthalte zudem Positionen, welche bereits der absoluten Verjährung (zehn Jahre) unterliegen. Die absolute Verjährung stellt dabei auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (nicht dessen Festsetzung) ab, sodass zumindest die behaupteten Abgabenschuldigkeiten aus den Jahren 2007-2009 jedenfalls bereits verjährt sind, da eine Verlängerung bzw. Hemmung der zehnjährigen Verjährungsfrist nicht möglich ist.

Unter Punkt 3-tens führte der Beschwerdeführer schriftlich, wörtlich aus:

"Der Beschwerdeführer kam seiner Verpflichtung zur Stellungnahme pflichtgemäß nach, indem er der Behörde zunächst ein klärendes Gespräch abhielt und sodann vereinbarungsgemäß im März 2012 eine Aufstellung zum Nachweis der Gleichbehandlung der Finanzbehörde samt umfangreichen Unterlagen und einem Schreiben (u. A. Schreiben vom ) vorlegte. Nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Stellungnahme des Finanzamtes Stadt an den Spruchsenat 1 vom erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die Ursache der nicht oder zu spät bezahlten Abgaben in den Liquiditätsengpässen der sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit und keinesfalls an einem Verschulden des Geschäftsführers lag. Dafür sprechen weiters auch die zahlreichen Ratenvereinbarungen, unter anderem auch mit dem Finanzamt Stadt. Weiters verwies der Beschwerdeführer auf die Betriebsprüfungen in den Jahren 2007 und 2009, welche stets mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen wurden, sodass auch daraus ersichtlich ist, dass die nichtbezahlten Abgaben lediglich auf die nachfolgende Krise und damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten zurückzuführen sind, welche schließlich im Konkurs der Firma endeten.-Dennoch wurde die Finanz nie gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt. Zu diesem Zwecke hat der Beschwerdeführer im Jahr 2012 einen Ordner mit Buchhaltungsbelegen zum Nachweis der Gleichbehandlung samt Erklärung dazu vorgelegt. Insofern unterliegt der hier angefochtene Bescheid einem wesentlichen Begründungsmangel, dass sich die Behörde mit dem Beschwerdeführer mit dem vom Beschwerdeführer vor acht Jahren erbrachten Beweis, der seine Haftungsfreiheit zufolge hat nicht ausreichend auseinandergesetzt hat.-Die Behörde machte es sich sehr leicht in dem sie einfach argumentiert, der Beschwerdeführer habe den Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger nicht erbracht. Immerhin hat der Beschwerdeführer einen (Bene) Ordner mit Kontoauszügen, entsprechend farblich markiert die Zahlungen und eine schriftliche Erklärung dazu vorgelegt, welche er über mehrere Wochen neben seiner (dem Konkurs folgenden) Angestelltentätigkeit am Abend und am Wochenende akribisch für die Abgabenbehörde aufgearbeitet hat, sodass die Behörde schon wird im Detail Vorhalte aus diesem Beweismittel machen müssen und nicht mit der klassischen Scheinbegründung "er habe den Beweis nicht erbracht" abtun dürfen. Es ist verständlich, dass dies aufgrund des enormen Ausmaßes der von Beschwerdeführer 2012 vorgelegten Urkunden mit erheblichen Aufwand verbunden ist, allerdings wird im Sinne eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens dieser Aufwand einfach notwendig sein bzw. Seitens der Abgabenbehörde allenfalls auch ein entsprechender buchhalterischerGutachter beizuziehen sein."

"Aus obigen Ausführungen erhellt, dass der Beschwerdeführer umfangreiche Unterlagen der Behörde vorgelegt und dazu Stellung genommen hat. Seitens der Behörde wurde sogar darauf hingewiesen dass, dass glaubwürdig gemacht werden konnte, dass der Beschwerdeführer darauf bedacht gewesen war, alle Außenstände zu gleichen Teilen zu begleichen und niemanden zu benachteiligen. Seitens der Behörde wurde sohin sogar zugestanden, dass dem Beschwerdeführer absolut kein Verschulden trifft. Weshalb auch eine zahlenmäßige Untermauerung absolut notwendig sei, wenn sogar bereits die Behörde von keinem Verschulden ausgehe, ist nicht nachvollziehbar, sondern widerspricht jeglicher Logik. Die seitens des Beschwerdeführers damals vorgelegten Unterlagen müssen wohl ausreichend gewesen sein, ansonsten wäre die Behörde nicht zum Schluss gekommen, dass glaubwürdig war, dass der Beschwerdeführer die Abgaben zu gleichen Teilen beglich und niemanden benachteiligen wollte.

