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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.04.2024, RV/7101318/2024

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe - Ausübung einer Tätigkeit, die einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab Juli 2022, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte Familienbeihilfe wie folgt:
Antrag
Antragstellerdaten
Familien- oder Nachname(n) …
Vorname(n) …
Staatsbürgerschaft Tschechien
PLZ …
Wohnort …
Straße …
Hausnr. …
Land Tschechien
Partnerdaten

Beziehungsverhältnis zum Antragsteller Ehegatte
Staatsbürgerschaft Tschechien
Gleicher Haushalt Ja
Bezeichnung des Dienstgebers B… s.r.o.
Beschäftigt seit … .2005

Land (Dienstgeber) Tschechien
Kind ***XY***
Beantragt wird Familienbeihilfe
Antrag wegen Weitergewährung - Kind weiterhin in Berufsausbildung
Antrag ab

Staatsbürgerschaft Tschechien
Beziehung zum Antragsteller leibliches Kind
Leibliches Kind Partner Ja
Gleicher Haushalt Ja
Art der Tätigkeit Schülerin
Beginn
(voraussichtliches) Ende
Art der Einrichtung Universität / Konservatorium
Land Tschechien

Das Finanzamt erließ folgenden beschwerdegegenständlichen Bescheid (vom ):
Abweisungsbescheid
Ihr Antrag auf Familienbeihilfe, eingebracht am , wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum
(Nachname wie Bf.) ***XY*** … .12.1998 ab Juli 2022
Begründung
In Österreich stellen Tätigkeiten dann Erwerbstätigkeiten im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 dar, wenn sie kranken- und pensionsversicherungspflichtig sind. Nach der EuGH-Judikatur fallen geringe Erwerbstätigkeiten nicht darunter. Mit dem Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) nur einfache, geringe monatsweise Hilfs-Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen. Damit liegt daher grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit im Sinne der VO (EG) Nr. 883/2004 vor.
Daran ändert auch eine freiwillige Versicherung nichts, da eine solche keine Zuständigkeit nach der VO (EG) Nr. 883/2004 auslöst.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Bf. erhob Beschwerde wie folgt:
Mit Ihrem Abweisungsbescheid wurde mir der Anspruch auf Familienbeihilfe für meine Tochter ***XY*** abgewiesen und zwar mit der Begründung, dass mit dem Dienstleistungsscheck nur einfache, geringe Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen sind. Diese Behauptung ist sehr lapidar und sagt nichts über meine konkrete Tätigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung und der in der in Österreich angewandten Auslegung der EU- Verordnung ist bei der Beurteilung des Anspruches auf Familienbeihilfe bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (möglicher Beobachtungszeitraum könnte ein Kalenderjahr sein). Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit (Richtwert: wöchentliche Mindestarbeitszeit von 8 Stunden) und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Das war ein Zitat aus der neusten Entscheidung des BFG. Ich muss anführen, dass meine Arbeit in AT einen regelmäßigen Charakter hat und das wöchentliche Stundenausmaß beträgt ca 16 - 20 Stunden. Ich arbeite schon seit mehr als 12 Monate in diesem Ausmaß und das Entgelt ist für mich sicher nicht gering. Aus alle diesen Gründen bitte ich um Aufhebung des gegenständlichen Bescheides und um Zuerkennung der Familienbeihilfe für meine Tochter ***XY*** laut dem ursprünglichen Antrag.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, dies mit folgender Begründung:
Keine Änderung zur Bescheidbegründung im Abweisungsbescheid vom
In Österreich stellen Tätigkeiten dann Erwerbstätigkeiten im Sinne der VO (EG) 883/2004 dar, wenn sie kranken- und pensionsversicherungspflichtig sind.
Nach der EuGH-Judikatur (Europäischer Gerichtshof) fallen geringe Erwerbstätigkeiten nicht darunter.
Mit dem Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) nur einfache, geringe monatsweise Hilfstätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen.
Daher liegt grundsätzlich keine Erwerbstätigkeit im Sinne der VO (EG) 883/2004 vor.
Daran ändert auch eine freiwillige Versicherung nichts, da eine solche keine Zuständigkeit nach der VO (EG) 883/2004 auslöst.

