Verfahrensleitender Beschluss, BFG vom 06.06.2024, AO/3100015/2024

Festsetzung von Ordnungsstrafen wegen beleidigender Schreibweise durch das BFG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend die Beschwerden

1. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021

2. vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom
betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022

beide zur Steuernummer ***BF1StNr1***:

I. Über den Beschwerdeführer wird gemäß § 112 Abs. 3 BAO wegen beleidigender Schreibweise im Vorlageantrag vom (betreffend das Einkommensteuerverfahren 2021) eine Ordnungsstrafe in Höhe von 200,00 Euro verhängt.

II. Über den Beschwerdeführer wird gemäß § 112 Abs. 3 BAO wegen beleidigender Schreibweise in der Beschwerde vom (betreffend das Einkommen-steuerverfahren 2022) eine weitere Ordnungsstrafe in Höhe von 400,00 Euro verhängt.

III. Gemäß § 287 BAO wird das Finanzamt Österreich als für die Einhebung und Einbringung der festgesetzten Ordnungsstrafen zuständige Abgabenbehörde bestimmt.

IV. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Vor dem Bundesfinanzgericht sind gegenwärtig zwei Beschwerden des oben angeführten Beschwerdeführers (Bf.) gegen die Einkommensteuerbescheide 2021 (RV/3100321/2023) und 2022 (RV/3100398/2023) anhängig.

In seinem Vorlageantrag vom betreffend Einkommensteuer 2021 tätigte der Bf. neben umfangreichen Ausführungen zur Sache auch folgende Ausführungen:

"Der Öffentliche Dienst, zu dem die Universität ***Ort*** seit ihrer Ausgliederung nicht mehr gehört, maßt sich oftmals Privilegien an, welche in der Privatwirtschaft keinen Bestand haben könnten. Wenn man in der Privatwirtschaft einen Zusatzverdienst haben möchte, dann ist dafür eine geforderte Leistung zu erbringen, alleine ,anwesend zu sein' im Sinne von der ,Beamte arbeitet nicht, er ist nur im Dienst' reicht dafür nicht aus. Erwartungen und Wertvorstellungen aus einem (glücklicherweise immer noch kleinen) Teil des Öffentlichen Dienstes auf die Privatwirtschaft zu übertragen führt zu derartigen Fehlwertungen, wie sie das Finanzamt ***Ort*** zum wiederholten Mal - nunmehr auch wieder mit der vorliegenden Entscheidung - aufzeigt. Die vorliegende Beschwerde und das daran angrenzende Verfahren stellen eine einzige Verschwendung von Steuergeldern dar. […]

Natürlich ist es einfacher und gemütlicher (und ist dienlich das Büro rechtzeitig zur Kaffeepause oder zum Dienstende zu verlassen), wie dies auch hier geschehen ist, dem Steuerpflichtigen einfach zu unterstellen, dass er Kosten fälschlich geltend gemacht hat. Aus meiner Sicht handelt es sich bei solchen Handlungen aber um eine Form von Amtsmissbrauch, welcher den Staat und den Steuerpflichtigen schädigt. […]

Wenn das Finanzamt ***Ort*** ferner meint, dass im Arbeitsvertrag als gewöhnlicher Arbeitsort ***Ort*** festgelegt sei, scheint es die Fähigkeit vermissen zu lassen einen einfachen und strukturierten Text richtig zu interpretieren […]

Die Ausführungen des Finanzamts lassen damit an einer objektiven Führung des Verfahrens gröblich zweifeln und lassen folgerichtig wahlweise Voreingenommenheit oder Inkompetenz vermuten. […]"

In seiner Beschwerde vom betreffend Einkommensteuer 2022 verweist der Bf. auf diesen Vorlageantrag, den er der Behörde auch zusammen mit dieser Beschwerde (erneut) übermittelte.

