Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.05.2024, RV/3100145/2023

Durch ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes rechtskräftig "entschiedene Sache", dass eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab einem bestimmten Zeitpunkt gegeben ist. Durch dieses Erkenntnis wurde die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, welche mit dem neuen Antrag der Beschwerdeführerin neuerlich, aber ohne Nennung eines anderen Anspruchsgrundes, angezogen wurde, (bereits) rechtskräftig entschieden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 2022 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom , welcher ***Bf1*** am (elektronisch) zugestellt worden war, wurde deren Antrag vom auf (Zuerkennung von) Familienbeihilfe "ab Sep. 2021" für Bf1 SVNR mit der Begründung zurückgewiesen, dass bereits mit Erkenntnis des , ein Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug abgewiesen worden sei. Das Bundesfinanzgericht habe u. a. festgestellt, dass eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erst ab September 2016 vorgelegen sei; somit erst ab einem Zeitpunkt, welcher lange nach dem maßgeblichen Zeitraum (1991) gelegen sei. Seit dem Ergehen dieser Entscheidung sei keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten. Der Antrag sei daher wegen bereits entschiedener Rechtssache zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am frist- und formgerecht Beschwerde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche Höchstgerichtsurteile, welche die Antragstellerin (Beschwerdeführerin) zitiert habe, im Zurückweisungsbescheid nicht berücksichtigt worden seien. In der Folge hat sie auf Rechtsprechung sowie Gutachten hingewiesen.

Das Finanzamt wies in der Folge diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Das diesbezügliche behördliche Dokument wurde der Beschwerdeführerin im Zuge einer Hinterlegung, allerdings vor Beginn der Abholfrist am , ausgefolgt und bereits hierdurch wirksam zugestellt.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 darauf abstelle, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung könne durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führe, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, sei der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Es komme somit weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. zuletzt wiederum ). Dazu sei festzuhalten, dass die Bestimmung des § 6 FLAG 1967, die für den vorliegenden Fall relevante Grundvoraussetzung des vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlich dauernd außer Stande Seins, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, seit dem BFG-Erkenntnis im Jahre 2021 stets gleichgeblieben sei. Insoweit habe sich die relevante Rechtslage somit seit dem Jahr 2021 nicht geändert.

Eine Änderung der Sachlage sei ebenfalls nicht eingetreten, da mit den im gegenständlichen Verfahren erstellten Bescheinigungen wiederum keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bestätigt worden sei.

Wie bereits vom BFG ausgeführt, seien bei einem rund 30 Jahre zurückliegenden relevanten Zeitpunkt die Ermittlungsmöglichkeiten der begutachtenden Ärztinnen und Ärzte beschränkt. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten vom und die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Ergänzung (erstellt in Form einer Neuerstellung am ) in Bezug auf die Frage, ob eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vorliegt, und bejahendenfalls, wann dieser Umstand eingetreten ist, als schlüssig, wenn unter den gegebenen Umständen der Gutachter den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit 09/2016 feststellt, dem Zeitpunkt also, zu welchem in der psychotherapeutischen Stellungnahme der Sachverständigen festgestellt worden ist, dass die Beschwerdeführerin den Belastungen einer Berufstätigkeit aufgrund multipler chronifizierter Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht gewachsen und nicht arbeitsfähig sowie die Wiedererlangung der vollen Leistungsfähigkeit unwahrscheinlich sei, was in der Folge zur Zuerkennung der dauernden Berufungsunfähigkeitspension geführt habe.

Damit stehe fest, dass daher der neuerliche Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug vom - aufgrund unveränderter Sach- und Rechtslage - zu Recht mit Zurückweisungsbescheid vom wegen entschiedener Sache (res iudicata) zurückzuweisen gewesen sei. Die Beschwerde werde daher als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag). Mit diesem Antrag übermittelte die Beschwerdeführerin überdies Judikaturhinweise sowie Auszüge aus Gutachten (dies erfolgte ebenso mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt am eingelangt).

Am hat das Finanzamt dem Antrag entsprochen und die Beschwerde samt Aktenteilen dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Seiner Ansicht nach sei der Zurückweisungsbescheid vom zu Recht ergangen, da das Anbringen der Beschwerdeführerin unzulässig sei (res iudicata - bereits entschiedene Sache). Dazu werde auf die ausführliche Begründung in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. Ebenso trete aus dem Vorlageantrag keine neue Sachlage hervor. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Am wurden schließlich sowohl Abgabenbehörde als auch Bundesfinanzgericht zur Entscheidungsfindung (Bescheidausstellung) aufgefordert. Dieses Schriftstück wurde als Vorlageerinnerung gewertet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, geboren am Geburtsdaten, ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 15 Jahren und befand sich in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre mehr als drei Monate in der Kinderstation des A. ö. Krankenhauses in Ort. Danach war sie bis 1985 im Sonderschulinternat Name untergebracht und besuchte dort im letzten Jahr des Heimaufenthaltes (Schuljahr 1984/85) die damalige einjährige Haushaltungsschule. Sie ist anerkanntes Heimopfer. Sie vollendete im Juni 1990 das 21. Lebensjahr und holte als 22-jährige 1991 den Hauptschulabschluss nach. Im Jahr 2008 wurde mit einer Psychotherapie begonnen.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit den Formblättern Beih 100-PDF und Beih 3-PDF am die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Laut Bescheid des Bundessozialamtes vom sei der Grad der Behinderung mit 70% ab festgestellt worden. Da somit keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr vorgelegen habe, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Durchführung der nach § 8 FLAG 1967 von Amts wegen durchzuführenden Untersuchung bzw. die Rückdatierung des Gutachtens betreffend ihre Behinderung.

