Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2024, RV/1200020/2021

Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer samt Verzugszinsen wegen Verbringens eines Kraftfahrzeuges in das Zollgebiet der Union

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0052.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1200020/2021-RS1
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 entsteht eine Einfuhrumsatzsteuerschuld, wenn eine Ware (hier ein Kraftfahrzeug) aufgrund eines Verstoßes gegen die zollrechtlichen Verpflichtungen (Art. 79 Abs. 1 UZK) in das Zollgebiet der Union, also über die erste innerhalb des Zollgebiets liegende Zollstelle hinaus verbracht wird und damit angenommen werden kann, dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnte (vgl. , Hauptzollamt Braunschweig; , Kauno teritorine muitine).

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Großbritannien, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Zollamtes Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl ***3***, betreffend Eingangsabgaben und Verzugszinsen, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Eingangsabgaben und die Verzugszinsen laut angeschlossenen Berechnungsblatt, welches einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet, neu festgesetzt werden.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , zugestellt am , teilte das Zollamt dem Beschwerdeführer gemäß Art. 102 UZK die Festsetzung von nach Art. 79 Abs. 1 UZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstandenen Eingangsabgaben in Höhe von € 352.000,00 und die Festsetzung von Verzugszinsen nach Art. 114 UZK in Höhe von € 5.940,60 mit, weil das Kraftfahrzeug der Marke ***4***, amtliches Kennzeichen ***1***, FIN: ***2***, anlässlich bei der Verbringung durch den Beschwerdeführer nach Österreich im Jänner 2020 nicht gestellt und nicht zu einem Zollverfahren angemeldet worden sei.

Dagegen wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und begründend im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Großbritannien habe und - abweichend von den im Zuge der Einvernahme angegebenen Monats Jänner erst am mit dem gegenständlichen Fahrzeug zum Zweck eines Familienbesuchs nach Österreich eingereist sei. Das Fahrzeug sei während seiner zwischenzeitlichen Rückkehr nach Großbritannien in einem näher bezeichneten Hotel in ***5*** garagiert gewesen. Aufgrund unvorhergesehener Terminen in London, privaten Gründen und aufgrund der COVID-19-Pandemie habe der Beschwerdeführer mit dem gegenständlichen Fahrzeug erst am wieder ausreisen können.

Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass aufgrund eines Verstoßes gegen die zollrechtlichen Vorschriften eine Zollschuld entstanden sei, handle es sich beim Fahrzeug um eine präferenzbegünstigte EU-Ursprungsware. Im Verhältnis zur Schweiz sei eine Zollpräferenz auch für rücklangende EU-Ursprungserzeugnisse zu gewähren. Eine Warenverkehrsbescheinigung sei bereits beantragt worden und werde unmittelbar nach Erhalt weitergeleitet werden.

Hinsichtlich der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer wurde vorgebracht, dass das Entstehen einer Zollschuld nach Art. 79 UZK nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht automatisch bedeute, dass auch die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden sei. Vielmehr liege aus umsatzsteuerlicher Sicht nur dann eine zu einer Einfuhrumsatzsteuerschuld führende Einfuhr vor, wenn Waren nicht bloß physisch in das Gebiet der EU gelangt, sondern darüber hinaus in den Wirtschaftskreislauf der EU eingegangen seien. Nach Ansicht des EuGH seien Waren in den Wirtschaftskreislauf der EU eingegangen, wenn sie einem Verbrauch - dh einem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang - zugeführt werden.

Im konkreten Fall sei der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug am von der Schweiz nach Österreich gefahren und habe dieses damit physisch in die EU eingebracht. Der Beschwerdeführer habe das Fahrzeug in der Folge jedoch nicht innerhalb der EU verwendet, sondern habe das Fahrzeug während des gesamten Zeitraums bis zum in Österreich garagiert und sei im Anschluss - wie von vornherein beabsichtigt - mit dem Fahrzeug wieder in die Schweiz zurückgefahren. Das Fahrzeug sei daher niemals in den Wirtschaftskreislauf der EU eingegangen und es sei folglich auch keine Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden. Ein derartiges Ergebnis könne auch bei analoger Anwendung der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union zum Leistungsort beim Erwerb von Fahrzeugen in der EU abgeleitet werden (, X). Danach habe die Besteuerung eines Fahrzeuges in jenem Mitgliedstaat zu erfolgen, in welchem der Endverbrauch stattfinde.

