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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2024, RV/3100397/2023

Widerruf einer Löschung gem. § 294 BAO infolge unrichtiger Angaben über die Einkommensverhältnisse

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch RA, RA_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Widerruf einer Löschung gem. § 294 BAO, Steuernummer Bf_StNr1 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers (Bf) wurde, nach Leistung einer Abschlagszahlung iHv € Betrag_1, mit Bescheid vom der zum damaligen Zeitpunkt aushaftende Abgabenrückstand iHv € Betrag_2 gem. § 235 BAO gelöscht.

Mit Bescheid vom erfolgte der Widerruf der Löschung gem. § 294 BAO. Die Abgabenbehörde begründete den Widerruf einerseits damit, dass sich die tatsächlichen Einkommensverhältnisse, aufgrund welcher die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten angenommen worden sei, maßgeblich geändert haben. Darüber hinaus müsse die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die vor der Löschung am von der Schwester des Bf, S, gemachten Angaben unrichtig bzw. irreführend gewesen seien, zumal das bereits seit bestehende Dienstverhältnis des Bf mit der A_GmbH wissentlich verschwiegen worden sei. Es seien der Abgabenbehörde somit relevante Tatsachen wissentlich vorenthalten worden, insbesondere die Höhe des aus dem Arbeitsverhältnis erzielten Einkommens.

2. In der Beschwerde vom machte der Bf geltend, dass die vor der Löschung der Abgabenbehörde gegenüber gemachten Angaben zu seiner finanziellen Situation korrekt gewesen seien. Er habe im Vorjahr (2017) mit einem Einkommen von € Betrag_3 und Zuwendungen seiner Schwester auskommen müssen. Die Tätigkeit bei der A_GmbH sei erst im Jänner bzw. Februar (2018) aufgenommen worden. Wie mit der Abgabenbehörde besprochen worden sei, sei die Löschung (2018) nur zustande gekommen, weil der Bf in einem Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zurückgezogen habe.

3. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom verwies die Abgabenbehörde darauf, dass die Löschung der Abgabenschuldigkeiten auf Basis der vom Bf geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse und eines anhängig gewesenen Insolvenzverfahrens nach Entrichtung der vereinbarten Abschlagszahlung erfolgt sei. Der Bf habe nicht offengelegt, dass er im Zeitpunkt der Löschung bereits einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und habe die Abgabenbehörde von diesem Umstand keine Kenntnis gehabt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bf sei mit einem gesonderten Gerichtsverfahren rückabgewickelt worden. Der Bf selbst habe gegenüber der Abgabenbehörde am angegeben, dass es nie ein Insolvenzverfahren geben hätte dürfen.

Nicht nachvollziehbar sei die Argumentation, die Abschlagszahlung bzw. Löschung sei auf Basis der Zurücknahme eines Beschwerdeverfahrens beim Bundesfinanzgericht erfolgt. Es gebe keine Nachweise für derartige Abreden und sei auch kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Löschung im März 2018 und der Zurücknahme der Beschwerde bzw. Gegenstandsloserklärung mit Beschluss vom erkennbar.

4. Am wurde nach gewährter Rechtsmittelfristverlängerung der Vorlageantrag eingebracht. Darin wurde zunächst der Gang des Beschwerdeverfahrens iZm Umsatzsteuer und Einkommensteuer der Jahre 2006-2009 dargetan. Dieses Verfahren sei beim Bundesfinanzgericht unter der GZ_BFG geführt worden. Mit Schreiben ans Bundesfinanzgericht vom habe der Bf mitgeteilt, er werde die Beschwerde zurückziehen, sofern auch für die Zukunft keinerlei Ansprüche gegen ihn geltend gemacht würden. Es sei Folgendes angeführt worden: "Daher kann unter den genannten Umständen das Verfahren eingestellt werden, und ich ziehe unter den Bedingungen 'für alle Parteien' meine Beschwerde zurück." Dies bedeute, dass diese Zurückziehung nur unter der angeführten Bedingung erfolge.