Der Haftungsbescheid widerspricht sich daher offensichtlich, als einerseits dem Beschwerdeführer Glaubwürdigkeit zuerkannt, andererseits jedoch aus formalen Gründen wiederum aberkannt wird. Weiters setzt sich die Behörde nicht mit sämtlichen damals vorgelegten Unterlagen eingehend auseinander, sondern verweist pauschal auf einzelne Unterlagen bzw. lässt die dazu vorgelegten Stellungnahmen außen vor, sodass diesbezüglich jedenfalls ein Verfahrensmangel vorliegt, als eine ausreichende Beweiswürdigung nicht erfolgte. Die diesbezüglich getroffenen Feststellungen der Behörde sind daher nicht nachvollziehbar bzw. war (Begründungsmangel)."

Punkt 4-tens:

Unter Punkt Viertens führte der Bf. aus, dass zwischen dem Haftungsvorhalt im Jahre 2011 und dem Erlass des Haftungsbescheides ein Zeitraum von mehr als neun Jahren liege. Schriftlich wurde wörtlich ausgeführt:

"Dass Zuwarten von nahezu neun Jahren stellt eindeutig eine (auch rechtsstaatlich bedenkliche!) Ermessensüberschreitung der Behörde dar. Der Beschwerdeführer konnte darauf vertrauen, dass durch Ablauf einer derart großen Zeitspanne keine Ansprüche mehr gegen ihn geltend gemacht werden. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass umfangreiche Unterlagen samt Stellungnahme, welche das fehlende Verschulden des Beschwerdeführers nachweisen, vorgelegt wurden. Auf Basis dieses Vertrauens baute sich der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit eine neue Existenz auf, welche nun durch Erlass eines Haftungsbescheides wiederum zerstört wird (Abgaben in der Höhe von nahezu einer halben Million Euro!). Es handelt sich dabei um eine unbillige, anormale Belastung, die für den Beschwerdeführer nicht vorhersehbar war und einem atypischen Vermögeneingriff gleichkommt."

Daher beantrage der Bf. zusätzlich die Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten, da diese für ihn existenzvernichtend wirken würde.

"Den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen und aus dieser Beurteilung der Rechtslage, zumal hinsichtlich des Elementes der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit, resultierende Unbilligkeiten hintanzuhalten, bleibt umso wichtigere Obliegenheit der behördlichen Ermessensübung."

"Der Beschwerdeführer bestreitet daher die Abgabenschuld insbesondere auch der Höhe nach. Weder die angeführten Abgaben, noch die Säumniszuschläge sind irgendwie aufgeschlüsselt, überprüft-bzw. nachvollziehbar. Hinsichtlich der Normverbrauchsabgabe sei auch der Einwand erhoben, dass dieser zwar vom Händler abzuführen sein mag, allerdings Steuerschuldner der Fahrzeugkäufer ist. Auch hier wäre darüber hinaus aufzulisten gewesen, auf welche Fahrzeuge sich die Abgabe bezieht; auch diesbezüglich nicht die geringste Begründung bzw. liegt diesbezüglich noch nicht einmal im Bescheid der Behörde vor, sodass diese offensichtlich niemals festgesetzt wurden.

Aus prozessualer Vorsicht mit sohin jedenfalls auch hiergegen Beschwerde erhoben, nämlich gegen den Abgabenanspruch an sich und versteht sich diese Beschwerde auch als Beschwerde gegen den Abgabenanspruch, wiewohl noch einmal explizit betont wird, dass eine weitergehende inhaltliche Ausführungen dazu, mangels Unterlagen, nicht möglich ist."

Unter Punkt 7-tens führt der Bf. wie folgt schriftlich aus:

"Im Übrigen behängte bereits ein Finanzstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich der Lohnsteuer 2010, Jänner und Februar 2011, Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichs für 2007-2010 sowie Jänner und Februar 2011 sowie Dienstgeberzuschläge für 2007-2010 sowie Jänner und Februar 2011 des Spruchsenates eins beim Finanzamt Stadt zu Str.LNr.: ***4*** und wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom schuldig erkannt. Der Beschwerdeführer bezahlte daraufhin nicht nur die Geldstrafe in Höhe von Euro 2.300, sondern auch die entsprechenden Abgaben in Höhe von Euro 40.575,65 wobei hier eine Ratenvereinbarung getroffen wurde, welche jedoch bereits zur Gänze erfüllt wurde. Es handelt sich dabei um bereits gezahlte Abgaben, welche jedoch nunmehr nochmalig mit Haftungsbescheid vom geltend gemacht werden. Vor dem Hintergrund, dass diese Abgaben seitens des Beschwerdeführers jedoch bereits entrichtet wurden, können diese nicht nochmalig vorgeschrieben werden. Diesbezüglich wird auf den Akt zur Steuernummer dazu Straflistennummer ***5*** des Finanzamtes Stadt verwiesen."