Der Vorlageantrag wurde von der Bf. eingebracht wie folgt:
Unter Verweis auf meine Ausführungen in der Beschwerde erlaube ich mir noch eine ergänzende kurze Reaktion auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung. Auszuführen ist, dass das europäische Recht autonom auszulegen ist und die EUGH- Judikatur daher zu Anwendung gebracht werden muss. Die Frage, was eine geringe Erwerbstätigkeit darstellt, kann nicht objektiv abstrakt dadurch beantwortet werden, dass in einem nationalen Gesetz ganz lapidar das Wort gering verwendet wird, sondern ist auch nach bereits ständiger Verwaltungspraxis und der neuesten Judikatur des Bundesfinanzgerichtes selbst entscheidungserheblich, wie die Tätigkeit subjektiv konkret daher im Einzelfall, unter Rücksicht auf ihre Dauer, Ausmaß, das dafür bezahlte Entgelt, die Zugehörigkeit in das System der Kranken- und Pensionsversicherung etc. zu beurteilen ist. Eine andere Anwendung des
EU-Rechtes wäre als Verstoß gegen das EU- Recht zu klassifizieren und müsste dem Europäischen Gerichtshof ein solches Verhalten zur Begutachtung ferner als Vertragsverletzung vorgelegt werden.

Die Beschwerdevorlage erfolgt mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, Frau … (=Kindesmutter) wohnt mit ihrem Ehegatten (=Kindesvater),
… und der Tochter, … ***XY*** gemäß Antrag vom im gemeinsamen Haushalt.
Die Antragstellerin ist gemäß Sozialversicherungsdatenauszug in Österreich geringfügig beschäftigt und wird mittels Dienstleistungsscheck entlohnt. Der Kindesvater ist in Tschechien beim Unternehmen B… s.r.o beschäftigt.
Die Tochter, … ***XY*** ist am ***.12.1998 geboren und hat das 18. Lebensjahr mit ***.12.2016 erreicht. Sie befindet sich gemäß der beigelegten Studiumsbestätigung in Berufsausbildung.
Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vorliegenden Unterlagen. Strittig ist, ob die Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck eine Beschäftigung darstellt und in weiterer Folge daher Österreich neben Tschechien ebenfalls Beschäftigungsstaat ist.
Beweismittel:
• 2023-03-08 Antrag Familienbeihilfe
• 2023-03-08 Bestätigung Studium
• 2023-03-08 E401 Formular
• 2023-10-20 Abweisungsbescheid
• 2023-10-31 Beschwerde
• 2024-02-21 Beschwerdevorentscheidung
• 2024-03-20 Vorlageantrag
• 2024-04-08 Sozialversicherungsdatenauszug
• 2024-04-10 Verfahrenslauf
Stellungnahme:
Aufgrund des gemeinsamen Haushaltes in Tschechien und der mittels Dienstleistungsscheck entlohnten Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Österreich, liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor. Es ist daher die EU-VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden.
Gemäß Art 11 Abs 1 der EU-VO (EG) Nr. 883/2004 kann eine Person nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegen. Gemäß Art 11 Abs 3 lit a EU-VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates.
Nach Art 68 Abs 1 lit a der EU-VO (EG) Nr. 883/2004 und der Richtlinien zu den EU-VO (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 ist der Beschäftigungsstaat als vorrangig zuständiger Staat für die Gewährung der Familienleistungen zuständig. Aufgrund der Beschäftigung des Kindesvaters in Tschechien, ist Tschechien grundsätzlich Beschäftigungs- und Wohnortstaat. Es ist zu untersuchen, ob auch Österreich, aufgrund der Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck, als Beschäftigungsstaat gilt.
Gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz regelt dieses Gesetz Ansprüche und Verpflichtungen aus Arbeitsverhältnissen, die von arbeitsberechtigten Arbeitnehmern mit natürlichen Personen zur Erbringung von einfachen haushaltstypischen Dienstleistungen in deren Privathaushalten auf längstens einen Monat befristet für die Dauer des jeweiligen Arbeitseinsatzes abgeschlossen werden, soweit die Entgeltgrenze nach Abs. 4 nicht überschritten und die Entlohnung mit Dienstleistungsscheck vereinbart wird.
Unter einer Beschäftigung ist iSd der EU-VO (EG) Nr. 883/2004 eine tatsächliche Ausübung einer rechtmäßigen, erlaubten Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt zu verstehen. Es ist dabei auf nationales Recht abzustellen.
Grundsätzlich sind darunter in Österreich alle ASVG-Versicherten Beschäftigungen, einschließlich freier Dienstnehmer/innen, über der Geringfügigkeitsgrenze zu verstehen.
Grundsätzlich können auch geringfügige Beschäftigungen unter die Beschäftigung iSd EU-VO (EG) Nr. 883/2004 fallen. Hier ist es jedoch erforderlich, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen, außer Betracht bleiben. Nach der EuGH-Judikatur fallen geringe Erwerbstätigkeiten nicht unter den EU-Erwerbstätigkeitsbegriff (vgl. , Rs Raulin.).
Mit dem österreichischen Dienstleistungsscheck sind gemäß § 1 Dienstleistungsscheckgesetz nur einfache, geringe monatsweise Hilfs-Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze vorgesehen. Damit liegt keine Erwerbstätigkeit im Sinne der EU-VO (EG) Nr. 883/2004 vor.
Wie aus dem Sozialversicherungsdatenauszug zu entnehmen ist, ging die Beschwerdeführerin für den beantragten Zeitraum geringfügigen Beschäftigungen nach, die mittels Dienstleistungsscheck entlohnt wurden.
Die Summe der Beitragsgrundlagen aufgrund von Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck betrugen gemäß Sozialversicherungsdatenauszug:
Für 07/2022-12/2022: 4.163,09 Euro
Für das Jahr 2023: 4.082,89 Euro
Für das Jahr 2024: bisher 489,10 Euro
Im Jahr 2023 war die Beschwerdeführerin zusätzlich im Mai geringfügig beschäftigt. Laut Sozialversicherungsdatenauszug beträgt die Beitragsgrundlage 513,19 Euro.
In der Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Diese Einzelfallprüfung wurde im Verfahren vorgenommen und brachte im Ergebnis, dass die mit Dienstleistungscheck entlohnte Tätigkeit, keine Erwerbstätigkeit darstellt.
Dem Antrag auf Familienbeihilfe ab 07/2022 wurde die Bestätigung über das Studium der Tochter ***XY*** beigelegt. Da aufgrund der Ausführungen keine Erwerbstätigkeit im Sinne der EU-VO (EG) Nr. 883/2004 vorliegt und daher Österreich kein Beschäftigungsstaat ist, wird auf eine weitere Prüfung des Familienbeihilfeanspruchs, aufgrund einer Berufsausbildung nicht näher eingegangen.
Es wird daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf., ihr Ehegatte und deren gemeinsame Tochter ***XY*** sind tschechische Staatsangehörige und hatten im Beschwerdezeitraum, wie davor und danach, ihren Wohnsitz in Tschechien (in ***A..***); die Ehegatten und ***XY*** wohnten im gleichen Haushalt.