Das Bundesfinanzgericht habe daraufhin die Beschwerde mit Beschluss vom als gegenstandslos erklärt. Auf diesen Beschluss habe der Bf mit Schreiben vom reagiert. Er habe darin nochmals festgehalten, dass die Bedingung für eine Rücknahme der Beschwerde gewesen sei, dass sämtliche Ansprüche durch das Insolvenzverfahren und Zahlen einer Quote als getilgt anzusehen seien. Da die Absprachen nicht eingehalten worden seien, sei der "Aufhebung der Beschwerde" durch den Bf nicht Folge zu leisten. Das Beschwerdeverfahren bleibe daher aufrecht.

Für den Bf sei daher klar gewesen, dass das Beschwerdeverfahren aufgrund der Nichteinhaltung der Bedingungen aufrecht bleibe.

Dem Bf sei in weiterer Folge mitgeteilt worden, dass die Einhebung des Abgabenrückstandes aufgrund seines Schreibens vom ausgesetzt sei. Es habe sich weiters herausgestellt, dass der Masseverwalter fälschlicherweise € Betrag_4 an Immobilienertragsteuer ans Finanzamt abgeführt habe. Es sei davon ausgegangen worden, dass infolge Anrechnung dieser ungerechtfertigt bezahlten Immobilienertragsteuer doch noch eine einvernehmliche Lösung erzielt werden könne.

Nach weiteren Gesprächen habe Frau S als Vertreterin des Bf der Abgabenbehörde am den Vorschlag einer Abschlagszahlung unterbreitet. Dieser sei in der Folge angenommen und nach Überweisung der Abschlagszahlung der verbleibende Abgabenrückstand gelöscht worden.

Es sei schlicht falsch, dass S der Abgabenbehörde im Vorfeld der Löschung falsche Auskünfte erteilt habe. Die Anstellung des Bf durch die A_GmbH sei jeweils nur für einen Monat und mit der Mitteilung erfolgt, dass eine Festanstellung nur möglich sei, sofern es keine Eintreibungsmaßnahmen gegen den Bf gebe, widrigenfalls das Dienstverhältnis umgehen beendet werde. Erst nach erfolgter Abschlagszahlung habe der Bf eine Fixanstellung erhalten. Das Einkommen des Bf 2018 wäre nicht zustande gekommen, wenn die Angelegenheit Finanzamt nicht im Februar/März 2018 finalisiert worden wäre.

Abschließend führte der Bf nochmals an, dass die dem Widerruf zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide unrichtig und die Zurückziehung der gegen diese erhobenen Beschwerde aufgrund Nichteintritt der klar formulierten Bedingungen gegenüber dem Bundesfinanzgericht nicht rechtswirksam sei. Das Verfahren beim Bundesfinanzgericht sei fortzusetzen.

II. Sachverhalt

1. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ_InsV, wurde über das Vermögen des Bf das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte am ; auf die Insolvenzgläubiger entfiel eine Quote von 23,92 %.

2. Unter der GZ_BFG war 2016 ein Beschwerdeverfahren des Bf betreffend Einkommensteuer 2006-2009 sowie Umsatzsteuer 2006-2008 beim Bundesfinanzgericht anhängig.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerde infolge Zurücknahme der Beschwerde mit Eingabe vom als gegenstandslos erklärt. Gegen diesen Beschluss wurde weder Revision noch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

Eine aus Anlass der - nach Ansicht des Bf zu Unrecht durch den Masseverwalter im og. Insolvenzverfahren abgeführten - Immobilienertragsteuer gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Bf einem Mängelbehebungsauftrag der Abgabenbehörde nicht hinreichend nachgekommen war, mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.

4. Der bescheidmäßigen Löschung von Abgabenschuldigkeiten gem. § 235 BAO am war das Angebot einer Abschlagszahlung iHv € Betrag_1 vorangegangen. Mit Schreiben vom nahm die Abgabenbehörde dieses Angebot an; dem Bf wurde die Löschung des auf seinem Abgabenkonto aushaftenden Rückstandes nach Eingang der Abschlagszahlung in Aussicht gestellt. Der Bf wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Löschung nur unter der Voraussetzung erfolge, dass keine entscheidungsrelevanten Tatsachen neu hervorkämen.

