Keine Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, wenn keine Befunde vorgelegt werden bzw. der Antragsteller zur Untersuchung im SMS nicht erscheint
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***3***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des (eingeschränkten) Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Oktober 2017, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag vom
Der Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers (Bf.), geb. 1991, brachte am beim Finanzamt (eingelangt am ) einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages rückwirkend ab September 2014 ein (Erkrankung/Behinderung: chronische Depressionen, ADHS).
Ladung zur Untersuchung im SMS
Der Bf. wurde für zur Untersuchung im SMS geladen und ist nicht erschienen.
Abweisungsbescheid vom
Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom für den Zeitraum ab September 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe hätten, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe habe und könne somit für sich selbst Familienbeihilfe beziehen. Da der Bf. Mindestsicherung beziehe und dadurch die Sicherung des Lebensunterhaltes zur Gänze aus öffentlichen Mitteln gesichert sei, sei sein Antrag auf Eigenbezug abzuweisen. Ebenso sei der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe im oben genannten Zeitraum abzuweisen, da der Bf der Einladung zum Bundessozialamt nicht nachgekommen sei.
Beschwerde vom
In der Beschwerde vom brachte der Erwachsenenvertreter des Bf. vor, dass der Bezug von Mindestsicherung (Voraussetzung u.a.: Arbeitsunfähigkeit!) die Gewährung der beantragten Leistung nicht verhindere, wenn der Antragsteller - wie im gegenständlichen Fall - einen eigenständigen Haushalt führe (Verweis auf den beigefügten Mietvertrag). Dazu komme, dass die erhöhte Familienbeihilfe einen völlig anderen Zweck verfolge als die Mindestsicherung. Letztere diene der Deckung der Lebenshaltungskosten und bezwecke, Armut zu vermeiden. Die erhöhte Familienbeihilfe hingegen habe zum Ziel, die mit der Behinderung verbundenen Mehraufwendungen auszugleichen.
Aus dem beiliegenden fachärztlichen Befundbericht des PSD vom ergebe sich weiters, dass der Bf ob seiner psychischen Krankheit nicht in der Lage sei, Termine einzuhalten. Die Nichteinhaltung eines Termines beim BSA könne dem Bf somit krankheitsbedingt nicht vorgeworfen werden.
Aus den beiliegenden Berichten des PSD an die MA 40 vom , und ergebe sich weiters, dass der Bf seit Mai 2014 ebendort in Behandlung stehe und nicht in der Lage sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages lägen vor, da der Bf wegen einer bereits vor dem 21. bzw. 25. Lj. eingetretenen Krankheit dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Ladung zur Untersuchung im SMS
Der Bf. wurde für zur Untersuchung im SMS geladen und ist unentschuldigt nicht erschienen.
Beschwerdevorentscheidung vom
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen mit der Begründung ab, dass der Bf. laut Stellungnahme des Sozialministeriumservice vom zur amtsärztlichen Untersuchung nicht erschienen sei.
Der Aktenlage nach habe der Bf. erst am einen eigenen Haushalt geführt und vorher im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter gelebt.
Vorlageantrag vom
Der Erwachsenenvertreter des Bf. stellte am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.
Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom
Das Bundesfinanzgericht hob mit Beschluss vom den Bescheid des Finanzamtes vom , mit welchen die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag für den Zeitraum ab September 2014 abgewiesen wurde, einschließlich der Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde mit folgender Begründung auf:
"I. Verfahrensgang:
Der 1991 in Südirland (***28***) geborene Beschwerdeführer (Bf) wird seit durch einen Rechtsanwalt als Erwachsenenvertreter vertreten (Beschluss des BG Donaustadt vom , ZI. 9999). Der Reisepass wurde It Meldedaten von der Botschaft Österreich ausgestellt. Sonstige Aufenthaltsnachweise liegen nicht auf. Mit Bescheid vom (zugestellt an den ausgewiesenen Erwachsenenvertreter) wurde der vom Erwachsenenvertreter für den Bf gestellte Eigenantrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum ab September 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass der Bf Mindestsicherung beziehe und dadurch die Sicherung des Lebensunterhaltes des Bf zur Gänze aus öffentlichen Mitteln gewährleistet sei. Der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe sei für diesen Zeitraum abzuweisen, weil der Bf der Einladung zum Bundessozialamt nicht nachgekommen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde eine -dem Bundesfinanzgericht nicht vorliegende - vom Erwachsenenvertreter am eingebrachte Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung vom als unbegründet abgewiesen.
Dem Bundesfinanzgericht wurde eine Beschwerde vom vorgelegt, die aber offenbar einen anderen (hier nicht genannten) Beihilfenwerber betrifft (Bezug 123). Vgl. die Angaben im Vorlagebericht über eine Beschwerde vom bzw über die am eingebrachte Beschwerde. Die Abgabenbehörde führte begründend aus, der Bf sei It Stellungnahme des Sozialministeriumservice vom nicht zur Untersuchung erschienen. Angaben darüber, ob Ladungen des Sozialministeriumservice an den Erwachsenenvertreter des Bf ergangen sind (vgl. das diesbezügliche Schreiben des Vertreters vom ), liegen nicht auf. Der Bf habe -so die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung - erst am einen eigenen Haushalt begründet und vorher mit seiner Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Nach den vorgelegten Meldedaten war der Bf bis zum mit Hauptwohnsitz in 1220 Gasse Haus 2, polizeilich gemeldet. Weitere Meldedaten, auch jene die Mutter des Bf betreffend, liegen nicht auf. Angaben zur Höhe der im Antragszeitraum (monatlich) erwachsenen Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers wurden nicht gemacht und liegen diesbezüglich keine Nachweise auf. Aus welchen Mitteln der Bf seinen Lebensunterhalt im Antragszeitraum bis Juli 2019 bestritten hat, ist weder angegeben, noch belegt. Aufenthalts-, Studien- und/oder Ausbildungsangaben bzw Erwerbsdaten (Sozialversicherungsdaten) liegen nicht auf. Es liegen auch keine Angaben oder Nachweise über einen von Seiten der Mutter des Bf bzw einer anderen potenziell anspruchsberechtigten Person allenfalls zugunsten des Bf geleisteten Verzichts auf Familienbeihilfenbeträge auf. Daten über Mindestsicherungsbezüge liegen nur für den Zeitraum ab Juli 2019 auf (Bescheid über die Zuerkennung der Mindestsicherung, das sind Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes, der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs (DLU/GDW) sowie Mietbeihilfe It Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 40 vom , ZahlXY).
