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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2024, RV/2100629/2023

Keine begünstigten Zuschläge ohne Nachweis

Beachte

Revision eingebracht. Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0050.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schmidinger Lederer Prantner Huber Rechtsanwälte, Meinhardstraße 5a, 6020 Innsbruck,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2013 - 2016 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Fortgesetztes Verfahren nach :

Im - die Beschwerdesache betreffenden - aufgehobenen Erkenntnis des hat das BFG zu Überstundenzuschlägen gemäß § 68 Abs 1 EStG 1988 (für Überstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. in der Nacht) vertreten, dass mangels Vorliegens einer Normalarbeitszeit (für die Arbeitnehmer wurde eine wöchentliche Arbeitszeit mit Durchrechnungszeitraum einer Saison vereinbart) die genaue Anzahl und die zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden nicht feststehen könne, weshalb aus dem Überstundenpauschale keine steuerfreien Beträge herausgerechnet werden könnten.

Indem das BFG die Abweisung der Beschwerde darauf gestützt hat, dass sich aus den Arbeitszeitnachweisen der Revisionswerberin die zeitliche Lagerung der Normalarbeitszeit und der Überstunden nicht ableiten lasse, hat es die Rechtslage verkannt (). Auch ist die Alternativbegründung des BFG (fehlender Nachweis des betrieblichen Erfordernisses von Überstunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen) nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weil bei einem Hotelbetrieb davon auszugehen ist, dass die Ableistung von (Über)Stunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erforderlich ist.

Während des Durchrechnungszeitraums liegen nach Ansicht des VwGH aaO Rz 23 Überstunden erst vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird. Ab Überschreiten dieser Grenzen liegen jedoch sofort Überstunden vor, die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden können (VwGH aaO Rz 24).

Im fortgesetzten Verfahren ist daher unter Berücksichtigung der Vorgaben des VwGH zu prüfen, inwieweit die Arbeitnehmer der Bf. begünstigte Überstunden geleistet haben.

Dazu wurde die Bf. mit Schreiben des aufgefordert, die Arbeitszeitnachweise für sämtliche Mitarbeiter vorzulegen und die Überstunden, für die im Sinne des VwGH-Erkenntnisses steuerbegünstigte Zuschläge zu Recht gewährt wurden, kenntlich zu machen, da nach den Ermittlungsergebnissen des Finanzamtes aus den vorgelegten Aufzeichnungen nicht zu ersehen sei, an welchem Tag und zu welchen Tagesstunden der einzelne Arbeitnehmer Überstunden leistete. Für das Finanzamt waren nämlich aus den vom steuerlichen Vertreter vorgelegten Auswertungen (#AZN Überstunden an Feiertagen# sowie #AZN Überstunden an Sonntagen#) keine zeitlichen Lagerungen (Tagesstunde) von Überstunden ersichtlich.

Diese Aufforderung erging einerseits deshalb, weil das Ableisten derartiger Arbeitszeiten im Einzelfall nach der Aktenlage nicht konkret nachgewiesen wurde und andererseits, weil nach Ansicht der Bf. die gesetzliche Normalarbeitszeit im Ausmaß von jeweils acht Stunden auf die ersten fünf Arbeitstage der Woche entfalle, weshalb es sich bei der an diesen Tagen in der Regel erbrachten neunten Arbeitsstunde und bei allen am sechsten Arbeitstag (über 40 Stunden hinausgehende Wochenarbeitszeit) erbrachten Arbeitsstunden um Überstunden handle, die einer steuerlichen Begünstigung nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich seien (Beschwerde vom , Seite 8 unten bzw. Seite 9 oben, vgl dazu auch VwGH aaO, Rz 22). Laut VwGH aaO (Rz 23) liegen während des Durchrechnungszeitraums Überstunden jedoch erst vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird.

Die Beibringung derartiger Nachweise erfolgte nicht, da dies nach Ansicht der Bf. aufgrund des Erkenntnisses des VwGH obsolet sei. Stattdessen wurde das BFG mit per Mail übermitteltem Schreiben vom ersucht, der Bf. die verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufforderung mitzuteilen. Die Qualifikation als Überstunde sei eine rechtliche Subsumtion, die einer Nachweisführung nicht zugänglich sei.

Mit Schreiben des wurde die Bf. abermals unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung () aufgefordert, die erforderlichen Nachweise zu erbringen.