Im gegenständlichen Fall habe der Beschwerdeführer das Fahrzeug in der Schweiz kraftfahrrechtlich zugelassen und es werde grundsätzlich ausschließlich in der Schweiz verwendet. Dies zeige sich insbesondere auch daran, dass das Fahrzeug nur vorübergehend nach Österreich verbracht worden sei und während des gesamten Zeitraums, in dem sich das Fahrzeug physisch in Österreich befunden habe, garagiert und tatsächlich nicht verwendet wurde. Die Verwendung des Fahrzeugs während des Transports von der Schweiz nach Österreich und retour ändere nichts daran, dass die endgültige und dauerhafte Verwendung des Fahrzeugs in der Schweiz erfolge und daher auf Basis der dargelegten Judikatur des EuGH keine Umsatzbesteuerung in Österreich zu erfolgen habe. Somit sei im Ergebnis auch vor diesem Hintergrund keine Einfuhrumsatzsteuer für das gegenständliche Fahrzeug in Österreich festzusetzen.

Das vorstehende Ergebnis könne schließlich auch aus der einschlägigen Literatur zur Frage des Entstehens einer Einfuhrumsatzsteuerschuld abgeleitet werden. Für die Beurteilung, ob eine Ware in den Wirtschaftskreislauf eingegangen ist, müsse demnach ein mehrwertsteuerrechtlicher Blickwinkel eingenommen werden (Bender, UR 2020, 128). Es sei demnach darauf abzustellen, ob die Ware - über den reinen Transit bzw die physische Verbringung hinaus - in einer Weise behandelt worden sei, die zur Entstehung eines steuerbaren Umsatzes geführt habe oder führen würde. Hierfür spreche zB, dass die Ware auf ihrem Weg durch den Mitgliedstaat, in dem die Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben werden soll, Gegenstand einer Lieferung oder einer Dienstleistung werde oder eine solche an ihr erbracht werde. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, sodass auch aus diesem Grund keine Einfuhrumsatzsteuer in Österreich anfalle.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***6***, als unbegründet ab.

Dagegen wurde mit Eingabe vom der gegenständliche Vorlageantrag gestellt. Begründend wurde ergänzend ausgeführt, dass nunmehr ein Präferenznachweis vorliege und daher der Zoll mit € 0,00 festzusetzen sei. Ein Täuschungsversuch habe im gegenständlichen Fall nicht vorgelegen.

Hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer wurde wiederholend vorgebracht, dass das Fahrzeug nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sei und deshalb keine Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei.

Mit Eingabe vom teilte die Vertreterin des Beschwerdeführers mit, dass das Beschwerdebegehren dahingehend eingechränkt werde, als es nur in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer samt entsprechender Verzugszinsen aufrecht bleiben solle.

Mit Eingabe vom wurde ergänzend zum bisherigen Beschwerdevorbringen mitgeteilt, dass das BFG in seiner Entscheidung vom 31. März, 2023, RV/1200030/2017, im Fall einer vorschriftswidrigen Verbringung eines Fahrzeuges mit schweizerischen Kennzeichen nach Österreich unter Bezugnahme auf das "VS" zum Ergebnis gekommen sei, dass die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer in Österreich rechtswidrig sei, weil der gewöhnliche Wohnsitz des Fahrzeughalters im maßgeblichen Zeitpunkt in Deutschland gelegen sei. Auch im gegenständlichen Fall stehe fest, dass der Beschwerdeführe seinen gewöhnlichen Wohnsitz nicht in Österreich, sondern in Großbritannien habe. Aus diesem Grund hätte - wenn überhaupt, die Einfuhrumsatzsteuer nur in Großbritannien vorgeschrieben werden dürfen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, ansässig in Großbritannien, fuhr am mit seinem in der Schweiz zugelassenen Kraftfahrzeug zum Zweck eines Familienbesuchs nach Österreich. Eine Gestellung und Anmeldung zu einem Zollverfahren bei der Grenzzollstelle anlässlich der Einreise erfolgte nicht. Während einer zwischenzeitlichen Rückkehr nach Großbritannien wurde das Fahrzeug in einem Hotel in ***5*** abgestellt. Am verbrachte der Beschwerdeführer das Fahrzeug wieder in die Schweiz.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus der im Rahmen der Zollkontrolle bei der Ausreise am aufgenommenen Tatbeschreibung. Die Angabe, dass das Fahrzeug ca. im Jänner nach Österreich eingeführt worden wäre, wurde im Zuge des Beschwerdeverfahrens glaubhaft auf den korrigiert und auch vom Inhaber der Garage, in welcher das Fahrzeug während des Verbleibs in Österreich eingestellt war, bestätigt.

