Haftung des Geschäftsführers, GmbH, Insolvenz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Glatzhofer & Matschek GmbH, Bahnhofstraße 45, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für folgende Abgabenverbindlichkeiten der ***1*** GmbH im Gesamtbetrags von € 2.829,98 in Anspruch genommen wird:
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Streit besteht im gegenständlichen Fall darüber, ob und in welcher Höhe der Beschwerdeführer infolge der Insolvenz der ***1*** GmbH (Primärschuldnerin) als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftenden Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden kann.
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer war gemeinsam mit ***GF2*** Geschäftsführer der ***1*** GmbH. Mit Beschluss vom des Landesgerichtes Klagenfurt wurde über die GmbH zur GZ ***x*** das Insolvenzverfahren eröffnet, welche infolge Eröffnung des Konkurses aufgelöst wurde. Mit Beschluss vom hob das Landesgericht Klagenfurt das Konkursverfahren nach erfolgter Schlussverteilung auf. Es erfolgte eine amtswegige Löschung der Firma gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG).
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde unter ausführlicher Darlegung der Rechtslage um Darstellung der finanziellen Mittel und deren Verwendung in der Zeit von bis zur Konkurseröffnung. Weiters wurde um Darstellung der Zahlungseingänge im genannten Zeitraum bzw. zu den jeweiligen Fälligkeitstagen sowie um Auskunft, welcher Verwendung diese Zahlungen zugeführt wurden, ersucht.
Mit Eingabe vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass die Primärschuldnerin von Beginn an aufgrund der vorgegebene Öffnungszeiten, der vorgegebenen Preise sowie der hohen Pacht zuzüglich Werbungsbeiträge nicht betriebswirtschaftlich geführt werden konnte. Die GmbH habe nie Überschüsse erzielt, obwohl keine Geschäftsführervergütung bezahlt worden sei. Das laufende Bankkonto habe sich von einem negativen Saldo iHv. € -9.076,01 am und € -10.213,01 zu einem negativen Saldo von € -99.395,79 entwickelt, einerseits da die kreditvergebende Bank die Garantie iHv. € 68.299,06 in Anspruch genommen habe und andererseits, da die Verpächterin die bei Abschluss des Pachtvertrages vereinbarte Bankgarantie iHv. € 19.660,00 gezogen habe. Die Beschwerdeführerin stellte die geleisteten Zahlungen ab ***tt.mm***.2018 dar:
[...]
Hierzu führte sie aus, dass sich daraus eine Quote der Zahlungen der Lieferungen und Leistungen ohne Berücksichtigung der gezogenen Bankgarantie von 2,46% errechne, die Quote der Zahlungen der Löhne und Gehälter 14,52% betragen habe, wobei im Juni € 390,00 als Teilzahlung für den Monat Mai 2018 und im Juli 2018 € 960,00 als Teilzahlungen für Löhne des Monates Juni bezahlt worden seien. Unter Berücksichtigung der Lohnkosten für August errechne sich eine Quote der Zahlungen der Löhne und Gehälter von 10,13%.
Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 9 iVm §§ 80ff. Bundesabgabenordnung (BAO) als Haftungspflichtigen für aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH iHv. € 21.589,10 heran, die sie wie folgt darstellt:
Nach Darlegung der Rechtslage und Zitierung von höchstgerichtlicher Judikatur führte die belangte Behörde aus, dass sie von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehe, da der Betrieb bereits von Beginn an nicht wirtschaftlich geführt worden sei.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am Beschwerde ein. Begründend gab er an, dass es trotz größter Anstrengungen der Gesellschafter von Beginn an nicht möglich gewesen sei, den Geschäftsbetrieb verlustfrei zu führen. Die Verluste seien ständig gestiegen. Im Jahr 2016 haben die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb € - 25.674,35, im Jahr 2017 € - 89.610,89 betragen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liege jedoch nicht vor, da die abgestimmte Planungsrechnung positiv gewesen sei. Im Übrigen habe die GmbH bei Insolvenzeröffnung über keine liquiden Mittel mehr verfügt, daher seien zu diesem Zeitpunkt keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt. Dies betreffe insbesondere die mit Bescheiden vom festgesetzte Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2018, gegen welche darüber hinaus Beschwerde eingebracht worden sei. Des Weiteren betreffe dies die am festgesetzte U 07/2018, die am fällige U 06/2018 und die am fälligen Lohnnebenkosten für 07/2018.
Für den darüber hinaus gehenden Betrag von € 4.780,12 beantragte der Beschwerdeführer, dass eine allfällige Heranziehung mittels Haftungsbescheid unter Berücksichtigung der Quote erfolgen solle.
Mi Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und setzte die Haftungssumme iHv. € 4.705,72 fest. Begründend führte die belangte Behörde an, dass den zugrundeliegenden Beschwerden gegen die Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2018 im Abgabenverfahren stattgegeben worden sei. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnnebenkosten wurde dem Beschwerdeführer eine Ungleichbehandlung zwischen den Gläubigern angelastet.