Der Bescheid über die Löschung von Abgabenschuldigkeiten wurde mit den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen (geringfügige Einkünfte und kein Vermögen) und dem gem. § 139 IO beendeten Insolvenzverfahren begründet.

5. Der Bf war von bis bei der A_GmbH nichtselbständig beschäftigt. Seine steuerpflichtigen Bezüge aus dieser Tätigkeit betrugen lt. vom Arbeitgeber übermittelten Lohnzetteln 2018 € Betrag_5, 2019 € Betrag_6 und 2020 € Betrag_7.

6. Die Abgabenbehörde ging bei der Löschung der Abgabenschuld des Bf am davon aus, dass die Abgabenschulden beim Bf uneinbringlich seien. Zu dieser Sachverhaltsannahme gelangte die Abgabenbehörde infolge unrichtiger bzw. irreführender Angaben des Bf bzw. seiner Bevollmächtigten, S.

III. Beweiswürdigung

1. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt, dem vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren und der im folgenden dargelegten Beweiswürdigung.

2. Abklärungsbedarf bestand zum beschwerdegegenständlichen Sachverhalt ausschließlich zur Frage, welche Angaben der Bf bzw. seine bevollmächtigte Vertreterin, S, im Vorfeld der Löschung am über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bf gemacht hatten.

2.1. Da weder dem vorgelegten Akt noch dem elektronischen Einbringungsakt konkrete Feststellungen der Abgabenbehörde zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Bf im Zeitpunkt der Löschung seiner Abgabeschulden zu entnehmen waren, forderte die erkennende Richterin den 2018 zuständigen Teamleiter der Abteilung Abgabensicherung beim damals zuständigen Finanzamt mit Schreiben vom gem. § 173 Abs. 1 BAO zur Beantwortung folgender Fragen auf:

1. Welche konkreten Behauptungen zur Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden des Beschwerdeführers wurden von diesem bzw. S im Vorfeld des außergerichtlichen Ausgleichs bzw. der Löschung gegenüber der Abgabenbehörde aufgestellt?
2. Wurden darüber hinaus konkrete Angaben zur Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers abverlangt und gemacht?
Wer hat diese Auskünfte erteilt: Der Beschwerdeführer oder S?
Bitte schildern Sie, welche konkreten Auskünfte erteilt wurden.
3. Welche konkreten Angaben wurden zur Einkommenssituation des Beschwerdeführers abverlangt und gemacht?
Hat diese Auskünfte der Beschwerdeführer selbst oder S erteilt?
Bitte schildern Sie, um welche Auskünfte es sich konkret gehandelt hat.
4. Wurden vom Beschwerdeführer bzw. S Unterlagen zum Nachweis der Vermögens- bzw. Einkommenssituation angeboten bzw. abverlangt und im Weiteren vorgelegt?
Falls ja, welche?
5. Wurden amtswegige Ermittlungsschritte iZm der Feststellung der Vermögens- bzw. Einkommenssituation gesetzt?
Falls ja, welche?

Die Beantwortung erschöpfte sich im Hinweis darauf, dass der Zeuge sich aufgrund der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht mehr erinnern könne und, auch mangels Zugangs zum Einbringungsakt, da er mittlerweile im Ruhestand sei, die Fragen daher nicht beantworten könne.

2.2. Mit Schreiben vom richtete die erkennende Richterin eine Aufforderung zur schriftlichen Zeugenaussage folgenden Inhalts an S:

1. Welche konkreten Angaben haben Sie zur Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden von Bf gegenüber der Abgabenbehörde gemacht bzw. welche konkreten Angaben haben Sie gegenüber der Abgabenbehörde zur Einkommens- und Vermögenssituation von Bf gemacht?
2. Welche konkreten Unterlagen haben Sie der Abgabenbehörde zur Untermauerung Ihrer Angaben über die Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden bzw. die Einkommens- und Vermögenssituation von Bf angeboten bzw. vorgelegt?
3. Welche konkreten Angaben haben Sie gegenüber der Abgabenbehörde betreffend das Dienstverhältnis zwischen Bf und der A_GmbH gemacht?