Der Bf. hat das Diplom- sowie das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität ***Ort*** absolviert und arbeitete in den Streitjahren als IT-Systembetreuer für das Bundesministerium für ***Ressort*** und als IT-Spezialist für die Universität ***Ort***. Nach den angefochtenen Bescheiden betrug sein steuerpflichtiges Jahreseinkommen in den Streitjahren ca. 32.500 € bis 34.000 €.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich weitgehend unmittelbar aus den dem Gericht von der belangten Behörde vorgelegten Eingaben des Bf. vom (Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2021) bzw. (Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2022) und den angefochtenen Bescheiden. Die Feststellungen zum akademischen Werdegang und der beruflichen Tätigkeit des Bf. gründen auf den übereinstimmenden öffentlich zugänglichen Informationen der Universität ***Ort*** (Diplomarbeit und Dissertation im Katalog der Universitätsbibliothek), dem LinkedIn-Profil des Bf. sowie seiner Darstellung der beruflichen Tätigkeit im Zuge der gegenständlichen Abgabenverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Erste Ordnungsstrafe)

Gemäß § 112 Abs. 3 BAO kann die Abgabenbehörde eine Ordnungsstrafe von bis zu 700 Euro gegen Personen verhängen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Eine vorherige Androhung ist hierbei im Gegensatz zur Ordnungsstrafe nach § 112 Abs. 2 BAO nicht erforderlich.

Gemäß § 207 Abs. 3 BAO iVm § 208 Abs. 1 lit. b BAO beginnt die Verjährungsfrist bei Ordnungsstrafen mit Ablauf des Jahres, in dem die Voraussetzungen für ihre Verhängung eingetreten sind und beträgt ein Jahr. Das Recht zur Festsetzung der gegenständlichen Ordnungsstrafen verjährt somit mit Ablauf des ; der gegenständliche Beschluss ergeht somit vor Eintritt der Verjährung.

Zufolge § 269 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht als Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren die Befugnisse, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind. Dies schließt das Recht auf Festsetzung von Ordnungsstrafen betreffend Eingaben ein, zu deren Erledigung das Gericht berufen ist, insbesondere auch im Hinblick auf Beschwerden und Vorlageanträge (vgl. ).

Eine beleidigende Schreibweise im Sinne von § 112 Abs. 3 BAO liegt insbesondere dann vor, wenn sich die Kritik an der Behörde bzw. an einem Behördenorgan nicht auf die Sache beschränkt, nicht in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird oder Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (; , 95/15/0125; , 97/08/0110); weiters wenn sie eine niedrige Gesinnung und eine nach der Sittenordnung verpönte Vorgangsweise unterstellt (); wie etwa allgemein gehaltene Vorwürfe wie Manipulation, Unterstellung einer Schädigungsabsicht, Betrinken während der Dienstzeit und Korruption ().

Eine Beleidigungsabsicht seitens des Bf. ist nicht erforderlich, weshalb das Gericht diesbezüglich keine Feststellungen traf (vgl. ).

Der Bf. impliziert mit seinen Ausführungen zunächst, die Bediensteten der belangten Behörde würden im Gegensatz zu Angestellten in der Privatwirtschaft nicht arbeiten müssen, da ihre bloße Anwesenheit genügen würde. Er unterstellt ihnen ferner, aus bloßer Bequemlichkeit (etwa um "das Büro rechtzeitig zur Kaffeepause oder zum Dienstende" verlassen zu können) Ermittlungen bzw. eine nähere Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen unterlassen zu haben. Darin erblickt das Gericht die Unterstellung einer nach der Sittenordnung verpönten Vorgangsweise im Sinne der vorstehend zitierten Judikatur.

Durch die Verwendung des Begriffes "Amtsmissbrauch" unterstellt der Bf. (welcher sich als Jurist der Bedeutung dieses Begriffes zumindest in den Grundzügen bewusst sein muss) den Bediensteten der Abgabenbehörde pauschal einen vorsätzlichen Befugnismissbrauch zum Nachteil des Bf. im Sinne des § 302 StGB, ohne diese Unterstellung weiter zu untermauern. Die Unterstellung einer Schädigungsabsicht erfüllt nach der zitierten Judikatur ebenfalls den Tatbestand der beleidigenden Schreibweise.

Verletzend und nichts zur Sache beitragend sind nach Ansicht des Gerichts ferner die Formulierungen "Wenn das Finanzamt ***Ort*** ferner meint, […] scheint es die Fähigkeit vermissen zu lassen einen einfachen und strukturierten Text richtig zu interpretieren […]" sowie "Die Ausführungen des Finanzamts lassen […] folgerichtig wahlweise Voreingenommenheit oder Inkompetenz vermuten". Mit solchen Ausführungen verlässt der Bf. den Boden der sachlichen Kritik und verletzt ohne Not den im Verkehr mit der Behörde gebotenen Anstand.