Die Tochter der Bf. war im Zeitraum bis an der M. Universität in Brno, Tschechien inskribiert (vorgelegte Bestätigung, Brno, .

Die Bf. war in Österreich im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, ab Juli 2022, mittels Dienstleistungsschecks tätig wie folgt (Sozialversicherungsdatenabfrage):

Jahr 2022:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Juli
Einnahmen in €
Mag. ***Z.***,
2020 Hollabrunn *
204,40
M. ***Y.***,
2020 Hollabrunn *
105,12
309,52
309,52
Aug.
Mag. ***Z.***
259,15
M. ***Y.***
43,80
302,95
302,95
Sep.
K. ***X.***,
***Ort.nördl.NÖ*** **
16,06
Mag. ***Z.***
167,90
M. ***Y.***
52,56
236,52
236,52
Okt.
K. …
21,90
Mag. ***Z.***
197,10
M. ***Y.***
105,12
324,12
324,12
Nov.
K. ***X.***
108,04
Mag. ***Z.***
270,10
M. ***Y.***
52,56
430,70
430,70
Dez.
K. ***X.***
61,32
Mag. ***Z.***
160,60
M. ***Y.***
43,80
265,72
265,72
1.869,53

* einfache Fahrtstrecke ***A..*** - Hollabrunn: 30 km
** einfache Fahrtstrecke ***A..*** - ***Ort.nördl.NÖ***: 11 km

Jahr 2023:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jän.
Einnahmen in €
K. …
100,01
Mag. ***Z.***
204,40
M. ***Y.***
157,68
462,09
462,09
Feb.
K. …
60,59
Mag. ***Z.***
160,60
M. ***Y.***
96,30
317,49
317,49
Mär.
Mag. ***Z.***
153,30
M. ***Y.***
105,12
258,42
258,42
Apr.
K. …
127,02
Mag. ***Z.***
160,60
M. ***Y.***
52,56
340,18
340,18
Mai
K. …
116,07
Mag. ***Z.***
292,00
M. ***Y.***
105,12
513,19
513,19
Jun.
K. …
54,75
Mag. ***Z.***
226,30
M. ***Y.***
96,36
377,41
377,41
Jul.
K. …
107,31
Mag. ***Z.***
146,00
M. ***Y.***
105,12
358,43
358,43
Aug.
Mag. ***Z.***
219,00
M. ***Y.***
43,80
262,80
262,80
Sep.
Mag. ***Z.***
211,70
M. ***Y.***
96,36
308,06
308,06
Okt.
Mag. ***Z.***
273,75
M. ***Y.***
52,56
326,31
326,31
Nov.
Mag. ***Z.***
164,25
M. ***Y.***
105,12
269,37
269,37
Dez.
Mag. ***Z.***
175,20
M. ***Y.***
113,88
289,08
289,08
4.082,83

