Rückforderung Familienbeihilfe - Studienwechsel nach dem 3. Studiensemester
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache Mag.a ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dkfm. Freund & Partner Steuerberater GmbH, 1010 Wien, Schellinggasse 3/11, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für
***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum 10/2020 - 02/2022 und
***3***, geb. ***4***, für den Zeitraum 10/2020 - 03/2021,
Ordnungsbegriff ***5***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte mit die Weitergewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1***, weil er das Bachelorstudium der Molekularen Biotechnologie an der FH Wien weiter fortsetzen werde. Dem Antrag beigelegt war die Inskriptionsbestätigung für das WS 2019/20.
Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge wurden in der Folge vom Finanzamt (FA) der Bf. ausbezahlt.
Am teilte die Bf. mit, dass Sohn ***1*** das Studium an der FH Wien Molekulare Biotechnologie im WS 2019/20 abgebrochen habe, es sei daher keine Familienbeihilfe mehr zu überweisen. Beigelegt wurde die Austrittsbestätigung des FH Campus Wien. Darin heißt es:
"Wir bestätigen, dass Herr ***1***, geb. ***2***, seit das FH-Bachelorstudium "Molekulare Biotechnologie" in Tagesform besucht hat. Herr ***1*** hat das 3. Semester positiv abgeschlossen und beendete das Studium im 4. Semester mit ".
Beigelegt war die Abschrift der Studiendaten.
In Beantwortung des Anspruchsüberprüfungsschreibens vom übermittelte die Bf. am für ***1*** die Studienergebnisse für das Bachelorstudium Grafik- und Informationsdesign der Privatuniversität St. Pölten (1. Semester), die Studienbesuchsbestätigung für das SS 2021 (2. Semester) und die Inskriptionsbestätigung 2021 der Privatuniversität St. Pölten. Weiters wurde die Studienbestätigung sowie das Sammelzeugnis der Universität Wien für ***3*** übermittelt.
In Beantwortung eines weiteren Ergänzungsersuchens vom , in dem es um die Haushaltszugehörigkeit von ***1*** ging, teilte die Bf. mit, dass ihre monatliche Unterhaltsleistung € 150,00, jene des Vaters € 300,00 betrage. Die anteiligen Lebenserhaltungskosten betragen € 900,00.
In der Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom ist als Anspruchsende für ***1*** 05/2021 und für ***3*** 03/2021 ausgewiesen.
Mit erfolgte erneut eine Anspruchsüberprüfung durch das FA. Nach Fristverlängerung übermittelte die Bf. am den Erfolgsnachweis für ***1*** der Privatuniversität St. Pölten für das WS 2021/22, die Studienbesuchsbestätigung für das WS 2021/22 (3. Semester) sowie die Inskriptionsbestätigung.
Nach Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe übermittelte das FA die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom . Darin ist u.a. ausgewiesen, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für ***1*** bis 02/2020 gegeben war.
Am erließ das FA den Rückforderungsbescheid. Im Einzelnen wurde für ***1*** die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für 10/2020 - 02/2022 und für ***3*** die Familienbeihilfe für 10/2020 - 03/2021 rückgefordert. Insgesamt wurden € 3.884,70 rückgefordert. In seiner Begründung verwies das FA auf die §§ 26 FLAG 1967 und 17 StudFG 1992.
Zu ***1*** führte das FA aus: "Ihr Sohn ***1*** war vom Wintersemester 2017/18 bis zum Wintersemester 2019/20 im Bachelorstudium Biotechnologie gemeldet. Mit Wintersemester 2020/21 wechselte er auf das Bachelorstudium Grafik- und Informationsdesign.
Da er einen Studienwechsel nach dem 3. gemeldeten Semester vorgenommen hat, bestand ab dem Wintersemester 2020/21 kein Anspruch mehr auf Familienbeihilfe."
Zu ***3*** wurde ausgeführt, dass im Rückforderungsbetrag die anteilige Geschwisterstaffel enthalten gewesen sei, die nunmehr auch zurückzufordern war.
Die Bf. erhob am über ihre Vertretung Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid.
