Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2024, RV/3100615/2022

Kein Säumniszuschlag bei Vorliegen einer ausnahmsweisen Säumnis nach § 217 Abs. 5 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch die ***V1***., ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages, zu St.-Nr. ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt erste Säumniszuschläge in Höhe von € 1.078,32 und € 391,98 (insgesamt sohin € 1.470,30) fest, weil die Umsatzsteuer 04/2022 und die Normverbrauchsabgabe 04/2022 nicht fristgerecht bis zum entrichtet worden ist.

Mit Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde und beantragte die Aufhebung der Festsetzung der Säumniszuschläge. Durch einen Tippfehler sei bei der Erfassung der Überweisung im Telebanking der anstatt der avisiert worden. Der Fehler sei leider zu spät bemerkt worden. Da die Säumnis aber nur 5 Tage betragen habe und auch in den letzten 6 Monaten alle Abgaben fristgerecht bezahlt worden seien, beantrage man die Aufhebung der Säumniszuschläge nach § 217 Abs. 5 BAO.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, weil Teilbeträge an Lohnsteuer 04/2022, Dienstgeberbeitrag 04/2022 und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2020 (richtig 04/2022), fällig am , erst am und somit nach Fälligkeit entrichtet worden seien. Damit sei es innerhalb des Beobachtungszeitraumes von sechs Monaten zu einer weiteren Säumnis gekommen, womit die Ausnahmebestimmung des § 217 Abs. 5 BAO nicht zur Anwendung gelangen könne.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom den Vorlageantrag und führte ergänzend aus, dass die eigentlichen Lohnabgaben 04/2022 in Gesamthöhe von € 4.671,09 sehr wohl fristgerecht entrichtet worden seien. Die Nachtragszahlungen hätten sich ergeben, weil die Ende April 2022 von einem Dienstnehmer geleisteten Überstunden bei der Abrechnung der Aprilgehälter noch nicht bekannt gewesen seien. Diese Überstunden hätten daher erst bei der Abrechnung für Mai berücksichtigt werden können, seien aber dem April zugeordnet worden.

Angesichts der geringen Beträge an "zu spät" entrichteten Teilbeträgen an Lohnabgaben 04/2022, der sorgfältigen Gebarung und der im Verhältnis dazu hohen Säumniszuschläge werde der Antrag auf Festsetzung der Säumniszuschläge mit Null gestellt, weil es sich beim vorliegenden Sachverhalt um eine unglückliche Verkettung von Umständen, keinesfalls aber um ein grobes Verschulden handle.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin entrichtete die Umsatzsteuer 04/2022 und die Normverbrauchsabgabe 04/2022, fällig jeweils am , erst mit Wirkung und somit unter Berücksichtigung des gesetzlichen Feiertages am und des Wochenendes um 5 Tage verspätet. Im Zeitraum von sechs Monaten vor Eintritt der Säumnis wurden alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet.

Rechtliche Erwägungen und Beweiswürdigung

Zu Spruchpunkt I.

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

Eine Säumnis im Sinne des § 217 Abs. 1 BAO kann sich nur aus der nicht rechtzeitigen Tilgung einer Abgabenschuld ergeben, nicht aber auch dann, wenn bei der Abgabenverrechnung der Behörde ein Fehler unterlaufen ist. Ergeben sich aus einer fehlerhaften Verbuchung der Gebarungsvorgänge rechnerische Abgabenschulden, die bei richtiger Verbuchung nicht auszuweisen wären, kann dem betroffenen Abgabepflichtigen nicht Säumnis zur Last fallen (vgl. Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), Stoll-BAO2 Band 4, Rz 15, mwH).

Einnahmen werden gemäß § 19 EStG 1988 in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nach dem im Einkommensteuerrecht geltenden Zuflussprinzip ist daher die Lohnsteuer für jenen Monat abzuführen und der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Monat zu entrichten, in dem die Bezüge dem Arbeitnehmer zugeflossen sind.

Die in Rede stehenden "Teilbeträge" sind laut Gebarung auf dem Abgabenkonto jeweils am 15. bzw. aufgrund der Wochenend- und Feiertagsregelung (§ 210 Abs. 3 BAO) nächsten Tages des dem Monat der Abrechnung der Überstunden nachfolgenden Monat entrichtet worden. Es liegt daher - unabhängig davon, dass auf dem Abgabenkonto ein abweichender Fälligkeitstag ausgewiesen wird - keine Säumnis hinsichtlich dieser Beträge im Beobachtungszeitraum von sechs Monaten vor. Auch sonst ergibt sich auf dem Abgabenkonto in diesem Zeitraum keine Säumnis. Der Beschwerde war daher unter Anwendung des § 217 Abs. 5 BAO (ausnahmsweise Säumigkeit) stattzugeben und der angefochtene Säumniszuschlagsbescheid aufzuheben. Auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der Säumniszuschläge auf Null nach § 217 Abs. 7 BAO war daher nicht weiter einzugehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Nichtentstehen einer Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Säumigkeit ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100615.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at