In der Bescheinigung nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 vom wurde basierend auf dem Gutachten vom ein länger als drei Jahre andauernder Gesamtgrad der Behinderung von 70 v. H. ab September 2016 und - ohne Nennung eines Zeitpunktes - eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausgewiesen. Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Am stellte die Beschwerdeführerin unter Beifügung weiterer Unterlagen den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und die Erstellung eines neuerlichen fachspezifischen Gutachtens. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nach erfolgter Vorlage wurde der Eintrittszeitpunkt der festgestellten voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, im Gutachten "nicht ganz klar zum Ausdruck" gebracht. Aus diesem Grund fasste es den Beschluss, das Finanzamt das Gutachten vom von Gutachter Dr. 1 ergänzen zu lassen.

Vom Bundessozialamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) wurde in der Folge der Gutachter Dr. 2 mit der Erstellung eines neuen Gutachtens beauftragt. Mit diesem Gutachten vom , ergänzt mit Gutachten vom , wurde aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung mittleren Grades mit anhaltender Veränderung der Persönlichkeit nach jahrelanger Extrembelastung, (somit) eine Traumafolgestörung mit fixierter Symptomatik und voraussichtlich dauernder Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wiederum ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v. H., beginnend mit 09/2016, festgestellt. Begründend führte der Gutachter aus, dass bereits in der Adoleszenz durch die traumatischen Erfahrungen in Heimunterbringung und teilweise auch psychiatrischer Behandlung posttraumatische Belastungsbeschwerden bzw. andauernde Veränderungen der Persönlichkeit (im Sinne einer Persönlichkeitsstörung, die bis heute persistiert und Beschwerden verursacht) aufgetreten sind. Die Betroffene sei ab 2009 befristet und seit 2017 unbefristet in der Invaliditätspension und zuvor berufstätig gewesen. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass Einschränkungen durch die Erkrankung bereits seit der Jugendzeit bestanden haben, allerdings eine primäre Erwerbsunfähigkeit oder ein Eintritt derselben vor dem 18. oder dem 21. Lebensjahr nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen (sei) bzw. sich dieselbe nicht aus der beruflichen Anamnese ergebe.

Vor diesem Hintergrund erwiesen sich für das Bundesfinanzgericht die der Bescheinigung des Sozialministeriumservice zugrundeliegenden Gutachten vom 22. (gemeint: 24.) März 2021 und die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Ergänzung (erstellt in Form einer Neuerstellung am ) in Bezug auf die Frage, ob eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vorliegt, und bejahendenfalls, wann dieser Umstand eingetreten ist, als schlüssig, wenn unter den gegebenen Umständen der Gutachter den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit 09/2016 feststellt.

Das Bundesfinanzgericht hat sodann als Ergebnis seiner Überlegungen zur Würdigung des Sachverständigenbeweises, die durch diesen Beweis gewonnene Tatsache als erwiesen angenommen, eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liege erst ab September 2016 vor und hat deshalb seiner Entscheidung die hierauf lautende Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom zu Grunde gelegt.

Als Folge verneinte das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom zu RV/3100448/2020, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Grundbetrages an Familienbeihilfe. Aus diesem Grund hat es die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA in Ort (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juli 2014 als unbegründet abgewiesen. Auch wurde der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe nicht gewährt.

Am hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe in Form des Beih 100-PDF sowie (gleichzeitig) einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung in Form des Beih 3-PDF eingebracht. Auf beiden Formularen wurde nicht angekreuzt, ab welchem Zeitpunkt die Familienbeihilfe begehrt wird.

Thema:

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welches mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/3100448/2020 abgeschlossen wurde, wurde insbesondere geprüft, ob die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe erfüllt sind, somit, ob die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, spätestens 1991 eingetreten ist. Es wurde entschieden, dass eine (voraussichtlich) dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab September 2016 gegeben ist. Im Hinblick auf das Vorliegen dieser Gerichtsentscheidung ist in diesem Verfahren zu klären, ob hierdurch die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, welche mit dem neuen Antrag der Beschwerdeführerin vom angesprochen wurde, nämlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe (sowie Erhöhungsbetrag) ab Antragstellung, bezogen auf Zeiträume ab September 2021, (bereits) rechtskräftig entschieden worden ist.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen, dass

(1) sich für das Bundesfinanzgericht die der Bescheinigung des Sozialministeriumservice zugrundeliegenden Gutachten vom 22. (gemeint: 24.) März 2021 und die vom Bundesfinanzgericht angeforderte Ergänzung (erstellt in Form einer Neuerstellung am ) in Bezug auf die Frage, ob eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vorliegt, und bejahendenfalls, wann dieser Umstand eingetreten ist, als schlüssig, erwiesen, wenn unter den gegebenen Umständen der Gutachter den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit 09/2016 feststellt; (2) der Inhalt der auf Basis des Gutachtens vom ausgestellten Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom zu RV/3100448/2020 zu Grunde gelegt worden ist; (3) das Gericht darin zur Annahme gelangt ist, eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liege erst ab September 2016 vor; (4) - schließlich - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Grundbetrages an Familienbeihilfe vom Bundesfinanzgericht im genannten Erkenntnis verneint worden ist, - weshalb auch der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe nicht gewährt werden habe können - und es aus diesem Grund die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA in Ort (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juli 2014 als unbegründet abgewiesen hat,

ergeben sich samt und sonders aus den diesem Gericht vorliegenden Akten, insbesondere aus dem Erkenntnis vom selbst.