Mit Schreiben vom erklärte die Bf. dazu, dass sie davon ausgehe, dass sämtliche Unterlagen vorlägen und verwies auf die OZ X und XI im Aktenverzeichnis zur Revisionsvorlage an den VwGH (Anmerkung: Die OZ betreffen "Arbeitsaufzeichnungen und Lohnkonten Beispiele Teil 1 und Teil 2").

Die Vorlage der Arbeitsaufzeichnungen (Anmerkung: ohne Kenntlichmachung der Überstunden, für die ein Zuschlag gewährt wurde) erfülle die Nachweispflichten, da dies die Tatsachenseite betreffe. Die rechtliche Subsumtion, ob Überstunden vorliegen, obliege der Behörde bzw. dem BFG. Dazu heißt es im Schreiben:

"Es sei aber auch nochmals auf das im gegenständlichen Verfahren bereits einschlägig ergangene Erkenntnis des -6 ausdrücklich verwiesen, wonach das Höchstgericht aus den gegenständlich vorliegenden, weder inhaltlich noch formell beanstandeten Arbeitszeitnachweisen die Feststellung bzw. (nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 auch steuerfreie sofortige) Überstundenqualifikation sowohl von täglich 9 Stunden bzw. wöchentlich 48 Stunden übersteigenden Arbeitszeiten als aber auch eines am Ende des Durchrechnungszeitraum allenfalls bestehenden und einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum zuordenbaren und ebenfalls einer Begünstigung gem. § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglichen Zeitguthabens als ohne weiteres möglich vorgibt (vgl. Rz 24), aber auch ausführt, nicht ohne weiteres nachvollziehen zu können, weshalb in Anbetracht des (an sich bereits notorischen) Umstandes, dass bei einem Hotelbetrieb davon auszugehen sei, dass die Ableistung von (Über)Stunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erforderlich sei, der Beschwerdeführerin unterstellt werde, keinen Nachweis für das betriebliche Erfordernisse von Überstunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erbracht zu haben (vgl. Rz 25), demzufolge aber auch nicht nachvollzogen werden kann, weshalb in Anbetracht dessen bzw. im Widerspruch hiezu in Ihrem Schreiben vom neuerlich beharrlich die Beibringung eines gesonderten Nachweis für betriebliche Gründe zur Leistung der Überstunden eingefordert bzw. für gegenständlich erforderlich erachtet wird."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.) betreibt ein Hotel. Auf die Dienstnehmer sind der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe und der Kollektivvertrag für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe anwendbar. Es handelt sich bei der Bf. um einen Saisonbetrieb (Beschwerdevorentscheidung).

Die Dienstnehmer führen laut unwidersprochener Erhebungen des Finanzamtes (ausdrücklich in der Beschwerdevorentscheidung dargestellt) ihre jeweiligen Arbeitszeitnachweise (AZN) auf elektronischem Wege. In den Arbeitszeitnachweisen sind die Arbeitszeiten in Spalten wie folgt erfasst:

• Datum (mit Wochentag)
• Zeitart (Wochenruhetag, Arbeitstag, Arbeitsfeiertag, Urlaubstag, Ersatzruhetag, Zeitausgleich, etc)
• Arbeitszeit mit Beginn und Ende
• Pause
• GAZ (Gesamtarbeitzeit)

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Angestellten beträgt ausschließlich der Pausen 54 Stunden, die von Arbeitern 45 Stunden, jeweils aufgeteilt auf 6 Tage. Als Durchrechnungszeitraum wurde eine Saison vereinbart. Das vertraglich vereinbarte Entgelt teilt sich in ein Grundgehalt bzw. einen Grundlohn, ein "Überstundenpauschale" (monatlich gleichbleibend hohe Vergütung für eine bestimmte Anzahl an Überstunden), ein Feiertagsarbeitsentgelt und eine All In Überzahlung, bei Arbeitern auch ein Zuschlag für 6. Arbeitstag.

Laut Angaben der Bf. (E-Mail des Vertreters Mag. ***1*** an die Prüferin vom ) wurden spätestens am Ende der Saison alle nicht geleisteten Überstunden oder Ausfallszeiten, wie Kranktage oder Urlaubstage, nachversteuert, nachgemeldet und auch an das Finanzamt nachbezahlt.

Aus dem Außenprüfungsbericht des Finanzamtes Judenburg Liezen vom ergibt sich zu den Nachweisen:

"Bei der Überprüfung der Lohnkonten wurde festgestellt, dass im Prüfungszeitraum Überstundenpauschalien ausbezahlt und dabei auch steuerfreie Überstundenzuschläge nach § 68 Abs 1 EStG herausgeschält wurden. Mit den einzelnen Dienstnehmern wurden dafür dienstvertraglich durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeiten (bis zu 54 Wochenstunden) festgelegt.