Die Beantwortung durch die (in Deutschland wohnhafte) Zeugin ist infolge eines Missverständnisses bei der Postaufgabe in Deutschland erst am beim Bundesfinanzgericht eingelangt. Unter Verweis auf umfangreichen E-Mailverkehr mit den zuständigen Mitarbeitern der Abgabensicherung des damals zuständigen FA_1 gab S an, die Abgabenbehörde über das Insolvenzverfahren des Bf und sein daraus resultierendes Unvermögen der Entrichtung der offenen Abgabenschulden informiert zu haben. Abgesehen vom deutschen Einkommensteuerbescheid 2017, den der Bf selbst der Abgabenbehörde vorgelegt habe, seien der Abgabenbehörde keine Unterlagen zur Untermauerung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bf vorgelegt worden. Zum Dienstverhältnis mit der A_GmbH wiederholte die Zeugin lediglich allgemein das bereits im Beschwerdeverfahren durch den Bf erstattete Vorbringen. Dass dies auch ihr Vorbringen im Zuge der Gespräche über den außergerichtlichen Ausgleich und die Löschung gegenüber der Abgabenbehörde gewesen wäre, hat die Zeugin nicht einmal behauptet.

3. Der Begründung des Bescheides vom zufolge ging die Abgabenbehörde bei der Löschung der Abgabenschulden des Bf aufgrund der festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse (geringfügige Einkünfte und kein Vermögen) des Bf, sowie des gem. § 139 IO beendeten Insolvenzverfahrens von der Uneinbringlichkeit der Abgaben aus.

Unstrittig ist, dass 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bf mit einer Quote von 23,92 % aufgehoben wurde.

Die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgte anhand der vom Bf bzw. seiner Schwester S im Vorfeld des außergerichtlichen Ausgleichs bzw. der Löschung gemachten Angaben. Dass hier das Dienstverhältnis des Bf mit der A_GmbH zur Sprache gebracht worden wäre, ist weder dem Vorbringen des Bf noch der Stellungnahme der Zeugin S, noch, wie bereits erwähnt, dem Akt der Abgabenbehörde zu entnehmen.

Im Übrigen gesteht der Bf im Vorlageantrag implizit ein, das Dienstverhältnis der Abgabenbehörde gegenüber verschwiegen zu haben, da er befürchtet hatte bzw. von der A_GmbH sogar mitgeteilt worden sei, Einbringungsschritte würden zu einer Beendigung dieses Dienstverhältnisses führen. Seitens des rechtlichen Vertreters wurde in der mündlichen Verhandlung mehrfach betont, dass der Bf, der zuvor als Manager tätig gewesen sei, nach seiner Insolvenz völlig vermögenslos und es für ihn nahezu aussichtslos gewesen sei, eine adäquate Anstellung zu finden. Nur die vollständige Bereinigung des Abgabenrückstandes im Sinne einer Löschung habe ihm die Festanstellung durch die A_GmbH ermöglicht. Der Bf hatte also ein konkretes Interesse daran, sein Dienstverhältnis bei der A_GmbH vor der Abgabenbehörde zu verheimlichen. Damit steht jedoch zweifelsfrei fest, dass der Bf der Abgabenbehörde gegenüber unrichtige Angaben über seine Einkommensverhältnisse gemacht hat. Diese Feststellung wird noch dadurch untermauert, dass sogar nach erfolgter Löschung, nämlich im Mail von S vom an den Teamleiter Abgabensicherung, zwar betont wurde, die Einigung mit der Abgabenbehörde solle dem Bf ua ermöglichen, mittelfristig in Österreich eine Anstellung innezuhaben. Dass sich der Bf zu diesem Zeitpunkt schon seit drei Monaten in einem Dienstverhältnis mit der A_GmbH befand, fand jedoch keine Erwähnung. Für das Bundesfinanzgericht steht außer Zweifel, dass sowohl dem Bf als auch S bewusst war, dass eine Kenntnis der Abgabenbehörde vom Dienstverhältnis des Bf der angestrebten Lösung durch Abschlagszahlung und Löschung der Abgabenschuldigkeiten abträglich sein würde. Es ist schon aus dem Grund, dass eine solche Vorgehensweise schlicht § 235 BAO widersprochen hätte, auszuschließen, dass die Abgabenbehörde in Kenntnis dieses Dienstverhältnisses dem außergerichtlichen Ausgleich zugestimmt und die Löschung der Abgabenschulden durchgeführt hätte. Gegen eine Kenntnis des Dienstverhältnisses durch die Abgabenbehörde spricht auch, dass sich weder im vorgelegten Akteninhalt noch im nachgereichten elektronischen Einbringungsakt ein diesbezüglicher Hinweis findet.