Mit Eingang wurde der Vorlageantrag gestellt.
II. Rechtsgrundlagen:
§ 278 Bundesabgabenordnung (BAO):
(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären, so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an diefür die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
III. Rechtliche Beurteilung:
Vor dem Hintergrund des unter I. dargestellten Verfahrensganges ist der vorliegende Fall nicht entscheidungsreif. Es war der Aufhebung des Bescheides unter Zurückverweisung an die Abgabenbehörde der Vorrang einzuräumen, weil nahezu der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht im Sinne der in der Beschwerdevorentscheidung bzw im Vorlagebericht ausführlich dargestellten Rechtslage ermittelt worden ist. Mit der gegenständlichen Aufhebung des Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung wird gleichzeitig auch dem Vertreter des Bf die Gelegenheit geboten, die entscheidungsrelevanten Angaben zu erstatten und die zur Begründung seines streitgegenständlichen Beihilfenantrags erforderlichen Nachweise vorzulegen. Die Abgabenbehörde hat die Möglichkeit, auf Grundlage der noch vorzulegenden Nachweise zu entscheiden und/oder allenfalls hinsichtlich einzelner Monate des Streitzeitraums mit Auszahlung vorzugehen.
Aus den unter I. und II. angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom
Das Finanzamt wies den Antrag des Bf. vom auf Familienbeihilfe und Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe mit Bescheiden vom mit der Begründung ab, dass dem Bf. mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7104369/2020, Gelegenheit geboten worden sei, die entscheidungsrelevanten Angaben zu erstatten und die zur Begründung seines Beihilfenantrags erforderlichen Nachweise vorzulegen. Es sei keine Reaktion des Bf. erfolgt. Da er seiner Mitwirkungspflicht nach § 119 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sei, sei sein Antrag abzuweisen.
Beschwerde vom
Gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom wurde vom Erwachsenenvertreter am folgende Beschwerde eingebracht:
"Die Behörde begründet die Abweisung damit, dass der Bf aufgrund des Beschlusses vom (richtig: ) verpflichtet gewesen wäre, "entscheidungsrelevante Angaben zu erstatten und die erforderlichen Nachweise vorzulegen"; das sei nicht erfolgt.
Nunliegtes zweifelsohneanderBehörde,denGangdesVerfahrenszubestimmen undjeneUnterlagenanzufordern, diefürihreEntscheidungrelevantsind.
§ 115(1) BAO normiertindiesem Zusammenhangdie Pflicht der Behörde,vonAmts wegendie tatsächlichenundrechtlichenVerhältnissezuermitteln.WohersolltederBf (nachErhaltderEntscheidungdesBFG vom)wissen,was dieBehördebenötigt.
Der Bf wurdeaber wedervorErlassungdes AbweisungsbescheidesvomnochderBeschwerdevorentscheidung aufgefordert, die für die Entscheidung allenfalls noch fehlendenUnterlagenvorzulegen und/dersonstigentscheidungsrelevante Angabenzumachen.
Die Behördewäre aufgrunddesBeschlussesdesBFG vomverpflichtetgewesen,vomBf Unterlagenanzufordern. Das BFG führtja aus, dass die BehördeoffenbarErmittlungenunterlassenhat.
Es wird daherbeantragt,denbekämpftenBescheidvom11.03.2022aufzuhebenundderBehördeiSd§115(1)BAO aufzutragen, diefürihreEntscheidungerforderlichenUnterlagengenauzubenennen und den Bf. zur Vorlage aufzufordern."
Fragenvorhalt des Finanzamtes vom
Am erging an den Bf. folgender Fragenvorhalt:
"Stellungnahme dazu wie lange Sie im Haushalt Ihrer Mutter gelebt haben, bzw. Bekanntgabewo Sie seit September 2014 leben
Aufstellung Ihrer monatlichen Lebenshaltungskosten seit September 2014 und Nachweisedarüber
Bekanntgabe wie Ihre monatlichen Lebenshaltungskosten seit September 2014 finanziertwerden und Nachweise darüber
Einkommensnachweis (z.B. Mindestsicherungsbescheid,...) von Ihnen seit September 2014
Studienbestätigungen und Studienerfolgsnachweis ab dem Wintersemester 2012 bzw.Nachweise darüber welche Ausbildung Sie seit September 2014 absolvieren"
Beantwortung des Fragenvorhaltes mit Schreiben vom :
Der Fragenvorhalt wurde wie folgt beantwortet:
Bis zum Bezug von Mindestsicherung hat Herr Bf. von Unterstützungen seiner Muttergelebt.
Eine Aufstellung der monatlichen Lebenshaltungskosten seit September 2014 kann nicht vorgelegt werden, weil niemand (und schon gar nicht Herr Bf. infolge seiner Krankheit)Belege über alltägliche Ausgaben aufhebt. Was an Einkommen verfügbar war, wurde ausgegeben (Miete, Lebensbedarf etc.).
Herr Bf. ist psychisch krank und hat keine Ausbildung genossen (siehe den beiliegendenClearingbericht vom 26.März 2019 sowie das im Verfahren vor der MA 40 eingeholte Gutachten der PVA; Herr Bf. ist weiterhin arbeitsunfähig und muss sich nicht beim AMSmelden).
Gutachten des Sozialministeriumservice vom
Im Gutachten vom konnte wegen fehlender Befunde weder ein Behinderungsgrad noch eine Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden.
Beschwerdevorentscheidung vom
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:
"Sie haben am einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für sich selbst ab September 2014 gestellt. Laut zentralen Melderegister haben Sie bis im Haushalt Ihrer Mutter gelebt. Das 18. Lebensjahr haben Sie im *** 2009 vollendet.
Ihr Eigenantrag wurde mit Bescheid vom für den Zeitraum ab September 2014 abgewiesen.
Im Zuge Ihrer Beschwerde haben Sie einen Mietvertrag vorgelegt, laut diesem begann das Mietverhältnis Ihrer Wohnung am . Im Rahmen Ihrer Beschwerde wurde am ein Gutachten vom Sozialministeriumservice erstellt, laut diesem Gutachten konnte aufgrund von nicht vorgelegten Befunden kein Grad der Behinderung bzw. keine Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden.
Gesetzliche Grundlagen:
Nach § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist
und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Volljährige Vollwaisen haben nach Abs. 2 lit. a der genannten Gesetzesstelle ua dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 li.t a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3).
