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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2024, RV/7105091/2014

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Der Bf. ist Drittstaatsangehöriger und seit 1994 in Österreich nichtselbständig tätig und erzielte im Jahr 2012 ein steuerpflichtiges Nettoeinkommen von € 14.696,20. Er wohnt in einem von einem kirchlich Träger geleiteten Arbeiterwohnheim, in einem Zimmer. Die Monatsmiete betrug im Streitzeitraum nachweislich € 260 monatlich. Die Jahresmietaufwendungen betragen somit € 3.120.

Seine Ehegattin ist weiterhin in Bosnien-Herzegowina wohnhaft. Es leben 2012 keine Kinder im gemeinsamen Haushalt.

Der Bf. beantragte Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienbeihilfe als Werbungskosten. Das Finanzamt forderte den Bf. mittels Vorhalt vom auf die Familienheimfahrten, das Einkommen der Gattin und die Kosten der Haushaltsführung belegmäßig nachzuweisen.

Da, auch nach erstreckter Frist, keine Antwort des Bf. erfolgte versagte das Finanzamt den Abzug der geltend gemachten Werbungskosten. Der Bf. erhob gegen den Bescheid fristgerecht Rechtsmittel. Nach diversen Fristerstreckungsanträgen wurde letztlich der Mietaufwand für die in Wien befindliche Wohnung nachgewiesen. Was die Familienheimfahrten anlangt, so wurden keine Belege beigebracht. Es wurde lediglich in Form einer eidesstattlichen Erklärung der Gattin behauptet, dass der Bf. jede zweite Woche mit dem Bus nach Hause fahre und die Busfahrt € 67,50 koste. Weitere Angaben wurde nicht gemacht. Insbesondere werden keine Angaben zu möglichen Einkünften der Gattin gemacht. Aus einem ergänzenden Schriftsatz lässt sich jedoch implizit schließen, dass diese unbedeutend sind.

Hinsichtlich der Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung nach Österreich wird mit den restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen betreffend Drittstaatangehörigen z.B. mit bestehenden Quoten argumentiert. Des Weiteren werde gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG nur dann ein Aufenthaltstitel gewährt, wenn ein Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachgewiesen wird, die für eine vergleichbar große Familien als ortsüblich angesehen wird. Auch wird auf die enormen Unterschiede der Lebenshaltungskosten zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina hingewiesen.

Gegen die abweisliche BVE wurde fristgerecht Rechtsmittel erhoben und das Finanzamt legt den Akt an das BFG vor.

Rechtsgrundlagen und Erwägungen:

Grundsätzlich sind Aufwendungen für die (doppelte) Haushaltsführung und Heimfahrten gemäß § 20 EStG als privat veranlasst und somit nicht als Werbungskosten anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe u.a. VwGH 2004/15/0102 vom ) ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 97/13/0111, vom , 2001/14/0121, vom , 2003/13/0154, und vom , 2005/14/0046). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichen objektiven Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (siehe VwGH 2000/13/0083 vom ).

Die Umstände der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (VwGH 95/14/0124 vom ).

Die erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich können gegen die Zumutbarkeit sprechen (VwGH 2013/15/0146 vom ).

Die Gattin des Bf. erzielt, wie der Bf. selbst einräumt, keine wesentlichen Einkünfte, die einem Wohnsitzwechsel entgegenstünden. Es gibt im Haushalt auch keine Kinder oder andere Angehörige zu versorgen wären.

Wenn der Bf. vermeint, dass in einzelnen Fällen das restriktive Aufenthaltsrecht dazu geführt hat, dass das BFG die Wohnsitzverlegung als unzumutbar angesehen hat, so ist dem entgegen zu halten, dass es in den konkreten Fällen mehrere erfolglose Versuche gab einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Im gegenständlichen Fall wurde nicht einmal behauptet, sich um einen Aufenthaltstitel bemüht zu haben. Es ist für das Gericht nicht einsichtig, weshalb seit 1994 nicht gelingen hätte sollen einen solchen Titel zu erlangen.

Was aber sehr wohl gegen die Zumutbarkeit des Wohnungswechsels spricht, ist die aufenthaltsrechtliche Bedingung einen ortsüblichen Wohnsitz für die Familie nachweisen zu können. Der Bf. wohnt in einem Zimmer eines Arbeiterwohnheimes. Es ist einsichtig, dass dies nicht als ortsübliche Wohnung für ein Ehepaar anzusehen ist. Zumal es zumindest zweifelhaft erscheint, dass ein katholisches Männerheim auch Frauen aufnimmt.

In diesem Zusammenhang kommen auch die wesentlich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich zum Tagen. Dem Bf. stand im Streitjahr 2012 ein Einkommen von rund € 14.700,-- zur Verfügung. Zieht man in Betracht, dass neben einer neuen größeren Wohnung auch noch die zusätzlichen Lebenshaltungskosten der Gattin zu bestreiten wären, kommt das Gericht zum Schluss, dass der Wohnsitzwechsel im Jahr 2012 wegen unzureichender Mittel nicht zumutbar ist.

Der nachgewiesene Mietaufwand in Höhe von € 3.120 war daher als Werbungkosten für doppelte Haushaltsführung anzuerkennen und dem Beschwerdebegehr insoweit stattzugeben.

Das gilt jedoch nicht für die beantragen Kosten für Familienheimfahrten.

Das Finanzamt hat den Bf. aufgefordert diese Kosten belegmäßig nachzuweisen. Trotz einer erklecklichen Anzahl von Fristverlängerungsansuchen, wurde dieser Aufforderung nicht entsprochen. Selbst im Rechtsmittelverfahren wurde bloß die Behauptung aufgestellt, die Busfahrt habe € 67,50 gekostet und es habe an jedem zweiten Wochenende eine Heimfahrt gegeben. Allein eine eidesstattliche Erklärung der Gattin diesen Inhalts ist jedenfalls kein tauglicher Nachweis.

Es liegt somit keinen einzigen Beleg dafür vor, dass überhaupt eine Fahrt erfolgt ist und wenn ja, welches Verkehrsmittel benutzt wurde und was Selbiges gekostet haben mag.

Für das Gericht ist kein Grund erkennbar, weshalb für angeblich regelmäßig und zahlreich erfolgende Reisebewegungen keinerlei Nachweis erbracht werden kann. Den geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten war daher die Anerkennung zur Gänze zu versagen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung erfolgt anhand der umfangreichen und widerspruchsfreien Rechtsprechung des VwGH zu dem Thema. Schlussendlich handelte es sich lediglich um Fragen der Beweiswürdigung, welche der Überprüfung durch den VwGH weitgehend entzogen sind. Die Revision war daher nicht zulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7105091.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at