Die Bf. war bei der Österreichischen Gesundheitskasse "selbstvers. § 19a ASVG Arbeiterin -
geringfügige Beschäftigung wegen DLS.".

Der Einkommensteuerbescheid 2022 vom an die Bf. wurde mit folgender Berechnung der Einkommensteuer erlassen (Abgabeninformationssystemabfrage):
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel laut Anhang
Bezugsauszahlende Stelle stpfl. Bezüge (245)
VA öffentl. Bed., Eisenb. und Bergbau 3.949,71 €
Pendlerpauschale laut Lohnzettel 0,00 €
Pendlerpauschale laut Veranlagung - 1.968,00 €
Sonstige Werbungskosten ohne
Anrechnung auf den Pauschalbetrag - 835,78 €
Pauschbetrag für Werbungskosten - 132,00 € 1.013,93 €
Gesamtbetrag der Einkünfte 1.013,93 €
Einkommen 1.013,93 €

Die von der Bf. eingereichte Einkommensteuererklärung 2022 beinhaltet unter den Werbungskosten folgende Positionen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Werbungskosten
Kennzahl
Betrag / €
Pendlerpauschale
718
1.968,00
Pendlereuro
916
180,00

Im Jahr 2024 betrug der Mindeststundenlohn "Reinigung" € 15,60 (Internetabfrage).

Der Ehegatte der Bf. war in Tschechien bei der B. s.r.o. tätig: "Beschäftigt seit … 2005".

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Detailfeststellungen beruhen auf den eigenen Angaben der Bf., auf der Sozialversicherungsdatenabfrage, dem an die Bf. erlassenen Einkommensteuerbescheid sowie Internetabfragen. Auf Grund der Unbedenklichkeit der Grundlagen bedarf es weiterer Ausführungen zur Beweiswürdigung dementsprechend nicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Art. 11 VO 883/2004 lautet auszugsweise:
Artikel 11
Allgemeine Regelung
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.
(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
...

§ 4 ASVG idF BGBl. I Nr. 17/2012 bestimmt:
(1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um
1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder
2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder
3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

§ 19a ASVG lautet:
Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung
§ 19a. (1) Personen, die von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 oder Teilversicherung nach § 7 Z 4 ausgenommen und auch sonst weder in der Krankenversicherung noch in der Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz pflichtversichert sind, können sich, solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben, auf Antrag in der Kranken- und Pensionsversicherung selbstversichern. Die Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. g dieses Bundesgesetzes, nach § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG und nach § 4a Z 4 BSVG gilt nicht als Pflichtversicherung im Sinne des ersten Satzes. Ausgeschlossen von dieser Selbstversicherung sind jedoch die im § 123 Abs. 9 und 10 genannten Personen sowie Personen, die einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung haben. Die Selbstversicherung für Personen, die von der Teilversicherung nach § 7 Z 4 ausgenommen sind, erfolgt in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz und in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG (§ 7a B-KUVG).
(2) Die Selbstversicherung beginnt
1. a) bei der erstmaligen Inanspruchnahme mit dem Tag des Beginnes der geringfügigen Beschäftigung, wenn der Antrag binnen sechs Wochen nach diesem Zeitpunkt gestellt wird, und
b) bei Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden, mit dem Tag des Beginnes der ersten Beschäftigung, wenn der Antrag spätestens bis zum Ablauf des nächsten Kalendermonates gestellt wird,
2. sonst mit dem der Antragstellung folgenden Tag, im Falle der Beendigung der Selbstversicherung nach Abs. 3 Z 2 oder 3 jedoch frühestens nach Ablauf von drei Kalendermonaten nach dieser Beendigung,
3. bei Personen, die mit Dienstleistungsscheck entlohnt werden und nach § 471f in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert waren, am Tag nach dem Ende dieser Pflichtversicherung.