Die Feststellung, worüber das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/3100448/2020, abgesprochen hat, ergibt sich aus dessen Spruch und der Auslegung seiner Begründung. Auf welche Weise das Bundesfinanzgericht darin zur Feststellung gelangt ist, eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liege ab September 2016 vor, ist dessen Begründung, vor allem den Überlegungen zum Erkenntnisteil "Sachverhalt und Beweiswürdigung" zu entnehmen.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin am einen Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe in Form des Beih 100-PDF sowie (gleichzeitig) einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung in Form des Beih 3-PDF, jeweils für die Zeit ab einschließlich des Tages der Antragstellung, eingebracht hat, ergibt sich aus diesen, im Akt in Kopie erliegenden und entsprechend ausgefüllten Formularen.

Dieses Gericht hat sich selbst durch Einsicht in den Familienbeihilfeakt der Beschwerdeführerin "im Eigenbezug" vom Ablauf der Ereignisse (Antragstellung etc.) sowie vom Inhalt der relevanten Unterlagen (z. B. Gutachten) überzeugt. Dies gilt ebenso in Bezug auf die weiteren Sachverhaltsfeststellungen zur Begründung von Gutachten sowie zum Ablauf und zur Begründung von Verfahrenshandlungen, soweit sich diese nicht aus dem Verfahrensgang des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Identität der Sache - Entschiedene Sache

A) Entschiedene Sache (i. S. d. § 68 Abs 1 AVG), also Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der in einem neuen Antrag liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (Ritz/Koran, BAO7, § 303 Tz 13 unter Hinweis auf ; ; , 2007/03/0059; , 2010/10/0213; , 2009/11/0059; vgl. schon früher A). Analog zum Bescheid wird in Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend von einer "Unwiederholbarkeit der Entscheidung" eines Verwaltungsgerichtes gesprochen. Ist eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes unwiderrufbar und unanfechtbar geworden, so kann die mit ihr erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden (Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 864, 864 FN 1051 mit Judikaturhinweisen; Hervorhebung durch dieses Gericht).

Zwischen formeller Rechtskraft und materieller Rechtskraft besteht eine enge Verbindung, da die materielle Rechtskraft nur dann in Betracht kommt, wenn die Entscheidung formell rechtskräftig ist (Stoll, BAO-Kommentar, 944, unter Hinweis auf Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 129). Mit Hilfe der Erkenntnisse aus der Zivilprozesslehre wurden in der Folge Grundsätze für die Beurteilung der auf die "entschiedene Sache" zu beziehenden materiellen Rechtskraft und für das damit verbundene Wiederholungsverbot (als Prozeßhindernis), insbesondere als Schranke gegen neuerliche, wiederholende, auf Änderungen abzielende Parteianträge entwickelt. Aus diesem Blickwinkel wird die objektive Grenze der Wirkung der Rechtskraft durch die "entschiedene Sache" selbst bestimmt und an der "Verwaltungssache" (der Verwaltungssache also, die bereits entschieden ist und deren neuerliche Behandlung in Frage steht) gemessen (Stoll, BAO-Kommentar, 944).

Für das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG gilt dabei, dass die Bescheidwirkungen nur in bestimmten objektiven (sachlichen) und subjektiven (persönlichen) Grenzen eintreten (VwSlgNF 9547 A). Diese werden zwar vom AVG nicht ausdrücklich geregelt, doch ergeben sie sich aus dem vom AVG vorausgesetzten Begriff der Rechtskraft (Kolonovits, Muzak, Stöger, Rz 480, 480 FN Rz 375 mit weiteren Literaturhinweisen). Die objektiven Grenzen ergeben sich daraus, dass mit Bescheid über eine bestimmte Verwaltungssache entschieden wird. Diese wird (bereits) dadurch zur entschiedenen Sache. Sie ist durch den angenommenen Sachverhalt in Relation zur angewandten Rechtsvorschrift bestimmt (ebd, Rz 481; Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) Rz 481).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kann die Bedeutung des Begriffes der "Identität der Sache" grundsätzlich mittels der Frage nach der "Identität des Anspruches" erschlossen werden: Identität des Anspruches liegt vor, wenn sowohl das Begehren inhaltlich dasselbe (oder bloß ein quantitatives minus) fordert, was bereits rechtskräftig zuerkannt oder aberkannt wurde, und … die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen den im Vorprozess festgestellten entsprechen (vgl. aus dem Zivilgerichtlichen Verfahrensrecht Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 (1994) Rz 700). Die Rechtskraftwirkung (damit das Wiederholungsverbot) bezieht sich somit auf den Gegenstand des Sachbegehrens beziehungsweise Sachanspruches und erfasst folglich den (damit verknüpften) Inhalt und Entstehungsgrund des rechtskräftig festgelegten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses (Stoll, BAO-Kommentar 944 unter Hinweis auf f).

Angesichts des Umstandes, dass in Familienbeihilfeangelegenheiten gemäß § 13 FLAG ein Bescheid nur insoweit zu erlassen ist, als einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, sind diese Ausführungen nicht etwa nur im Hinblick auf § 26 leg. cit. (vgl. hierzu eingehend Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26, II. Systematik der Auszahlung von FB, Rz 3, sondern vielmehr grundsätzlich mit der einschränkenden Maßgabe zu lesen, dass zwar ein jeder Anspruch, welcher auf dem Gebiet der Familienbeihilfe geltend gemacht wird, naturgemäß auch entschieden wird; ein Anspruch jedoch, welcher in diesem Sinne "positiv entschieden" worden ist, kann damit nicht auch zum Gegenstand eines individuellen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses gemacht werden. Als "negative (Sach-)"Entscheidungen kommen sohin nicht nur Abweisungen, sondern auch Zurückweisungen in Betracht - dieses Ineinander wird insbesondere anhand der "res iudicata" deutlich.

Entschiedene Sache und Familienbeihilfe

B) Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG entnehmen lässt, der Monat (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. (2020), § 13, V. Zu den einzelnen Bescheidmerkmalen, Rz 22). Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe und damit auch der Kinderabsetzbetrag zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Das Bestehen des Familienbeihilfeanspruchs für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. (2020), § 13, V. Zu den einzelnen Bescheidmerkmalen, Rz 23, unter Hinweis insbesondere auf ).