Für die Entlohnung wurden in den Dienstverträgen Entgeltvereinbarungen getroffen, welche aus einem Grundlohn/-gehalt, Überstundenpauschale, Feiertagsarbeitsentgelt und einer All In Überzahlung bestanden haben. Aus den vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen waren nur die gesamten Arbeitszeiten im Betrieb ersichtlich. Aus diesen Aufzeichnungen war nicht zu ersehen, an welchem Tag und zu welchen Tagesstunden der einzelne Arbeitnehmer Überstunden leistete.

Auch waren aus den vom steuerlichen Vertreter vorgelegten Auswertungen #AZN Überstunden an Feiertagen# sowie #AZN Überstunden an Sonntagen# keine zeitlichen Lagerungen (Tagesstunde) von Überstunden ersichtlich. Es konnte dem Einwand, es handelt sich hierbei wieder um dieselbe Logik wie bei den Blockarbeitszeit-Überstunden: Es ist die Gesamtarbeitszeit inklusive der zeitlichen Lagerung angegeben, also bei Wert #9# handelt es sich um 1 Überstundenzuschlag, nicht gefolgt werden.

Darüber hinaus konnten keine geeigneten Nachweise über Anzahl und zeitliche Lagerung der Überstunden sowie zwingende betriebliche Gründe zur Leistung der Überstunden beigebracht werden.

Aufgrund der obigen Ausführungen wurden die am Lohnkonto ausgewiesenen #Überstundenzuschläge 50 % § 68/1#, welche steuerfrei abgerechnet wurden, ausgeschieden, und die dafür anfallende Lohnsteuer zur Vorschreibung gebracht. Da vom Arbeitgeber keine freiwilligen Sonntagszuschläge ausbezahlt wurden, konnte die Bemessungsgrundlage für die Nachverrechnung nicht gemindert werden. Das Herausschälen der Überstundenzuschläge im Sinne des § 68 Abs. 2 EStG 1988 wurde nicht beanstandet. Auch konnte der steuerfrei ausbezahlte Feiertagszuschlag anerkannt werden, da eine genaue Zuordnung zu den tatsächlich gearbeiteten Feiertagen möglich war."

Die Bf. hat trotz zweimaliger Aufforderung durch das BFG im Beschwerdeverfahren keine Unterlagen vorgelegt.

Die im Verfahren RV/2100880/2019 ausdrücklich als "beispielhaft" vorgelegten Lohnkonten und Arbeitsaufzeichnungen weisen bei der Dienstnehmerin, Frau ***2*** A, einer Rezeptionistin, am Lohnkonto 2016 monatlich jeweils 39 Stunden Arbeitszeit am Sonntag aus. Im Dezember erfolgte eine Korrektur um 101 Stunden, obwohl als Durchrechnungszeitraum eine Saison vereinbart wurde und der Durchrechnungszeitraum in den Arbeitszeitnachweisen mit - angegeben ist.

Die dazu jeweils am ausgedruckten und nicht unterfertigten "Arbeitszeitnachweise" weisen für das gesamte Jahr 2016 eine exakte tägliche Arbeitszeit von 8:00 - 17:30 mit einer nicht zeitlich zugeordneten Pause von 30 Minuten aus. An keinem Tag gab es Abweichungen davon. Wochenruhetag war von Jänner bis April der Freitag, im Mai die erste Woche der Donnerstag, danach der Sonntag, ab Juni wechselte der Wochenruhetag. Im Mai kam es zu einem 3 wöchigen Urlaub. Im August und November wurde jeweils 1 Woche Urlaub vermerkt. Das Jahreslohnkonto 2016 weist 39 "Überstundenzuschläge 50% § 68 Abs 1 EStG" pro Monat aus bzw. nach Korrektur im Dezember (außerhalb des Durchrechnungszeitraumes) jährlich 328 Sunden Sonntagsüberstunden aus.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Betrieb der Bf. ergeben sich aus den in Klammer gesetzten Quellen.

Da die Bf. trotz zweimaliger, ausdrücklicher Aufforderung durch das BFG keine Unterlagen vorgelegt hat und in ihren Schreiben auch nicht vorgebracht hat, warum die Feststellungen des Finanzamtes unrichtig seien, muss davon ausgegangen werden, dass die Angaben im Außenprüfungsbericht den Tatsachen entsprechen und keine geeigneten Nachweise über Anzahl und zeitliche Lagerung der Überstunden vorliegen, für die ein Zuschlag gewährt wurde.