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes:

Kempf:
11 Was zunächst das Kriterium der tatsächlichen und echten Erwerbstätigkeit im Gegensatz zu den nicht unter die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften fallenden untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten betrifft, hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung bezweifelt, daß eine Lehrtätigkeit von zwölf Stunden wöchentlich für sich genommen als eine solche tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit im Sinne des Urteils in der Rechtssache Levin angesehen werden kann.
12 Zu der Prüfung dieser Frage besteht jedoch kein Anlaß, da der Raad van State in den Gründen seiner Vorlageentscheidung ausdrücklich festgestellt hat, daß die betreffende Arbeitnehmertätigkeit keinen so geringen Umfang hat, daß sie sich als untergeordnet und unwesentlich darstellt. Im Rahmen der Zusammenarbeit des nationalen Gerichts und des Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren obliegt ersterem die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits. Die Vorabentscheidungsfrage ist daher auf der Grundlage der vom nationalen Gericht vorgenommen Beurteilung zu prüfen.
13 Nach der gesicherten Rechtsprechung des Gerichtshofes gehört die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den Grundlagen der Gemeinschaft. Die Vorschriften, in denen diese Grundfreiheit verankert ist, und vor allem die Begriffe "Arbeitnehmer" und "Tätigkeit im Lohn-oder Gehaltsverhältnis", durch die der Geltungsbereich dieser Vorschriften festgelegt wird, sind daher weit, die Ausnahmen und Abweichungen vom Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dagegen eng auszulegen.
14 Infolgedessen sind die diesbezüglichen Bestimmungen dahin zu verstehen, daß jemand, der eine tatsächliche und echte Teilzeitbeschäftigung ausübt, vom Geltungsbereich dieser Bestimmungen nicht allein deswegen ausgeschlossen werden kann, weil er die unter dem Existenzminimum liegenden Einkünfte aus dieser Tätigkeit durch andere zulässige Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu ergänzen sucht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die ergänzenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus dem Vermögen oder der Arbeit eines Familienmitglieds des Betroffenen herrühren wie bei dem dem Urteil Levin zugrundeliegenden Sachverhalt oder ob sie - wie im vorliegenden Fall - auf einer aus öffentlichen Mitteln des Wohnortmitgliedstaats gezahlten finanziellen Unterstützung beruhen, sofern feststeht, daß es sich um eine echte und tatsächliche Arbeitnehmertätigkeit handelt.

, Lawrie-Blum:
5 … Während dieses zweiten Abschnitts kann der Studienreferendar beauftragt werden, in verschiedenen Klassen des Gymnasiums zunächst unter unmittelbarer Anleitung eines Fachlehrers und sodann während der letzten sechs Monate selbständig bis zu insgesamt elf Wochenstunden zu unterrichten.

21 Auch der Umstand, daß der Studienreferendar nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Unterricht erteilt und nur eine Vergütung erhält, die unter den Mindestbezügen eines vollbeamteten Lehrers am Anfang seiner Laufbahn liegt, kann seiner Qualifizierung als Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Wie der Gerichtshof in dem angeführten Urteil Levin festgestellt hat, sind die Begriffe des Arbeitnehmers und der Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis so zu verstehen, daß sie auch Personen umfassen, die, weil sie keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, nur ein Einkommen beziehen, das unter dem für eine Vollzeitbeschäftigung liegt, sofern es sich um die Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten handelt. Diese letztgenannte Voraussetzung wird im vorliegenden Fall nicht in Zweifel gezogen.

- Ninni-Orasche:
26 Als Arbeitnehmer kann jedoch nur angesehen werden, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. u. a. die Urteile Levin, Randnr. 17, und Meeusen, Randnr. 13).
27 Bei der Prüfung dieser Voraussetzung muss sich das vorlegende Gericht auf objektive Kriterien stützen und in einer Gesamtbetrachtung alle Umstände der Rechtssache würdigen, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und die des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen.

, Petersen:
5 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, vom , Trojani, C-456/02, Slg. 2004, I-7573, Randnr. 15, und vom , Kranemann, C-109/04, Slg. 2005, I-2421, Randnr. 12).
46 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Herr Petersen vor den Ereignissen, die zu dem Ausgangsverfahren geführt haben, in einem Mitgliedstaat eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt hatte und demzufolge zu dieser Zeit "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG war. Bei einem Angehörigen eines Mitgliedstaats, der, wie Herr Petersen, seinen Herkunftsstaat verlassen hat, um eine entgeltliche Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, ist davon auszugehen, dass er von dem in diesem Artikel vorgesehenen Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

, Vatsouras:
26 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, sowie vom , Petersen, C-228/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 45).