Auf die Familienbeihilfe bezogen hat sich der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0003, mit der Charakteristik zeitraumbezogener Ansprüche und (negativer) Absprüche im Hinblick auf das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache ("res iudicata") auseinandergesetzt und zu diesem Thema insbesondere ausgeführt: "Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa , , , , , , ). Nichts anderes gilt für die Entscheidung über den gemäß § 10 Abs. 1 FLAG gesondert zu beantragenden Erhöhungsbetrag.

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung somit jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert ( unter Hinweis auf und ).

Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird ().

Dies ist sinngemäß für den Fall zu beachten, dass - wie hier - ein Gericht wie das Bundesfinanzgericht die ursprünglich eine Verwaltungsangelegenheit darstellende "Sache" rechtskräftig entschieden hat. Gegen dessen Entscheidung stehen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder (nach Zulassung oder in Gestalt und unter den Voraussetzungen einer außerordentlichen) Revision an den Verwaltungsgerichtshof offen.

Übertragung der Judikatur auf den vorliegenden Fall

C) Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0065 zufolge erstreckt(e) sich der normative Gehalt des im zu Grunde liegenden Ausgangsfall (angefochtenen Berufungs-)Bescheides daher jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides. Die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ausgesprochene Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe wirkt(e) so lange fort, als sich danach die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (zu beachten ist hier freilich, dass jenes Erkenntnis noch nicht im Modell der Zulassungsrevision ergangen war). Dennoch lassen sich die aus ihm und aus dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0003, gewonnenen Leitlinien verallgemeinern und sind mit den genannten Modifikationen auf den gegenständlichen Fall übertragbar. Diese sind:

- Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist hier gegenüber dem mit dem neuen Antrag geltend gemachten Anspruch "erste", nämlich den ersten Antrag der Beschwerdeführerin "ab Juli 2014" rechtskräftig abweisende Entscheidung; für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber der ersten Entscheidung geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung der ersten Entscheidung liegt), liegt durch die(se) erste Entscheidung res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen.

- Die Wirkung der den ersten Antrag der Beschwerdeführerin abweisenden Entscheidung ist nicht mit dem Zeitpunkt deren Erlassung begrenzt; die Entscheidung ist vielmehr solange weiter wirksam und entfaltet die Wirkung einer res iudicata, als sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat. Daran ändert auch die mit Bescheid vorgenommene Rückbeziehung des "neuen Antrages" vom Datum der Antragstellung auf "September 2021" nichts.

- Erstreckt sich der normative Gehalt der Entscheidung (jedenfalls) "bis zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides", so findet darin die Befugnis der Rechtsmittelbehörde ihren konkreten Ausdruck, eine mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmende oder eine diesem gegenüber ("diesen") abändernde Entscheidung zu erlassen. Die anzunehmende Rückwirkung ist daher als eine darauf bezogene oder eigentlich als "Rückbezogenheit" zu verstehen. Wenn in diesem Zusammenhang von "Anfangszeitpunkt" die Rede ist, ist nach Ansicht dieses Gerichtes allerdings der Umstand mit zu bedenken, dass auf dem Gebiet der Familienbeihilfe nur abweisliche Bescheide vorkommen.

Im Lichte dieser Judikatur ist es der Beschwerdeführerin allerdings solange verwehrt, einen neuen Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe sowie auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung mit Wirkung vom Beginn der Antragstellung an zu stellen, als sich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse gegenüber derjenigen Sach- und Rechtslage nicht geändert haben, welche der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über den ersten Antrag zu Grunde liegt, und sich im Übrigen auch das Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.

Rechtskraftbegriff und Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012

D) Im gegenständlichen Fall hatte die Beschwerdeführerin am einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung, jeweils im Eigenbezug, gestellt. Der (nicht zuerkannte) Bezug von Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zu dieser wurde im angefochtenen Zurückweisungsbescheid auf Zeiträume ab September 2021 zurück bezogen. Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid am mit der Begründung abgewiesen, dass bereits mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100448/2020 ein Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Eigenbezug abgewiesen wurde, zurückgewiesen. Im genannten Erkenntnis wurde ihre seinerzeitige Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA in Ort (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe ab Juli 2014 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Nach mittlerweile völlig übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre sind die Rechtskraftwirkungen jedenfalls (auch bei Anfechtung desselben) auf dieses Erkenntnis selbst zu beziehen.

Noch in , wurde davon gesprochen, dass der Zeitpunkt, wann ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach der seit geltenden Rechtslage formell rechtskräftig wird, in der Lehre nicht einheitlich beantwortet werde. So werde die Meinung vertreten, dass der Eintritt der formellen Rechtskraft bereits mit Erlassung des Bescheids durch die Behörde anzunehmen ist. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht (als außerordentliches Rechtsmittel) die Rechtskraft nicht aufzuschieben vermöge. Insoweit entspreche das Verhältnis der Verwaltungsgerichte zu den Verwaltungsbehörden dem bisherigen [Anm: nach der Rechtslage vor dem ] des Verwaltungsgerichtshofs zu den Behörden. Verwaltungsgerichte entschieden nach dieser Ansicht stets über formell rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen (1Ob127/15f mit ausführlichen Hinweisen auf öffentlich-rechtliche Literatur). Allerdings haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vertretene Auffassung, wonach ein Berufungsbescheid an die Stelle des angefochtenen Bescheids trat, für die Rechtslage nach Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit fortgeschrieben. Auch der OGH schloss sich im genannten Judikat dieser Ansicht an und hielt fest, dass sich, wenn bereits ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes vorliegt, nicht mehr die Frage nach der Rechtskraft des bei diesem angefochtenen Bescheids und einer allfälligen Bindung daran stellt, sondern jene nach der Rechtskraft und damit der Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, das an die Stelle des angefochtenen Bescheids getreten ist.

