Keine Wiederaufnahme aufgrund nachträglicher Einreichung von Abgabenerklärungen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheide des ehem. Finanzamtes Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, vom ,
a) mit denen die beantragte Wiederaufnahme gem. § 303 Abs 1 BAO der Abgabenbescheide zur Umsatzsteuer für 2013 und 2014, sowie der Einkommensteuer 2013, 2014 und 2015 abgewiesen wurde; und weiters
b) betreffend Umsatzsteuer für 2015
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ***Bf1*** (BF) war beim ehem. Finanzamt Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, (belangte Behörde) zur Steuernummer ***BF1StNr1*** veranlagt.
ZumVeranlagungsjahr 2013:
Am erließ die belangte Behörde Schätzungsaufträge betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 2013.
Am setzte die belangte Behörde die Umsatz- und die Einkommensteuer für 2013 bescheidmäßig fest.
Zum Veranlagungsjahr 2014:
Am erließ die belangte Behörde Schätzungsaufträge betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 2014.
Am setzte die belangte Behörde die Umsatz- und die Einkommensteuer für 2014 bescheidmäßig fest.
Zur Einkommensteuer 2015:
Am brachte der BF für das Jahr 2015 eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung ein.
Am setzte die belangte die Einkommensteuer für 2015 bescheidmäßig fest.
Sämtliche obgenannten Bescheide (Umsatzsteuer 2013 - 2014, Einkommensteuer 2013 - 2015) blieben unbekämpft und erwuchsen in Rechtskraft.
Antrag auf Wiederaufnahme und nachgereichte Abgabenerklärungen:
Am brachte der BF einen mit datierten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2013 - 2015 ein. Diesem Schreiben waren Umsatz- und Einkommensteuererklärungen der Jahre 2013 - 2015 beigelegt. Der BF führte aus, er sei aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen, die entsprechenden Bescheide (gemeint wohl Erklärungen) fristgemäß einzubringen.
Am erließ die belangte Behörde einerseits den Umsatzsteuerbescheid für 2015. Zudem wies die belangte Behörde mit Bescheiden vom gleichen Tag den Antrag auf Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer 2014, Einkommensteuer 2013, Einkommensteuer 2014 und Einkommensteuer 2015 ab.
Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde gegen "die Bescheide 2013, 2014 und 2015 vom ", somit gegen die abweisenden Wiederaufnahmsbescheide hinsichtlich Umsatzsteuer 2013 - 2014 und Einkommensteuer 2013 - 2015, sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015. Der BF führte dazu aus, dass er nach Wegfall der gesundheitlichen Einschränkungen die entsprechenden Steuererklärungen nachgereicht habe, wodurch neue Tatbestände (gemeint wohl Tatsachen) geschaffen worden seien. Die Zahlung der geschätzten Steuern würde ihn in einen finanziellen Engpass stürzen und ersuche er daher um Festsetzung entsprechend der nunmehr eingereichten Steuererklärungen.
Am erließ die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidungen gem. § 262 BAO, mit denen die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 2015 wurde begründend ausgeführt, diese sei aufgrund der eingereichten Erklärung festgesetzt worden, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nunmehr keine steuerbaren Umsätze mehr vorliegen sollten. Die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge begründete die belangte Behörde damit, das Hervorkommen neuer Tatsachen sei aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen. Hinsichtlich der Jahre 2013 und 2014 sei zudem im Rahmen einer Außenprüfung für 10/2013 - 06/2014 festgestellt worden, dass umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt worden seien.
Mit Schreiben vom ersuchte der BF unter nochmaliger Übermittlung der Abgabenerklärungen für 2013 - 2015 um entsprechende Bescheiderlassung. Dieses Schreiben wurde als Vorlageantrag iSd § 264 BAO gewertet.
Nach einem Vorhalt der belangten Behörde übermittelte der BF mit Schreiben vom Eingangsrechnungen der Jahre 2013 und 2014.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht übermittelt. Die belangte Behörde beantragte die Abweisung, da keine tauglichen Wiederaufnahmsgründe gegeben seien und hinsichtlich der Umsatzsteuer 2015 die Zurückweisung, da die Veranlagung erklärungsgemäß erfolgt sei und im Rahmen der Beschwerde keine davon abweichenden Änderungen beantragt worden seien.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Für die Jahre 2013 und 2014 hat der BF zunächst keine Abgabenerklärungen eingereicht, weshalb die Behörde die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer dieser Jahre im Schätzungswege festgesetzt hat.