Beantragt werde, das BFG möge der Beschwerde stattgeben und den Haftungsbescheid ersatzlos beheben in eventu die vorgeschriebene Haftung iHv Euro 212.753,80 zur Gänze nachzusehen.

Beschwerdevorentscheidung vom :

Das Finanzamt wies die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Abgabenbescheide mitsamt dem bezughabenden Bericht über das Ergebnis der Prüfung der Lohnabgaben dem Masseverwalter rechtswirksam zugestellt worden seien.

Der Masseverwalter habe den Umsatzsteuerjahresbescheid 2010 bekämpft und wurde darüber mit Beschwerdevorentscheidung vom abgesprochen. Diese Bescheide sind rechtskräftig.

Der Bf. sei für nachstehende Abgabenschuldigkeiten, für welche es keine Bescheide gebe zur Haftung herangezogen worden.


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Umsatzsteuer
Oktober 2010
28.228,00
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00
Umsatzsteuer
Dezember 2010
46.013,82
Umsatzsteuer
November 2010
47.765,29
Normverbrauchsabgabe
01/2011
5.156,66
Normverbrauchsabgabe
08/2010
13.078,66
Normverbrauchsabgabe
10/2010
10.088,49
Normverbrauchsabgabe
11/2010
12.680,50
Normverbrauchsabgabe
12/2010
4.870,62

Das Finanzamt führte dazu aus, dass bei Selbstbemessungsabgaben ein Bescheid nur dann zu erlassen sei, wenn sich die Selbstbemessungsabgaben als unrichtig erweisen. Für die angeführten Abgaben wären keine Bescheide festzusetzen gewesen, weil nach der ständigen Judikatur des VwGH durch die Selbstbemessung die Rechtswirkung der Abgabenfestsetzung herbeigeführt werde ().

Hinsichtlich des Einwandes, es liege Einhebungsverjährung vor, argumentierte das Finanzamt, dass die fünfjährige Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach Außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen werde.
Schriftlich führte das Finanzamt aus:

"Mit Beschluss des LG Stadt vom wurde der Konkurs eröffnet. Mit der Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren wurde die Einhebungsverjährung gemäß § 9 IO Abs. 1 unterbrochen. Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin erst mit Beschluss vom aufgehoben wurde, wurde der bekämpfte Haftungsbescheid jedenfalls innerhalb der 5-jährigen Verjährungsfrist erlassen."

Vorlageantrag:

Im Vorlageantrag wird auf die Beschwerde hingewiesen. Insbesondere weist der Bf. darauf hin, dass die Behörde zeitgleich mit der Erlassung der Abgabenbescheide gegenüber der GmbH, diese auch ihn zur Kenntnis bringen hätte müssen. Die Bescheide wären dem Bf. jedoch unvollständig und verspätet übermittelt worden, sodass diese inhaltlich nicht mehr überprüft werden können.

Der Bf. habe angesichts der lange verstrichenen Zeit von mehr als zehn Jahren ab Entstehung der Abgabenansprüche darauf vertrauen können, nicht mehr zur Haftung herangezogen zu werden. Ihm gegenüber ist eine Verjährung eingetreten. Dies "insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Abgabenschuld ihm gegenüber nie rechtswirksam festgesetzt wurde und eben auch mit dem verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheid nicht sämtliche Unterlagen (vollständige Bescheide samt Begründungen) übermittelt wurden."

Der Beschwerdeführer führte aus:

"Den Ausführungen der Behörde hinsichtlich des Beweises der Gläubigergleichbehandlung muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass seitens des Abgabenschuldners zahlreiche und umfassende Unterlagen und Stellungnahmen vorgelegt wurden. Weitere Unterlagen bzw. Aufklärungen wurden seitens der Behörde nicht gefordert und wurde bisher auch keine detaillierte Begründung darüber vorgelegt weshalb die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend sind. Es wurde lediglich stets pauschal darauf hingewiesen, dass der Beweis nicht erbracht wurde. Es hätte jedoch eine detaillierte Auseinandersetzung mit den vorgelegten Unterlagen sowie Stellungnahmen benötigt, sodass auch der Abgabenschuldner weitere entlastende Beweise Vorbringen hätte können."

