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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 09.04.2024, RV/7100613/2024

Umdeutung eines Antrages in eine Beschwerde ist unzulässig, wenn Antrag im Bescheidspruch keine Deckung findet

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wegen Rückforderung von Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe 10.2022-12.2022 für den Sohn ***1*** (geb 2004) sowie Rückforderung von Familienbeihilfe im eingeschränkten Ausmaß der Geschwisterstaffelbeträge für die Söhne ***2*** (geb 2011) und ***3*** (geb 2006) über insgesamt EUR 713,70, Ordnungsbegriff ***4***, beschlossen:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 278 Abs 1 lit a iVm den §§ 260 Abs 1 lit b, 264 Abs 4 lit e und 264 Abs 5 Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Gemäß § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO ist § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung), auf Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

Über die gegen den Rückforderungsbescheid form- und fristgerecht erhobene Bescheidbeschwerde sprach das Finanzamt Österreich als belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung (im Folgenden nur kurz: BVE) vom ab. Als Bescheidbeschwerde qualifizierte die belangte Behörde einen innerhalb offener Rechtsmittelfrist gestellten Antrag. Die Zustellung der BVE erfolgte nach den Zustellinformationen auf dem Bescheid im elektronischen System Finanzonline um 04:17:37+02:00.

Nach einem Ausdruck des elektronischen Einbringungsformulars "sonstige Anbringen und Anfragen" aus dem Finanzonlinesystem hat die Beschwerdeführerin (Bf) den Vorlageantrag am als Anhang zu dem Formular eingebracht. Der Schriftsatz, mit dem die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragt wurde, trägt das Datum .

Nach Einbringung einer Vorlageerinnerung führte die belangte Behörde ein IT-Ermittlungsverfahren durch. Der zuständige Verfahrensbetreuer erteilte mit Mail vom die Auskunft, dass die BVE am 2023-07-21 um 04:17 Uhr an SID ***4*** zugestellt und am 2023-07-21 um 08:44 Uhr gelesen wurde.

Mit Vorlagebericht vom , in dem die belangte Behörde auf den Umstand der verspäteten Einbringung hinwies, wurde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt

Mit hg Beschluss vom wurde der Bf gemäß § 183 Abs 4 Bundesabgabenordnung Gelegenheit gegeben, von der nach der vorliegenden Aktenlage anzunehmenden verspäteten Einbringung des Vorlageantrages Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

Mit Schriftsatz vom , hg eingelangt am , äußerste sich die Bf dahingehend, dass erstens der Vorlageantrag (gemeint offenbar die BVE) nicht am erhalten worden sei. Die Tatsache, dass die BVE am an ihr Postfach Finanzonline geschickt worden sei, bedeute nicht, dass sie ihn (gemeint offenbar "sie", nämlich die Beschwerdevorentscheidung) auch an diesem Tag erhalten hätte. Außerdem habe sie sich im Zeitraum 19.07.- auf Urlaub befunden, wozu sie als Nachweis den bewilligten Urlaubsantrag vorlegte. In diesem Sinne sei der Montag, , als Zustelldatum anzusehen, weshalb die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages erst am abgelaufen sei. Der Vorlageantrag sei daher fristgerecht erhoben worden.

Als zweiten Punkt trug sie vor, dass sich ihre Beschwerde nicht auf den Rückforderungsbescheid vom beziehe und dass keine Rede von ihrem ältesten Sohn ***1*** sei. Ihre Beschwerde beziehe sich auf den Bescheid vom , mit welchem Sie seit dem keinen Anspruch mehr auf die Familienbeihilfe für ihren Sohn ***3*** habe. Abschließend wiederholte sie nochmals ihren Antrag, den Anspruch auf Familienbeihilfe für zwei mj Kinder im Zeitraum 01.02.- festzustellen. Alle entstandenen Verfahrenskosten seien vom Finanzamt zu tragen.

