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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2024, RV/7101570/2024

Außergewöhnliche Belastung mit und ohne Selbstbehalt, Pauschbetrag für Diätverpflegung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen mit oder ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen sind und ob dem Beschwerdeführer der monatliche Freibetrag für ein Gallenleiden zusteht.

I. Verfahrensgang

Am langte die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2022 des Beschwerdeführers elektronisch bei der Behörde ein. Der Beschwerdeführer erklärte unter anderem zusätzlichen Kosten i.H.v. € 3.008,88 unter Kennzahl 476 als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung einer Kostenaufstellung für die beantragten, behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt sowie entsprechender Nachweise. Mit Eingabe vom übermittelte der Beschwerdeführer die angeforderte Kostenaufstellung, aus welcher Aufwendungen i.H.v. € 3.008,88 hervorgehen. Weiters erklärte er, dass er aufgrund der Entfernung der Gallenblase eine Diät und entsprechende Medikamente und hinsichtlich seiner Augenprobleme Augentropfen benötige.

Mit Vorhalt vom führte die belangte Behörde aus, dass als außergewöhnliche Belastungen aufgrund der Behinderung nur Aufwendungen berücksichtigt werden können, die im direkten Zusammenhang mit der bescheinigten Behinderung stehen. Laut den vorliegenden Unterlagen sei die Behinderung aufgrund von Taubheit festgestellt und bescheinigt worden. Daher könnten nur die mit der Taubheit/Behinderung entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt aufgrund der Behinderung steuerlich berücksichtigt werden.

Für die vom Beschwerdeführer beantragten Aufwendungen für alternative Heilmittel und Nahrungsergänzungsmittel ersuchte die belangte Behörde, die vorab erstellten ärztlichen verordneten medizinischen Behandlungspläne nachzureichen, aus denen die medizinische Indizierung und Notwendigkeit aller alternativen Heilbehandlungen und Nahrungsergänzungsmittel im Zusammenhang mit der vorhandenen Behinderung und damit zusammenhängenden Krankheiten hervorgeht. Mit Eingabe vom übermittelte der Beschwerdeführer neben den Steuerbescheiden für 2021 und 2022 einen Befund vom eines Facharztes für Radiologie und führte aus, dass er seit dem Einkommensteuerbescheid 2018 den Absetzbetrag bezüglich Gallen-Leber-Nierenleiden erhalte. Der Arzt hätte verschiedene Medikamente für seine Beschwerden bezüglich Gallen-Verdauung-Blase verordnet, die keine Rezeptausstellung erfordern, da sie nicht von der Krankenkasse bezahlt werden. Zudem müsse der Beschwerdeführer für jeden Arztbesuch einen Selbstbehalt an die Krankenkasse bezahlen. Bisher seien die angeführten Medikamente immer anerkannt worden. Ebenso hätte es bei den angeführten Fahrtkosten bezüglich Arztbesuch und Hörgeräteakustik keine Probleme gegeben.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung von Unterlagen vom Sozialministerium, aus denen hervorgehe, dass das Gallenleiden zu einer Behinderung von mindestens 25 % führt und der die Diät erfordernde Anteil des Leidens mindestens 20 % beträgt. Weiters führte sie in dem Schreiben aus, dass aufgrund der Behinderung (Taubheit) nur Kosten i.H.v. € 496,30 als behinderungsbedingte Kosten anerkannt werden können. Die sonstigen Aufwendungen (Rezepte, Medikamente, Selbstbehalte, Fahrtkosten) inklusive Kosten für die Gallendiät seien allgemeine Krankheitskosten ohne Selbstbehalt. Mit Eingabe vom übermittelte der Beschwerdeführer eine vierseitige Gesamtbeurteilung zum Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, welche am durchgeführt wurde. Mit Eingabe vom übermittelte der Beschwerdeführer neuerlich die vierseitige Gesamtbeurteilung zum Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie Teile eines Sachverständigengutachtens, welches auf einer Begutachtung vom beruhe und das laut Ausführungen des Beschwerdeführers alle Termine bezüglich Blasenstein- und Gallenentfernung enthalte.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2022 in Höhe von - € 535,- - fest. Die belangte Behörde korrigierte die vom Beschwerdeführer geltend gemachten zusätzlichen Kosten unter der Kennzahl 476 auf € 496,30 und führte hierzu aus, dass laut vorliegenden Daten die Behinderung von 70 % aufgrund von Taubheit mit Bescheid festgestellt worden sei. Eine Diätverpflegung sei mit Bescheid nicht festgestellt worden. Alle mit der Taubheit zusammenhängenden Aufwendungen seien als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt worden.

