Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.03.2024, VH/7500006/2024

Keine Beigebung eines Verteidigers in einem sachverhaltsmäßig und rechtlich einfachen Verwaltungsstraf-Fall

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag. Christian Seywald über den Antrag der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , auf Beigebung eines Verteidigers für ein Beschwerdeverfahren gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , GZ. MA67/GZ/2023, betreffend einer Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, idF ABl. der Stadt Wien Nr. 20/2020, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, idF LGBl. für Wien Nr. 71/2018, den Beschluss:

I. Der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers wird abgewiesen.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Begründung

Mit Straferkenntnis (Strafbescheid) des Magistrates der Stadt Wien (belangte Behörde) vom , GZ. MA67/GZ/2023, wurde die nunmehrige Antragstellerin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 bestraft. Denn nach Ansicht der belangten Behörde habe die Antragstellerin das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen 123 (A) am um 16:58 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1210 Wien, GasseX, abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe die Antragstellerin die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Wegen Verletzung des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung verhängte der Magistrat der Stadt Wien gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 über die Antragstellerin eine Geldstrafe in Höhe 60,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10,00 Euro vor, womit sich der zu zahlende Gesamtbetrag auf 70,00 Euro belief.

Binnen offener Beschwerdefrist beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, MA 67, GZ. MA67/GZ/2023, fristgerecht die Beigebung eines Verteidigers mit folgendem Inhalt: "Da ich nur eine kleine Pension habe, kann ich mir einen Rechtsanwalt nicht leisten. Daher beantrage ich zum Verfahren MA67/GZ/2023 binnen offener Beschwerdefrist die Beigebung eines Verteidigers."

Eine weitere Darstellung der persönlichen wirtschaftlichen Lage ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Es wurde nur der vorgenannte Grund für die Beigebung eines Verteidigers vorgebracht.

Über den Antrag wurde erwogen:

§ 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in Folge: VwGVG) in der ab gültigen Fassung (BGBl. I Nr. 24/2017) lautet:

"Ist ein Beschuldigter außerstande, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist."

Gemäß Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat; jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) das Recht, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist.
Der Verweis in § 40 Abs. 1 VwGVG auf Bestimmungen der EMRK (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) bekräftigt somit den Inhalt des § 40 Abs. 1 VwGVG.
Der dritte Absatz von Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ("Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit dieseHilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten") bekräftigt ebenfalls den Inhalt des § 40 Abs. 1 VwGVG.

§ 40 VwGVG entspricht weitgehend der Bestimmung des § 51a Verwaltungsstrafgesetz (VStG) in der Fassung vor BGBl. I 33/2013, weshalb die zu § 51a VStG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hier anwendbar ist (, Rnr. 10 unter Verweis auf ).

Bei der Beurteilung der Interessen der Verwaltungsrechtspflege ist vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide in § 51a Abs 1 VStG bzw. in § 40 Abs. 1 VwGVG genannten Voraussetzungen (Mittellosigkeit, Interessen der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (vgl. ; , Rnr. 10).

Besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sind anzunehmen, wenn die Ermittlung oder Beurteilung des Sachverhaltes auf besondere Schwierigkeiten stößt oder eine besondere rechtliche Komplexität des Sachverhaltes gegeben ist. Sind sowohl die Sachverhaltsfragen als auch die Rechtsfragen vergleichsweise einfach, so ist Verfahrenshilfe nicht zu gewähren (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG3, § 40 VwGVG, Rz 3 unter Verweis auf ). Dies selbst dann, wenn es sich beim Beschuldigten um eine Person ohne juristische Ausbildung handelt (vgl. , Rnr. 13).

Im vorliegenden Fall wurde der Antragstellerin, nach erteilter Lenkerauskunft durch den Zulassungsbesitzer, die Begehung der oben näher beschriebenen Verwaltungsübertretung (Abstellen des Kraftfahrzeuges in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben) zur Last gelegt. Besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage können dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Auch hat die Antragstellerin nicht vorgebracht, dass im vorliegenden Fall eine besonders schwierige Sach- und Rechtslage zu beurteilen sei.

Die Aufforderung der belangten Behörde zur Rechtfertigung, als der Antragstellerin die oben näher beschriebene Verwaltungsübertretung vorgehalten wurde, beantwortete die Antragstellerin folgendermaßen: "Es ist nicht richtig, dass ich den PKW mit dem KZ 123 ohne gültigen Parkschein am abgestellt habe."

Für das Bundesfinanzgericht sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Antragstellerin nicht in der Lage sein sollte, ihren Standpunkt vor dem Bundesfinanzgericht in einer Beschwerde - und allenfalls in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, welche sie beantragen kann - auch ohne anwaltlichen Beistand darzulegen.

Weiters droht der Antragstellerin für das Strafverfahren keine höhere Geldstrafe als 60,00 Euro (bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine maximale Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden), weil gemäß § 42 VwGVG in einem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes keine höhere Strafe verhängt werden darf als im angefochtenen Bescheid. Auch aus diesem Grund ist keine besondere Tragweite des Falles zu erkennen, welche die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers erforderlich machen würde.

Da die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege nicht erforderlich ist, braucht auch nicht mehr geprüft werden, ob die Antragstellerin außer Stande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung der für sie und Personen, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts, zu tragen.

Der Antrag war sohin abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof

Eine Revision wegen Verletzung in Rechten ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und überdies im Erkenntnis eine Geldstrafe von nicht mehr als 400 Euro verhängt wurde. Eine Angelegenheit, die einen Antrag zum Gegenstand hat, der mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden ist, stellt eine Verwaltungsstrafsache iSd § 25a Abs. 4 VwGG dar und es kommt daher der Revisionsausschluss zum Tragen.

Diese Voraussetzungen liegen in gegenständlicher Verwaltungsstrafsache vor. Wenn gegen die Verhängung der Geldstrafe eine Revision unzulässig ist, gilt dies auch für die Entscheidung über die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers in einem solchen Verfahren, sodass die Revision schon kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.

Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision gegen ein Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine - primäre (vgl. ) - Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde, was im vorliegenden Fall zutrifft: gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wäre die maximale Geldstrafe 365 Euro gewesen und keine primäre Freiheitsstrafe vorgesehen gewesen. Hierbei stellt eine gemäß § 16 Abs. 1 VStG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe keine primäre Freiheitsstrafe dar (vgl. ). Diese absolute Unzulässigkeit einer Revision an den VwGH wegen Verletzung in (subjektiven) Rechten gilt auch für verfahrensrechtliche Entscheidungen in einer den Kriterien des § 25a Abs. 4 VwGG entsprechenden Verwaltungsstrafsache () sowie für Entscheidungen, die mit einer den Kriterien des § 25a Abs. 4 VwGG entsprechenden Hauptsache untrennbar verbunden sind () sowie für Angelegenheiten, denen ein den Kritierien des § 25a Abs. 4 VwGG entsprechendes Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegt (vgl. , betr. Verfahrenshilfe).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
§ 40 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:VH.7500006.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at