Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.05.2024, RV/7104808/2016

Berücksichtigung des pauschalen Freibetrags für das eigene KfZ wegen festgestellter Mobilitätseinschränkung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am reichte die Beschwerdeführerin (Bfin) die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2015 ein. Am erging antragsgemäß der Einkommensteuerbescheid 2015.

Mit Eingabe vom wurde zeitgerecht Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass trotz Vorliegen des Behindertenpasses vergessen wurde, die Punkte 11.10 und 11.10.1 (das ist der Antrag auf Berücksichtigung des pauschalen Freibetrags für das eigene KfZ wegen festgestellter Mobilitätseinschränkung) der ArbeitnehmerInnenveranlagung anzukreuzen. Im Rahmen der Beschwerde wurde beantragt diese Punkte (diesen Freibetrag) zu berücksichtigen.

Mit einem Ersuchen um Ergänzung vom ersuchte die belangte Behörde die Bfin um Vorlage einer Kopie des Parkausweises für Behinderte gem. § 29b StVO und um Vorlage einer Kopie der Zulassungsbescheinigung Kfz.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom legte die Bfin eine Kopie ihres Behindertenpasses mit Ausstellungsdatum , ausgestellt vom Bundessozialamt Landesstelle Niederösterreich Standort Wien vor. In dem Schreiben wurde weiters angeführt, dass die Bfin keinen Parkausweis haben würde.

In der Beschwerdevorentscheidung2015 vom wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Freibetrag für das eigene Behindertenkraftfahrzeug nur dann zustünde, wenn man ein eigenes KFZ besitzen würde. Allein der Vermerk Gehbehinderung und Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass wäre noch kein Hinweis, dass die Bfin tatsächlich ein KFZ besitzen würde. Da die Bfin weder den Behindertenparkausweis gem. § 29b StVO noch die Zulassungsbescheinigung für das eigene KFZ vorgelegt habe, könne der Freibetrag für das Behindertenkraftfahrzeug nicht anerkannt werden.

Mit Eingabe vom (eingegangen am ) wurde beantragt die Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2015 dem Bundesfinanzgericht vorzulegen (Vorlageantrag). Von der Bfin wurde dem Schreiben eine Kopie der Zulassungsbescheinigung ihres Autos beigelegt.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bfin ist Inhaberin eines im Jahr 2010 ausgestellten Behindertenpasses, in der ihr eine Gehbehinderung von 50% attestiert wird. Sie ist Trägerin einer Metallendprothese.

Die Bfin besitzt keinen Parkausweis gem. § 29b StVO.

Im Rahmen des Vorlageantrages wurde eine Zulassungsbescheinigung vorgelegt. Daraus geht hervor, dass der darin angeführte PKW auf die Bfin zugelassen ist.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung erfolgte aufgrund des Vorbringens der Bfin sowie der von der belangten Behörde vorgelegten Akten. Gewürdigt wurden die im bisherigen Verfahren vorgelegten Beweismittel, insbesondere der im bisherigen Beschwerdeverfahren vorgelegte Behindertenpasses, die Zulassungsbescheinigung sowie die Angabe der Bfin, dass sie keinen Parkausweis gem. § 29b StVO besitzt. Der Beschwerdepunkt liegt in der Berücksichtigung des pauschalen Freibetrags für das eigene KFZ wegen festgestellter Mobilitätseinschränkung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gem. § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2)

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3)

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gem. § 34 Abs 2 EStG ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gem. § 34 Abs 3 EStG erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gem. § 34 Abs 4 EStG beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 in Verbindung mit Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gem. § 34 Abs 6 EStG können folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

  1. Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderungohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 Abs 1 EStG lautet: Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

  1. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs 3) zu.

§ 1 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 lautet: Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

  1. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung

so sind die in den § 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Gem. § 1 Abs 2 der Verordnung liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Gem. § 1 Abs 3 der Verordnung sind die Mehraufwendungen gemäß § 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG zu kürzen.

§ 3 Abs 1 der Verordnung normiert, dass für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich zu berücksichtigen ist. Die Körperbehinderung ist durch

  1. eine Bescheinigung gem. § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960, oder

  2. einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gem. § 2 Abs 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952,

  3. gem. § 2 Abs 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 (Steuerbefreiung) oder

  4. gem. § 4 Abs 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 (Steuerbefreiung)

nachzuweisen.

Die Bfin beantragte die Anrechnung des pauschalen Freibetrages für das eigene Kfz wegen festgestellter Mobilitätseinschränkungen gem. § 34 Abs 1 und 6 sowie § 35 EStG 1988 iVm § 3 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen.

Gem. § 1 Abs 2 der Verordnung außergewöhnliche Belastungen liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Im Behindertenpass der Bfin mit Ausstellungsdatum ***1***2010, ausgestellt vom Bundessozialamt Landesstelle Niederösterreich Standort Wien ist der Grad der Behinderung mit 50 v. H. angegeben. Die Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen ist daher gegeben.

Für Körperbehinderte gibt es gem. § 3 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastung einen Freibetrag, sofern sie ein öffentliches Massenbeförderungsmittel infolge ihrer Behinderung nicht benützen können und für Privatfahrten ein eigenes Fahrzeug benötigen. Die Geltendmachung dieses Pauschalbetrages setzt einen Nachweis der Körperbehinderung (Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) durch eine Bescheinigung gem.
§ 29b StVO, oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gem. § 2 Abs 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952 oder einen Bescheid gem. § 2 Abs 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder einen Bescheid gem. § 4 Abs 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 voraus.

Die Ausstellung des Behindertenpasses erfolgte gem. § 40 Bundesbehindertengesetz. Betreffend Art der Behinderung wird angeführt, dass der Inhaber des Passes gehbehindert ist. Als amtlicher Vermerk ist "Trägerin einer Metallendprothese" angeführt.

Die Nachweisführung ist durch § 3 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastung vorgegeben und kann durch andere Beweismittel nicht ersetzt werden (vgl ). Der Nachweis der Körperbehinderung bzw der Nachweis, dass ein Massenbeförderungsmittel aufgrund der Behinderung nicht benützt werden kann, wurde durch die oben angeführten Bescheinigungen oder Bescheide nicht erbracht. Von der Bfin wurde außerdem angegeben, dass sie keinen Parkausweis (iS § 29b StVO) hat. Der alleinige Eintrag im Behindertenpass "gehbehindert" ist nicht ausreichend für den Nachweis der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 35 Rz 57).

Die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrages gem. § 3 Abs 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind nicht gegeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall waren keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur beurteilen. Dieses Erkenntnis beruht auf einer eindeutigen Rechtslage und einer gesicherten Rechtsprechung. Für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision besteht daher kein Anlass.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7104808.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at