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsaus¬bildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.
Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nurvorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Die Feststellung des Behinderungsgrades eines Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 beantragt wurde, hat somit nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen.
Würdigung:
Ein Eigenanspruch besteht für Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind. Es sollen damit in jenen Fällen Härten vermieden werden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen.
Voraussetzung für den Eigenanspruch ist allerdings, dass keiner anderen Person für das Kind Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Hieraus ergibt sich, dass Ihre Mutter die anspruchsberechtigte Person für den Bezug der Familienbeihilfe war, solange Sie zu ihrem Haushalt gehörten. Ein Eigenanspruch des Kindes ist im Falle der Haushaltszugehörigkeit zu den Eltern gesetzlich ausgeschlossen. Deshalb besteht für Sie kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bis Februar 2017.
Ein Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wäre - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des FLAG - gegeben, wenn nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 bei Ihnen vor Vollendung des 21. Lebensjahres aufgrund einer Behinderung eine dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Besteht keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.
Im vorliegenden Beschwerdefall liegen die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 nicht vor, weil eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht festgestellt werden konnte."
Vorlageantrag vom
Der Erwachsenenvertreter des Bf. stellte am folgenden Vorlageantrag:
"Die Beschwerde des Bf vom wurde mit 2 Beschwerdevorentscheidungen vom , beide zugestellt am , abgewiesen.
Der Bf beantragt, die Beschwerde vom dem BFG zur Entscheidung vorzulegen, schränkt aber den Antrag auf Gewährung der FB samt Erhöhungsbetrag auf den Zeitraum ab (eigener Haushalt) bis laufend ein.
Ergänzend wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht.
In beiden Beschwerdevorentscheidungen führt die Behörde aus, dass aufgrund eines Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom keine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt werden konnte und somit auch kein Eigenanspruch auf FB samt Erhöhungsbetrag festgestellt werden konnte.
Dieses Gutachten wurde dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter des Bf nie zugestellt, sodass auch keine Stellungnahme hiezu möglich war und damit das rechtliche Gehör verletzt wurde.
Mit Schreiben vom wurde der Behörde u.a. ein von der MA 40 in Auftrag gegebenes Gutachten der PVA vorgelegt, in dem dem Bf weiterhin Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Ob dieses Gutachten vom BASB überhaupt berücksichtigt wurde, lässt sich nicht beurteilen, zumal diese Frage auch in den beiden Beschwerdevorentscheidungen völlig offengeblieben ist und das Verfahren somit an einer Mangelhaftigkeit leidet."
Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne vorherige Zustellung der SMS-Gutachten an den Erwachsenenvertreter erneut an das Bundesfinanzgericht vor.
An den Erwachsenenvertreter erging am der folgende Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes:
"In oben angeführter Beschwerdesache werden Ihnen die in der Anlage bezeichneten BSB-Bescheinigungen zur Kenntnis übermittelt.
Nehmen Sie zu den folgenden Ausführungen innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Vorhaltes Stellung und legen Sie Unterlagen, wie im Folgenden angefordert, bis zum ua Termin vor:
1) Der 1991 geborene Antragsteller ist Staatsbürger der Republik Irland und seit in Österreich polizeilich gemeldet. Der Antragsteller hat nach den Meldedaten bis zum im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gewohnt (vgl. Hauptwohnsitzmeldungen lt übermittelten ZMR). Aufenthaltsbescheinigungen liegen nicht auf.
Nach den Angaben in Ihrem Schreiben vom lebte Herr Bf. bis zum Beginn des Bezugs der bedarfsorientierten Mindestsicherung von der Unterstützung durch seine Mutter.
Ein Eigenanspruch des Antragstellers (unter der Voraussetzung des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen) hätte demnach für den Zeitraum vom Februar bis September 2017 nicht bestanden (vgl. § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG).
2) Hinweise darauf, dass der Antragsteller in einer Anstalt untergebracht ist/war, ergeben sich aus der Aktenlage nicht. Der Antragsteller wohnt aktuell an der Adresse ***13*** X, ***12*** (vgl. aufliegender Mietvertrag, abgeschlossen zwischen Antragsteller und ***27*** Wohnen).
Herr Bf. bestreitet seinen Lebensunterhalt nach der Aktenlage seit bis sowie vom bis laufend aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung.
3) In Ihrer Vorhaltsbeantwortung haben Sie angegeben, dass Herr Bf. keine Ausbildung habe. Laut vorliegenden Unterlagen soll er im Jahr 2017 ein Studium an der Hauptuniversität ***24*** betrieben haben (vgl. Schreiben des Psychosozialen Dienstes ***24*** vom ; Vorhalt der Abgabenbehörde vom ).
Legen Sie, soweit vorhanden, diesbezügliche Unterlagen vor (Inskriptionsbestätigungen, Fortsetzungsmeldungen, Exmatrikulationsbestätigungen, Erfolgsnachweise).
4) Nach den vorliegenden Unterlagen ist der Antragsteller den bisherigen Ladungen durch das Sozialministeriumservice nicht nachgekommen und zu den Untersuchungen nicht erschienen (vgl. die übermittelten Metadaten vom , vom und vom wie in den Anlagen übermittelt).
Ob Herr Bf. derzeit durch den PSD betreut wird und Unterstützung bei der Wahrnehmung seiner Termine bekommt bzw bekommen kann, ist nicht bekannt.
Geben Sie an, ob der Antragsteller an einer neuerlichen Untersuchung teilnehmen wird und an welche Adresse(n) eine allfällige Ladung durch das Sozialministeriumservice erfolgen kann."
Mit langte die Vorhaltsbeantwortung mit den angeführten Beilagen beim Bundesfinanzgericht ein:
"…
1) Der geltend gemachte Anspruch wird auf den Zeitraum ab Aufgabe des gemeinsamen Haushaltes mit der Mutter modifiziert.
2) Was das Studium angeht, so war dies lediglich ein "therapeutischer Versuch" über Ratschlag des behandelnden Arztes. Ich zitiere aus dem Mail von Herrn Bf. bzw aus einer Stellungnahme seiner Mutter zur selben Frage:
´Um Ihre Anfrage besser zu klären, möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Versuch meines Studiums nicht erfolgreich war und es von meinem Arzt als Teil meiner Therapie empfohlen wurde. Leider hat sich dieser Ansatz bisher nicht als erfolgreich erwiesen. Jedoch werde ich mein Bestes tun, um eine Inskriptionsbestätigung zu finden, falls diese noch verfügbar ist.`
`Dear Mr. ***23***, In 2017 ***8*** was given permission to study because it was felt that it would be of benefit to his mental health, but the outcome was very poor.