Für das Jahr 2015 hat er am eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung eingereicht. Diese Erklärung enthielt jedoch keine über die Angaben zur Person, zur derzeitigen Wohnanschrift und zur Partnerin hinausgehenden Angaben. Die Anzahl der Lohn- oder Gehaltsauszahlenden Stellen wurde mit 0 angegeben. Im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für 2015 wurde von der belangten Behörde aufgrund des Umstandes, dass der BF im gesamten Jahr 2015 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und im Zeitraum 6.11. - 31.12. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv € 642,12 bezog, zusätzlich eine Umrechnung iSd § 3 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) vorgenommen.
Für das Jahr 2015 hat der BF die Umsatzsteuererklärung am eingereicht. Im Rahmen des Vorlageantrages vom wurde die Umsatzsteuererklärung 2015 nochmals übermittelt. Die Kennzahlen wurden folgendermaßen befüllt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag Lieferungen, sonstige Leistungen und Eigenverbrauch | KZ 000 | € 2.970,26 |
20 % Normalsteuersatz | KZ 022 | € 428,08 |
10 % ermäßigter Steuersatz | KZ 029 | € 2.542,18 |
Gesamtbetrag der Vorsteuern | KZ 060 | € -289,27 |
Zahllast | KZ 095 | € 50,57 |
Der von der belangten Behörde erlassene Umsatzsteuerbescheid 2015 vom enthält folgende Bemessungsgrundlagen:
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Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen (einschließlich Anzahlungen) | € 2.970,26 | |
Bemessungs-grundlage | Umsatzsteuer | |
Davon zu versteuern mit 20 % Normalsteuersatz | € 428,08 | € 85,62 |
Davon zu versteuern mit 10 % ermäßigter Steuersatz | € 2.542,18 | € 254,22 |
Summe Umsatzsteuer | € 339,84 | |
Gesamtbetrag der Vorsteuern | € -289,27 | |
Zahllast | € 50,57 |
Die durch den BF für 2015 angegebenen Umsätze und Vorsteuern entsprechen den tatsächlichen Gegebenheiten.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den vorliegenden Bescheiden und Anträgen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Zur beantragten Wiederaufnahme in Bezug auf die Umsatzsteuer 2013 und 2014, sowie die Einkommensteuer 2013, 2014 und 2015:
Nach § 303 Abs 1 lit b der Bundesabgabenordnung (BAO) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen ua. dann wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Im Zusammenhang mit einem durch die Partei gestellten Antrag auf Wiederaufnahme ist für die Beurteilung der Frage, ob ein "neues" Beweismittel oder eine "neue" Tatsache vorliegt, der Wissensstand der Partei heranzuziehen. (vgl. )
Ein "Zurückhalten" von Informationen ermöglicht somit bspw keine spätere Wiederaufnahme. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Antrag dient nämlich nicht der Verlängerung von Abgabenverfahren und der Aushöhlung der Rechtskraft, sondern soll ausschließlich die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich war. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 17)
Im gegenständlichen Fall wurden vom BF in Bezug auf die Umsatzsteuer 2013 und 2014, sowie die Einkommensteuer 2013, 2014 und 2015 die obgenannten, nachträglich erstellten, Abgabenerklärungen nachträglich eingereicht. Hierdurch behauptet er neue Tatsachen, nämlich in Bezug auf das erzielte Einkommen, sowie die Umsätze und Vorsteuern. Diese neuen Tatsachen sind jedoch aus Sicht des BF nicht als unbekannt zu beurteilen, da er als Unternehmer ja grundsätzlich über die Höhe der erzielten Einnahmen, sowie die angefallenen Ausgaben Bescheid weiß, selbst wenn er das konkrete Betriebsergebnis noch nicht errechnet haben sollte. Aus diesem Grund liegen in Bezug auf die Umsatzsteuer 2013 und 2014, sowie die Einkommensteuer 2013, 2014 und 2015 keine neuen Beweise oder Tatsachen iSd § 303 Abs 1 lit b BAO vor, weshalb eine Wiederaufnahme aufgrund des Antrages des BF nicht möglich ist.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt abzuweisen.