27 Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts haben (vgl. Urteile vom , Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom , Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22).

L.N.:
Die Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert und dort daneben einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird, nicht versagt werden darf. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob die Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausreichen, um ihm diese Eigenschaft zu verleihen. Der Umstand, dass der Betroffene in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ist für die Bestimmung, ob er "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ist und damit gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft Anspruch auf diese Förderung unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats hat, unerheblich.

, L.N.:
38 Aus den Akten geht auch hervor, dass ihm die Ausbildungsförderung mit der Begründung versagt wurde, dass er in das Hoheitsgebiet Dänemarks hauptsächlich zu dem Zweck eingereist sei, dort eine Ausbildung zu absolvieren, so dass der Zweck seines Aufenthalts in Dänemark nach Ansicht der zuständigen nationalen Behörden dazu geführt hat, ihm den Status eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu nehmen.

39 Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnr. 16; vom , Brown, 197/86, Slg. 1988, 3205, Randnr. 21; vom , Bernini, C-3/90, Slg. 1992, I-1071, Randnr. 14, und vom , Ninni-Orasche, C-413/01, Slg. 2003, I-13187, Randnr. 23).
40 Außerdem ist dieser Begriff anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 17; Ninni-Orasche, Randnr. 24, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26).

41 Die beschränkte Höhe dieser Vergütung, der Ursprung der Mittel für diese, die stärker oder schwächere Produktivität des Betroffenen oder der Umstand, dass er nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 21; vom , Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, und Bernini, Randnr. 16).
42 Allerdings ist für die Qualifizierung als "Arbeitnehmer" erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. (vgl. u. a. Urteile vom du , Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnr. 17, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, muss das vorlegende Gericht objektive Kriterien heranziehen und alle Umstände des Falles, die sich auf die Art sowohl der fraglichen Tätigkeiten als auch des fraglichen Arbeitsverhältnisses beziehen, in ihrer Gesamtheit beurteilen (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 27).
44 Die Untersuchung sämtlicher Merkmale, die ein Arbeitsverhältnis auszeichnen, um beurteilen zu können, ob die von N. vor und nach Beginn seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich und echt war, und somit, ob er die Eigenschaft eines Arbeitnehmers besaß, fällt daher in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Dieses allein hat nämlich unmittelbar Kenntnis vom Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und den Merkmalen, die das Arbeitsverhältnis des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnen, und ist daher am besten in der Lage, die notwendigen Prüfungen durchzuführen.
45 Da die Vorlageentscheidung keinen Hinweis enthält, der Zweifel daran wecken könnte, dass die Arbeitsverhältnisse zwischen N. und seinen Arbeitgebern die in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils aufgeführten Merkmale aufweisen, wird das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob die Arbeitnehmertätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens nicht so geringfügig waren, dass sie sich als vollkommen untergeordnet und unwesentlich darstellen.
46 Zum Vorbringen der dänischen und der norwegischen Regierung, wonach die Absicht des Klägers des Ausgangsverfahrens bei seiner Einreise in das dänische Hoheitsgebiet, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV nehme, genügt der Hinweis, dass für die Beurteilung, ob durch eine Beschäftigung der Arbeitnehmerstatus im Sinne dieser Bestimmung verliehen werden kann, Umstände, die sich auf das Verhalten des Betreffenden vor und nach der Beschäftigungszeit beziehen, für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der genannten Bestimmung ohne Bedeutung sind. Solche Umstände stehen nämlich in keiner Beziehung zu den objektiven Kriterien, die von der in Randnr. 40 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung aufgestellt wurden (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 28).
47 Die Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV drückt die dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer selbst innewohnende Einschränkung aus, dass die Vorteile, die das Unionsrecht mit dieser Freiheit gewährt, nur von Personen in Anspruch genommen werden können, die eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis wirklich ausüben oder ernsthaft ausüben wollen. Sie bedeutet jedoch nicht, dass die Inanspruchnahme dieser Freiheit davon abhängig gemacht werden kann, welche Ziele ein Angehöriger eines Mitgliedstaats mit seinem Wunsch, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen oder sich dort aufzuhalten, verfolgt, wenn er dort nur eine echte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich ausübt oder ausüben will. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so sind die Absichten, die den Arbeitnehmer möglicherweise dazu veranlasst haben, in dem betreffenden Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, belanglos und dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Levin, Randnrn. 21 und 22, sowie vom , Akrich, C-109/01, Slg. 2003, I-9607, Randnr. 55).
48 Falls das vorlegende Gericht entscheiden sollte, dass N. als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV zu betrachten ist, ist festzustellen, dass die Weigerung, diesem Unionsbürger Ausbildungsförderung zu gewähren, den Anspruch auf Gleichbehandlung verletzt, den dieser Bürger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer genießt.
49 Ein Unionsbürger, der von der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht hat, genießt nämlich im Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 die gleichen sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.
50 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellt eine nationale Ausbildungsförderung eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dar (vgl. Urteile vom , Lair, 39/86, 3161, Randnrn. 23 und 24, sowie Bernini, Randnr. 23).
51 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 24 Abs. 2 der Richtlinien 2004/38 dahin auszulegen sind, dass einem Unionsbürger, der in einem Aufnahmemitgliedstaat eine Ausbildung absolviert und dort daneben einer tatsächlichen und echten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgeht, die geeignet ist, ihm die Eigenschaft eines "Arbeitnehmers" im Sinne von Art. 45 AEUV zu verleihen, eine Ausbildungsförderung, die den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gewährt wird, nicht versagt werden darf. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob die Tätigkeiten des Klägers des Ausgangsverfahrens im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausreichen, um ihm diese Eigenschaft zu verleihen. Der Umstand, dass der Betroffene in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats hauptsächlich zu dem Zweck eingereist ist, dort seine Ausbildung zu absolvieren, ist für die Bestimmung, ob er "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV ist und damit gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 Anspruch auf diese Förderung unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats hat, unerheblich.