Bindung an die Feststellungen im Vorprozess

E) § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 (der sogenannte "Eigenanspruch") stellt darauf ab, dass die oder der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Es kommt somit weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. ; , VwGH, , 2013/16/0170, und ).

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen ( unter Hinweis auf die Vorjudikatur).

Auf die von der Beschwerdeführerin bereits im vormaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ins Treffen geführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 2 Ob 221/18s war mit Fokus auf die Sache des gegenständlichen Verfahrens primär auf die Thematik der Bindungswirkung des "Vorprozesses" einzugehen; nach ständiger Rechtsprechung bestehe eine Bindungswirkung nur in Bezug auf die im Urteil des Vorprozesses ausgesprochene Rechtsfolge, nicht aber an die dort getroffenen Feststellungen (RS0041285; RS0118570). Für die hier interessierende Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zurückweisungsbescheides ist damit allerdings wenig zu gewinnen, zumal hinter der zitierten Entscheidung des OGH - wie auch hinter dem "parallelen" Judikat zu 2Ob141/98v - das in der Rechtsprechung entwickelte Prinzip steht, wonach Entscheidungselemente, wie Tatsachenfeststellungen und rechtliche Beurteilung, isoliert betrachtet nicht rechtskraftfähig sind (vgl. für den Bereich des AVG auch Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 481). Auch ging im Ausgangsfall dem - dort eigentlich gegenständlichen - Leistungsprozess ein Vorprozess voraus, in dessen Rahmen ein Feststellungsurteil erging, mit dem die Ersatzpflicht des Haftenden festgelegt wird, nicht aber, welche künftigen Schäden von diesem zu ersetzen sind (). Vor diesem Hintergrund zeigt sich die fehlende Vergleichbarkeit mit dem hier konkret vorliegenden Fall.

Gleichwohl erweisen sich die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes, insofern sie für den Fall eines noch nicht erledigten (und damit auch bestreitbaren) Teil eines Anspruches getätigt wurden, verallgemeinerungsfähig und können unter diesem Aspekt auf die aktuelle Fragestellung umgelegt werden. Danach erstreckt sich die Rechtskraft einer Entscheidung nur auf den Teil des Anspruches, über den abgesprochen wurde. Bleibt die Rechtskraft auf den im Spruch entschiedenen Anspruchsteil beschränkt und wird - gestützt auf denselben Anspruchsgrund - ein neuerliches Begehren erhoben, dann kann z. B. die beklagte Partei Einwendungen gegen den noch nicht erledigten Teil des Anspruches vorbringen. Eine Bindung an die Begründung der Vorentscheidung bezüglich des Grundes des Anspruches besteht in diesem Fall nicht; mangels einer materiellen Rechtskraftwirkung ist der Grund des Anspruches neu zu prüfen (RS0041256).

Folgte man dieser - wenngleich zivilgerichtlichen - Judikatur, so bliebe es der Beschwerdeführerin innerhalb der Grenzen materieller Rechtskraft, allerdings ebenso verwehrt, mit einem unverändert gebliebenen Tatsachenvorbringen neuerlich Familienbeihilfe zu beantragen, weil hier die Rechtskraftwirkung weiterbestünde. Denn entgegen dem Fall, welchen der Oberste Gerichtshof zu beurteilen hatte und in dem Leistungs- und Feststellungsinteresse jedenfalls grundsätzlich trennbar sind, wurde hier ein - ungeteilter - Anspruch vollends verneint. Umgekehrt beschränkt sich die rechtskräftige Verneinung des Anspruchs in Form der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auch auf den von diesem Gericht zur Abweisung herangezogenen Sachverhalt.

Rechtskraft und Entschiedene Sache im Zivilgerichtlichen Verfahrensrecht - Rechtskraft und Entschiedene Sache im "Verwaltungsverfahrensrecht"

Erkennbar ist hier der Zusammenhang mit der im Zivilgerichtlichen Verfahrensrecht vertretenen Lehre vom "zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff", der neben dem Klagebegehren (der Rechtsfolgebehauptung) auch den Klagegrund umfasst (Rechberger/Simotta, Rz 252). Letzterer wird dort allerdings als "Tatsachengrundlage des Begehrens" begriffen. So werden die objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft gemäß § 411 ZPO auf den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten "Anspruch" bezogen. Nach der zuvor genannten Theorie wird darunter das Tatsachenvorbringen als rechtserzeugender Sachverhalt (der Klagegrund) in Verbindung mit dem daraus abgeleiteten Klagebegehren verstanden (). Danach konstituieren Klagegrund und Rechtsfolgebehauptung grundsätzlich den "Geltend gemachten Anspruch", über den im Urteil entschieden wurde (vgl. unter Berufung auf Fasching III, 708, 727).

Ein Blick auf die bei Stoll vorkommende Unterscheidung von Sachbegehren und -anspruch (allerdings mit gegenüber dem Zivilprozessrecht etwas abweichendem Verständnis) zeigt nach Ansicht des erkennenden Gerichts jedenfalls auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Relevanz einer weiteren Verhältnisbestimmung, nämlich jener des Gegenstandes behaupteten Anspruchs ("Sachbegehren") und des Gegenstandes entschiedenen Anspruchs ("Sachanspruch"). Sind die Gegenstände deckungsgleich, kann die verwaltungsrechtliche Angelegenheit als entschiedene Sache gelten. Im Wege dieser Unterscheidung wird die jeweilige Reichweite ausgemessen. Reichte allerdings der geltend gemachte Anspruch, sei es sukzessive oder aber in einem, insgesamt "weiter" als derjenige Anspruch(-steil), über den im Urteil entschieden wurde, so konnten auch dieselben Gründe für das "neue" Begehren neu geprüft werden (wie im obigen Fall.

