Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.04.2024, RV/7100638/2024

Pflichtveranlagung bei unberechtigter Berücksichtigung von AEAB und Familienbonus Plus

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, diese vertreten durch Felfernig Rechtsanwalt GmbH, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, dieses vertreten durch ***AV1***, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, ergangen zu Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 45.971,25 (Lohnzettel Kz 210).

Aktenkundig ist, dass die Bf Mutter einer Tochter (*M* *N*, geb. am XX.7.2002) ist, für welche sie bis Oktober 2021 Familienbeihilfe nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) bezog.

Die Bf war im Streitjahr bei der Firma ***Fa1*** Austria GmbH beschäftigt. Im Zuge der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigte der Dienstgeber der Bf den Alleinerzieherabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus jeweils für ein Kind (Oz 8; Lohnzettelauskunft L 16 für 2022, der Finanzbehörde per ELDA am übermittelt).

Aufgrund des Umstandes, dass die Bf im Streitjahr keine Familienbeihilfe für ihre Tochter mehr bezog - derartige Leistungen wurden, wie ausgeführt, mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen im Oktober 2021 eingestellt - teilte das Finanzamt der Bf mit Schreiben vom mit, dass nunmehr ein Pflichtveranlagungstatbestand vorliege. Gleichzeitig forderte die Behörde die Bf auf, eine entsprechende Steuererklärung einzureichen.

In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2022, beim Finanzamt elektronisch eingereicht am , wurden agB für Tochter *M* ohne Anrechnung eines Selbstbehaltes iHv € 2.900.00 beantragt.

Der am ergangenen Einkommensteuerbescheid führte zu einer Abgabennachforderung in Höhe von € 915,00. Eine nähere Begründung über die Zusammensetzung des Nachforderungsbetrages ist darin nicht enthalten. Ausführt wurde, dass die agB unter dem Selbstbehalt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von € 4.430,29 falle und daher nicht steuerwirksam werde.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde führte der Rechtsvertreter aus, dass der nämliche Bescheid keine wie immer geartete Begründung in Bezug auf die Nachforderung enthalte. Offen bleibe auch der Umstand, weshalb der Dienstgeber (***Fa1*** GmbH) lediglich einen Betrag von € 4.768,42 (anrechenbare Lohnsteuer laut Lohnzettel-Kz 260) an Lohnsteuer abgeführt habe. Dem bekämpften Bescheid liege ein mangelhaft abgeführtes Verfahren zugrunde; zudem leide dieser an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die Bf beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die ersatzlose Streichung der ausgewiesenen Steuernachforderung, in eventu die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet ab.

In der Bescheidbegründung führte diese wörtlich aus:

"Jede Veranlagung gemäß § 41 EStG 1988 setzt voraus, dass im Einkommen Einkünfte enthalten sind, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen ist. Die Veranlagung zur Einkommensteuer bei Bestehen der Lohnsteuerpflicht erfolgt gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 als Pflichtveranlagung und gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 auf Antrag des Steuerpflichtigen.

Bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ist in den folgenden Fällen ein Pflichtveranlagungstatbestand für das jeweilige Kalenderjahr gegeben:

o wenn der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt wurde, jedoch die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind

o wenn ein Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen gar nicht vorlagen oder wenn ein nicht zustehender Betrag berücksichtigt wurde.

Alleinerzieher ist eine Person, die mit mindestens einem Kind gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe) Partner lebt.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag mit einem Kind wurde bei der laufenden Lohnverrechnung (Firma ***Fa1***) steuermindernd berücksichtigt. Da Sie im Kalenderjahr 2022 für Ihre Tochter *M* keine Familienbeihilfe bezogen haben, somit die Voraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht erfüllen, wurde dieser im Zuge der Pflichtveranlagung rückgefordert.

Der Familienbonus Plus steht unbeschränkt Steuerpflichtigen für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 gewährt wird. Da der Familienbonus ebenfalls bei der laufenden Lohnverrechnung steuermindernd berücksichtigt wurde, obwohl kein Kind für das Familienbeihilfe im Kalenderjahr 2022 vorhanden war, ist dieser auch im Zuge der Pflichtveranlagung rückzufordern.

Die sich daher ergebende Nachforderung ist zu Recht. (..)"

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Vorlage ihres Rechtsmittels an das Verwaltungsgericht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vor und führte in seinem Vorlagebericht vom zum Punkt "Stellungnahme" Folgendes aus:

"Die Bf hat den Arbeitgeber offensichtlich nicht informiert, dass die Voraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Familienbonus Plus ab 2022 bei ihr nicht mehr vorliegen, weshalb dieser diese Absetzbeträge bei der Gehaltsverrechnung berücksichtigt hat.

Mit dem Formular E 31 an den Arbeitgeber - Meldung über den

1. Wegfall des Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrages / erhöhten Pensionistenabsetzbetrages
2. Wegfall bzw. Änderungen beim Familienbonus Plus
3. ....

hätte die Bf ihren Arbeitgeber zu informieren gehabt.

Da dies nicht erfolgt ist, waren diese Beträge im Rahmen einer Pflichtveranlagung 2022 vom Finanzamt nachzuversteuern.