Den einzigen konkretisierten Anhaltspunkt zur Abgrenzung, was das Kriterium der tatsächlichen und echten Erwerbstätigkeit im Gegensatz zu den nicht unter die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften fallenden untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten betrifft, beinhaltet, soweit ersichtlich, die oben angeführte Entscheidung des Kempf Rz 11: Die niederländische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung bezweifelt, daß eine Lehrtätigkeit von zwölf Stunden wöchentlich für sich genommen als eine solche tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit im Sinne des Urteils in der Rechtssache Levin angesehen werden kann.
Da "der Raad van State in den Gründen seiner Vorlageentscheidung ausdrücklich festgestellt (hat), daß die betreffende Arbeitnehmertätigkeit keinen so geringen Umfang hat, daß sie sich als untergeordnet und unwesentlich darstellt", bestand im Gerichtshofverfahren zu "der Prüfung dieser Frage … jedoch kein Anlaß".
Hatte eine Lehrtätigkeit von zwölf Stunden wöchentlich Zweifel der betroffenen Regierung ausgelöst, die jedoch vom Raad van State nicht geteilt wurden und es auf Grund der ausdrücklichen Feststellung des Raad van State zu keiner Prüfung dieser Frage kam, kann mit Recht rückgeschlossen werden, dass eine Tätigkeit, die sich nicht als untergeordnet und unwesentlich darstellt, nicht bei weitem geringer als zwölf Stunden wöchentlich anzusiedeln ist.

Zur in der Beschwerde erhobenen Behauptung, das "wöchentliche Stundenausmaß beträgt ca 16 - 20 Stunden":

Die Bf. führt in der Beschwerde ins Treffen, das "wöchentliche Stundenausmaß beträgt
ca 16 - 20 Stunden".

Bei 45 Arbeitswochen errechnet sich (unter Zugrundelegung der Angabe der Bf.!) ein jährliches Stundenausmaß von (18 Stunden x 45 Wochen =) 810 Stunden und ein Halbjahres- Stundenausmaß von 405 Stunden.

Stellt man die Einnahmen 2022 und 2023 diesem jährlichen bzw. halbjährlichen Stundenausmaß gegenüber, ergibt sich Folgendes:

2022:

Halbjahreseinnahmen € 1.869,53 : 405 Stunden = Einnahmen pro Stunde € 4,62

2023:

Jahreseinnahmen € 4.082,83 : 810 Stunden = Einnahmen pro Stunde € 5,04

Hiermit ist die Unhaltbarkeit der Behauptung der Bf., das "wöchentliche Stundenausmaß beträgt ca 16 - 20 Stunden" erwiesen.

Ist der Mindestlohn etwa dreimal so hoch, bedeutet das, dass sich - wiederum bei Zugrundelegung von 45 Arbeitswochen pro Jahr - ein wöchentliches Stundenausmaß von etwa 6 Stunden errechnet.