Es werde darauf hingewiesen, dass selbst die Behörde ausführt:
"Es ist zwar glaubwürdig, dass Sie immer darauf Bedacht gewesen wären, alle Außenstände zu gleichen Teilen zu begleichen und niemanden zu benachteiligen …"(
S 2 des Haftungsbescheides vom ).

Ein Verschulden des Abgabenschuldners, könne insoweit nicht angenommen werden und ist auch die diesbezügliche Ermessensentscheidung der Behörde absolut nicht nachvollziehbar und widersprüchlich.

Beantragt werde, das BFG möge der Beschwerde stattgeben und den Haftungsbescheid ersatzlos beheben, in eventu die vorgeschriebene Haftung iHv Euro 212.753,80 zur Gänze nachsehen.

Vorlagebericht:

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom dem BFG vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Verfahren beim Bundesfinanzgericht:

Das Bundesfinanzgericht ersuchte beim Landesgericht Stadt um Vorlage des Insolvenzaktes, Aktenzahl ***2***, und die Abgabenbehörde um Vorlage des Haftungs- und Insolvenzaktes des Finanzamtes, sowie der bezughabenden Strafakten.

Haftungsbescheid vom :

Aus dem Insolvenz- und Haftungsakt des Finanzamtes kam hervor, dass der Bf. erstmals bereits mit Haftungsbescheid vom zur Haftung für die Abgaben laut der diesem Haftungsbescheid beigelegten Rückstandsaufgliederung (Rückstandsausweis) vom in Höhe von Euro 425.507,59 zur Haftung herangezogen worden ist. Im Spruch des Bescheides wurde der Bf. für die in der Rückstandsaufgliederung aufgelisteten Abgaben zur Haftung herangezogen. Die Rückstandsaufgliederung erfasst auch jene Abgaben, über die mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgesprochen wurde.

Der Bf. erhob mit Schriftsatz vom Beschwerde gegen diesen Haftungsbescheid und erhob zugleich Beschwerden gegen die zugrundeliegenden Abgabenansprüche.

Vorgebracht wurde, dass die beigelegte Rückstandsaufgliederung nicht einer Abgabenfestsetzung gegenüber dem Bf. gleichgesetzt werden könne.

In der Beschwerde wurde darüberhinaus Verjährung eingewendet und ergänzend ein Ansuchen um Nachsicht gestellt.

Das Finanzamt gab mit Beschwerdevorentscheidung vom dieser Beschwerde vollinhaltlich statt und hob den Haftungsbescheid auf.

Erkenntnis des Spruchsenates vom , Str.L.Nr.: ***4***:

Der Bf. wurde mit Erkenntnis des Spruchsenates I beim Finanzamt Stadt als Organ des Finanzamtes Stadt vom 23. Februar 2012 schuldig erkannt, als verantwortlicher Geschäftsführer der GmbH im Bereich des Finanzamtes Stadt vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nämlich
-Lohnsteuer für das Jahr 2010, Jänner und Februar 2011 in der Höhe von Euro 21.750,06,
-Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds für 2007-2010 sowie Jänner und Februar 2011 in der Höhe von Euro 15.986,90,
-sowie Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für 2007-2010, Jänner und Februar 2011 in der Höhe von Euro 2.838,69;
nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt zu haben und wurde hierfür mit einer Geldstrafe in Höhe von Euro 2.300,00 bestraft. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit 15 Tagen ausgemessen.

Bei der Strafzumessung wurden der lange Deliktszeitraum als erschwerend, die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie das umfassende Geständnis des Beschuldigten und die finanziellen Schwierigkeiten als mildernd gewertet. Der Beschwerdeführer zeigte sich in Zuge der Einvernahme beim Finanzamt (Strafsachenstelle), am zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen geständig und ersuchte um eine milde Bestrafung.

Erkenntnis des Spruchsenates vom , Str.L.Nr. ***3***:

Der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Spruchsenates I beim Finanzamt Stadt als Organ des Finanzamtes Stadt schuldig erkannt, als verantwortlicher Geschäftsführer der GmbH, Abgaben die selbst zu berechnen sind, nämlich Normverbrauchsabgaben für die Monate Juni, August und Oktober, November und Dezember 2010 in Höhe von insgesamt Euro 59.751,60 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt zu haben und wurde hierfür mit einer Geldstrafe in Höhe von Euro 3.300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Tage) bestraft.