Vom Verwaltungsgerichtshof wird demgegenüber für das Administrativverfahren - so ersichtlich - die Identität von Sachbegehren und Rechtsgrund als (erfüllte) Voraussetzung für eine "res iudicata" judiziert (; judiziert für das Verhältnis "verwaltungsgerichtliches Verfahren" vor dem VwGH - behördliches Administrativverfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012). Sie ist durch den angenommenen Sachverhalt in Relation zur angewandten Rechtsvorschrift bestimmt (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) Rz 481).

An dieser Stelle wird deutlich, dass eine Art "Adoption" und ein darauf folgender Würdigungs- und Subsumtionsakt Besonderheiten ausmachen, welche - wie auch der Grundsatz der Amtswegigkeit in Verbindung mit der vollen Kognition gegenüber der Dispositionsmaxime auch in ihrem Ausdruck in der Limitierung des Zuspruchs - die Initiative der Behörden betonen und nicht zuletzt Auswirkungen auf die Rechtskraft und ihre Begrifflichkeiten haben (welche sich zuletzt durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 von den zivil- und strafprozessualen Begriffen entfernt haben; siehe Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 452). Mit anderen Worten ist die Rechtsanwendung durch Gericht und Behörde und nicht die Bezeichnung des Anspruchs durch die Partei ausschlaggebend. Dem entsprechend sind auch, wenn etwa von "den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen" die Rede ist, damit nicht etwa wie im Falle der "Tatsachengrundlage des Begehrens" zunächst finale Gründe und Tatsachenbehauptungen für das Bestehen eines Anspruchs gemeint, sondern äußere Umstände, welche nach Ansicht des erkennenden Gerichts durchaus im Sinne einer "Sachlage", die das Gericht vorfindet und "wahrzunehmen" hat.

Demgegenüber wird die Frage nach der Identität der vorgebrachten finalen und behaupteten kausalen Gründe in dem von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterium zusammengefasst, dass (ob) sich das "Partei(en)begehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt" (innerhalb dessen ersichtlich nicht weiter zwischen eigentlichem Begehren und dessen Tatsachengrundlage unterschieden wird).

Schließlich könnte gefragt werden, ob auch der Umstand, dass "sich die Sachlage in entscheidungsrelevanter Weise gewandelt" hat () - wie z. B. im Ausgangsfall die Beseitigung einer Unsicherheit, ob ein bestimmtes Ereignis eintreten wird - zu einer "anderen (neuen) Sache" führen kann. Die Wandlung einer Sachlage also, welche zuvor zwar nicht in dem durch die Entscheidung getroffenen Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit gestaltet worden war, wohl aber für diese vorgefunden wurde; die "entscheidungsrelevant" war, ohne deshalb "entschiedene Sache" zu sein, und doch in diesem Sinne auch im Sachverhalt zum Ausdruck gekommen ist, über den abgesprochen wurde. Nach dem grundlegenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 4016/95, zur auf § 68 Abs. 1 AVG bezogenen "res judicata" bleibt diese Möglichkeit jedenfalls bestehen.

Ineinander von Sachidentität und Wiederaufnahme des Verfahrens

F) Vorausgeschickt wird, dass, zumal an den Bestimmungen der §§ 68 und 69 die Rechtskraftwirkungen musterhaft dargestellt werden können, in der Folge immer wieder auch auf diese Bestimmungen des AVG Bezug genommen wird. Wie gezeigt werden wird, unterscheiden sich allerdings die in Betracht zu ziehenden (und damit anzuwendenden) Rechtsvorschriften der BAO in ihren Auswirkungen auf den vorliegenden Fall nicht von den vorgenannten Bestimmungen.

Der Verwaltungsgerichtshof trifft in Bezug auf die §§ 68 und 69 AVG mit Beschluss vom , Ra 2019/20/0104, eine bemerkenswerte Abgrenzung:

"Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht(vgl. 2003/01/0431, m. w. N.). Im Folgeantragsverfahren können somit - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftigabgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. Ra 2014/18/0089). Demnach sind behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst (vgl. Ra 2019/01/0008 bis 0010, m. w. N.; Nachweise bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. (2020), § 13, V. Zu den einzelnen Bescheidmerkmalen Rz 25)." Hervorhebungen durch dieses Gericht.

Hieraus erhellt zunächst der Charakter der Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens als einer Durchbrechung insbesondere des Wiederholungsverbotes, welches wiederum Rechtsfolge in § 68 Abs. 1 AVG ist (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4, 230).

Wiederaufnahme nach den §§ 68 ff. AVG und Wiederaufnahme im Abgabenverfahren

G) Betrachtet man Struktur und Entstehungsgeschichte des § 68 AVG, so wird allerdings deutlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den Bestimmungen der §§ 68 f AVG besteht und dieser Zusammenhang auf Rechtskraftdurchbrechung (wobei diese in der dazu ermächtigenden Bestimmung als Ausnahme formuliert ist) gerichtet ist. Die §§ 69 und 71 sind dabei bereits in § 68 Abs. 1 angelegt. Diese Bestimmung lautet in der auf diese Beurteilung anzuwendenden Fassung (im Zeitpunkt der Entscheidung durch dieses Gericht):

"Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen." Hervorhebungen durch dieses Gericht.

Daraus erhellt zunächst, dass sich die Lehre von der "entschiedenen Sache" oder besser, weil auf das Begehren bezogen, von der "Identität der Sache" aus der Ausdeutung des Begriffes von der "materiellen Rechtskraft" entwickelt hat (für den Bereich des Verwaltungsrechts wurde diese Entwicklung wie in einem Brennpunkt in § 68 AVG gewissermaßen nachgezeichnet; vgl. hierzu Ranacher, Amtswegige Aufhebung und Abänderung von Bescheiden neben und nach dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, ZfV 2015/3, 18f). Diese Schlüsselbestimmung eröffnet auch den "Normenkomplex" der §§ 68ff AVG.