Alle Aufwendungen die nicht direkt mit der bescheinigten Behinderung (Taubheit) stehen, können nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt steuerlich berücksichtigt werden. Aufgrund der ärztlichen Bestätigung sei der Pauschalbetrag für die Diätverpflegung als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt steuerlich berücksichtigt worden. Aufwendungen für Rezepte, Medikamente und Selbstbehalt der BVAEB seien als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt berücksichtigt worden. Da diese Aufwendungen i.H.v. € 3.199,36 niedriger seien als der für den Beschwerdeführer gültige Selbstbehalt i.H.v. € 4.641,45 seien die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen nicht berücksichtigt worden.

Am erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 und brachte vor, dass er den Betrag i.H.v. € 469,30 nicht zuordnen könne und zudem Fahrtkosten zum Arzt und Hörgeräteüberprüfungen nicht berücksichtigt worden seien. Folgende Tabelle ist im Schreiben des Beschwerdeführers angeführt:

Weiters ist der Beschwerde eine Kostenaufstellung beigelegt, aus welcher Aufwendungen zu Sonderausgaben für 2022 i.H.v. nunmehr lediglich € 1.995,17 hervorgehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung von wies die belangte Behörde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet ab und führte aus, dass laut vorliegenden Sachverständigengutachten vom ein Behinderungsgrad von 70 % aufgrund von Taubheit bzw. an Taubheit grenzender Hörstörung vorliege und keine behinderungsbedingte Krankendiät erforderlich sei. Dementsprechend seien im beanstandeten Bescheid die nachgewiesenen Kosten im Zusammenhang mit dem Hörgerät als behinderungsbedingte Kosten anerkannt worden. Die übrigen Aufwendungen seien mangels ersichtlicher Veranlassung durch die Behinderung und mangels Nachweis des Zusammenhangs mit der Behinderung nur als allgemeine Krankheitskosten mit Selbstbehalt berücksichtigt worden. In dem nun vorgelegten neuen Sachverständigengutachten vom sei zusätzlich zum Behinderungsgrad von 70 % ab 2023 bescheinigt, dass Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bezüglich Gallen, Leber-oder Nierenkrankheit und Erkrankungen des Verdauungssystems, Hypertonie und Herzerkrankungen anfallen. Aus den nachgereichten Kopien zum Sachverständigengutachten sei nicht ersichtlich, ob 2022 bereits eine behinderungsbedingte Krankendiät erforderlich gewesen sei. Mangels Nachweis der Veranlassung durch die Behinderung des Beschwerdeführers seien daher keine weiteren Ausgaben als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer "Einspruch" gegen die Beschwerdevorentscheidung vom , führte hierzu die gleichen Gründe wie bereits in seiner Beschwerde vom an und legte neuerlich die Kostenaufstellung vom bei.

Mit legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr Pensionseinkünfte.

Mit wurde beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung i.H.v. 70 % aufgrund Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Hörstörung festgestellt.

Mit wurde beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung i.H.v. 70 % aufgrund Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Hörstörung bestätigt und Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung im Ausmaß von 20 % Grad der Behinderung für Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit und für Erkrankungen des Verdauungssystems, Hypertonie und Herzerkrankungen festgestellt.