Die Amtsvertreterin der belangten Behörde teilte am nach Befragen durch das BFG telefonisch mit, dass ein innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellter weiterer Antrag als Beschwerde angesehen wurde. Weiters sei nur der gegenständliche Rückforderungsbescheid vom aktenkundig. Ein Rückforderungsbescheid vom existiere nicht. Stattdessen liege eine Mitteilung vom vor, gemäß der bis einschließlich Januar 2023 der Bezug der Familienbeihilfe letztmalig für ***3*** gewährt wurde. In der Mitteilung wurde ausdrücklich auf Stellung eines Antrages hingewiesen.

Mit dem in eine Bescheidbeschwerde umgedeuteten Antrag begehrte die Bf ausschließlich ab Februar 2023 für den Sohn ***3*** die Familienbeihilfe.

Rechtliche Beurteilung

Zu Punkt 1 der Gegenäußerung Vorlageantrag, Verfristung

§ 98 Abs 2 Bundesabgabenordnung lautet:

Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

§ 1 Abs 3 FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006, BGBl. II Nr. 97/2006, idgF lautet:

Parteien und deren Vertreter, die an FinanzOnline teilnehmen und dafür von den Abgabenbehörden Zugangsdaten erhalten, haben diese, auch wenn sie selbst bestimmt wurden, sorgfältig zu verwahren, soweit zumutbar Zugriffe darauf zu verhindern und die Weitergabe der Zugangsdaten zu unterlassen. Die Ausstellung von weiteren Zugangsdaten und deren Weitergabe zum Zweck der Einräumung von Zugriffsrechten an andere Personen ist im eigenen Verantwortungsbereich des Teilnehmers nach Maßgabe der für den jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung stehenden Funktionen (Abs. 2) zulässig, doch haben die so berechtigten Personen dieselben Sorgfaltspflichten, insbesondere dürfen die Zugangsdaten nicht weitergegeben werden. Der Teilnehmer darf Zugriffsrechte nur natürlichen Personen einräumen.

Die Beschwerdevorentscheidung vom ist an diesem Tag um 04:17:37+02:00 in den Verfügungsbereich der Bf gelangt. Zweifel am Tag der Zustellung hat die belangte Behörde bereits durch das Überprüfungsverfahren nach § 98 Abs 2 BAO beseitigt. Nach § 1 Abs 3 FOnV 2006 ist das Lesen der Beschwerdevorentscheidung am um 08:44 Uhr der Bf zuzurechnen. Doch kommt es für die Wirksamkeit der Zustellung einer behördlichen Erledigung nicht darauf an, wann und ob der Empfänger tatsächlich von der Erledigung Kenntnis nimmt. Mit diesem Einwand hat die Bf die Rechtslage verkannt. Der während der Dauer der Rechtsmittelfrist genommene Urlaub, wobei eine Ortsabwesenheit nicht behauptet wurde, hat aufgrund seiner kurzen Dauer von nur drei Tagen nicht bewirkt, dass die Bf sich nicht rechtzeitig Kenntnis vom Zustellvorgang verschaffen konnte.

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom und am war an diesem Tag rechtswirksam. Die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages war am abgelaufen. Der am via Finanzonline eingebrachte Vorlageantrag ist verspätet.

Zurückweisungsgründe wie die Verspätung sind nach herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorrangig aufzugreifen (zB ). Aus dem Grund kann durch das BFG nur die Zurückweisung wegen Verspätung ausgesprochen werden, nicht jedoch eine inhaltliche (meritorische, Entscheidung in der Sache) Entscheidung getroffen werden.

Bei rechtzeitig eingebrachtem Vorlageantrag wäre eine Entscheidung in der Sache selbst möglich. Im Rahmen einer Sachentscheidung könnte die Beschwerdevorentscheidung aufgehoben werden, wodurch der Antrag vom wiederum als unerledigt anzusehen wäre.

Zu Punkt 2 der Gegenäußerung, Parteiwille

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide von Abgabenbehörden (§ 243 BAO). Die von der Bf in ihrer Gegenäußerung bezeichnete Erledigung vom ist demgegenüber kein Bescheid und daher nicht in einem Bescheidbeschwerdeverfahren bekämpfbar.

Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens hat die Bf keine rechtlichen Einwände gegen den Rückforderungsbescheid, der ausschließlich die Rückforderung für den Sohn ***1*** betrifft, erhoben. Vielmehr geht mit dem Parteiwillen der Bf konform, dass der Rückforderungsbescheid in Rechtskraft erwächst. Auch im Vorlageantrag spricht die Bf ausschließlich über Zeiträume, die nach dem Beschwerdezeitraum liegen.

Ihr geht es vielmehr um die Weitergewährung der Familienbeihilfe für ihren mittleren Sohn ***3*** ab Februar 2023. Für den jüngsten Sohn ***2*** wurde mit der Mitteilung vom die Familienbeihilfe bereits bis Dezember 2029 gewährt.

Sache im Beschwerdeverfahren ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Abgabenbehörde gebildet hat (§ 289 BAO; stellvertretend für viele , ). Damit ist der Spruch des angefochtenen Bescheides gemeint, in dem im Fall der Rückforderung von Familienbeihilfe Kind und Zeitraum bestimmt sind. Im konkreten Fall betrifft die Rückforderung das Kind ***1*** und den Zeitraum Oktober bis Dezember 2022.

Nach dem zuvor Gesagten bestand der Parteiwille der Bf darin, dass sie die Weitergewährung der Familienbeihilfe für ihren mittleren Sohn ***3*** ab Februar 2023 durchsetzen wollte und zu diesem Zweck den Antrag vom gestellt hat, den die belangte Behörde als Bescheidbeschwerde gewertet hat. Damit hat die belangte Behörde den Parteiwillen der Bf verkannt. Da sowohl das Kind (***3***) als auch der Zeitraum (ab Februar 2023) außerhalb des Spruches des Rückforderungsbescheides liegen, bestand kein Raum, diesen Antrag als gegen den Rückforderungsbescheid vom gerichtet anzusehen und in eine Bescheidbeschwerde umzudeuten, zumal die belangte Behörde die von ihr erlassene Mitteilung vom kennen musste. Da - wie oben ausgeführt wurde - eine Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung wegen Verspätung des Vorlageantrages nicht möglich ist, ist aus rechtlicher Betrachtung der Antrag als erledigte Bescheidbeschwerde anzusehen. An dieser Rechtsfolge ändert auch der Umstand nichts, dass die Umdeutung durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgte.

Punkt 3 der Gegenäußerung, Antrag, Weiterleitung

Die sachliche Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts ist mit der Beschwerdesache begrenzt (nochmals VwGH 2012/15/0161), die im konkreten Fall die Rückforderung für das Kind ***1*** für den Streitzeitraum Oktober bis Dezember 2022 betrifft. Für die Erledigung des mit der Gegenäußerung gestellten Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe für zwei mj Kinder im Zeitraum 01.02.-, was den Sohn ***3*** mitumfasst, besitzt das Bundesfinanzgericht keine Zuständigkeit. Die Gegenäußerung wird zur Bearbeitung des Antrages an das dafür zuständige Finanzamt Österreich gemeinsam mit der elektronischen Zustellung dieses Beschlusses weitergeleitet (§§ 2a, 53 BAO), das über den Antrag zu entscheiden hat (§ 13 FLAG 1967).

Bemerkt wird, dass für ***2*** mit der Mitteilung vom die Familienbeihilfe bereits bis Dezember 2029 gewährt wurde. Insoweit ist der Antrag in der Gegenäußerung "…Anspruch auf Familienbeihilfe für zwei mj Kinder im Zeitraum 01.02.-" nicht nachvollziehbar.

Punkt 4 der Gegenäußerung, Kosten

Aus den §§ 312 und 313 BAO ergibt sich, dass in einem Abgabenverfahren grundsätzlich jede Seite ihre eigenen Kosten zu tragen hat.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es wurde keine Rechtsfrage in obigem Sinn aufgeworfen, weshalb die Revision nicht zuzulassen war. Das Beschwerdeverfahren beruht ausschließlich auf einer Missdeutung eines Antrages.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 53 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 3 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100613.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at