Diese Bestimmungen konnten von Anbeginn an den Kreis von Möglichkeiten der Rechtsgestaltung für die Behörde durch Widerruf- und in der Folge "Wiederholbarkeit" solange nicht erweitern, als die erlassende Behörde an den Bescheid gebunden war, diesen also gar nicht widerrufen durfte (Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 461). Auch zeigt § 68 (deklarativ) auf, welche von diesen Möglichkeiten bei Nichtvorhandensein oder Ausschöpfung von Rechtsmitteln bei der Behörde gesetzlich noch vorgesehen sind (vgl. Thienel, 230).

§ 68 AVG ist dabei allerdings seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 mit der Einschränkung zu lesen, dass für seine Anwendbarkeit verwaltungsinterne Rechtsmittel nicht (mehr) zur Verfügung stehen dürfen. Dies hat zur Konsequenz, dass z. B. die Möglichkeit der Erhebung einer Bescheidbeschwerde kein Hindernis für den Eintritt der "Unanfechtbarkeit" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG mehr bildet (vgl. Kolonovits, Muzak, Stöger, Rz 463).

Diesen Zusammenhang stellt die Bundesabgabenordnung in den einschlägigen §§ 303 ff. nach den Änderungen des Wiederaufnahmerechts durch das FVwGG 2012 von vornherein nicht mehr her. Auch ist nicht mehr Voraussetzung, dass der Bescheid nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann; somit besteht seit der Novellierung der Bestimmung kein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Rechtskraftdurchbrechung (einem Rechtskrafterfordernis) mehr. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wäre für den Bereich des Abgabenverfahrens allerdings als (neuerliches) erstinstanzliches Verfahren zu qualifizieren (eine andere Handhabe bestünde nach dem Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, welches in dessen § 32 eine Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kennt); dem entspricht, dass auch eine Aufhebungs- und (oder) Abänderungsbefugnis "unanfechtbar" gewordener Entscheidungen etwa nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG oder unabhängig von deren Rechtskraft nach § 299 BAO dem Verwaltungsgericht nicht eingeräumt ist.

Vorliegend führt die Anwendung dieser Bestimmung nach der Natur des angesprochenen Tatbestandes bzw. des geltend gemachten Anspruchs für den Bereich des Abgaben- und des Familienbeihilfeverfahrens zu keinem anderen Ergebnis. "Neu hervorgekommen" ist - immer - ein Sachverhalt, der - zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestehend - unter dem Aspekt derselben angewandten Rechtsnorm erst später bekannt wird und eine andere rechtliche Beurteilung nach derselben Rechtsvorschrift ermöglicht. Nur ein solcher neu hervorgekommener Sachverhalt ("nova reperta") kann Anlass einer Wiederaufnahme sein (vgl. ). Diese zentrale Aussage wurde zwar ebenfalls zu § 69 AVG entwickelt, gilt jedoch für den Bereich des Abgabenverfahrens in gleicher Weise.

Solche "neu hervorgekommenen" Tatsachen ändern insbesondere zunächst nichts an der Sachidentität. Dies bedeutet - zuerst - dass diese, in der Diktion des Verfassungsgerichtshofes, "alten" Tatsachen von der Rechtskraft der Entscheidung umfasst sind (vgl. zu der aus der Rechtskraft sich (auch) ergebenden Bindungswirkung und auf die spezielle Konstellation eines Zurückverweisungsbeschlusses bezogen Haas, Zur Bindung an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtes nach § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG; und allgemein bis 0010, m. w. N.).

H) Im vorliegenden Fall könnte der, weil als solcher tatbestandsmäßig umschrieben, notwendig abstrakte Anspruchsgrund in den §§ 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. d sowie 8 Abs. 4 bis 6 und Abs. 7 FLAG nur durch ein solches Faktum verwirklicht worden sein, welches im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - noch unbekannt - schon bestanden hat. Unabhängig davon hatten die Behörden aber Sachidentität anzunehmen, weil sich an dem im "Vorerkenntnis" angenommenen Sachverhalt und auch nicht an seiner rechtlichen Beurteilung (an der Rechtslage) im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über den neuen Antrag eine wesentliche Änderung nicht ergeben hatte ().

Auch kommt es angesichts dessen, dass der unverändert angezogene Anspruchstatbestand nicht "neu" verwirklicht werden kann, auf die Fortgeltung der Abweisungsentscheidung unter diesem Aspekt nicht weiter an.

Spielt sich hingegen die Änderung ausschließlich auf der Ebene der Würdigung der Beweise in der Richtung ab, dass gesagt werden könnte, die entscheidungsrelevanten Fakten seien schon bezogen auf die ursprüngliche Sache andere gewesen, so gilt zwar, wie ausgeführt, dass Tatsachenfeststellungen keine Bindungswirkung entfalten; allerdings handelt es sich bei der Frage, ob der angenommene Sachverhalt unter den Anspruchstatbestand der §§ 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. d sowie 8 Abs. 4 bis 6 und Abs. 7 FLAG subsumiert werden kann, um eine Rechtsfrage. Die Entscheidung spricht ja gerade dadurch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit ab, dass ein bestimmter Sachverhalt rechtlich beurteilt wird. Innerhalb dieser Rechtsprechungstätigkeit, also soweit der Subsumtionsvorgang reicht - und zwar unabhängig vom Gelingen des Aktes der Subsumtion und damit letztlich auch unabhängig vom Ausgang der Sache selbst -, herrscht gewissermaßen auch "entschiedene Sache". Dies gilt wie gesagt auch dann, wenn in Auseinandersetzung mit dem Parteienbegehren und auf Basis eines Gutachtens erheblich scheinende Tatsachen erörtert, jedoch nicht als erwiesen angenommen wurden.