Den anderslautenden Ausführungen des rechtlichen Vertreters des Bf in der mündlichen Verhandlung, nämlich dass der Bf sicher sein Dienstverhältnis zur A_GmbH in den Gesprächen über den außergerichtlichen Ausgleich bzw. die Löschung offengelegt habe, kann kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden. Es steht zu vermuten, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt, bestenfalls beruht diese Behauptung auf Vermutungen des rechtlichen Vertreters und findet keinerlei Deckung im bisherigen Vorbringen oder dem Akteninhalt. Auch konnten auf Nachfrage keine Nachweise für diese Behauptung benannt bzw. vorgelegt werden.

Rechtslage und Erwägungen

1. § 235 BAO lautet:
(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.
(2) Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch.
(3) Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.

§ 294 BAO lautet:
(1) Eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde ist - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig,
a) wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind, oder
b) wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist.
(2) Die Änderung oder Zurücknahme kann ohne Zustimmung der betroffenen Parteien mit rückwirkender Kraft nur ausgesprochen werden, wenn der Bescheid durch wissentlich unwahre Angaben oder durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden ist.
(…)

2. Zum Widerruf eines Bewilligungsbescheides bedarf es der Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides und der tatsächlichen Verhältnisse für den Zeitpunkt der Erlassung des Widerrufsbescheides, um durch Vergleich erkennen zu können, dass sich diese geändert haben.

Der Widerrufsgrund der irreführenden Angaben stellt darauf ab, ob im Zeitpunkt der Nachsichtgewährung das Vorliegen der Voraussetzungen hiefür nur wegen der - durch die Irreführung bewirkten - unrichtigen Vorstellung der Abgabenbehörde von der Wirklichkeit angenommen wurde.

(Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 294, E 11 u. E 18 mwN [Stand , rdb.at]

Wie oben unter Pt. III.3. dieses Erkenntnisses dargestellt, erfolgte die Löschung am in Unkenntnis des Dienstverhältnisses des Bf mit der A_GmbH, welches der Bf verschwiegen hatte, um Einbringungsschritte zu vermeiden. Der Bf bzw. S haben gegenüber der Abgabenbehörde unrichtige Angaben über die Einkommensverhältnisse des Bf gemacht und auf diesem Weg die Löschung erwirkt. Es steht außer Zweifel, dass die Abgabenbehörde in Kenntnis der tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Bf keine Löschung gem. § 235 BAO vorgenommen hätte.

Wie oben dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht in Übereinstimmung mit der Abgabenbehörde lt. deren Stellungnahme vom davon aus, dass die Verschweigung des Dienstverhältnisses zur A_GmbH bewusst erfolgte, zum einen, um eine Auflösung dieses Dienstverhältnisses infolge von abgabenbehördlichen Einbringungsmaßnahmen zu vermeiden, zum anderen jedoch, um die Löschung der aushaftenden Abgaben zu erwirken. Im Übrigen kommt es bei der Anwendbarkeit des § 294 Abs. 1 lit. b BAO nicht darauf an, ob die unrichtigen Angaben wissentlich gemacht wurden ().