He attended a couple of lectures. There are no records, because he failed. He diedn´t do any exams, just enrolled then failed/dropped out very quickly owing to a personality disorder BPD, bipolar disorder, anxiety, and compounded conditions relating to ADHD/ADD combined type which ist overarching since early childhood.´
Die von mir in der Zwischenzeit eingeholten Bestätigungen der Universität liegen bei.
3) Wir bieten Herrn Bf. für alle wichtigen Termine Begleitung an, die er jedoch -krankheitsbedingt -nicht immer annehmen kann. Selbstverständlich ist er bereit, auch an künftigen Untersuchungen mitzuwirken.
Zuletzt füge ich noch drei Atteste des PSD bei."
Mit Schreiben an das Sozialministeriumservice wurden sämtliche der aufliegenden und eingereichten Unterlagen zur Stellungnahme (Begutachtung) an das SMS übermittelt.
Das SMS wurde um eine neuerliche Begutachtung und Ladung des Bf zur Untersuchung ersucht:
"1 Antrag auf den Erhöhungsbetrag und Abweisungsbescheid (S 1-4);
1 Beschwerde (S 5-6);
2 ZMR (Bf und Mutter S 7-10);
Bestätigungen über Bezug der Mindestsicherung (S 11-19);
Clearingbericht Vertretungsnetz (S 20-29);
Ärztliche Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom , , , , (S 30 - 39; 41-43):
1 Chefärztliche Stellungnahme Kompetenzzentrum Begutachtung Pensionsversicherungsanstalt (S 40);
3 Gutachten des Sozialministeriumservice (S 44-51);
1 Beschwerdevorentscheidung (S 52-54);
1 Sozialversicherungsdatenauszug erstellt durch BFG S (55-56);
1 Ergänzungsersuchen des BFG und Beantwortungsschreiben der Erwachsenenvertretung mit nachgereichten Unterlagen (S 57-70):
Studienzeitbestätigung und Sammelzeugnis (S 62-66);
3 Befundbestätigungen Sozialzentrum Psychosoziale Dienste vom , und (S 67-70);
Sehr geehrtes Ärzteteam,
in der Anlage werden Unterlagen, ua ärztliche Befunde und Stellungnahmen sowie die bisherigen Begutachtungsunterlagen (3 Gutachten SMS) übermittelt.
Der Beschwerdeführer hat mit einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung (chronische Depression, ADHS) und einer daraus resultierenden Erwerbsunfähigkeit gestellt. Der Beihilfenantrag wurde zuletzt auf den Zeitraum ab Oktober 2017 eingeschränkt.
Es wird um gutachtliche Stellungnahme ersucht, ob beim 1991 geborenen Beihilfenwerber anhand der nachgereichten Unterlagen der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit rückwirkend festgestellt werden kann.
Im Falle einer neuerlichen Vorladung zur Untersuchung wird gebeten, auch die Erwachsenenvertretung (***3***), allenfalls gleichzeitig den Psychosozialen Dienst oder auch die Mutter des Antragstellers, Frau ***1***, lt ZMR wohnhaft in ***2***, rechtzeitig vom Ladungstermin zu verständigen.
Der Beschwerdeführer ist bisher nach dreimaliger Vorladung nicht zu den Untersuchungen erschienen und sind Termineinhaltungsschwierigkeiten aktenkundig, sodass eine Terminerinnerung unter Hinweis auf die Folgen einer Terminversäumnis zweckmäßig wäre."
Am langte das von der Abgabenbehörde übermittelte Kurzgutachten beim Bundesfinanzgericht ein.
Das Sozialministeriumservice übermittelte am das Gutachten über die am durchgeführte Untersuchung.
Am wurde von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.in ***4*** und Dr.in ***5*** das Folgende festgestellt:
"…Anamnese:
VORLIEGENDE GUTACHTEN:
Psychiatrisches Sachverständigengutachten, FLAG : Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.
Begründung: Es wurden keine Befunde vorgelegt, daher Einschätzung des GdB nicht möglich. Der Antragsteller gibt an in regelmäßiger Behandlung beim PSD zu sein.
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
AKTUELL:
Neuantrag ab Datum: , Neuerliche Beantragung wegen Beschwerde: ja
ANAMNESE:
Im 8. Lj sei er in der Ambulanz der Jugendpsychiatrie AKH Wien vorgestellt worden wegen Problemen in der Schule. Er habe verschiedene Diagnosen erhalten (ADHS, milde Motorikstörung, erhöhte Aggression). Er habe Ritalin bekommen, er habe es nie wirklich durchgehend genommen. Seit 2012 sei er immer wieder beim PSD gewesen für einige Jahre, habe eine med. Therapie erhalten. Dann sei er bei einer Psychiaterin gewesen. 05/2022 psychologischer Test bei Dg.: rez. depressive Strg., Angst- und dissoziative Strg. Gemischt, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom Dann Psychotherapie begonnen.
Vor 4 Jahren Handbruch mit Plattenversorgung rechts
Nikotin: 20/die
Derzeitige Beschwerden:
Es gehe ihm besser als voriges Jahr. Die Finanzen seien schwierig, er habe wenig Geld zur Verfügung. Er habe momentan nicht sehr viele Beschwerden. Er trinke viel Kaffe-5x/Tag
Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:
Bupropion 150mg 1-0-0
Keine Bedarfsmedikamente
Psychiater 1x/Monat
Psychotherapie 1x/Woche
Sozialanamnese:
irischer Staatsbürger, geboren in Irland.