Zum Jahr 2022:

Die Einnahmen im sechs Monate umfassenden Zeitraum von Juli bis Dezember beliefen sich, wie aus der obigen Aufstellung ersichtlich, auf € 1.869,53.

Ausgehend von der Überlegung, dass die Pendlerpauschale laut Veranlagung iHv € 1.968,00 für das gesamte Jahr 2022, somit für das Halbjahr iHv € 984,00, bei Berücksichtigung der geringen Einnahmen und dadurch bedingter niedriger Anzahl der Fahrten nicht die tatsächlichen Kosten widerspiegelt, werden die Fahrtkosten nicht in Höhe dieses Betrages von € 984,00 angesetzt, sondern mit einem niedrigeren Betrag wie folgt geschätzt:
Einzeltatbestand:
Einnahmen (Reinigungs)Fahrt nach ***Ort.nördl.NÖ***: € 15,00/Stunde x 4 Stunden = € 60,00
Fahrtkosten: Hinfahrt 11 km + Rückfahrt 11 km = 22 km x € 0,25/km = € 5,50
Fahrtkosten bei (Reinigungs)Fahrt nach ***Ort.nördl.NÖ***: rd. 9% der Einnahmen
(Reinigungs)Fahrt nach Hollabrunn:
a) € 15,00/Stunde x 4 Stunden = € 60,00
Fahrtkosten: Hinfahrt 30 km + Rückfahrt 30 km = 60 km x € 0,25/km = € 15,00
Fahrtkosten bei (Reinigungs)Fahrt nach Hollabrunn: 25%
b) € 15,00/Stunde x 8 Stunden = € 120,00
Fahrtkosten [wie bei a)]: € 15,00
Fahrtkosten bei (Reinigungs)Fahrt nach Hollabrunn: 12,5% der Einnahmen

Die Fahrtkosten (überwiegend Mag. ***Z.***, 2020 Hollabrunn und M. ***Y.***, 2020 Hollabrunn) werden griffweise in Höhe von 10% der Einnahmen geschätzt.

Die (6 Monate-)Einnahmen iHv € 1.869,53 vermindern sich bei Berücksichtigung der Fahrtkosten dementsprechend auf (€ 1.869,53 - 10% =) € 1.682,58.
Die durchschnittlichen monatlichen Einnahmen - nach Abzug der Fahrtkosten - errechnen sich somit mit (€ 1.682,58 : 6 Monate =) € 280,43.

Anmerkung:
Hätte man (die einfache Vorgangsweise gewählt und) das Einkommen laut Einkommensteuerbescheid iHv € 1.013,93 auf Monatsbeträge umgerechnet, beliefe sich das von der Bf. monatlich erzielte Einkommen auf (€ 1.013,93 : 12 =) € 84,49.

Den Einnahmen iHv € 1.869,53 liegen (€ 1.869,53 : € 15,00/Stunde =) 124,63 Stunden zugrunde, somit, unter Außerachtlassung von Nichtleistungszeiten, durchschnittlich
(124,63 Stunden : 26 Wochen =) 4,8 Stundenpro Woche (beim obigen wöchentlichen Stundenausmaß von etwa 6 Stunden sind Nichtleistungszeiten [45 Arbeitswochen/Jahr] berücksichtigt).

Zum Jahr 2023:

Die Einnahmen im 12 Monate umfassenden Zeitraum von Jänner bis Dezember beliefen sich, wie aus der obigen Aufstellung ersichtlich, auf € 4.082,83.
Die Fahrtkosten - weitaus überwiegend Hollabrunn- Fahrten (Mag. ***Z.***, 2020 Hollabrunn und M. ***Y.***, 2020 Hollabrunn), ***Ort.nördl.NÖ***- Fahrten nur bis Juli) - werden griffweise in Höhe von 12,5% der Einnahmen geschätzt.
Die Einnahmen vermindern sich nach Abzug der Fahrtkosten auf € 3.572,48.
Die durchschnittlichen monatlichen Einnahmen nach Abzug der Fahrtkosten errechnen sich somit mit € 297,71.

Den Einnahmen iHv € 4.082,83 liegen (€ 4.082,83 : € 15,00/Stunde =) 272,19 Stunden zugrunde, somit, unter Außerachtlassung von Nichtleistungszeiten, durchschnittlich
(272,19 Stunden : 52 Wochen =) 5,2 Stunden pro Woche.

Die Bf. übte gemäß diesen Erwägungen eine Tätigkeit aus, die einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101318.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at