Soweit die Bf. unterstellt, die Vorlage der Aufzeichnungen im Rahmen der Prüfung durch das Finanzamt sei beim BFG aktenkundig, darf zunächst darauf verwiesen werden, dass die Bf. vom BFG explizit aufgefordert wurde, die Unterlagen vorzulegen, um die die Richtigkeit der Angaben überprüfen zu können. Aus dem Vorlagebericht des Finanzamtes ergibt sich, welche Unterlagen dem BFG vorgelegt wurden. Die gesamten Aufzeichnungen sind nicht darunter, sondern nur "Arbeitsaufzeichnungen und Lohnkonten Beispiele Teil 1 und Teil 2" (OZ 10 und 11 im Vorlagebericht des Finanzamtes vom ; vgl dazu auch die von der Bf. zitierten OZ X und XI der Revisionsvorlage an den ).

Die beispielhaft vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen entsprechen der Form nach auch eher einem Dienstplan, als einer zeitnah geführten Aufzeichnung: Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Dienstnehmer in der Gastronomie an jedem einzelnen Arbeitstag eines ganzen Jahres kein einziges Mal auch nur 5 Minuten länger bleiben musste (im Beschwerdefall beispielsweise, weil ein Gast um 17:25 einen Wunsch geäußert hat, dessen Erfüllung sich bis 17:35 hingezogen hat o.ä.). Überdies spricht die fehlende Eintragung der genauen zeitlichen Lagerung der Pause dagegen, dass es sich um zeitnah geführte Aufzeichnungen handelt, ist es doch für die Überprüfbarkeit der Einhaltung der Arbeitszeit durch den Dienstgeber wesentlich zu wissen, ob bzw. wie lange die Abwesenheit aufgrund einer Pause noch erfolgt, oder ob die Dienstnehmerin nur kurz abwesend ist, "um sich frisch zu machen".

Der mehrmaligen Aufforderung des BFG, die Nachweise im Beschwerdeverfahren vorzulegen, kam die Bf. nicht nach, womit dem BFG eine Überprüfung der Voraussetzungen für alle Arbeitnehmer schlichtweg nicht möglich ist.

Die beispielhaft vorgelegten Lohnkonten iZH mit den Arbeitszeitaufzeichnungen untermauern die Richtigkeit der Feststellungen im Außenprüfungsbericht (keine geeigneten Nachweise über Anzahl und zeitliche Lagerung der Überstunden): So weist beispielsweise das Jahreslohnkonto 2016 von Frau ***2*** A 39 "Überstundenzuschläge 50% § 68 Abs 1 EStG" pro Monat aus bzw. nach Korrektur im Dezember (außerhalb des Durchrechnungszeitraumes) jährlich 328 Sunden Sonntagsüberstunden.

Bereits rein rechnerisch ist es allerdings bei der im Beschwerdefall gebotenen Berechnung von Überstunden (vgl VwGH aaO: erst die über 48 Wochenarbeitsstunden geleisteten Stunden sind als Überstunden anzusehen) nicht möglich, 328 Überstunden an einem Sonntag zu leisten: Bei maximal denkbaren 47 Arbeitswochen (52 Wochen pro Jahr abzüglich 5 Wochen Urlaub) fallen - wenn man wie Frau ***2*** laut Aufzeichnungen zusätzlich zu je 9 Stunden an 5 Wochentagen auch jeden Sonntag 9 Stunden arbeitet - je Sonntag 6 Überstunden an (5 Tage à 9 Stunden = 45 Stunden, von den am sechsten Tag geleisteten 9 Stunden übersteigen 6 die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden). Bei 47 möglichen Sonntagen ergibt das maximal 282 Überstunden pro Jahr, die am Sonntag geleistet werden können. Demgegenüber hat die Bf. 328 Überstunden am Sonntag ausgewiesen.

Aus den beispielhaft vorgelegten Arbeitszeitnachweisen von Frau ***2*** ergibt sich bei Durchsicht der tatsächlichen Eintragungen kein anderes Bild: Jänner bis März je 24 Überstunden am Sonntag, April 30 Überstunden am Sonntag, Mai 6 Überstunden am Sonntag, Juni 18 Überstunden am Sonntag, usw., somit keinesfalls 328 Überstunden am Sonntag.