Vom 2.-5. Lj lebte er mit der Familie in ***6***. Dort in einem ***7***kindergarten und 1-2 Jahre in der ***22*** in ***6***. Ca. 1998 nach Österreich übersiedelt. ***14*** mit Matura 2008 dann noch 2a Schule und Absolvierung internationales Baccalauréat. Anschließend Psychologiestudium (London) - abgebrochen nach 3-4 Monaten sei dann zurück nach Österreich gekommen, habe verschiedene Studien begonnen - nicht abgeschlossen (immer 3-4 Monate) verschiedene Tätigkeiten - auch Vollzeit (oder auch bis zu 60 Stunden), Vollzeittätigkeit ein Jahr (meist im Securitybereich) letztes DV ca 2016 AMS Geld habe er nicht beantragt, habe von seinen Ersparnissen gelebt. Er habe es später beantragt. Er habe keines bekommen, weil das letzte DV schon zu lange zurück lag. Seit ca. 2019 habe er Mindestsicherung Erwachsenenvertretung seit ca. 4a Pflegegeld: keines Lebt alleine in einer Gemeindewohnung, ledig, keine Kinder Führerschein: keiner
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumangabe):
Clearingbericht im Verfahren auf Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung :
Die Mutter (Frau ***9***) des Betroffenen, Herr ***8***, regt die gerichtliche Erwachsenenvertretung an. Sie gibt an, dass der Sohn die Miete nicht bezahlte und derzeit kein Einkommen habe… Die Mutter gibt weiter an: Der Sohn leide an einer bipolaren Störung. Es sei bereits seit Jahren sehr schwierig mit ihm…
Herr Bf. wirkt in allen Belangen vollständig orientiert und intelligent. Er ist höflich und freundlich. Das Gespräch verläuft völlig ruhig und angenehm. Herr Bf. wirkt zu seiner Krankheit und Lebenssituation sehr reflektiert. Herr Bf. ist irischer Staatsbürger. Er spricht perfekt Deutsch… …Herr Bf. ist aufgrund seiner Erkrankung in Phasen seines Lebens nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbständig zu regeln. Zwar schafft er es immer wieder, sich Unterstützung beim Stellen von Anträgen zu holen. Dies gelingt ihm jedoch nicht immer. So sind längerfristig das regelmäßige Einkommen und damit auch die Krankenversicherung nicht gewährleistet……
Ärztliches Gutachten PV gem. Mindestsicherung : Dg.: ADHS-Symptomatik Verdacht auf bipolar affektive Störung Angst und Depression gemischt ….Er steht seit 2014 in Behandlung des PSD unter obigen Diagnosen. Seine Termine kann er nicht verlässlich einhalten, sämtliche Arbeitsversuche bzw Versuche Kurse zu machen, schlugen (Anm. BFG: zusätzlich "fehl"). Derzeit ist er nicht in der Lage, einer regelm. Erwerbstätigkeit nachzukommen.
Chefärztliche Stellungnahme PV : Gemäß ärztlichem Gutachten vom ist Arbeitsfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben für voraussichtlich 12 Monate.
Ergänzungsersuchen : eingesehen
Schreiben RA Dr. ***23*** : eingesehen
Studienzeitbestätigung Uni ***24*** : Bachelorstudium Urgeschichte und Historische Archäologie 2017 S
Bachelorstudium Politikwissenschaft 2015S, 2015W
Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik 2012Wm 2013S, 2013W
Schreiben Psychosozialer Dienst : …. Seit Mai 2014 in Behandlung unserer Ambulanz. Von psychiatrischer Seite scheint der Patient derzeit beruflich nicht belastbar. Eine Tagesstruktur, wie derzeit das Studium von Herrn Bf. an der Hauptuniversität ***24*** wird aus fachärztlicher Sicht befürwortet. Wir ersuchen Sie, finanzielle Unterstützung für den Lebensbedarf für die Dauer von zwölf Monaten zu bewilligen.
Bezug von Leistungen MA 40 :
Mindestsicherung 2018, 2019, 2020, 2021, 2022
Sammelzeugnis Uni ***24*** Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik von bis : 5
zur Untersuchung mitgebrachte Unterlagen: Befund Psychiaterin Dr. ***10*** : Dg.: ADHS depressive Episode Agoraphobie Pers. Akzentuierung
Psychologischer Befund ***25*** im Mai 2022 (Anm.: bereits beim Vorgutachten vorliegend) Dg.: rez. depressive Strg., Angst- und dissoziative Strg. Gemischt, emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit unsicher - vermeidend - dependenten Zügen, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom….
Psychological Test ***26*** : ….Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (combined Type)
Befund Psychiater Dr. Telonie Dg.: rez. depressive Episode bei bipolarer Störung ADHS Gaming disorder emotional instabile Strg hierortiger Erstkontakt 10/2022, Vorbehandlung Dr. ***11***, letzter Kontakt h.o. 6/23 nach Auftreten manischer Symptomatik unter Strattera und Concerta bzw. hypomanen Episoden empfehle die weitere Einnahme von Antidepressiva (h.o. bzw bei Dr. ***27*** Bupropion 150) mit mood stabiliser (Depakine oder Lithium) zu kombinieren…
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: 32-jähriger in gutem AZ
Ernährungszustand: schlank, BMI 19,7
Größe: 195,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck:
Status (Kopf/Fußschema) - Fachstatus: voll mobil
Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt frei gehend alleine zur Untersuchung, sei von einer vom Erwachsenenvertreter beauftragten Person begleitet worden, diese warte draußen.
Psycho(patho)logischer Status:
Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewusstseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv-mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut- affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich mehr als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | GdB % |
1 | rezidivierende depressive Episode bei bipolarer Störung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit unsicher - vermeidend - dependenten Zügen, Gaming disorder Unterer Rahmensatz, da keine kognitiven Einbußen | 50 |
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
---
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Erhöhung um 5 Stufen zum Vorgutachten 7/22 (Befundvorlage)
GdB liegt vor seit: 10/2019
Begründung: - GdB liegt rückwirkend vor: ärztliches Gutachten 10/2019 - Zuerkennung Mindestsicherung
Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit 10/2019
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Nach der Anamnese ist der Beginn einer psychischen Erkrankung (ADHS) in der Kindheit/Jugend nachvollziehbar. Es liegen keine Befunde vor, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist. Diese ist ab der vorliegenden ärztlichen Untersuchung (Pensionsversicherung Gutachten gem. Mindestsicherungsgesetz ) zu bestätigen.
Dauerzustand:
X Nachuntersuchung: in drei Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Mit Integrationsmaßnahmen und Ausschöpfen der Therapieoptionen ist eine Selbsterhaltung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen.
Gutachten erstellt am von Dr.in ***4***
Gutachten vidiert am von Dr. ***5***"
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Bf. hat den Beschwerdeantrag im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht (Vorhaltsbeantwortung) insoweit eingeschränkt, als die Gewährung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag erst für den Zeitraum nach Einrichtung eines eigenen Haushaltes Ende September 2017, dh ab dem Folgemonat (Oktober 2017) begehrt wurde.