Wie in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, hatte die Bf 2022 kein Kind mehr, für das Familienbeihilfe bezogen wurde (Einstellung mit 10/2021). Daher stehen weder der Alleinerzieherabsetzbetrag noch der Familienbonus Plus, die vom Arbeitgeber 2022 steuermindernd berücksichtigt wurden, zu. Die Nachforderung im Rahmen der Veranlagung 2022 erfolgte im Sinne des § 41(1) 5. und 12. EStG daher zu Recht."

Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Arbeitgeber der Bf berücksichtigte bei der Lohnverrechnung für das Jahr 2022 den Alleinerzieherabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus. Dies geht aus den der Finanzbehörde von Seiten der Fa. ***Fa1*** GmbH (Dienstgeber der Bf) im ELDA-Verfahren übermittelten Lohnzetteldaten in eindeutiger Weise hervor.

Fakt ist, dass die Bf für ihre Tochter *M* nur bis Oktober 2021 Familienbeihilfe bezogen hatte. Der Dienstgeber der Bf hatte bei der Lohnverrechnung offensichtlich keine Kenntnis von diesem Umstand.

Im Zuge der durchgeführten Pflichtveranlagung berechnete das Finanzamt die Steuerlast bei unveränderter Steuerbemessungsgrundlage (der eingemeldete im Form. L 16 ausgewiesene Betrag von 31.522,65, Kz 245, wurde unverändert übernommen) ohne Ansatz von AEAB und Familienbonus Plus. Dies führte zu der bescheidmäßig ausgewiesenen Abgabennachforderung.

In Streit steht nunmehr, ob das Vorgehen der Behörde gesetzlich gedeckt und richtig ist.

2. Beweiswürdigung

Das Gericht legt seiner Entscheidung die Akten des Behördenverfahrens (Oz 1 bis 14), welche auch das Beschwerdevorbringen und die Stellungnahme der belangten Behörde beinhalten, zugrunde.

3. Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmung des § 41 Abs.1 EStG 1988 legt jene Voraussetzungen fest, unten denen eine Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften vorzunehmen ist (sog. "Pflichtveranlagung").

Gemäß dieser Bestimmung ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn
(..)
5. der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 und Z 11 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.
(..)
12. der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3 Art berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen oder wenn sich ergibt, dass ein nicht zustehender Betrag berücksichtigt wurde.

Anspruchsvoraussetzungen für den Alleinerzieherabsetzbetrag:

Als alleinerziehend gelten Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 EStG 1988) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in der Gemeinschaft mit einem (Ehe) Partner leben. Der Alleinerzieherabsetzbetrag beträgt ebenso wie der Alleinverdienerabsetzbetrag für das Jahr 2022 bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) € 494,00 (§ 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988).

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 gelten als Kinder Personen, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe) Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 leg.cit. zusteht.

Ein Kinderabsetzbetrag steht Steuerpflichtigen, denen aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe in Höhe von Euro 58,40 für jedes Kind zu (§ 33 Abs. 3 EStG).

Daraus ergibt sich, dass der Begriff des "Kindes" an den Bezug der Familienbeihilfe gekoppelt ist. Da im vorliegenden Fall die Tochter der Bf im Streitjahr die Voraussetzungen für den Kinderbegriff gemäß § 106 Abs. 1 EStG nicht mehr erfüllt, war der im Zuge der Lohnverrechnung berücksichtigte Alleinerzieherabsetzbetrag für 2022 zu Unrecht gewährt worden. Dieser war daher im Zuge einer Pflichtveranlagung rückgängig zu machen bzw. zu egalisieren.

Anspruchsvoraussetzungen für den Familienbonus Plus:

In Bezug auf den Familienbonus Plus normiert § 33 Abs. 3a EStG 1988:

"Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 166,68 Euro,
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 54,18 Euro.(..)"

Wie sich aus der Gesetzeslage zweifelsfrei ergibt, ist auch der Bezug des Familienbonus Plus an den Bezug der Familienbeihilfe für das jeweilige Kind geknüpft.

Da im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin keine Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz für ihre Tochter im Streitjahr erhalten hatte, war der im Zuge der Lohnverrechnung berücksichtigte Familienbonus Plus (€ 650,16) im Wege der Veranlagung rückgängig zu machen.

Weshalb vom Dienstgeber Lohnsteuer in Gesamthöhe von (lediglich) € 4.768,42 (Kz 260 anrechenbare Lohnsteuer) einbehalten und abgeführt wurde, lässt sich mit der Berücksichtigung des in die Lohnverrechnung eingearbeiteten AEAB sowie Familienbonus Plus erklären.

Das Finanzamt hat ohne Abänderung der Steuerbemessungsgrundlage (Lohnzettel-Kz 245) die Tarifsteuer nach § 33 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt und von der sich daraus ergebenden Steuerlast den Verkehrsabsetzbetrag in Abzug gebracht. Diese Zwischensumme wurde um jenen Steuerbetrag, der sich aus der Versteuerung mit festen Sätzen nach § 67 Abs. 1 EStG 1988 ergibt, erhöht. Die mit festen Sätzen zu versteuernde sonstigen Bezüge (€ 5.528,43) wurden ebenso ohne Änderung aus den übermittelten Lohnzetteldaten übernommen.

Das Finanzamt holte die im angefochtenen Bescheid fehlende Begründung in ihrer Beschwerdevorentscheidung nach. Damit gilt der dem Erstbescheid anhaftende verfahrensrechtliche Mangel als saniert.

Begründung nach § 25a Abs. 1 VwGG

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die für eine Revision genannten Voraussetzungen liegen gegenständlich allesamt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100638.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at