Zur Beschwerde in Bezug auf die Umsatzsteuer 2015:
Im Rahmen des Vorlageberichtes beantragte die belangte Behörde die Zurückweisung der Beschwerde, da keine Änderungen im Spruch begehrt worden seien.
Nach § 250 Abs 1 BAO hat die Bescheidbeschwerde zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.
Sollten die Inhaltserfordernisse des § 250 Abs 1 BAO nicht erfüllt sein, wäre nach § 85 Abs 2 BAO ein Mängelbehebungsverfahren durchzuführen. ( ua.) Eine Zurückweisung würde aus diesem Grund keinesfalls in Betracht kommen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Beschwerde den im § 250 Abs 1 BAO bezeichneten Erfordernissen entspricht, ist davon auszugehen, dass der Rechtsschutz nicht durch einen überspitzten Formalismus beeinträchtigt werden darf ( ua.)
ad lit a:
Ziel der Bestimmung des § 250 Abs 1 lit a BAO, nach welcher die Berufung die Bezeichnung des Bescheides enthalten muss, gegen den sie sich richtet, ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, über die Berufung eine Entscheidung zu treffen, sodass es für die Bezeichnung des Bescheides genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet, und die Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist. ()
Durch die vom BF gewählte Bezeichnung "Beschwerde über die Bescheide 2013, 2014 und 2015 vom " ist zweifellos erkennbar, dass sich die gegenständliche Beschwerde (auch) gegen den am erlassenen Umsatzsteuerbescheid für 2015 richtet.
ad lit b und lit c:
Das Erfordernis einer Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Berufungswerber dem Bescheid zuschreiben will. (, ua.)
Der BF begehrt, dass "die Schätzung der Umsätze und Gewinne für 2013 - 2015 aufgehoben werden soll" und ersucht um Akzeptanz der "nunmehr eingereichten Steuererklärungen für 2013 - 2015". Aus der Formulierung ist abzuleiten, dass der BF vermeint, die Umsätze für 2015 seien unrichtig geschätzt worden, angefochten ist somit die vermeintlich unrichtige Festsetzung der Umsatzsteuer durch Schätzung. Es ist auch erkennbar, was die beantragte Änderung ist, nämlich die Veranlagung entsprechend der übermittelten Umsatzsteuererklärung.
ad lit d:
Als Begründung führt der BF an, er hatte die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, um die Schätzung der Umsätze und Gewinne 2013 - 2015 aufzuheben. Eine Begründung liegt somit grundsätzlich vor, ob sie als unzulänglich anzusehen ist, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. (vgl. ua.)
Da somit die grundsätzlichen Inhaltserfordernisse des § 250 Abs 1 BAO gegeben sind, besteht kein Grund für ein Vorgehen nach § 85 Abs 2 BAO. Ob die Behauptungen des BF tatsächlich der Wahrheit entsprechen bzw. dazu geeignet sind, eine Änderung des Bescheides zu bewirken, ist eine Frage, die erst durch eine inhaltliche Auseinandersetzung abgeklärt werden kann:
Für das Jahr 2015 wurde entgegen der Ausführungen des BF keine Schätzung durch die belangte Behörde vorgenommen. Im Gegenteil hat die belangte Behörde die Umsatzsteuer aufgrund der vom BF nachträglich übermittelten Umsatzsteuererklärung festgesetzt. Es besteht kein Grund, die Richtigkeit der Festsetzung in Zweifel zu ziehen, zudem ja der BF selbst im Rahmen des Vorlageantrages nochmals die gleichen Kennzahlen übermittelt hat. Im Rahmen der Überprüfung konnte auch kein sonstiger Fehler erkannt werden. Die Beschwerde war daher in diesem Punkt ebenfalls abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die relevanten Rechtsfragen konnten unter Rückgriff auf die vorhandene, einheitliche Rechtsprechung des VwGH gelöst werden. Die Revision war daher als nicht zulässig zu erklären.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102542.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at