Rechtliche Erwägungen:

Zoll:
Gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (Zollkodex der Union - UZK) entsteht für einfuhrabgabenpflichtige Waren eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Ver-bringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorüber-gehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet nicht erfüllt ist.

Gemäß Art. 79 Abs. 2 Buchst. a UZK ist für das Entstehen der Zollschuld der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist.

Gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. a UZK ist Zollschuldner, wer die betreffenden Verpflichtungen zu erfüllen hatte.

Gemäß Artikel 250 UZK können in der vorübergehenden Verwendung für die Wiederausfuhr bestimmte Nichtunionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein ohne dass sie a) sonstigen Abgaben nach anderen geltenden Vorschriften oder b) handelspolitischen Maßnahmen, soweit diese nicht das Verbringen oder den Ausgang von Waren in das oder aus dem Zollgebiet der Union untersagen, unterliegen.

Gemäß Art. 212 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DA) lautet:

"(3) Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel gewährt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

a) Sie sind außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen oder gehören, falls sie nicht amtlich zugelassen sind, einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person;

b) sie werden unbeschadet der Artikel 214, 215 und 216 von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet.

Werden diese Beförderungsmittel von einer dritten, außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet, wird die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben gewährt, sofern diese Person durch den Bewilligungsinhaber schriftlich zur Verwendung des Beförderungsmittels ermächtigt wurde."

Gemäß Art. 5 Z 31 Buchst. a UZK ist eine "im Zollgebiet der Union ansässige Person, eine natür-liche Person, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union hat.

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Buchst. a UZK sind die in das Zollgebiet der Union verbrachten Waren bei ihrer Ankunft bei der bezeichneten Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in der Freizone unverzüglich von der Person, die die Waren in das Zollgebiet der Union verbracht hat, zu gestellen.

Gemäß Art. 158 Abs. 1 UZK ist für alle Waren, die in ein Zollverfahren - mit Ausnahme des Freizonenverfahrens - übergeführt werden sollen, eine Zollanmeldung zu dem jeweiligen Verfahren erforderlich.

Gemäß Art. 136 Abs. 1 Buchst. a UZK-DA können für Paletten, Container und Beförderungsmittel sowie Ersatzteile, Zubehör und Ausrüstung für Paletten, Container und Beförderungsmittel gemäß den Art. 208 - 216 Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung mündlich abgegeben werden.

Gemäß Art. 139 UZK-DA gelten die in Art. 136 Abs. 1 Buchst. a) - d), Buchst. h) und i) genannten Waren gemäß Art. 141 als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden.

Artikel 141 UZK-DA lautet auszugsweise:

"(1) Für die in Artikel 138 Buchstaben a bis d und h, Artikel 139 und Artikel 140 Absatz 1 genannten Waren gilt jede der folgenden Handlungen als Zollanmeldung:

a) …

b) Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge;

c) …"

Gemäß Art. 219 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. No-vember 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK-IA) gilt die Zollanmeldung für diese Waren als nicht abgegeben, wenn eine Kontrolle ergibt, dass eine Willensäußerung im Sinne des Art. 141 UZK-DA erfolgt ist, die verbrachten oder ausgeführten Waren aber nicht die Voraussetzungen der Art. 138, 139 und 140 der Dele-gierten Verordnung erfüllen.