Mit schriftlicher Eingabe vom teilte der Beschuldigte dem Finanzamt mit, dass er sich in vollinhaltlich geständig verantworte. Bei der Strafbemessung wurde das tadellose Vorleben des Beschuldigten sowie seine geständige Verantwortung und die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens als mildernd, hingegen die Tatwiederholungen im Jahr 2010 als erschwerend gewertet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im vorliegenden Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest, dass die haftungsverfangenen Abgaben nicht mehr entrichtet wurden. Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Schließung der GmbH wurden die Abgaben bei der Primärschuldnerin nahezu vollständig uneinbringlich. Der Beschwerdeführer war im maßgeblichen Zeitraum alleiniger vertretungsbefugter Geschäftsführer.

Fest steht, dass der Abgabengläubiger einen Schaden erlitten hat. Die Abgaben wurden im Insolvenzverfahrens anerkannt.

Die haftungsverfangenen Abgaben stellen sich unter Berücksichtigung der Konkursquote wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
abzgl. Quote iHv 1,71%
Umsatzsteuer
Oktober 2010
28.228,00 - 479,88
27.748,12
Körperschaftsteuer
01-03/2011
437,00 - 7,43
429,56
Umsatzsteuer
Dezember 2010
46.013,82 - 782,22
45.231,60
Umsatzsteuer
November 2010
47.765,29 - 816,79
46.948,50
Normverbrauchsabgabe
01/2011
5.156,66 - 88,18
5.068,50
Normverbrauchsabgabe
08/2010
13.078,66 - 223,65
12.855,01
Normverbrauchsabgabe
10/2010
10.088,49 -172,51
9.915,98
Normverbrauchsabgabe
11/2010
12.680,50 - 126,80
12.553,70
Normverbrauchsabgabe
12/2010
4.870,62 - 83,29
4.787,33
Umsatzsteuer
2010
2.173,47 - 37,17
2.136,30
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2007
102,75 - 1,76
100,99
Dienstgeberbeitrag
2007
1.100,92 - 18,826
1.082,09
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2008
1.277,81-21,85
1.255,96
Dienstgeberbeitrag
2008
1.987,70 - 33,99
1.953,71
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2009
473,85 - 8,10
465,75
Dienstgeberbeitrag
2009
1.774,86 - 30,35
1.744,51
Lohnsteuer
2010
17.699,69 - 302,66
17.397,03
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2010
817,60 - 13,99
803,61
Dienstgeberbeitrag 2010
2010
9.294,01 - 158,93
9.135,08
Umsatzsteuer (BVE)
2010
7.192,23 - 122,99
7.069,24
SUMME
208.682,57

2. Beweiswürdigung

Dem Verfahren liegen die angefochtenen Bescheide,
- die Beschwerde mitsamt dem Vorlageantrag,
-der Insolvenzakt des Landesgerichtes, AZ ***2***,
-der Verteilungsentwurf des Masseverwalters im Konkursverfahren,
-die schriftliche Rechtfertigung vom ,
-der Antrag auf Zahlungserleichterung (Ratenzahlung) vom über den aushaftenden Rückstand iHv Euro 266.732,70,
-der Insolvenz- und Haftungsakt des FA,
-die in der Beschwerde aufgezeigten Strafrechtserkenntnisse vom , Str.L.Nr. ***4***, und vom , Str.L.Nr.: 2011/***6***, mitsamt den bezughabenden Strafakten und den Strafanträgen, sowie der Vorlagebericht des Finanzamtes zugrunde.

Aus den Strafverfahren leitet sich schlüssig ab, dass der Bf. hinsichtlich der strafverfangenen Abgaben, welche auch dem Haftungsbescheid zugrunde liegen durchaus eine Differenzierung zwischen den Gläubigern vorgenommen hat und das Finanzamt grundsätzlich zu Recht diese Abgaben in das Haftungsverfahren miteinbezogen hat. Aufgrund der Straferkenntnisse aus dem Jahr 2012 besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindungswirkung an die Sachverhaltsfeststellungen (vgl.u.a. VwGH, Zl. 95/13/0214 v ).