3. Auch das Vorbringen, dass der Bf erst nach Bereinigung seiner Angelegenheiten mit der Abgabenbehörde eine Festanstellung bei der A_GmbH erhalten habe, sohin seine Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Löschung richtig dargestellt worden seien, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Abgabenbehörde hat den Widerruf auch auf § 294 Abs. 1 lit. a BAO, die Änderung der für die Löschung maßgeblichen Verhältnisse, gestützt. Diese Änderung der maßgeblichen Verhältnisse wurde vom Bf zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens abgestritten und in der mündlichen Verhandlung von seinem rechtlichen Vertreter ausdrücklich eingestanden. Im Übrigen erfüllte das Verschweigen der Aussicht auf ein (unbefristetes) Dienstverhältnis zu einem Zeitpunkt, in dem ein solches tatsächlich noch nicht besteht, den Tatbestand des § 294 Abs. 1 lit. b BAO der irreführenden Angaben (Ritz/Koran, BAO7, § 294 Tz 12 mwN).

4. Maßnahmen gemäß § 294 Abs. 1 BAO sowie allenfalls auch Entscheidungen über deren rückwirkende Kraft liegen im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei gegenläufige Interessen gegeneinander abzuwägen sind (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 294, Anm. 7).

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Billigkeit bedeutet Bedachtnahme auf berechtigte Interessen der Parteien. Unter Zweckmäßigkeit ist in diesem Zusammenhang nach der Judikatur öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben, aber auch die Bedachtnahme auf Sinn und Zweck gesetzlicher Vorschriften zu verstehen. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 20, Anm. 8 u. 9)

Im gegenständlichen Verfahren wurde vor allem die Gutgläubigkeit des Bf bzw. dessen Vertrauen auf eine Bereinigung seiner Abgabenschulden bereits im Zuge des Beschwerdeverfahrens GZ_BFG betont. Außerdem wurde auf die zu Unrecht entrichtete Immobilienertragsteuer iHv rd. € Betrag_8 hingewiesen. In beiden Verfahren hat es der Bf jedoch unterlassen, diese mit dem gebotenen Nachdruck zu verfolgen. Der Bf kann sich somit im gegenständlichen Verfahren nicht mehr auf allfällig zu Unrecht bestehende Abgabenansprüche oder die Unbilligkeit von deren Einhebung berufen.

In der mündlichen Verhandlung führte der rechtliche Vertreter des Bf zudem die, unter Einbeziehung des Festsetzungsverfahrens Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2006 bis 2009, überlange Verfahrensdauer und somit nach wie vor fehlende Rechtssicherheit ins Treffen. Auch damit kann keine überwiegende Unbilligkeit der Maßnahme gem. § 294 BAO aufgezeigt werden, zumal, wie oben ausgeführt, der Bf selbst bzw. seine bevollmächtigte Vertreterin die Abgabenbehörde durch unrichtige, allenfalls irreführende Angaben zur Löschung der Abgabenschulden bewogen haben. Schon diese Tatsache, nämlich dass der Bf bzw. S unrichtige Angaben über die Einkommensverhältnisse des Bf gemacht, und damit die Abgabenbehörde zu der falschen Annahme verleitet haben, die Abgabenschulden seien uneinbringlich, schließt aus, dass im Beschwerdefall Billigkeitserwägungen der Vorrang vor dem Interesse an der Sicherung des Abgabenaufkommens einzuräumen wäre. Tatsächlich wäre die Abgabenschuld in Anbetracht des Einkommens des Bf einbringlich gewesen; der Rechtfertigung des Bf, Einbringungsschritte der Abgabenbehörde hätten zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt, kann nicht gefolgt werden, zumal dem Bf offen gestanden wäre, solche Einbringungsschritte durch die Entrichtung der Abgabenschulden, allenfalls im Wege einer Ratenzahlung iSd § 212 BAO, zu vermeiden.

Im Übrigen besteht der Normzweck des § 294 BAO gerade darin, der Abgabenbehörde die Aufhebung oder Abänderung von Begünstigungsbescheiden unter den in der Bestimmung genannten Voraussetzungen auch dann zu ermöglichen, wenn andere Verfahrenstitel nicht (mehr) zur Verfügung stehen.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war im Beschwerdefall, in welchem primär sachverhaltsmäßig zu klären war, welche konkreten Umstände die Abgabenbehörde zur Löschung im März 218 veranlasst haben, nicht zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 235 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 294 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100397.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at