Ausgehend von den rechtlichen Grundlagen ist im Beschwerdefall die Einfuhrzollschuld gemäß Art.79 Abs. 1 Buchst. a) UZK entstanden und ist der Beschwerdeführer gemäß § 79 Abs. 3 Buchst. a Zollschuldner geworden.

Der Beschwerdeführer hat nämlich seine zollrechtliche Verpflichtung in Bezug auf das Verbringen des gegenständlichen Fahrzeuges in das Zollgebiet der Union insofern verletzt, als er dieses nicht bei einer zuständigen Zollstelle gestellt und zu einem zulässigen Zollverfahren angemeldet hat. Aufgrund des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für das besondere Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Eingangsabgaben konnte das Fahrzeug nicht durch konkludentes Handeln (einfaches Passieren der Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge) gestellt und angemeldet werden. Großbritannien gehörte im Zeitpunkt der Einfuhr noch zum Zollgebiet der Union.

Gemäß § 300 Abs. 1 BAO können von Abgabenbehörden beim Verwaltungsgericht mit Beschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abgeändert noch aufgehoben werden.

Die gegenständliche Beschwerde vom wurde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Die als Bescheid intendierte Erledigung vom , mit dem der im gegenständlichen Verfahren angefochtene Bescheid insofern abgeändert worden ist, als damit der Zollbetrag und die darauf entfallende Einfuhrumsatzsteuer und die anteiligen Verzugszinsen gemäß Art. 117 UZK herabgesetzt wurden, erweist sich somit als nichtig.

Die Einschränkung des Beschwerdebegehrens mit Eingabe vom auf die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer und der entsprechenden Verzugszinsen bewirkt zwar den Verlust des Anspruchs auf Entscheidung im Umfang der Einschränkung (vgl. etwa ), hindert das Bundesfinanzgericht jedoch nicht, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Gemäß Art. 86 Abs. 6 UZK gilt, soweit in den zollrechtlichen Vorschriften eine zolltarifliche Abgabenbegünstigung oder die vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 56 Absatz 2 Buchstaben d bis g, nach den Artikeln 203, 204, 205 und 208 oder den Artikeln 259 bis 262 der vorliegenden Verordnung oder nach der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen vorgesehen ist, diese zolltarifliche Abgabenbegünstigung oder Befreiung auch in den Fällen, in denen eine Zollschuld nach Artikel 79 oder 82 der vorliegenden Verordnung entstanden ist, sofern der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, kein Täuschungsversuch war.

Gemäß Art. 56 Abs. 2 Buchst. d) UZK umfasst der Gemeinsame Zolltarif die in Übereinkünften der Union mit bestimmten Ländern oder Gebieten außerhalb des Zollgebiets der Union oder mit Gruppen solcher Länder und Gebiete enthaltenen Zollpräferenzmaßnahmen.

Für ein Kraftfahrzeug (Warennummer 8703 24 9000) ist im Zolltarif ein Präferenzzollsatz von 0,00 % vorgesehen. Der Nachweis, dass es sich um eine präferenzbegünstigte EU-Ursprungsware handelt, wurde durch Vorlage der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 S0149548, ausgestellt vom Zollamt Embrach Freilager/Schweiz, erbracht.

Die Verbringung in das Zollgebiet erfolgte offensichtlich in Verkennung der zollrechtlichen Verpflichtungen bei der Einfuhr eines in der Schweiz zugelassenen Kraftfahrzeuges durch einen in der Union ansässigen Verwender. Anhaltspunkte bzw. Hinweise, dass es sich um einen Täuschungsversuch gehandelt hat, finden sich weder im Beschwerdeakt, noch wird ein solcher vom Zollamt behauptet bzw. angenommen (siehe die als Bescheid intendierte Erledigung des Zollamtes vom ).

Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen und des im Vorlageantrag gestellten Antrages auf Gewährung der Präferenzbegünstigung war daher der Zoll mit € 0,00 festzusetzen

Einfuhrumsatzsteuer:
Die Festsetzung und Mitteilung der Einfuhrumsatzsteuer ist zu Recht erfolgt, weil die Einfuhr von Gegenständen nach § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 ein der Einfuhrumsatzsteuer unterliegender steuerbarer Umsatz ist. Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen in die hier nicht interessierenden Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.