Festgestellter Sachverhalt:
Der Bf. ist 1991 geboren und vollendete am *** 2012 das 21. und 2016 sein 25. Lebensjahr.
Er war vom bis im Haushalt der Mutter in ***12***, Gasse, gemeldet gewesen. Seit ist der Bf. in ***12***, ***13*** X polizeilich gemeldet.
Der Bf. bezieht Mindestsicherung und Wohnbeihilfe.
Er wird seit durch einen Erwachsenenvertreter vertreten (Beschluss des BG Donaustadt vom , ZI. 9999).
Der Bf. war laut Stellungnahme des Sozialministeriumservice vom zum Untersuchungstermin im Sozialministeriumservice nicht erschienen. Im Zuge des Verfahrens vor der Abgabenbehörde wurden keine Befunde beigebracht, weshalb im Gutachten des Sozialministeriumservice vom keine Feststellungen bezüglich der dauernden Erwerbsunfähigkeit des Bf. getroffen werden konnten.
Im Vorgutachten des Sozialministeriumservice vom wurde der Bf als erwerbsfähig eingestuft. In Ermangelung von relevanten Befunden konnte lt Ausführungen dieses Gutachtens der Behinderungsgrad beim Bf nicht festgestellt werden.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit c FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (Anm. BFG: Grundbetrag).
Nach § 6 Abs. 1 FLAG haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Volljährige Vollwaisen haben nach Abs. 2 lit. a der genannten Gesetzesstelle ua dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach § 6 Abs. 2 lit d leg. cit erster Satz FLAG (1967) haben Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenen Haushalt führt; dies gilt ….(BGBl I 2018/77)
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit c, deren Eltern ihnen nicht den überwiegenden Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3) (BGBl I 2018/77)
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.
Gemäß § 8 Abs. 5 ff FLAG 1967 in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
§ 10 FLAG 1967 lautet:
(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In Bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.
Beweiswürdigung:
Die Beweislast für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, hat der Antragsteller zu tragen (vgl. ; ).
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Erwachsenenvertretung für den Bf aufgetragen, die entscheidungsrelevanten Angaben zu erstatten und die zur Begründung des streitgegenständlichen Eigenantrags auf Gewährung der Familienbeihilfe (KG) erforderlichen Nachweise an das Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Es wurden die oben angegebenen Unterlagen vorgelegt, aufgrund derer eine ergänzende Begutachtung durch das Sozialministeriumservice beauftragt wurde.
Der als erwiesen angenommene Sachverhalt basiert auf den Verwaltungsakten, den Datenbanken der Finanzverwaltung, dem Zentralen Melderegister, dem ärztlichen Gutachten gem. Mindestsicherungsgesetz der Pensionsversicherungsanstalt vom sowie den Gutachten des Sozialministeriumservice vom () und auf den Ergebnissen des zuletzt erstellten Gutachtens des Sozialministeriumservice (vgl. oben zitiertes Gutachten vom ).
Nach den anamnestischen Angaben anlässlich der zuletzt (wie oben im März 2024) durchgeführten Begutachtung hat der Bf mehrere Studien begonnen, jedoch wieder abgebrochen.
Seitens der Erwachsenenvertretung wurden die dem SMS mitübermittelten Studienbestätigungen betreffend das Bachelorstudium Urgeschichte und Historische Archäologie 2017S, das Bachelorstudium Politikwissenschaft 2015S, 2015W und das Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik 2012W 2013S, 2013W vorgelegt.
Der Bf hat also wie oben seit 2012 verschiedene Studien begonnen, bei zuletzt nachgewiesener Inskription für das SS 2017. Das Studium der Psychologie (nach der Matura) wurde zunächst abgebrochen. Weitere drei im Zeitraum ab dem WS 2012 bis zum SS 2017 in Österreich betriebene Studien wurden ebenfalls wiederum abgebrochen. Erfolgsnachweise liegen nicht auf. Die Studienversuche (ua zuerst in England, nach der Matura) wurden in die letzte Befundung mit einbezogen.
Im Vorgutachten des Sozialministeriumservice vom konnten keine Feststellungen über den Grad der Behinderung bzw. darüber getroffen werden, ob bzw. seit wann der Bf. erwerbsunfähig ist, weil vom Bf. keine medizinischen Befunde vorgelegt wurden bzw der Bf nicht zu den Untersuchungen erschienen war.
Der Bf wurde zuletzt von einer Begleitperson zur Untersuchung gebracht.
Im letzten Gutachten wurde der Behinderungsgrad mit 50 vH (seit 10/2019) festgestellt.
Dabei wurde aufgrund der aufliegenden Befunde eine rezidivierende depressive Episode bei bipolarer Störung, ADHS, emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit unsicher -vermeidend -dependenten Zügen und Gaming disorder, dh "unkontrolliertes und übermäßiges Computerspielen", und ein GdB von 50% bei Einstufung unterer Rahmensatz, da keine kognitiven Einbußen, festgestellt.
Eine vor Vollendung des 21. bzw 25. Lj eingetretene Erwerbsunfähigkeit hat auch zuletzt mangels diesbezüglicher ärztlicher Befunde nicht festgestellt werden können.
Die Begründung, wonach der Beginn einer psychischen Erkrankung (ADHS) in der Kindheit/Jugend nachvollziehbar war, jedoch keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegende Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. Lj eingetreten wäre, ist schlüssig und nachvollziehbar. Eine diesbezügliche Bestätigung war erst seit der gutachtlichen Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt (Gutachten gem. Mindestsicherungsgesetz vom ) möglich.
Es würde dem Gutachten an Schlüssigkeit fehlen, wenn ein Sachverständiger im Sozialministeriumservice bei dem Krankheitsbild des Bf. eine Erwerbsunfähigkeit ohne Untersuchung bzw. ohne Untermauerung durch entsprechende Befunde zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt festgestellt hätte.
Schlüssig ist vielmehr, die Erwerbsunfähigkeit unter Zuhilfenahme vorliegender Befunde oder anderer geeigneter Nachweise zu bestimmen.
Derartige Befunde konnten jedoch nicht beigebracht werden.
Das Gutachten wurde unter Einbezug der vorgelegten Unterlagen und Befunde erstellt und ist daher vollständig.
Rechtliche Beurteilung:
Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe
Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25. bei Berufsausbildung) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder Grund-, noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (s. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8).
