Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2024, RV/7101137/2023

Voraussetzungen für die Gewährung des Kindermehrbetrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am wurde über FinanzOnline die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 eingereicht. Darin wurde die Anzahl der (inländischen) gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen mit 0 angegeben. Ferner wurde folgende Erklärung angekreuzt: "Ich erkläre für einen allfälligen Kindermehrbetrag, dass ich 2022 betriebliche oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an zumindest 30 Tagen oder ganzjährig Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen habe." Es wurden jedoch keinerlei Einkünfte erklärt.

Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 vom wurde das Einkommen mit 0,00 € festgestellt. Aus der Anerkennung des gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 erstattungsfähigen Alleinverdienerabsetzbetrages von 494 € ergab sich eine Gutschrift in dieser Höhe. Der beantragte Kindermehrbetrag wurde nicht gewährt, da die Beschwerdeführerin im Jahr 2022 keine steuerpflichtigen betrieblichen Einkünfte oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an zumindest 30 Tagen und auch keine ganzjährigen Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen habe.

Dagegen richtet sich die elektronisch eingebrachte Beschwerde vom . Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr in den Vorjahren (2019 bis 2021) aufgrund einer von ihr eingebrachten Beschwerde der Kindermehrbetrag gewährt worden sei. Für das Jahr 2022 habe sie ihn wieder nicht bekommen, daher möchte sie Beschwerde einlegen und den Kindermehrbetrag beantragen.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Darstellung der Rechtslage für das beschwerdegegenständliche Jahr 2022 und die Vorjahre (2019 bis 2021) ab. Es seien im Jahr 2022 keinerlei Einkünfte aus einer aktiven Erwerbstätigkeit erzielt worden. Auch wäre weder ganzjährig Kinderbetreuungsgeld oder Pflegegeld bezogen worden. Diese Entscheidung wurde am elektronisch über FinanzOnline zugestellt.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom selben Tag. Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie auch in den Jahren 2019 bis 2021 keine steuerpflichtigen Einkünfte gehabt habe; dennoch sei ihr der Kindermehrbetrag zuerkannt worden.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin bezieht laut aktenkundigen Sozialversicherungsdaten seit Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Im beschwerdegegenständlichen Jahr 2022 wurden - entgegen den Angaben in der Steuererklärung - keinerlei betriebliche oder nichtselbständige Einkünfte erzielt. Die Beschwerdeführerin hat auch keine Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Sozialversicherungsdaten, den im Abgabeninformationssystem gespeicherten Daten, sowie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag, in dem sie ausdrücklich darauf hingewiesen hat, "auch" in den Jahren 2019 bis 2021 keine steuerpflichtigen Einkünfte gehabt zu haben. Zu klären ist im vorliegenden Fall lediglich die Rechtsfrage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindermehrbetrages erfüllt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 33 Abs. 7 EStG 1988 lautete in der Fassung vor der Änderung durch das Ökosoziale Steuerreformgesetz 2022 Teil I (BGBl I 10/2022):

(7) Ergibt sich nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 250 Euro und steht der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:

1. Die Differenz zwischen 250 Euro und der Steuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten.

2. Hält sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz auf, tritt an die Stelle des Betrages von 250 Euro der Betrag, der sich bei Anwendung des Abs. 3a Z 2 ergibt.

3. Ein Kindermehrbetrag steht nicht zu, wenn für mindestens 330 Tage im Kalenderjahr steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a, lit. c oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung bezogen wurden.

Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 250 Euro oder den an seine Stelle tretenden Betrag.

Durch das oben zitierte Ökosoziale Steuerreformgesetz erhielt § 33 Abs. 7 EStG 1988 folgende Fassung:

(7) Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die

- zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielen, oder

- ganzjährig Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, oder Pflegekarenzgeld bezogen haben,

nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 450 Euro, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:

1. Die Differenz zwischen 450 Euro und der Einkommensteuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten, wenn

a) der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht oder

b) sich auch beim (Ehe)Partner gemäß § 106 Abs. 3, der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielt, eine Einkommensteuer nach Abs. 1 unter 450 Euro ergibt; in diesem Fall hat nur der Familienbeihilfeberechtigte Anspruch auf den Kindermehrbetrag.