Auf die - zumindest teilweise auch nach Ansicht des Gerichts zweifellos gegebene - sachliche Berechtigung der Kritik des Bf. kommt es nicht an, da § 112 Abs. 3 BAO nicht die Kritik an und für sich, sondern die Art und Weise sanktioniert, auf welche diese vorgebracht wird (vgl. ). Aus diesem Grund bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen über die Verhängung von Ordnungsstrafen, da sachlich vorgetragene Kritik den Tatbestand nicht erfüllt und somit jederzeit sanktionslos möglich ist.

Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 112 Abs. 3 BAO in Bezug auf die Ausführungen des Bf. in seinem Vorlageantrag vom liegen folglich nach Ansicht des Gerichts vor.

Bei der Ermessensübung ist zu berücksichtigen, dass die Verhängung einer Ordnungsstrafe dem Grunde nach geboten erscheint, um den Bf. anzuhalten, zukünftig im Verkehr mit der Abgabenbehörde und dem Gericht ein Mindestmaß an Anstand zu wahren. Der Höhe nach soll diese nach den Prinzipien der Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit und aus verfahrensökonomischen Gründen nicht geringfügig sein. Da die beleidigende Schreibweise keine allzu hohe Intensität erreicht und dem Gericht keine früheren Ordnungsstrafen des Bf. wegen beleidigender Schreibweise bekannt sind, konnte mit einer Ordnungsstrafe im unteren Drittel des Strafrahmens (200 € entsprechen ca. 28,6 % der Höchststrafe von 700 €) das Auslangen gefunden werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zweite Ordnungsstrafe)

Eine Person, die sich in mehreren Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedient, kann in Bezug auf jede einzelne solche Eingabe mit einer Ordnungsstrafe belegt werden, von denen auch jede einzelne die Höchststrafe erreichen kann ().

Die Beschwerde vom ist unzweifelhaft eine andere Eingabe als der Vorlageantrag vom , auf welchen sich Spruchpunkt I. bezieht. Durch den Verweis auf den Vorlageantrag in dieser Beschwerde und die Beifügung desselben erhebt der Bf. den Vorlageantrag vom (auch) zum Inhalt seiner Beschwerde vom . Da somit eine erneute, vom ursprünglich eingebrachten Vorlageantrag zu unterscheidende Eingabe bei der Abgabenbehörde vorliegt, sind mit der Einbringung der Beschwerde vom (erneut) die Voraussetzungen für die Verhängung einer (weiteren) Ordnungsstrafe eingetreten.

Dem Gericht erscheint es in Hinblick auf den Zweck von Ordnungsstrafen geboten, dass solche Strafen bei wiederholter Erfüllung des Tatbestandes mit einem höheren Betrag festgesetzt werden. Eine deutliche Erhöhung auf mehr als die Hälfte des Strafrahmens erschien dem Gericht unter diesen Umständen als geboten, um den Bf. von weiteren Verletzungen des Anstandes abzuhalten. Der Betrag von 400 € erschien dem Gericht dabei angemessen; eine noch höhere Festsetzung erschiene hingegen in Anbetracht der nicht allzu hohen Intensität der beleidigenden Schreibweise sowie des Umstandes, dass der Bf. keine neuen beleidigenden Formulierungen bei der Behörde einbrachte, sondern lediglich seine früheren Ausführungen wiederholte, nicht sachgerecht.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen in Abschnitt 3.1. dieser Begründung verwiesen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Bestimmung der Behörde für die Einhebung)

Gemäß § 287 BAO obliegt die Einhebung und zwangsweise Einbringung der von Verwaltungsgerichten mit Beschluss festgesetzten Nebenansprüche der vom Verwaltungsgericht bestimmten Abgabenbehörde, wozu auch die gegenständlichen Ordnungsstrafen zählen.

Es erschien dem Gericht zweckmäßig, das für den Bf. ohnehin zuständige Finanzamt Österreich auch mit der Einhebung und Einbringung der festgesetzten Ordnungsstrafen zu betrauen.

3.4. Zu Spruchpunkt IV. (Revision)

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da der vorliegende Beschluss der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.

[...]

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 112 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:AO.3100015.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at