Im am einbrachten Vorlageantrage zitierte der Beschwerdeführer § 31 IO, wonach gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall IO nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (innerhalb der letzten sechs Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: § 31 Abs. 2 IO) oder nach dem Antrag auf Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlungen anfechtbar seien, durch die ein Insolvenzgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, wenn ihm die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste (Deckungsanfechtung). Solche Rechtshandlungen liegen laut Meinung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall in keinster Weise vor. Der Tatbestand des § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall IO setze eine bereits bestehende Gläubigerstellung voraus. Zug-um-Zug-Geschäfte können nicht nach dieser Bestimmung angefochten werden, weil die Gläubigerstellung erst gleichzeitig mit der Sicherung oder Befriedigung begründet werde.
Zug um Zug Zahlungen, die vorgenommen wurden, um den Geschäftsbetrieb in den letzten Monaten vor Insolvenzeröffnung noch aufrecht zu erhalten, seien gemäß IO nicht anfechtbar. Darüber hinaus seien Sicherstellungen oder Befriedigungen von Insolvenzgläubigem nur dann anfechtbar, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war. Alle Sicherstellungen haben im gegenständlichen Fall bei Aufnahme des Geschäftsbetriebes stattgefunden und haben nur die Finanzierung durch ein Kreditinstitut und die Sicherstellung des Mietvertrages betroffen. Wenn die angeführten Grundsätze im Zivilrecht Geltung haben, müssen diese auch im Abgabenverfahren berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer beantragte, dass die Abgabenbehörde ihre Forderung unter Berücksichtigung der in der Beschwerde angeführten Quote festsetzen solle.
Daraufhin legte die belangte Behörde am die Beschwerde zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte im Vorlagebericht die teilweise Stattgabe im Sinne der Beschwerdevorentscheidung.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung 5010 zugewiesen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, geb. ***, war seit ***tt.mm***.2016 einer von zwei Geschäftsführern der ***1*** GmbH. Mit Beschluss vom des Landesgerichtes Klagenfurt wurde über die GmbH zur GZ ***x*** das Insolvenzverfahren eröffnet, welche infolge Eröffnung des Konkurses aufgelöst wurde. Mit Beschluss vom hob das Landesgericht Klagenfurt das Konkursverfahren nach erfolgter Schlussverteilung auf und es erfolgte eine amtswegige Löschung der Firma gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG). Auf die Gläubiger entfiel keine Quote.
Folgende Abgaben waren zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtet:
Das Finanzamt schränkte die Haftungssumme abzüglich der Körperschaft- und Umsatzsteuer für das Jahr 2018, Körperschaftsteuervorauszahlungen 7-9/2018 und Lohnnebenkosten 07/2018 sowie Pfändungsgebühr und Barauslagenersatz ein. Die GmbH war bereits vor Konkurseröffnung am ***tt.mm***.2018 zahlungsunfähig.
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen.
Neben dem Beschwerdeführer wurde auch der zweite Geschäftsführer zur Haftung herangezogen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, Abfragen aus dem Firmenbuch und Datenbankabfragen (Abgabenkonto der Primärschulderin).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Gemäß § 9 Abs. 1 haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
§ 80 BAO lautet:
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den § 9 und § 80 BAO ist
-) die Stellung als Vertreter,
-) das Bestehen einer Abgabennachforderung gegen den Vertretenen,
-) die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung,
-) eine Pflichtverletzung des Vertreters,
-) ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und
-) die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Wie im Sachverhaltsteil festgestellt, war der Beschwerdeführer unstrittig Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er gehört damit zu dem in § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 9 BAO grundsätzlich zur Haftung für ausständige Abgabenrückstände der Primärschuldnerin herangezogen werden.
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenforderung ergibt sich aufgrund des Insolvenzverfahrens, bei dem sich eine Quote von 0 % ergeben hat. Die Abgabenschulden sind uneinbringlich.
Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet. Es ist gemäß § 1298 ABGB Sache des Vertreters, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten gemäß § 9 und § 80 BAO unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (). Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegendem - Verschuldens (). Die Schuldhaftigkeit iSd § 9 Abs 1 BAO erfasst jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit (). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre (). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; , 99/15/0249; , Ra 2020/13/0108).
Wie im Sachverhalt festgestellt, war die GmbH bereits mit ***tt.mm***.2018 zahlungsunfähig. Für Abgaben, die erst zu diesem Zeitpunkt oder später fällig wurden, scheidet eine Haftung des Beschwerdeführers mangels vorhandener Mittel in der GmbH aus. Somit sind der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrages 07/2018 aufgrund ihrer Fälligkeit gemäß § 43 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) bzw. gemäß § 122 Abs. 8 Wirtschaftskammergesetz 1998 iVm § 43 FLAG, die Körperschaftsteuervorauszahlung 7-9/2018 aufgrund ihrer Fälligkeit gemäß § 24 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz 1988 iVm § 45 Abs. 2 EStG 1988 sowie Körperschaft- und Umsatzsteuer für das Jahr 2018 aufgrund der Entstehung des Abgabenanspruches mit Ablauf des Kalenderjahres aus der Haftung auszuscheiden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen ().
