Der COVID-19-Ausfallsbonus ist in die Umsatzgrenze für die Gastgewerbepauschalierung nicht einzurechnen
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100351/2023-RS1 | Der "Ausfallsbonus" ist kein steuerbarer Umsatz im Sinne des § 1 UStG 1994, sondern ein nicht steuerbarer echter Zuschuss. |
RV/3100351/2023-RS2 | |
RV/3100351/2023-RS3 | Der "Ausfallsbonus" stellt zwar ertragsteuerlich eine steuerwirksame Betriebseinnahme dar, ist aber nicht in die Pauschalierungsgrenze des § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 einzurechnen, da diese Bestimmung lediglich auf Umsätze im Sinne des § 125 BAO abstellt, unter welche der Ausfallsbonus nicht zu subsumieren ist. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Preindl & Ostheimer Steuerberatung-OG, Jakob-Gapp-Straße 10, 6600 Reutte, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Der Beschwerde wird Folgegegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Die Einkommensteuer 2022 wird mit 0,00 Euro festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Im gegenständlichen Verfahren ist lediglich strittig, ob der Ausfallsbonus zu den Umsätzen im Sinne des § 125 BAO zählt und in weiterer Folge die Umsatzgrenze für die Gastgewerbepauschalierung überschritten ist oder nicht.
1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen
Am reichte der Beschwerdeführer (Bf.) seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 über FinanzOnline ein, worin er pauschalierte Betriebsausgaben in Höhe von 29 % der Betriebseinnahmen bzw. 114.955,77 € geltend machte.
Die belangte Behörde erließ am den nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2022, in welchem sie die pauschalierten Betriebsausgaben nicht zum Abzug zuließ, wodurch sich das zu versteuernde Einkommen des Bf. um rund 70.000 € erhöhte. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der Bf. habe im Vorjahr die Umsatzgrenze von 400.000 € überschritten, weil die vom Bf. erhaltenen Ausfallsboni zu den Umsätzen im Sinne des § 125 BAO zählen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am über FinanzOnline eingebrachte Beschwerde des Bf., in welcher er begründend ausführt, zum einen habe die belangte Behörde den Gewinnfreibetrag in falscher Höhe (3.900 € statt richtigerweise 4.500 €) berücksichtigt und zum anderen stelle der Ausfallsbonus keinen Umsatz im Sinne des § 125 BAO dar, zumal diese Bestimmung auf das UStG verweise und umsatzsteuerrechtlich ein nicht steuerbarer echter Zuschuss vorliege. In Bezug auf die Kleinunternehmerpauschalierung des EStG habe der Gesetzgeber ausdrücklich normiert, dass Zahlungen zum Ersatz entgehender Umsätze wie Umsätze im Sinne des UStG zu behandeln sind; eine vergleichbare Regelung gebe es bei der Gastgewerbepauschalierung nicht, woraus zu schließen sei, dass die Ausfallsboni in Hinblick auf deren Anwendungsvoraussetzungen nicht als Umsatz gelten würden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde (hinsichtlich des Gewinnfreibetrages) teilweise statt. Zur Pauschalierungsgrenze führte die Behörde unter Verweis auf EStR 2000 Rz 313g begründend zusammengefasst aus, dass der Ausfallsbonus wie ein real erzielter Umsatz besteuert werde und daher in die Umsätze gemäß § 125 BAO miteinzubeziehen sei, wodurch der Bf. im Jahr 2021 die Umsatzgrenze für die Anwendung der Gastgewerbepauschalierung im Jahr 2022 überschritten habe.
Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, ohne weiteres Vorbringen zu erstatten. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte dabei die teilweise Stattgabe gemäß der Beschwerdevorentscheidung.
2. Sachverhalt
Der Bf. betreibt das Restaurant ***Restaurant*** in ***Ort***. Im Jahr 2021 erzielte er (ohne die beschwerdegegenständlichen Ausfallsboni) Umsätze in Höhe von 397.160,61 €. Darüber hinaus erhielt er im Jahr 2021 COVID-19-Unterstützungsleistungen in Form von Ausfallsboni für die Monate Jänner bis März sowie Mai 2021 in Höhe von insgesamt 7.526,95 €.