Bescheinigung des Sozialministeriumservice
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Das nach diesen Bestimmungen abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu und , sowie ) hat sich im Fall, dass eine volljährige Person die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).
Für den Nachweis der Behinderung erfolgt nach Antragstellung eine Einladung zu einer Untersuchung bei einer sachverständigen Ärztin/einem sachverständigen Arzt.
Gutachten allgemein:
Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. zB ).
Andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) dürfen für die Beurteilung ebenso wenig herangezogen werden wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa auch durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21./25. Lebensjahres.
Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. , ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen und das/die Gutachten nicht unschlüssig sind.
Die sachverständigen Ärzte des SMS ziehen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. bei der Feststellung, wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, neben den Untersuchungsergebnissen, dem medizinischen Wissenstand und ihrem Fachwissen die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heran. Hilfreich sind dabei vor allem "alte" Befunde, Arztbriefe etc., die auf eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr (bzw. wenn sich der Antragsteller noch in schulischer Ausbildung befand, das 25. Lebensjahr) schließen lassen (vgl. , vgl. auch das Erkenntnis des ).
Werden vom Antragsteller - warum auch immer - keine relevanten Unterlagen vorgelegt, können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen denklogisch immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen, was darin begründet liegt, dass Erkrankungen unterschiedliche Verläufe haben, unterschiedlich stark ausgeprägt sind oder sich erst mit zunehmendem Alter verschlechtern.
Erkrankung mit variierendem Verlauf
Eine Behinderung iSd § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v. H. bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Aber erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche bei einem unter 21-Jährigen, im Fall des Vorliegens einer Berufsausbildung, eines unter 25-Jährigen einen Grad von mindestens 50 v.H. ausweist bzw. bei einem unter 21-Jährigen, im Fall des Vorliegens einer Berufsausbildung, eines unter 25-Jährigen, mit einer damit verbundenen voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit gleichzusetzen ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt (vgl. , ).
Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. ; ; , vgl. weiters ; ).
Erwerbsunfähigkeit:
Der VwGH stellte zB im Erkenntnis vom , 99/12/0236 und vom , 2003/12/0174, zum Begriff der Erwerbsfähigkeit im Pensionsgesetz fest, dass dieser im allgemeinen Sprachgebrauch bedeute, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (dh es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei); es komme sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (zB Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei (vgl. das Erkenntnis des BVwG vom , GZ. W228 2136072-1, unter Verweis auf das Erkenntnis des ).
Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice:
Auf zahlreichen Rechtsgebieten ist die medizinische Expertise zur Vorbereitung rechtlicher Entscheidungen essentiell. Die vom SMS erstellten Gutachten sind Grundlage der rechtlichen Entscheidung durch das Finanzamt und das BFG.
Das Finanzamt und das BFG sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).
Der Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. ).
Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften
Das Finanzamt hat die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die einem Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag entgegenstehen oder einschränken, der Antragsteller für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag begründen oder ausweiten bzw. eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen (vgl. mutatis mutandis Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, II 7. A., Tz. 1301; ).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH bestehen weiters bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde bzw. der Gerichte eingeschränkt sind, erhöhte Mitwirkungspflichten:
"Es dürfte wohl nicht zu bestreiten sein, dass die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen... Auch der Sachverständige kann aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf kommt es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen ist oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen kann. Der Sachverständige kann in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. Dies ist besonders bei psychischen Krankheiten problematisch, die häufig einen schleichenden Verlauf nehmen. Somit wird es primär an den Berufungswerbern, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich ihre bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen." (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 32 mwN)".
Kann eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice über den Grad der Behinderung und über den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. bzw bei Bestehen einer Ausbildung des 25. Lebensjahres, nicht vorgelegt werden und kann daher der Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. bzw 25. Lebensjahres nicht festgestellt werden, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde.
Auch seitens der Erwachsenenvertretung (Bestellung mit ) konnten zuletzt nur die oa Unterlagen vorgelegt werden, was sich auf die Anspruchsbeurteilung auswirken musste.
Ergebnis:
Der Bf hat sein 21. Lj am *** 2012 und sein 25. Lj im *** 2016 vollendet gehabt.
Bescheinigt das Sozialministeriumservice de lege artis das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit im Beschwerdezeitraum nicht bzw nicht ab einem bestimmten Zeitraum, geht dies zu Lasten des Antragstellers (vgl. ).
Im vorliegenden Fall konnten medizinischen Unterlagen (Befunde, Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte, etc.) betreffend den hier in Rede stehenden Zeitraum nicht vorgelegt werden. Eine andere als die vorgenommene Einschätzung des Status der Erwerbsfähigkeit (Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. bzw 25. Lebensjahres) war laut Aussagen im zunächst von der Abgabenbehörde angeforderten Gutachten des Sozialministeriumservice nicht möglich.
Der Antragsteller hatte dabei die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , ).
Es liegt ein Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom auf (wg Überprüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Mindestsicherung: vgl. dort Diagnose: ADHS, Verdacht auf bipolar affektive Störung, Angst und Depression gemischt; Anamnese: "Bisher keine stationären psych. Aufenthalte (lt eigenen Angaben)"; "…im Alter von 14 bis 18 Jahren habe er Gras geraucht und div. Tabletten probiert, viel Alkohol getrunken… …vor etwa 2 Jahren dann die Diagnose bipolar affektive Störung … seit 2014 in Behandlung beim PSD" unregelmäßig).
Dieses Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt lag bei der Begutachtung im August 2022 nicht beim Sozialministeriumservice auf, wurde aber anlässlich der letzten Begutachtung einbezogen (vgl. im letzten Gutachten des SMS auch Anamnese und relevante Befunde: "…Im 8. Lj sei er in der Ambulanz der Jugendpsychiatrie AKH Wien vorgestellt worden wegen Problemen in der Schule. Er habe verschiedene Diagnosen erhalten (ADHS, milde Motorikstörung, erhöhe Aggression). Er habe Ritalin bekommen, er habe es nie wirklich durchgehend genommen").
Die hier angeführte letzte Begutachtung durch das Sozialministeriumservice ergab:
Begutachtung vom : "rezidivierende depressive Episode bei bipolarer Störung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit unsicher -vermeidend - dependenten Zügen, ….".
Die Diagnosen stimmen im Übrigen auch mit den in der Stellungnahme der Mutter (vgl. wie oben in Englisch abgefasst) angeführten Beeinträchtigungen überein.