Dem Beschwerdeführer sind im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr 2022 folgende Kosten im Zusammenhang mit seiner Behinderung (Taubheit bzw. Hörstörung) angefallen:


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Datum
Ort
Beschreibung
Betrag in EUR
2.5.
Fielmann, St. Pölten
Ultraschall Reinigungsgerät f. Otoplastik
25,90
1.8.
Hansaton, Tulln
Schlauch ern., Batterien f. Hörgerät
15,80
23.12.
Hansaton, St. Pölten
Otoplastik Eigenanteil
85,00
3.2.
Fahrtkosten St. Pölten
HNO Dr. Gradl, Hansaton, Hörgerät
80 km x 0,42 €
33,60
2.5.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät reinigen, einstellen
80 km x 0,42 €
33,60
10.5.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät einstellen
80 km x 0,42 €
33,60
24.6.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Schlauch ern.
80 km x 0,42 €
33,60
1.8.
Fahrtkosten Tulln
Hansaton, Hörgerät reinigen, Schlauch, Batterien
80 km x 0,42 €
33,60
22.9.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät zur Rept.,
80 km x 0,42 €
33,60
23.9.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät einstellen
80 km x 0,42 €
33,60
12.10.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät zur Rept
80 km x 0,42 €
33,60
25.11.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Hörgerät Schlauch ern.
80 km x 0,42 €
33,60
9.12.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Otoplastik Abdruck
80 km x 0,42 €
33,60
23.12.
Fahrtkosten St. Pölten
Hansaton, Otoplastik abholen
80 km x 0,42 €
33,60
Summe
496,30

Folgende dem Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr 2022 angefallenen Kosten stehen nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung (Taubheit bzw. Hörstörung):


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Datum
Ort
Beschreibung
Betrag in EUR
20.1
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
13,30
23.2.
Apo. Mank
Serenoa Repens
15,70
14.3.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
13,30
14.3.
BVA
Behandlungsbeitrag
7,83
21.3.
Dr. Winter
Rezeptgeb. + Medikamente
50,90
31.3.
Shop Apotheke
Lactrase, Heidelberger Zistrose
115,22
8.4.
Dr. Winter
Rezeptgeb. + Medikamente
19,95
22.4.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
40,05
16.5.
Shop Apotheke
Lactrase, Myrrhinil Intest Tbl., VeenVeen
75,26
30.5.
BVA
Behandlungsbeitrag
6,09
2.6.
Dr. Winter
Rezeptgeb. + Medikamente
19,95
7.6.
Shop Apotheke
Zinkorotat, Lactrase
75,83
8.6.
Dr. Winter
Rezeptgeb. + Medikamente
40,50
9.6.
Dr. Winter
Rezeptgeb. + Medikamente
46,95
27.6.
Löwen Apo. Klagenfurt
Urgenin Blasen KPS
20,80
30.6.
BVA
Behandlungsbeitrag
5,63
25.7.
Espara, Salzburg
Cranberry Kps.
76,50
2.8.
Apo. Bösel, Tulln
Femannose-Blase
69,85
5.9.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
30,05
7.9.
Apo. Z. Mohren, Oberpullendorf
Probiogard 60 Kps.
123,84
14.9.
BVA
Behandlungsbeitrag
9,70
30.9.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
32,65
3.10.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
17,85
5.10.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
6,65
17.10.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
13,30
4.11.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
13,30
13.11.
Shop Apotheke
Chlorella Zistrose, Zinkorotat
116,65
29.11.
Shop Apotheke
Augentropfen Bepanthen, Chlorella Zistrose
62,74
6.12.
Espara, Salzburg
Cranberry Kps., Vit. B Kompl.,
40,15
13.11.
BVA
Behandlungsbeitrag
6,22
12.12.
Apo. z. Mohren, Oberpullendorf
Probiogard 60 Kps
137,60
5.12.
Apo. HerzJesu, St. Pölten
Rezeptgeb. Urolog.
6,65
12.12.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
13,30
21.12.
Dr. Winter, Texing
Rezeptgeb. + Medikamente
60,60
21.12.
Apo. Mank
Rezeptgeb.
6,65
13.10.
Fahrtkosten Scheibbs
Röntgeninstitut Dr. Hopf, MRD
32 km x 0,42 €
13,44
21.10.
Fahrtkosten Scheibbs
Röntgeninstitut Dr. Hopf, CD
32 km x 0,42 €
13,44
5.12..
Fahrtkosten St. Pölten
Dr. Lagler, Urologe
80 km x 0,42 €
33,60
16 Fahrten Dr. Winter
4 km x 0,42 €
26,88
Summe
1.498,87

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Aktenteilen sowie aus dem Abgabeninformationssystem des Bundes, in welches die Richterin Einsicht genommen hat.