Zum wiederholten Vorwurf, dass Finanzamt habe neun Jahre untätig zugewartet, ist festzustellen, dass das Finanzamt das Ergebnis des im Jahr 2016 aufgehobenen Konkursverfahrens abgewartet hat. Dies war dem Bf. infolge des Haftungsvorhaltes aus dem Jahre 2011 bewusst. Dem Bf. musste angesichts der Schadenshöhe auch bewusst gewesen sein, dass er als Haftender in Betracht gezogen werde.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 224 Abs.1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die in § 80 BAO dem Vertreter auferlegten Pflichten umfassen auch die rechtzeitige Entrichtung der für die Gesellschaft anfallenden Abgaben. Abgabenrechtliche Pflichten wurden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Geschäftsführers gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Bei Selbstbemessungsabgaben ist dabei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Voraussetzung für die Haftung sind:
- eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen,
-die Stellung als Vertreter,
-die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung,
-eine Pflichtverletzung des Vertreters, und
-die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Reichen die Mittel des Vertretenen nicht aus, die offenen Schulden zur Gänze zu entrichten, ist der Vertreter zur Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis verpflichtet (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 BAO annehmen darf.

Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgaben im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

Der Beurteilungszeitpunkt für eine Haftung bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Normen zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgeblich, wann diese Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung (Einbehaltung) abzuführen gewesen wären.

Die Haftung nach § 9 BAO stellt eine Ausfallshaftung dar. Aufgrund des Insolvenzverfahrens hat die GmbH kein Vermögen, sodass der gesamte Rückstand bei der Primärschuldnerin als uneinbringlich ist.

Hinsichtlich der Rechtskraft bzw. offener Rechtsmittel ist festzuhalten, dass die Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren nach § 9 BAO nicht zu erörtern ist. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid ist die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist oder nicht.

Kenntnis vom Abgabenanspruch - Einwendungen gegen die Abgabenansprüche:

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt (vgl. ).

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrageim Haftungsverfahren zu beantworten, wenn kein die Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung aber kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht ().
Wurde bei Selbstbemessungsabgaben noch kein Bescheid gemäß § 201 oder § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen (Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, 2021, Band 1, § 248 Rz 5ff.).

Grundsätzlich sind Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen ().

Aus § 248 BAO ergibt sich, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen könnenmuss.

Wird die Haftung in Anspruch genommen, aber kein Bescheid über den Abgabenanspruch erlassen, so kann daher in der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid die Höhe des Abgabenanspruches angefochten werden. Wurde der Abgabenanspruch vom Erstschuldner bereits angefochten und diesbezüglich bereits mit Beschwerdevorentscheidung entschieden, gilt dem Haftungspflichtigen die Beschwerdevorentscheidung als erstinstanzlicher Bescheid (Ritz/Koran, BAO7, § 248 BAO, Rz 5 ff).

Aus dem Beschwerderecht ergibt sich, dass dem Haftenden von der Behörde Kenntnis über den bestehenden Abgabenanspruch zu verschaffen ist. Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, so liegt infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nichtsanierbar ist ( Zl. 2013/16/0165; Zl. RV/2100999/2020).

Die zur Haftung herangezogene Partei soll vom Bescheid über den Abgabenanspruch in einer Weise informiert werden, die ihr die Einbringung einer Beschwerde gegen diesen nicht an sie gerichteten und ihr nicht zugestellten jedoch nunmehr bindenden Bescheid ermöglicht. Es ist erforderlich, ihr die Tatsache der Bescheiderlassung als solcher mit der notwendigen Deutlichkeit zur Kenntnis zu bringen ( Zl. 2005/13/0145).

Im vorliegenden Sachverhalt hat die Abgabenbehörde hinsichtlich der am Abgabenkonto verbuchten Selbstbemessungsabgaben, insbesondere der Normverbrauchsabgaben und Umsatzsteuervorauszahlungen, nicht mittels Bescheid abgesprochen.
Eine bescheidmäßige Festsetzung der gebuchten Selbstbemessungsabgaben ist nicht erfolgt. Die Beschwerde richtet sich jedoch auch gegen die Höhe der Selbstbemessungsabgaben. Hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen ist zu berücksichtigen, dass die monatlichen Vorauszahlungen durch den Umsatzsteuerjahresbescheid konsumiert wurden.

Aus Sicht des erkennenden Richters liegt ein Rechtsschutzmangel vor, der im weiteren Verfahren nicht mehr sanierbar ist.