Mit Erkenntnis vom , 2009/13/0062, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in einer Familienbeihilfenangelegenheit mit den Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter dem Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 1 lit. b BAO auseinandergesetzt. Demnach komme es zu dem mit § 303 Abs. 1 lit. b BAO in Bezug auf die im vorliegenden Fall strittige Frage vergleichbaren Neuerungstatbestand des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bei neu entstandenen Beweismitteln darauf an, ob sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen ( … ).

Wurde nunmehr ein Anbringen zumindest implizit damit begründet, der Tatbestand sei "in Wahrheit verwirklicht" worden, scheint allerdings fraglich, ob eine (bloß) abweichende Deutung so genannter "alter" Tatsachen bereits dafür ausreicht, einen Wiederaufnahmegrund anzunehmen. Dagegen spricht die Konkretisierung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach - im Ausgangsfall - für die Eignung als Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Bedeutung erachtet wurde, "dass in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten nicht etwa nur aus früheren Befunden andere Schlussfolgerungen als von den früheren Gutachtern gezogen wurde, sondern das neue Gutachten auf den Ergebnissen einer neuen Befundaufnahme beruhte und - wie zu ergänzen wäre - diese zu neuen Befundergebnissen geführt hat, welche nach VwGH einen Wiederaufnahmegrund darstellen können (vgl. m. w. N.).

Im Zusammenhang damit stellt sich aber auch die Frage, was mit "unter dem Aspekt derselben angewandten Rechtsnorm erst später bekannt wird" gemeint ist. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts wird man darunter das nachträgliche Gelingen des Subsumtionsakts zu verstehen haben, dass also im gegenständlichen Fall der in § 6 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit d) FLAG in jener Fassung, welche im abgeschlossenen Verfahren zur Anwendung gelangt wäre, ausgeführte Anspruchstatbestand (mit Stoll: "Sachanspruch") durch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres der während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befindet, tatsächlich erfüllt gewesen ist.

Zusammenfassung und Hinweis

Rechtfertigten wesentlich geänderte Tatsachen die Stellung des "neuen Antrag" (vgl. hierzu ), wäre eine von der entschiedenen Sache verschiedene Sache gegeben, welche daher einem bescheidförmigen materiellen Abspruch zugänglich wird. Schon vor dem in der neuen Entscheidung getroffenen Abspruch wäre aber das Vorerkenntnis bezogen auf die von der res iudicata verschiedene Sache "normlos" bzw. "seiner Wirkungen entkleidet".

All dies ist jedoch gegenständlich nicht der Fall, zumal gemessen an Rechtslage, Sachlage und Parteienbegehren die Sachidentität bis dato nicht verloren ging (vgl. Hengstschläger, Identität der Sach- und Rechtslage als Kriterien der materiellen Rechtskraft, in: Bammer/Holzinger/Vogl/Wenda (Hrsg.) Rechtsschutz gestern - heute - morgen (2008) 195ff (195)).

Der gestellte "neue Antrag", in dem ein neuer Anspruchsgrund nicht angezogen wurde, erwies sich jedenfalls nicht geeignet, eine von der Rechtskraft nicht erfasste und daher einem (neuen) materiellen Abspruch zugängliche Sache zu konstituieren, hat doch dieses Begehren den ursprünglichen Antrag nur hinsichtlich seiner zeitlichen Wirkungen überlagert.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis: Wenn die Beschwerdeführerin daher - zusammengefasst - versucht, allfällige Widersprüche im Gutachten selbst aufzuzeigen und dessen Schlussfolgerungen zu erschüttern, versteht das Gericht ihr dahinterstehendes Anliegen so, dass damit Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit dieses Beweismittels angegriffen werden sollen; sie müsste dies allerdings mittels der dafür vorgesehenen Verfahrenstitel und unter den dort genannten Voraussetzungen tun (die da unter anderem wären, dass einem neuen Gutachten die Eignung zukäme, ein Wiederaufnahmsgrund zu sein).

Die Abgabenbehörde war in dem diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorangegangenen Verfahren, welches in die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung mündete, verpflichtet, sich nur in dem Maße "in die Sache" einzulassen, als dies zur Entscheidung der limitierten verwaltungsrechtlichen Angelegenheit (=Rechtmäßigkeit eines Zurückweisungsbescheides wegen entschiedener Sache) unbedingt erforderlich war. Dies gilt im Übrigen für dieses Gericht in gleicher Weise. Dessen ungeachtet sieht sich das Verwaltungsgericht veranlasst, die Beschwerdeführerin abschließend darüber in Kenntnis zu setzen, dass als grundsätzlich in Betracht kommendes außerordentliches Rechtsmittel in Bezug auf das verwaltungsgerichtliche Vorerkenntnis ein Antrag auf Wiederaufnahme des durch die Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens durch die Abgabenbehörde verbliebe; dies mit dem Spezifikum, dass im Falle deren Bewilligung (oder auch Verfügung) Gegenstand der Aufhebung auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts (§ 279) sein könnte. Gemäß § 93a Satz 2 BAO obliegen nämlich - unter anderem - Maßnahmen gemäß § 303 auch dann der Abgabenbehörde, wenn sie solche Erkenntnisse betreffen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 307 Anm 3).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die vorliegende Rechtsfrage, ob rechtskräftig entschiedene Sache gegeben ist, konnte anhand und entlang der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst werden. Daher weicht vorliegendes Erkenntnis insbesondere nicht von dieser Rechtsprechung ab.

Innsbruck, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100145.2023

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