3. Beweiswürdigung
Der gesamte Sachverhalt ist zwischen den Parteien nicht strittig und konnte vom Gericht zudem durch den vorgelegten Auszug aus der Transparenzdatenbank und die amtswegige Einsichtnahme in den Veranlagungsakt des Jahres 2021 durch das Gericht bestätigt werden, weshalb ihn das Gericht ohne Bedenken seiner Entscheidung zugrunde legen konnte.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Rechtslage
Im Veranlagungsjahr 2022 ist die auf § 17 Abs. 4 und 5 EStG 1988 gestützte Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 (BGBl. II 488/2012) in der Fassung BGBl. II 355/2020 anzuwenden. Ihr Anwendungsbereich ergibt sich aus § 1 dieser Verordnung:
"(1) Bei der Ermittlung des Gewinnes bei Betrieben, für die eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 111 der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. I Nr. 194) erforderlich ist und während des gesamten Wirtschaftsjahres vorliegt, können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Betriebsausgaben pauschal berücksichtigt werden.
(2) Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Pauschalierung ist:
1. Es besteht keine Buchführungspflicht und es werden auch nicht freiwillig Bücher geführt, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermöglichen.
2. Die Umsätze im Sinne des § 125 BAO betragen nicht mehr als 400 000 Euro. Dabei gilt Folgendes:
a) Im Fall eines zwölf Kalendermonate umfassenden vorangegangenen Wirtschaftsjahres sind die Umsätze maßgebend, die der Steuerpflichtige in dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr erzielt hat. […]
3. Aus der Steuererklärung geht hervor, dass der Steuerpflichtige von der Pauschalierung Gebrauch macht."
§ 124b Z 348 EStG 1988 normiert auszugsweise:
"Steuerfrei sind ab dem : […]
c) Zuschüsse auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Z 7 ABBAG-Gesetz, BGBl. I Nr. 51/2014 idF BGBl. I Nr. 44/2020. […]
Von der Steuerfreiheit ausgenommen sind ab der Veranlagung 2020 Zahlungen zum Ersatz entgehender Umsätze nach lit. b und c sowie der NPO-Lockdown-Zuschuss gemäß § 7a der 2. NPO-FondsRLV, BGBl. II Nr. 99/2021, und ab der Veranlagung 2021 Zahlungen zum Ersatz entgehender Umsätze nach lit. a und d. Zahlungen zum Ersatz entgehender Umsätze sind bei Anwendung der Kleinunternehmerpauschalierung gemäß § 17 Abs. 3a im Rahmen der Veranlagung 2020 wie Umsätze im Sinne des UStG 1994 zu behandeln, sofern der dem Jahr 2020 zuzuordnende Umsatzersatz höher ist als die Betriebseinnahmen (ohne Umsatzsteuer) aus Umsätzen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994."
§ 125 Abs. 2 BAO normiert:
"Umsätze im Sinne des Abs.1 sind solche gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 zuzüglich der Umsätze aus im Ausland ausgeführten Leistungen. Keine Umsätze sind jedoch nicht unmittelbar dem Betriebszweck oder dem Zweck des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dienende Umsätze
1.die unter §6 Abs.1 Z8 und 9 und § 10 Abs. 2 Z 3 UStG 1994 fallen oder - wären sie im Inland ausgeführt worden - fallen würden,
2.aus Geschäftsveräußerungen im Sinn des § 4 Abs. 7 UStG 1994,
3.die bei der Erzielung von Entschädigungen im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 ausgeführt werden und
4.aus besonderen Waldnutzungen im Sinn der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften."
4.2. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 erfüllt ist oder nicht. Die übrigen Kriterien des § 1 leg cit liegen unstrittig vor. Ob die Umsatzgrenze gemäß der erwähnten Bestimmung im Jahr 2021 überschritten wurde und somit im Jahr 2022 die Gastgewerbepauschalierung nicht mehr anwendbar ist, hängt allein davon ab, ob die Ausfallsboni, die der Bf. im Jahr 2021 erhalten hat, zu den Umsätzen gemäß § 125 BAO zu zählen sind.