Insgesamt gesehen erweisen sich die vorliegenden Gutachten des Sozialministeriumservice als schlüssig und nachvollziehbar. Eine vor Vollendung des 21./25. Lebensjahres des 1991 geborenen Bf. eingetretene voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit konnte fachärztlicherseits auch zuletzt nicht bestätigt werden.
Vgl. dazu im Übrigen die durchgehenden Versicherungszeiten vom bis (geringfügig beschäftigter Arbeiter bei ***20*** GmbH in ***18***, ***21***) und die diesbezüglich anamnestisch festgehaltenen Angaben des Bf im Gutachten des Sozialministeriumservice vom (wie oben, dort auch bekanntgegebener Cannabiskonsum und Zigaretten 20/Tag). Im Übrigen vgl. dazu auch die im Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt als für 12 Monate nicht gegeben festgestellte Einsetzbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt.
Zusammenfassung:
Da für die Beurteilung des Grades der Behinderung und für die Beantwortung der Frage, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, relevante Befunde unerlässlich sind, derartige Befunde für den strittigen Zeitraum aber nicht vorgelegt werden konnten, konnte das Ärzteteam den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht zu irgendeinem Zeitpunkt vor Vollendung des 18., 21./25. Lebensjahres des Bf in schlüssiger Weise feststellen (vgl. die Ausführungen oben zur Schlüssigkeit von gutachtlichen Feststellungen).
Die Ausführungen des Gutachtens, wonach bei festgestellter ADHS in der Kindheit keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten war, ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei.
Dass der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit als Dauerzustand noch nicht festgestellt werden konnte bzw die Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum ab der vorliegend bestätigten ärztlichen Untersuchung (Pensionsversicherung Gutachten gem. Mindestsicherungsgesetz ) unter Anordnung einer Nachuntersuchung in 3 Jahren bei Besserungsmöglichkeit unter Integrationsmaßnahmen und Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten festgestellt wurde, ist insoweit schlüssig. Ein anderer Zeitpunkt konnte (amts-) ärztlicherseits nicht aufgrund von entsprechenden Befunden nachvollziehbar festgestellt werden.
In Österreich hat der Bf verschiedene Arbeitsversuche gemacht, darunter etwa 1 Jahr bei ***15*** und bei ***16***-Diensten. Evident ist nach den Sozialversicherungsdaten ua eine Anstellung als Arbeiter im Zeitraum vom bis , somit nach Vollendung des 25. Lebensjahres (vgl. Anamnese Pensionsversicherungsanstalt und Sozialversicherungsdaten).
Im Übrigen lassen sich aus den vorgelegten Studienbestätigungen zwar Inskriptionen in drei verschiedenen Studienrichtungen ab dem WS 2013 nachvollziehen. Davor hatte der Bf nach der Matura (an der ***14***) in England ein Studium begonnen, dieses aber nach eigenen Angaben bereits nach ca einem Jahr abgebrochen bzw nicht abgeschlossen und ist er nach Österreich zurückgekehrt. Studienversuche in Österreich sind seit 2012 (WS/2012 und SS 2013 und WS 2013 Wirtschaftsinformatik), 2015 (WS und SS 2015 Politikwissenschaft) und SS 2017 Urgeschichte und Historische Archäologie) evident.
Dass der Bf auch seinen letzten Studienversuch nach dem Sommersemester 2017 offenbar beendet hat, mochte mit an seiner Erkrankung gelegen haben.
Selbst bei Annahme einer Ausbildung war aber die wie oben vorgesehene Altersgrenze in Bezug auf die erstmals feststellbare Erwerbsunfähigkeit bereits überschritten gewesen. Aufgrund der Befundlage, die im letzten Gutachten nachvollziehbar diskutiert wurde, konnte diesem Umstand daher eine entscheidungsändernde Bedeutung nicht mehr zukommen.
Die Erwerbsunfähigkeit wurde beim Bf wie oben auch zuletzt noch nicht als Dauerzustand festgestellt und eine Nachuntersuchung in 3 Jahren angeordnet. Eine Einsetzbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt bei entsprechenden Integrationsmaßnahmen und Ausschöpfen der Therapieoptionen wurde dabei noch nicht ausgeschlossen.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Grundbetrages an Familienbeihilfe, davon abgeleitet auch des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe zufolge einer vor Vollendung des 21./25. Lebensjahres des Bf eingetretenen voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit wurden ärztlicherseits nicht bestätigt und waren die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe beim Bf daher nicht erfüllt (vgl. die oben zitierten Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 6 Abs. 2 lit. d und des § 8 FLAG).
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen gilt das Folgende:
Der Bf bezieht Mindestsicherung und Wohnbeihilfe. Er führt seit Oktober 2017 einen eigenen Haushalt. Bis einschließlich September 2017 wohnte er bei seiner Mutter (zum auf "ab Oktober" eingeschränkter Beschwerdezeitraum vgl. oben).
Es wird dazu angemerkt, dass die bedarfsorientierte Mindestsicherung mit Bundesgesetz (BGBl. I Nr. 96/2010) vom beschlossen wurde, womit die unterschiedlichen Sozialhilfegesetze der jeweiligen Bundesländer abgelöst wurden.
Bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung handelt es sich um keine Sozialleistung, sondern um eine Reform der bisherigen Sozialhilfe der Länder.
In § 3 Abs. 4 FLAG ist ausdrücklich nur der Bezug von Grundversorgungsleistungen (hier für subsidiär Schutzberechtigte) als Hindernisgrund für den Anspruch von Familienbeihilfe angeführt, nicht aber die Gewährung von anderen Sozialleistungen. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber diese für die Gewährung von Familienbeihilfe als unschädlich angesehen hat (vgl. dazu ua ).
Der Bezug von öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes hätte - vorausgesetzt aber das im hier zu entscheidenden Fall eben nicht nachgewiesene Vorliegen der in § 6 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 5 FLAG normierten Voraussetzungen -den Beihilfenanspruch nicht gehindert, wenn der Anspruchswerber einen eigenen Haushalt führt(e).
Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann und ob auf Dauer eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage, die durch die seitens Sozialministeriumservice erstellten Gutachten beantwortet wurde, wobei normiert ist, dass das Bundesfinanzgericht an schlüssige, nachvollziehbare und vollständige Gutachten gebunden ist.
Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 14 Abs. 3 BEinstG, Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 7 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 ff FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102910.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at