Die Selbstbemessungsabgaben können nämlich weder gegenüber der aufgelösten, im Firmenbuch gelöschten Primärschuldnerin, noch gegenüber dem Haftenden wegen Festsetzungsverjährung vorgeschrieben werden.
Ähnlich verhält es sich mit den vom Masseverwalter verspätet gemeldeten Normverbrauchsabgaben - August 2011 -, welche ebenso nicht mittels Bescheid festgesetzt wurden, sodass der Bf. auch diese Abgabenansprüche mangels bescheidmäßiger Festsetzung nicht wirksam bekämpfen kann.

Der Abspruch über diese Abgaben durch die Abgabenbehörde stellt nach Ansicht des erkennenden Richters aufgrund der dargestellten Rechtslage eine unabdingbare Vorfrage zum Haftungsverfahren dar.

Entstehung - Abgaben:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Die Umsatzsteuer ist vom Abfuhrpflichtigen selbst zu berechnen und zu entrichten, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung abgewartet wird.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Körperschaftsteuer ist Folgendes festzuhalten.

Der Abgabenanspruch entsteht bei der Körperschaftssteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen werde. Die veranlagte Körperschaftssteuer wird gemäß § 210 Abs. 1 BAO einen Monat ab Zustellung des Abgabenbescheides fällig.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftenden Lohnabgaben ist festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten gewesen ist, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen (vgl. ).

Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO erstrecken. Zu diesen Nebenansprüchen gehörten gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag, die Kosten des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens und der Verspätungszuschlag.

Mit der gegenständlichen Beschwerde wird der Einwand der Verjährung geltend gemacht.

Festsetzungsverjährung:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt für die gegenständlichen Abgaben die Verjährungsfrist fünf Jahre. Nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die ältesten Abgabenansprüche der im Rückstand befindlichen Abgaben sind im Jahr 2007 (Lohnabgaben 2007) entstanden. Die Festsetzung der Lohnabgaben ist im Jahr 2011 im Zuge der Lohnabgabenprüfung während des aufrechten Insolvenzverfahrens erfolgt. Die Zustellung der Lohnabgabenbescheide mitsamt dem Bericht erfolgte rechtswirksam an den Masseverwalter. Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Die Festsetzungsverjährung hätte am geendet. Somit ist keine Verjährung eingetreten.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

§ 9 Insolvenzordnung, idF v. , lautet:

"Verjährung§ 9

(1)Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

(2)Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung vom Tage der Anmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruches bestimmten Frist als gehemmt."

Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt vom Neuen mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

Die Erlassung eines Haftungsbescheides ist eine Einhebungsmaßnahme und als solche daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig. Der Haftungsbescheid wirkt insoweit konstitutiv, als erst durch seine Erlassung der Haftende zum Gesamtschuldner wird.

Unterbrechungshandlungen gegen den Primärschuldner wirken auch gegen den potentiell Haftungspflichtigen.

Dem Einwand des Bf., die haftungsgegenständlichen Abgaben gemäß § 238 BAO seien einhebungsverjährt, ist zu entgegnen, dass die Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben, Nebengebühren und Kosten des Vollstreckungsverfahrens zwischen (Lohnabgaben 2007) und (Umsatzsteuer 2010) liegen und innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 238 Abs. 1 BAO) folgende Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden:

-Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer vom ;
-Eröffnung des Insolvenzverfahrens am beim LG;
-Beschluss/Rechtskraft-Aufhebung des Insolvenzverfahrens am .

Gemäß § 9 Abs. 1 IO war die Verjährung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten durch deren Anmeldung in dem über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffneten Konkursverfahren ebenfalls unterbrochen. Mit Beschluss des Landesgerichts wurde der Konkurs nach Verteilung an die Masse- und Konkursgläubiger aufgehoben und die Verjährung der haftungsgegenständlichen Forderungen begann mit Ablauf dieses Tages neu zu laufen.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides vom war daher Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO keinesfalls eingetreten, weswegen sich der diesbezügliche Beschwerdeeinwand als unzutreffend erweist. Insoweit war die Erlassung des Bescheides rechtskonform.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom unterbricht die Einhebungsverjährung. Auch der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses unterbricht die Einhebungsverjährung.

Res judicata?

Aus dem nachträglich vorgelegten Insolvenz- und Haftungsakt ergibt sich, dass der Bf. bereits mit Haftungsbescheid vom zur Haftung für jene Abgaben herangezogen wurde, die auch den Gegenstand des nunmehr im gegenständlichen angefochtenen Haftungsbescheides bilden.

