TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2024, RV/7100599/2020

Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde für den Beschwerdeführer (Bf) gemäß § 217 Abs.1 und 2 BAO ein erster Säumniszuschlag von der Einkommensteuer 2015 in Höhe von € 58,78 festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, die Einkommensteuer 2015 sei nicht bis entrichtet worden.

Gegen diesen Bescheid hat der Bf mit Eingabe vom mit der Begründung Beschwerde erhoben, er habe den Einkommensteuerbescheid 2015 nicht erhalten.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Einkommensteuerbescheid am rechtswirksam elektronisch in die Data-Box zugestellt worden sei. Die Einkommensteuer 2015 in Höhe von € 2.939,00 sei aber nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung hat der Bf mit Eingabe vom binnen offener Frist einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt (Vorlageantrag). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er die Einkommensteuererklärung bereits am online beim Finanzamt eingebracht habe und ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Benachrichtigungen standardmäßig elektronisch voreingestellt seien. Erst über Nachfrage beim Finanzamt habe er am erstmals in seine Data-Box Einsicht genommen und alle Benachrichtigungen gelesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf reichte am seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 über Finanzonline ein. Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde dem Bf eine Einkommensteuer in Höhe von € 2.939,00 zur Entrichtung vorgeschrieben (Nachforderung). Als Zeitpunkt der Erstellung der elektronischen Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz ist im Signaturblock der , 20:50:03 Uhr genannt. Der Bescheid wurde elektronisch in die für den Bf im Verfahren Finanzonline eingerichtete Databox zugestellt.

Von der Möglichkeit des Verzichtes auf die elektronische Zustellung oder die Angabe einer elektronischen Adresse, an welche er über die elektronische Zustellung zu informieren ist, machte der Bf keinen Gebrauch.

Dem Bf war weder bekannt, dass behördliche Erledigungen im Verfahren Finanzonline in die Databox zugestellt werden können, noch dass er auf diese Möglichkeit verzichten kann oder eine E-Mailadresse zur Verständigung von der Zustellung in die Databox bekannt geben kann. Erst am hat der Bf in seine Databox Einsicht genommen.

Da die vorgeschriebene Einkommensteuer in Höhe von € 2.939,00 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet wurde, wurde für den Bf mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom ein erster Säumniszuschlag in der Höhe von € 58,78 festgesetzt.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Wien 2/20/21/22, nunmehr Finanzamt Österreich, vorgelegten Verwaltungsakten. Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 217 Abs.1 BAO sind, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs.2 lit.d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gemäß Abs.2 leg. cit. beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäß Abs.5 leg. cit. entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs.2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat.

Gemäß Abs.7 leg. cit. sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Gemäß § 97 Abs.3 BAO kann an Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, dass sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, dass die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt.

Gemäß § 5b Abs.1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (Finanzonline-Verordnung; FOnV) haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

Gemäß § 5b Abs.2 FOnV hat jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.

Gemäß § 5b Abs.3 FOnV haben Teilnehmer, die Unternehmer im Sinne des § 3 Z 20 des Bundesstatistikgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 163/1999, sind und die wegen Überschreiten der Umsatzgrenze zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sind, an der elektronischen Zustellung über FinanzOnline teilzunehmen und können auf diese nicht verzichten. Andere Teilnehmer können in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihnen bei ihrem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten. Wenn sie nicht zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung verpflichtet sind, können die in § 2 Abs. 2 genannten Parteienvertreter den Verzicht für die Zustellungen in ihren eigenen Angelegenheiten und davon getrennt für die Zustellungen in den Angelegenheiten als Parteienvertreter erklären.

Unstrittig ist die verspätete Entrichtung der Einkommensteuer 2015, auch liegt kein Fall der Säumnis nach § 217 Abs.5 BAO vor, weil die Säumnis mehr als fünf Tage beträgt.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht (; , 2012/15/0206).

Anträge gemäß § 217 Abs.7 BAO können innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist und auch in einer Beschwerde oder im Vorlageantrag betreffend den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (vgl. ). Der im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht unvertretene Bf hat zwar nicht explizit einen Antrag nach § 217 Abs.7 BAO gestellt, doch geht aus der Beschwerdeschrift und aus dem Vorlageantrag eindeutig hervor, dass er eine Unterlassung der Festsetzung des Säumniszuschlages begehrt.

Das Bundesfinanzgericht hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach entschieden, dass kein minderer Grad des Verschuldens vorliegt, wenn die Databox nicht kontrolliert wird (; ), genausowenig wie im Fall der Nichtbeachtung einer Bescheidzustellung in die Databox (; ). In der Entscheidung , folgerte das Bundesfinanzgericht, wenn sich der Beschwerdeführer als Teilnehmer von FinanzOnline registriere und Kenntnis vom Bestehen einer FinanzOnline-DataBox habe, aber weder auf die elektronische Zustellung gemäß § 5b Abs. 3 FOnV 2006 verzichte, noch ausreichende Maßnahmen setze, dass er zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlange, handle er nicht nur schuldhaft, sondern gehe dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus.

Eine gegen die letztgenannte Entscheidung eingebrachte Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2022/16/0112, zurück, da die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, grundsätzlich keine Rechtsfrage sei, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukomme. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (Rn 15) oder das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, etwa weil das Bundesfinanzgericht entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angenommen habe (Rn 16).

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit wiederum liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Auffallend sorgloses Handeln schließt leichte Fahrlässigkeit aus. (vgl. ).

Es wäre dem Bf möglich und zumutbar gewesen, entsprechende Dispositionen zwecks Feststellung von Zustellungen in der Databox zu treffen, wie etwa die Einrichtung einer E-Mail-Verständigung in FinanzOnline oder die regelmäßige Prüfung der Databox auf Eingänge. Dies hat er jedoch unterlassen. Wenn der Bf anlässlich des Einstiegs in FinanzOnline die Hinweise betreffend Zustellung und Einrichtung einer Benachrichtigungsfunktion nicht beachtet hat, so geht dies zu seinen Lasten. Durch die bloße Unkenntnis der Bestimmung, dass die Abgabenbehörden Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, grundsätzlich elektronisch vorzunehmen haben, kann ein mangelndes Verschulden oder leichte Fahrlässigkeit an der verspäteten Entrichtung nicht aufgezeigt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100599.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at