Im Einzelnen wurde ausgeführt:
"Am wurde auf Aufforderung des Finanzamtes die Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe ordnungsgemäß ausgefüllt und an das Finanzamt versendet. Im Zuge dieser Überprüfung wurde dem Finanzamt der Wechsel des Studiums nach dem 3-ten Semester bekanntgegeben. Ein darauffolgendes Ergänzungsansuchen vom wurde ebenso beantwortet, woraufhin mittels Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom , die Familienbeihilfe bis Mai 2021 gewährt wurde.
Am wurde nach einem Telefonat mit dem zuständigen Finanzamt ein neuer Antrag auf Familienbeihilfe eingebracht und wurde die Familienbeihilfe mittels Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom bis Februar 2022 gewährt.
Aufgrund der Mitteilungen des Finanzamtes steht die Familienbeihilfe bis 02/2022 zu und beantragen wir die Aussetzung der Einhebung des Rückforderungsbetrages bis zu Entscheidung über unsere Beschwerde.
Überdies hat der Empfänger der Familienbeihilfe die zugeflossenen Gelder in gutem Glauben verausgabt, weshalb wir in eventu, sollte der Beschwerde nicht stattgegeben werden, gemäß § 236 BAO den Antrag auf Nachsicht stellen, das der Familienbeihilfenbezieher, wie bereits oben erwähnt, die ihm zugeflossenen Gelder gutgläubig verausgabt hat und aufgrund seiner Verpflichtungen im Studium keine Möglichkeit hat, die von ihm geforderten Gelder ins Verdienen zu bringen, um diese zurückzuüberweisen."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde ab. Unter Verweis auf § 17 StudFG führte es aus:
"Ihr Sohn ***1*** hat sein Studium der Molekularen Biotechnologie mit Wintersemester 2016 nach Ablegung der Matura als ordentlich Studierender aufgenommen. Mit bis leistete er seinen ordentlichen Präsenzdienst ab. Die Familienbeihilfe wurde mit Jänner 2017 eingestellt. Mit Oktober 2017 war er wieder als ordentlich Studierender in diesem Studium gemeldet, wo er Prüfungen ablegte, die zu einer Verlängerung der Familienbeihilfe führten. Im Sommersemester 2019 ließ sich ***1*** vom Studium beurlauben. In der Zeit März bis August 2019 wurde daher keine Familienbeihilfe gewährt.
Mit Oktober 2019 hat er dieses Studium bis Februar 2020 fortgesetzt. Mit Schreiben vom geben Sie den Abbruch des Studiums Molekulare Biotechnologie im 3.Semester bekannt. Wobei, wie in der unten angeführten Aufstellung ersichtlich der Abbruch im 4. Semester erfolgte.
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WS 2016/17 | FH Molekulare Biotechnologie | 1.Semester - wird nicht gezählt |
SS 2017 | Präsenzdienst (09.01.- ) | Semester wird nicht gezählt |
WS 2017/18 | FH Molekulare Biotechnologie | 1.Semester - wird gezählt |
SS 2018 | FH Molekulare Biotechnologie | 2. Semester - wird gezählt |
WS 2018/19 | FH Molekulare Biotechnologie | 3. Semester - wird gezählt |
SS 2019 | beurlaubt | wird nicht gezählt - keine FB |
WS 2019/20 | FH Molekulare Biotechnologie | 4. Semester - wird gezählt |
Im Oktober 2020 hat ihr Sohn, ohne sein Studium der Molekularen Biotechnologie an der Fachhochschule abzuschließen, ein Bachelorstudium Grafik- und Informationsdesign an der Privatuniversität St. Pölten begonnen.
Das vor seinem Präsenzdienst begonnene Semester sowie das beurlaubte Sommersemester 2019 sind in die Zeit des beihilfenschädlicheren Studienwechsels nicht einzurechnen, sodass der beihilfenschädliche Studienwechsel nach 4 Semester erfolgte. Aufgrund der obenzitierten Gesetzesstelle ist im neuen Studium die Wartezeit somit 4 Semester. Unter der Voraussetzung, dass die weiteren Anspruchsbedingungen vorliegen, lebt der Anspruch mit Oktober 2022 wieder auf.
Auch wenn bei der Überprüfung des Anspruches, der beihilfenschädliche Studienwechsel seitens des Finanzamtes nicht unmittelbar erkannt wurde, besteht im beschwerdegegenständlichen Zeitraum kein Anspruch und war die Familienbeihilfe rückzufordern."