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung des VwGH, dass der Nachweis der gleichmäßigen Verteilung der liquiden Mittel in der Verpflichtung des Beschwerdeführers liegt, aufgefordert, Angaben über Zahlungseingänge im Zeitraum ab bis Konkurseröffnung bzw. zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Bezug habenden Abgaben sowie über deren Verwendung zu machen. Der Beschwerdeführer übermittelte eine tabellarische Darstellung der Verbindlichkeiten zum ***tt.mm***.2018 und deren Entwicklung bis zur Konkurseröffnung. Zahlungseingänge fehlen in dieser Übersicht zur Gänze. Zahlungsausgänge sind erst ab ***tt.mm***.2018 angeführt. Der Nachweis der Gleichbehandlung des Abgabengläubigers zum Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Abgaben gelang dem Beschwerdeführer mit dieser Übersicht nicht, da sie lediglich die wirtschaftliche Lage und Entwicklung der letzten ***tt*** Tage vor Konkurseröffnung sowie die Zahlungen ab ***tt.mm***.2018 veranschaulichte. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten hinsichtlich der in die Haftung einbezogenen Abgabenschuldigkeiten und die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Abgabenausfall vorliegt.
Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben (). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgaben aus.
Mit dem Vorbingen des Beschwerdeführers, dass ab Konkurseröffnung bis Ende 2018 Verbindlichkeiten anderer Gläubiger mit einer durchschnittlichen Quote von 3,07 % beglichen wurden und somit auch die Haftung hinsichtlich der Abgabenschulden auf eine Quote von 3,07% beschränkt werden solle, versucht der Beschwerdeführer den Nachweis der fiktiven Gläubigerbehandlungsquote zu führen. Jedoch misslingt auch dieser Nachweis, da hierzu der Beschwerdeführer zum jeweiligen Fälligkeitstag der Abgaben die fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln gegenüberzustellen hat (). Diese Gegenüberstellung legte der Beschwerdeführer nicht vor.
Hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdeführers zu § 31 Insolvenzordnung ist entgegenzuhalten, dass hiermit für das Haftungsverfahren nichts zu gewinnen ist, da die Frage, ob bzw. inwieweit Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung unwirksam oder anfechtbar gewesen wären oder nicht, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen ist. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt wurde, bleibt davon unberührt (; , 94/15/0158; , 96/14/0057).
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Abgaben, die bis zum ***tt.mm***.2018 fällig waren, schuldhaft nicht entrichtet wurden.
Abgaben, deren Fälligkeit zum bzw. nach dem ***tt.mm***.2018 eingetreten ist, sind von der Haftung nicht zu erfassen, weil die Primärschuldnerin an diesem Tag (Mittwoch) bereits zahlungsunfähig gewesen ist. Eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer liegt insoweit nicht vor.
Ermessen
Wenn alle Tatbestandsmerkmale für eine Haftung erfüllt sind, liegt die Inanspruchnahme eines zur Haftung Verpflichteten schlussendlich im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde hat sich gemäß § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (; , 91/13/0181; , 99/13/0060).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist eine Erwägung, die in diese Ermessensübung miteinzubeziehen ist, ein langer Zeitabstand zwischen der Haftungsinanspruchnahme des Vertreters und dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Feststehen der Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin (; , Ra 2021/13/0132; 91/13/0037; , Ra 2015/16/0044; , Ra 2015/16/0044; , Ra 2014/16/0026; , 2006/13/0159).
Der Beschwerdeführer ist 1987 geboren und steht in einem erwerbsfähigen Alter, sodass künftig erzielte Einkünfte neben dem zweiten Geschäftsführer der GmbH als Haftenden zur Einbringlichkeit des Haftungsbetrages führen können.
Im vorliegenden Fall liegt die Fälligkeit der Abgaben bis in das Jahr 2017 zurück. Der Beschwerdeführer hat anschaulich dargestellt, dass das Unternehmen trotz positiver Entwicklungsprognosen von Anbeginn an nur mit Verlusten geführt werden konnte.
Bei der Ermessensübung zu Gunsten des Haftungspflichtigen kann nach herrschender Lehre die lange Verfahrensdauer und der Umstand, dass der abgabenrechtliche Sachverhalt bereits über sechs Jahre zurückliegt, berücksichtigt werden, sodass aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes der jeweilige Haftungsbetrag im verringerten Ausmaß von 3/5 des tatsächlich nicht entrichteten Abgabenbetrages festzusetzen war.
Folgende Abgaben sind daher Gegenstand der Haftungsinanspruchnahme:
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die jeweils zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, geklärt. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht waren ausschließlich Tatsachenfragen und Ermessensfragen zu beurteilen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100216.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at