Dies entspricht Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 vom , (im Folgenden MwSt-SystRL), der die Einfuhr eines Gegenstands als Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne von Art. 29 AEUV befindet, in die Union, definiert. Nach Art. 60 MwSt-SystRL erfolgt die Einfuhr von Gegenständen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Union verbracht wird.

Steuergegenstand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt (Art. 70 MwSt-SysRL).

Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Union einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung iS. der Art. 156, 276 und 277 der MwSt-SystRL, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen (Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 1 MwSt-SystRL)

Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen (Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt-SystRL).

Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwSt-SystRL die Mitgliedstaaten ermächtigt, den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruches der Einfuhrmehrwertsteuer mit dem Tatbestand und der Entstehung des Anspruchs bei Zöllen zu verknüpfen. Hintergrund der Verknüpfung ist, dass die Einfuhrmehrwertsteuer und die Zölle hinsichtlich ihrer Hauptmerkmale insofern vergleichbar sind, als die durch die Einfuhr der Waren in die Union und deren anschließenden Eintritt in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten entstehen (vgl. zuletzt , Hauptzollamt Braunschweig, Rz 23; mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung).

Dies entspricht dem § 26 Abs. 1 UStG 1994, wonach die die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß für die Einfuhrumsatzsteuer gelten.

Daher kann nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH in Anbetracht der durch Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwSt-SystRL bestätigten Parallelität zwischen Einfuhrmehrwertsteuer und den Zöllen neben der Zollschuld eine Mehrwertsteuerpflicht bestehen, wenn aufgrund eines Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorrang zugeführt werden konnten (EuGH aaO, Rz 30 mwH).

Der EuGH führt in nunmehr ständiger Rechtsprechung weiters aus, dass diese Vermutung widerlegt werden könne, wenn nachgewiesen wird, dass ein Gegenstand trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens, das in dem Mitgliedstaat, in dem es begangen wurde, zur Entstehung einer Einfuhrzollschuld geführt hat, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieser Gegenstand zum Verbrauch bestimmt war, in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist. Dann trete der Tatbestand der Einfuhrmehrwertsteuer in dem anderen Mitgliedstaat ein (EuGH aaO, Rz 31 mwH).

Der EuGH hat mit dem zitierten Urteil auch klargestellt, dass Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwSt-SystRL sich auf den Zeitpunkt bezieht, zu dem Mehrwertsteuertatbestand und der Mehrwertsteueranspruch eintreten, aber hinsichtlich des Orts der Einfuhr keinen Verweis auf die Zollvorschriften enthalte (EuGH aaO, Rz 25 mwH). Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwSt-SystRL sei deshalb so auszulegen, dass er keine allgemeine Verknüpfung zwischen der MwSt-SystRL und dem Zollkodex herstellt und insbesondere nicht den Ort der Einfuhr von Gegenständen für deren Besteuerung mit Mehrwertsteuer bestimme (EuGH aaO, Rz 28).

Im Beschwerdefall ist die Zollschuld wegen eines zollrechtlichen Fehlverhaltens nach Art. 79 Abs. 1 UZK entstanden, bei dem das in Rede stehende Fahrzeug über die erste im Zollgebiet der Union liegende Zollstelle hinausgelangt ist. Damit ist gleichzeitig auch der Mehrwertsteueranspruch entstanden (vgl. EuGH aaO, Rz 50, mit Hinweis auf die Rechtsprechung zu Dansk Transport og Logistik, C-230/08).

Die Frage, ob hinsichtlich des Kraftfahrzeuges die Einfuhrumsatzsteuer in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist, stellt sich bei der gegebenen Sachlage nicht. Das Fahrzeug wurde nach Österreich eingeführt und nur hier zum Zweck eines Familienbesuchs verwendet. Das Fahrzeug ist nicht in einen anderen Mitgliedstaat gelangt, insbesondere auch nicht nach Großbritannien, wo der Beschwerdeführer ansässig ist.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/120030/2017, ist auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Diesem Erkenntnis lag nämlich ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Fahrzeug zwar über Österreich in das Zollgebiet der Union gelangte, aber festgestellt wurde, dass der Eingang in den Wirtschaftskreislauf in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt ist.