Damit steht nicht nur fest, dass keine geeigneten Nachweise über Anzahl und zeitliche Lagerung der Überstunden beigebracht wurden (Außenprüfungsbericht), sondern auch, dass die laut Lohnkonto ausgewiesenen Überstunden am Sonntag nicht im ausgewiesenen Ausmaß erbracht werden konnten bzw. offenbar auch nicht wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtslage

§ 68 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"§ 68. (1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

(2) Zusätzlich zu Abs. 1 sind Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat im Ausmaß von höchstens 50% des Grundlohnes, insgesamt höchstens jedoch 86 Euro monatlich, steuerfrei.

(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfaßt werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern.

(4) Als Überstunde gilt jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Als Normalarbeitszeit gilt jene Arbeitszeit, die auf Grund

1. gesetzlicher Vorschriften,

[...]

5. von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,

[...]

festgesetzt wird oder die

7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern allgemein übliche Normalarbeitszeit. Als Überstunde gilt jedoch nur jene Arbeitszeit, die 40 Stunden in der Woche übersteigt oder durch die die Tagesarbeitszeit überschritten wird, die sich auf Grund der Verteilung einer mindestens 40stündigen wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage ergibt.

[...]

(6) Als Nachtarbeit gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50%.

[...]

(9) Sieht eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des Abs. 5 Z 1 bis 6 vor, dass an Sonntagen regelmäßig Arbeitsleistungen zu erbringen sind und dafür ein Wochentag als Ersatzruhetag (Wochenruhe) zusteht, sind Zuschläge und Überstundenzuschläge am Ersatzruhetag wie Zuschläge gemäß Abs. 1 zu behandeln, wenn derartige Zuschläge für an Sonntagen geleistete Arbeit nicht zustehen."

3.2. Vorliegen von Überstunden

Der VwGH hat im Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0091 zum Beschwerdefall festgehalten, dass während des Durchrechnungszeitraums Überstunden erst vorliegen, wenn die tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird (Rz 23). Ab Überschreiten dieser Grenzen liegen sofort Überstunden vor, die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden können (Rz 24).

3.3. Überstundenpauschale

Im Falle von Überstundenpauschalvergütungen ist der Nachweis der Anzahl der durchschnittlich im Lohnzahlungszeitraum unter der Voraussetzung gleichbleibender Verhältnisse zu leistenden Überstunden Mindesterfordernis für die Begünstigung und, dass das Pauschale (Grundlohn und Mehrarbeitszuschlag) der Zahl der durchschnittlich geleisteten Überstunden entspricht (vgl zum EStG 1972).

Im Beschwerdefall wurde monatlich zunächst ein jeweils der Höhe nach gleichbleibender Zuschlag ausbezahlt. Wenn ein Mitarbeiter die vereinbarten Überstunden laut Vertrag nicht geleistet hatte, hat die Bf. laut eigenen Angaben (E-Mail des Vertreters Mag. ***1*** an die Prüferin vom ) spätestens am Ende der Saison alle nicht geleisteten Überstunden oder Ausfallszeiten, wie Kranktage oder Urlaubstage, nachversteuert, nachgemeldet und auch an das Finanzamt nachbezahlt.

Damit liegt kein Pauschale im technischen Sinn vor, sondern eine Vorauszahlung für tatsächlich geleistete Überstunden, die gemäß der vereinbarten Durchrechnung am Ende der Saison exakt abgerechnet werden sollen bzw. offenbar tatsächlich im Dezember abgerechnet wurde. Das Finanzamt ist dieser Ansicht zumindest implizit gefolgt.

Es erübrigt sich damit die Prüfung, ob die Verhältnisse gleichbleibend waren oder ob das Pauschale den durchschnittlich geleisteten Überstunden entspricht.

3.4. Nachweis von Überstunden

Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit können nur dann als nach § 68 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden, wenn das Ableisten derartiger Arbeitszeiten im Einzelfall konkret nachgewiesen wird ( unter Hinweis auf Doralt/Knörzer, EStG10, § 68 Tz 47).

Der Verwaltungsgerichtshof hat daraus in ständiger Rechtsprechung (, , , , , vgl schon 851/78; u.w.m.) abgeleitet, dass die Begünstigung nur in Betracht kommt, wenn die genaue Anzahl und die zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über den sonstigen Lohn hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen.