Gegenstand des Spruches des Bescheides sind dieselben Abgaben, die auch den Gegenstand des zuvor erlassenen Bescheides vom gebildet haben. Dieser Haftung liegt auch die Bestimmung des § 9 BAO zugrunde.

Rechtlich:

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Aus den im Verfahren beim Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten ergibt sich, dass das Finanzamt in derselben, identen Haftungssache den Bf. bereits einmal mit Haftungsbescheid vom zur Haftung herangezogen hat.
Der Bf. wurde im Haftungsbescheid vom mit seinem Vornamen, Zunamen unter Angabe seiner Wohnadresse als Adressat des Bescheides benannt und bezeichnet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt der dagegen erhobenen Beschwerde vom in der Sache stattgegeben und den Haftungsbescheid vom vollinhaltlich aufgehoben.

Diese meritorische Beschwerdevorentscheidung vom stellt eine Entscheidung des Finanzamtes in der Sache dar und tritt an die Stelle des angefochtenen Bescheides. Der angefochtene Bescheid wurde durch die Beschwerdevorentscheidung zur Gänze ersetzt. Die Beschwerdevorentscheidung erwuchs in Rechtskraft. Damit hat das Finanzamt rechtswirksam in dieser Sache abgesprochen.

Anders als § 93 BAO, der allgemein die inhaltlichen Erfordernisse von Bescheiden regelt und keine Verpflichtung zur Zitierung jener gesetzlichen Grundlagen vorsieht, auf denen der Bescheid beruht, bestimmt § 224 BAO als besondere Norm ausdrücklich, dass der Haftungspflichtige "auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet" hinzuweisen ist. Der Spruch eines Haftungsbescheides hat daher nicht nur anzuführen, für welche Abgaben die Haftung in Anspruch genommen wird und bis zu welchem Zeitpunkt die Haftungsschuld zu entrichten ist, sondern auch darauf hinzuweisen, auf welche Vorschrift sich die geltend gemachte Haftungspflicht stützt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 224 Rz 6).

Im Spruch des gegenständlichen angefochtenen Bescheides vom wurde die Haftungsinanspruchnahme auf die Bestimmung des § 9 BAO gestützt. Damit wurde auch die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für die Abänderungsbefugnis im Beschwerdeverfahren im Sinne des § 289 Abs. 2 BAO festgelegt.

Eine Umdeutung dieses Bescheidspruches in eine Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung für die angeführten Abgaben aufgrund der Bestimmung des § 9 BAO kommt nicht in Betracht.

Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand (). Die dem Spruch eines Bescheides beigegebene Begründung kann nur dann als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch, für sich allein betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Ist aber der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu (). Die Begründung darf daher nicht als Ersatz des Spruches herangezogen werden, sondern lediglich zur Aufhellung des Sinnverständnisses und damit zur Auslegung eines unklaren Spruches (Stoll, BAO, 962; vgl. ).

Mit einem (rechtskräftigen) Bescheid ist grundsätzlich die Wirkung verbunden, dass über die den Gegenstand des Bescheides bildende Sache abgesprochen wird und dass der Abspruch über die Sache auch für die Behörde - abgesehen von den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen - verbindlich, unwiederholbar, unwiderrufbar und unabänderbar ist (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, 3. Auflage, § 92 E 20).

Das Verfahrenshindernis der res iudicata setzt voraus, dass Begehren, Partei(en) und der anspruchserzeugende Sachverhalt ident sind zu einem Bescheid im Vorverfahren ().

Der verfahrensgegenständliche Beschwerdefall hat denselben anspruchsbegründenden Sachverhalt, nämlich die idente Haftungssache betreffend den identen Geschäftsführer als Haftenden und betrifft dieselben uneinbringlichen Abgaben der GmbH.

Der Spruch der Beschwerdevorentscheidung lautet:

"Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Haftungsbescheid wird aufgehoben."

Am objektiven Erklärungsgehalt des Spruches der rechtskräftigen Beschwerdevorentscheidung bestehen kein Zweifel, sodass davon auszugehen ist, dass in der Haftungssache meritorisch entschieden worden ist.

Aus Sicht des erkennenden Richters liegt daher bereits durch die stattgebende Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher der Haftungsbescheid vom aufgehoben wurde, eine bereits entschiedene Sache vor.

Damit lagen die weiteren Voraussetzungen für einen neuerlichen Haftungsbescheid nicht mehr vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die angeführte Judikatur stützt, war die Revision nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100442.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at