2. Hält sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz auf, tritt an die Stelle des Betrages von 450 Euro der Betrag, der sich bei Anwendung des Abs. 3a Z 2 ergibt.

Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 450 Euro oder den an seine Stelle tretenden Betrag.

Diese Fassung des § 33 Abs. 7 EStG 1988 ist erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 anzuwenden (§ 124 b Z 394 lit. a EStG 1988).

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Ökosozialen Steuerreformgesetz (1293 der Beilagen XXVII GP) wird auszugsweise ausgeführt:

"Der Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7, der bisher nur auf Personen angewendet wurde, denen der Alleinerzieher- oder der Alleinverdienerabsetzbetrag zustand, soll künftig ausgeweitet werden. Der Kindermehrbetrag soll künftig auch dann zustehen, wenn eine (Ehe)Partnerschaft vorliegt, bei der beide Partner Einkünfte erzielen und die darauf entfallende Tarifsteuer jeweils weniger als 450 Euro beträgt. In diesem Fall soll der Kindermehrbetrag einmal, und zwar der/dem Familienbeihilfenberechtigten zustehen. Voraussetzung für den Kindermehrbetrag soll jedoch sein, dass vom Steuerpflichtigen zumindest 30 Tage im Kalenderjahr steuerpflichtige aktive Erwerbseinkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielt werden, d.h. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbständiger Arbeit. Dieses Erfordernis ist auch dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von Null Euro oder allenfalls einen Verlust in den genannten Einkunftsarten erzielt. Auch in diesen Fällen ergibt sich eine Einkommensteuer unter 450 Euro. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, wird aber ganzjährig Kinderbetreuungsgeld oder Pflegekarenzgeld bezogen, dann soll auch in diesen Fällen Anspruch auf den Kindermehrbetrag bestehen. Im Gegenzug kann die bisherige Z 3 in § 33 Abs. 7 entfallen, in welcher bisher der Bezug von steuerfreien Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, oder an deren Stelle tretende Leistungen), § 3 Abs. 1 Z 5 lit. c (Überbrückungshilfe für Bundesbedienstete, oder gleichartige, auf landesgesetzlicher Grundlage basierende Leistungen) oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung an mindestens 330 Tagen im Kalenderjahr als Ausschlusskriterien für den Kindermehrbetrag herangezogen wurden. Der Kreis der anspruchsberechtigen Personen soll demnach auch auf jene Personen ausgeweitet werden, die tatsächlich erwerbstätig sind (z. B. geringfügig beschäftigt), bei denen jedoch das Erwerbseinkommen mit Mindestsicherung aufgestockt wird.

Bis zur Veranlagung 2021 stand damit kein Kindermehrbetrag zu, wenn im Kalenderjahr für mindestens 330 Tage Mindestsicherung bezogen wurde.

Ab der Veranlagung 2022 gilt dieser Ausschlussgrund nicht mehr, allerdings muss der Steuerpflichtige zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 erzielen, oder im gesamten Kalenderjahr nur Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen haben (vgl. Kanduth-Kristen in Jakom, EStG15, § 33 Abs. 7, Rz 106; vgl. auch ). Durch den Kindermehrbetrag sollen Eltern mit Kindern entlastet werden, die Einkünfte erzielen und nicht ohnedies Sozialleistungen erhalten, bei denen Kinder bereits berücksichtigt werden (vgl. Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22, § 33 Rz 34/16).

Da im gegenständlichen Fall die Beschwerdeführerin im Veranlagungsjahr 2022 weder zumindest an 30 Tagen steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 erzielt hat, noch ganzjährig nur Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz oder Pflegekarenzgeld bezogen hatte, wurde der Kindermehrbetrag im Veranlagungsjahr 2022 bei der Arbeitnehmerveranlagung der Beschwerdeführerin zu Recht nicht berücksichtigt.

Dem Abgabenkonto ist zu entnehmen, dass auch die zu Unrecht für die Jahre 2019 bis 2021 bezogenen Kindermehrbeträge von der Beschwerdeführerin zurückgefordert und mittlerweile ebenso wie der beschwerdegegenständliche Kindermehrbetrag zurückgezahlt wurden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nach seiner Judikatur auch dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (vgl. etwa , mwN). Da dies gegenständlich der Fall ist, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101137.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at