Es ist damit zu überprüfen, ob bzw. welche Zuschläge für welche Überstunden gewährt wurden. Dazu muss aus den Unterlagen einerseits die zeitliche Lagerung der Überstunden am Sonntag hervorgehen und andererseits ein Konnex zwischen gewährten Überstundenzuschlägen und geleisteten Überstunden bestehen bzw. zumindest nachvollziehbar sein.

Die Bf. hat die diesbezüglichen Unterlagen trotz mehrmaliger Aufforderung durch das BFG nicht vorgelegt. Damit wurde das Ableisten derartiger Arbeitszeiten für gewährter Zuschläge im Einzelfall nicht konkret nachgewiesen, weshalb die Beschwerde bereits aus diesem Grund abzuweisen war.

Soweit die Bf. die Auffassung vertritt, es genüge, die Arbeitszeitaufzeichnungen vorzulegen, da dies die Tatsachenfrage sei und eine darüber hinausgehende Kennzeichnung der Überstunden sei nicht notwendig, weil dies die von der Abgabenbehörde (und in Folge vom BFG) vorzunehmende Subsumtion sei, ist festzuhalten, dass die Begünstigung für Überstunden an Sonntagen zwei Tatsachen voraussetzt: Einerseits müssen Zuschläge für Überstunden am Sonntag gewährt werden und andererseits muss das Ableisten derartiger Arbeitszeiten konkret nachgewiesen werden.

Die Tatsache des Ableistens von Arbeit an Sonntagen kann durch die reinen Arbeitszeitaufzeichnungen nachgewiesen werden, die Tatsache, für wie viele Stunden Sonntagsarbeit ein Zuschlag gewährt wurde, bedarf weiterer Unterlagen, aus denen sich ergibt, welche Zulagen wofür ausbezahlt wurden. Diese wurden laut Außenprüfungsbericht auch im Verfahren vor dem Finanzamt nicht vorgelegt.

Dies ist im Beschwerdefall insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Berechnung der Überstunden durch die Bf. (die neunte Stunde jeden Tages bzw. die 41. Stunde jeder Woche wurde laut Beschwerde als Überstunde abgerechnet) und den VwGH (erst die zehnte Stunde jeden Tages bzw. die 49. Stunde jeder Woche ist eine Überstunde; VwGH aaO Rz 23) unbedingt erforderlich. Im Ergebnis hat die Bf. nämlich als Überstundenzuschlag bezeichnete Lohnzahlungen geleistet, die gar nicht für eine Überstunde gewährt worden sein können.

Im Übrigen würde die Auffassung der Bf., es seien nur Tatsachen in Form von Arbeitszeitaufzeichnungen zu belegen, während Überstunden, für die Zuschläge gewährt werden, nicht kenntlich zu machen seien, im Ergebnis dazu führen, dass Abgabepflichtige willkürlich Zulagen gewähren könnten und das Finanzamt im Nachhinein überprüfen müsste, ob überhaupt bzw. ob Teile dieser Zulagen begünstigt zu besteuern sind. Da dies dem Grundsatz widerspricht, dass im Fall der Inanspruchnahme von Abgabenbegünstigungen das Zutreffen der jeweiligen Voraussetzungen vorrangig vom Abgabepflichtigen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist ( oder ), kann dem diesbezüglichen Vorbringen nicht gefolgt werden.

Der VwGH fordert beispielsweise auch bei Schmutzzulagen nicht nur den Nachweis, in welchem Umfang diese Arbeiten von den einzelnen Arbeitnehmern geleistet worden sind, sondern auch den überprüfbaren Nachweis, für welche Arbeiten die Schmutzzulage gewährt wird. Den Dienstgeber trifft diesbezüglich eine qualifizierte Mitwirkungspflicht, die ihn dazu verhält, konkrete Behauptungen dazu aufzustellen und dafür geeignete Beweisangebote zu machen ( unter Verweis auf ; ). Nicht anders verhält es sich bei Überstundenzuschlägen: Es ist vom Dienstgeber nicht nur nachzuweisen, dass Überstunden geleistet wurden, sondern auch, dass dafür Zuschläge gewährt wurden.

Soweit die Bf. vermeint, aus dem Erkenntnis des VwGH sei direkt abzuleiten, dass der Beschwerde Folge zu geben sei, darf abermals auf die unterschiedliche Berechnung der Überstunden durch die Bf. und den VwGH hingewiesen werden.

Die Beschwerde war daher wie im Spruch ersichtlich abzuweisen.

3.5. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde dem Erkenntnis des gefolgt weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100629.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at