Die gegenständlichen Ausfallsboni wurden gemäß der auf § 3b Abs. 3 ABBAG-Gesetz gestützten VO Ausfallsbonus, BGBl. II 74/2021, geleistet. Es handelt sich dabei folglich um Zuschüsse auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Z 7 ABBAG-Gesetz, welche gemäß § 124b Z 348 EStG 1988 grundsätzlich von der Einkommensteuer befreit wären. Da der Ausfallsbonus aber aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs mit einem Umsatzausfall (vgl. insbesondere Pkt. 3.1.3, 4.1 und 4.4 der Förderrichtlinien im Anhang der VO Ausfallsbonus) evident zum Ersatz entgehender Umsätze geleistet wird, ist er gemäß § 124b Z 348 lit. c und vorletzter Satz EStG 1988 jedoch nicht von der Einkommensteuer befreit.
Für die Argumentation der Behörde ist dadurch jedoch nichts gewonnen, da § 125 BAO den Umsatzbegriff unabhängig von den Regelungen des EStG 1988 ausschließlich unter Verweis auf § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 definiert. Zu prüfen ist daher lediglich, ob die Ausfallsboni Umsätze im Sinne dieser Bestimmungen des UStG 1994 darstellen. Dies ist jedoch zu verneinen, da es sich beim Ausfallsbonus mangels Leistungsaustausches umsatzsteuerlich um einen nicht steuerbaren echten Zuschuss handelt (vgl. Kampitsch/Kanduth-Kristen, Steuerliche Behandlung von Umsatzersatz und Ausfallsbonus, SWK 2021, 908 und die dort in Fußnote 9 zitierten Informationen des BMF sowie UStR 2000 Rz 8).
Wie auch der Bf. nach Ansicht des erkennenden Gerichts zutreffend ausführte, bedürfte es einer eigenen gesetzlichen Regelung, um den Ausfallsbonus unter die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 bzw. in weiterer Folge gemäß § 125 BAO subsumieren zu können. Dies bringt auch der Gesetzgeber mit der expliziten Regelung in § 124b Z 348 letzter Satz EStG 1988 zum Ausdruck, die sich erübrigen würde, wenn Zahlungen zum Ersatz entgehender Umsätze ohnehin stets als Umsätze im Sinne des UStG 1994 anzusehen wären.
§ 124b Z 348 EStG 1988 hat auf die Ausfallsboni nach Ansicht des erkennenden Gerichts folglich nur die Auswirkung, dass sie als Betriebseinnahme zu erfassen und dadurch der Einkommensteuer zu unterwerfen sind; für die Pauschalierungsgrenze nach § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 sind sie hingegen nicht zu berücksichtigen. Daher haben die Umsätze des Bf. im Sinne dieser Bestimmung im Jahr 2021 die Grenze von 400.000 € nicht überschritten, weshalb die Pauschalierung ist im Streitjahr anwendbar ist.
Daher war der Beschwerde stattzugeben und eine antragsgemäße Veranlagung durchzuführen.
4.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Trotz der nach Ansicht des erkennenden Gerichts eindeutigen Rechtslage war die Revision zuzulassen, weil zur gegenständlichen Rechtsfrage, ob der Ausfallsbonus in die Umsatzgrenze gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 einzurechnen ist, zum einen keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt und diese Frage zum anderen angesichts der von der vorliegenden Entscheidung abweichenden vom BMF in den EStR 2000 vertretenen Rechtsansicht auch von allgemeiner Bedeutung ist.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 124b Z 348 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013, BGBl. II Nr. 488/2012 VO Ausfallsbonus, BGBl. II Nr. 74/2021 § 125 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
Anmerkung | Abweichend EStR 2000 Rz 313g |
Zitiert/besprochen in | Hell in |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100351.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at