Es ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, wenn er vorbringt, dass allein die physische Einbringung in das Zollgebiet allein noch nicht zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer führen muss. Dies nämlich nicht in jenen Fällen, in denen sich die Ware beim Verbringen in einem der in Art. 71 MwSt-SystRL angeführten Verfahren befindet und eine steuerrechtrechtliche Einfuhr daher noch nicht vorliegt (vgl. etwa die und C-228/14, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig; vom , C-154/16, Latvija Dzelzcels).

Die vom Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung vertretene Ansicht, dass es für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer neben dem physischen Verbringen in das Zollgebiet auch eines Eingehens in den Wirtschaftskreislauf zum Verbrauch (im Wortsinn) bedürfe und somit das bloße Fahren mit einem Fahrzeug zu einem Ort innerhalb der Union noch nicht zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer führe und es somit für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer neben der Einfuhr erforderlich sei, dass ein Fahrzeug dauerhaft benutzt werde oder die eingeführte Ware Gegenstand einer Lieferung (Art. 14 ff. MwStSystRL) oder einer Dienstleistung (Art. 24 ff MwStSystRL sein müsse, kann der EuGH-Rechtsprechung nicht entnommen werden. Im Gegenteil, der EuGH hat mit seinem Urteil in der Rechtssache Kauno teritorine muitine, C-489/20, einmal mehr klargestellt, dass die Einfuhrumsatzsteuer grundsätzlich im Zeitpunkt der zollrechtlichen Einfuhr entsteht. Dies beispielsweise auch dann, wenn die Ware auf dem anschließenden Transportweg beschlagnahmt wird. Würde man der Logik des Beschwerdeführers folgen, wäre auch in diesem Fall die Einfuhrumsatzsteuer noch nicht entstanden.

Davon abgesehen, steht die Verwendung eines unversteuerten Drittlandfahrzeuges im Zollgebiet der Union selbstverständlich im Wettbewerb mit einem in der Union versteuerten Fahrzeug. Das ergibt sich nicht zuletzt bereits aus der Tatsache, dass nach den zollrechtlichen Vorschriften nur in bestimmten Fällen eine vorübergehende Verwendung unter vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben bewilligt werden kann.

Im Beschwerdefall ist das Fahrzeug im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 nach Österreich eingeführt worden und konnte dementsprechend einem mit Mehrwertsteuer belasteten Vor-gang zugeführt werden. Somit ist zum Einfuhrzeitpunkt neben der Zollschuld auch die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden. Das Eingehen in den Wirtschaftskreislauf in einem anderen Mitgliedstaat wurde nicht nachgewiesen.

Verzugszinsen:
Die Festsetzung der Verzugszinsen nach Art. 114 UZK in Höhe von € 5.940,60 erweist sich hingegen als unrichtig.

Gemäß Art. 114 Abs. 2 UZK werden ab dem Tag des Entstehens der Zollschuld bis zum Tag der Mitteilung der Zollschuld Verzugszinsen auf den Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag berechnet, wenn die Zollschuld aufgrund von Art. 79 oder 82 entsteht oder die Zollschuld aufgrund einer nachträglichen Kontrolle mitgeteilt wird.

Da die Zollschuld im Beschwerdefall erst am entstanden und die Festsetzung der Eingangsabgabenschuld mit Zustellung des Bescheides am mitgeteilt worden ist, waren Verzugszinsen nur für diesen Zeitraum und sohin anstatt für 308 nur für 249 Tage zu bemessen. Der der Festsetzung der Verzugszinsen zu Grunde gelegte Eingangsabgabenbetrag war ebenso anzupassen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen ergeben sich hinsichtlich des Zolles und der Verzugszinsen aus dem insofern klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen. Betreffend die Einfuhrumsatzsteuer ist die zu lösende Rechtsfrage durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 114 Abs. 2 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 139 Abs. 1 Buchstabe a UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 219 UZK-IA, DVO 2015/2447, ABl. Nr. L 343 vom S. 558
Art. 56 Abs. 2 Buchstabe d UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 26 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Art. 86 Abs. 6 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200020.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at