Die mit festgestellte Behinderung basiert auf dem aktenkundigen Sachverständigengutachten vom , die mit festgestellte Behinderung folgt aus der Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle NÖ vom .

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

§ 34 Abs. 4 EStG 1988 normiert auszugsweise:

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen […] mehr als 36 400 Euro 12%.

Nach § 34 Abs. 6 TS 5 EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGbl. Nr. 303/1996 idF. BGBl. Nr. 430/201 wird Folgendes bestimmt:

§ 1 Abs. 1: Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

§ 1 Abs. 2: Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

§ 1 Abs. 3: Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2: Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25% sind die angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.

§ 4: Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag (Abs. 3) zu. Nach Abs. 3 leg. cit. wird jährlich bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 65% bis 74% ein Freibetrag von Euro 599 gewährt.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind zufolge § 35 Abs. 2 EStG 1988 durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stellen sind der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente gemäß § 11 Abs. 2 Opferfürsorgegesetz, BGBl Nr. 183/1947, die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern bzw. in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice); dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen zu erlassenen Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Ad Kosten i.H.v € 1.99517

Laut dem festgestellten Sachverhalt liegt beim Beschwerdeführer eine eigene körperliche Behinderung gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 im Ausmaß von 70 % vor. Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr 2022 aufgrund seiner Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Hörstörungen.

Nach § 34 Abs. 6 TS 5 EStG 1988 können daher die mit dieser Behinderung zusammenhängende Kosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden. Diese Kosten belaufen sich auf € 496,30.

Kosten im Ausmaß von € 1.498,87 sind nicht auf die Taubheit bzw. Hörstörung des Beschwerdeführers zurückzuführen. Diese Kosten sind nur insoweit zu berücksichtigen, soweit sie den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 übersteigen. Das nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 i.V.m.§ 34 Abs. 5 EStG 1988 maßgebliche Einkommen errechnet sich wie folgt: Gesamtbetrag der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 i.H.v. € 32.971,32 zuzüglich der sonstigen Bezüge (KZ 220) iHv. € 6.177,70 sowie zuzüglich der Sonderausgaben i.H.v. € 178,04, somit € 39.327,06. Da das maßgebliche Einkommen den Betrag von € 36.400,-- überschreitet, ist der Selbsthalt mit einem Prozentsatz von 12 % zu berechnen. Der Selbstbehalt beträgt somit € 4.719,25 (12% von € 39.327,06). Die Kosten iHv. € 1.498,87 beeinträchtigen daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 nicht wesentlich, da sie den Selbstbehalt des Beschwerdeführers nicht übersteigen.

Ad Freibetrag für Gallenleiden i.H.v. € 612,--

Ein Freibetrag für die Krankendiätverpflegung iSd § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen kann mangels festgestellter Gesundheitsschädigung iZm einer Gallenkrankheit im Veranlagungsjahr 2022 nicht berücksichtigt werden. Diese Beeinträchtigung ist erst aus der Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle NÖ vom ersichtlich. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Befund eines Facharztes für Radiologie vom reicht zum Nachweis hierfür nicht aus, da der Facharzt für Radiologie keine zuständige Stelle gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 ist.

Die Hinweise des Beschwerdeführers auf die (möglicherweise zu Unrecht) von der belangten Behörde in Vorjahren erfolgte Anerkennung vergleichbarer Kosten als außergewöhnliche Belastung kann der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da die Prüfung der Sach- und Rechtslage für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu erfolgen hat und grundsätzlich keine Bindung an eine in früheren Veranlagungszeiträumen geübte Vorgangsweise besteht (vgl. ).

Der Umstand, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Überprüfung durch die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise als rechtswidrig zu beurteilen (vgl. mwN, und ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhalts-fragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101570.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at