Am beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Im Wesentlichen wiederholte die Bf. ihre Beschwerdeausführungen und ergänzte diese wie folgt:
"Zusätzlich wurde dem Finanzamt am die Austrittsbestätigung des FH Campus Wien übermittelt, in welcher ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Familienbeihilfenbezieher das Studium im 4. Semester mit beendete.
Dem Finanzamt wurde der Studienabbruch und der gleichzeitige Studienwechsel unmittelbar und unmissverständlich sowie fristgerecht gemeldet. Dennoch wurde die Familienbeihilfe gewährt.
Aufgrund der Mitteilungen des Finanzamtes steht die Familienbeihilfe bis 02/2022 zu und beantragen wir die Aussetzung der Einhebung des Rückforderungsbetrages bis zur Entscheidung über unsere Beschwerde.
Überdies hat der Empfänger der Familienbeihilfe die zugeflossenen Gelder in gutem Glauben verausgabt. Im guten Glauben deshalb, da dem Finanzamt, wie bereits oben dargestellt und erwähnt, sämtliche Umstände unmittelbar, unmissverständlich und fristgerecht mitgeteilt wurden. Weshalb wir in eventu sollte der Beschwerde nicht stattgegeben werden, gem. § 236 BAO den Antrag auf Nachsicht stellen, da der Familienbeihilfenbezieher, wie bereits oben erwähnt, die ihm zugeflossenen Gelder gutgläubig verausgabt hat und aufgrund seiner Verpflichtungen im Studium keine Möglichkeit hat, die von ihm geforderten Gelder ins Verdienen zu bringen, um diese zurückzuüberweisen.
Auf den gem. § 236 BAO gestellten Antrag wurde im Übrigen gar nicht eingegangen und wollen wir nochmals auf die Unmöglichkeit der Rückzahlung hinweisen, da die zugeflossenen Gelder verausgabt wurden und aufgrund des derzeitigen Studiums keine Möglichkeit besteht diese zurückzuzahlen, insbesondere auch deshalb, weil sich die Lebenshaltungskosten in den letzten Monaten dramatisch erhöht haben."
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn der Bf., ***1***, inskribierte mit WS 2016/17 das Bachelorstudium Molekulare Biotechnologie in Tagesform an der FH Campus Wien.
In der Zeit vom - absolvierte er den Präsenzdienst.
Mit Beginn des WS 2017/18 setze er das BA Studium Molekulare Biotechnologie fort. Er betrieb dieses Studium im SS 2018 und WS 2018/19. Im SS 2019 war ***1*** aufgrund des Präsenzdienstes vom - beurlaubt.
Im WS 2019/20 setzte der das Studium der Molekularen Biotechnologie fort.
Mit brach er das Studium ab.
Mit WS 2020/21 begann er das Bachelorstudium Grafik- und Informationsdesign an der Privatuniversität St. Pölten. Dieses Studium betrieb er - soweit aktenkundig - auch im SS 2021 und WS 2021/22.
Die Bf. bezog für ihren Sohn ***1*** die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge und für Sohn ***3*** die "Geschwisterstaffel".
2. Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 lautet:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester… Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Studienwechsel
§ 17 Studienförderungsgesetz lautet:
(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem dritten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
Nach § 8 Abs. 3 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind ab , wenn sie für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
§ 26 FLAG 1967 ist gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 letzter Satz auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung:
Das Familienlastenausgleichsgesetz sieht als allgemeine Kriterien für den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind einerseits dessen Alter und andererseits das Kindschaftsverhältnis vor.
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben u.a. Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die sich in Berufsausbildung befinden, wobei auch ein Studium - bei entsprechendem Studienerfolg - als Berufsausbildung den Familienbeihilfenanspruch begründet.
Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel iSd § 17 StudFG vor, wenn die/der Studierende das von ihr/ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt ( mwN).
Mit einem Wechsel zu einer anderen Studienrichtung liegt ein Studienwechsel iSd § 17 StudFG vor, wenn die Studierende das begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt (vgl. zB , ).
Unstrittig ist, dass der Sohn der Bf. im Oktober 2020 - nach vier absolvierten Semestern des Studiums Molekulare Biotechnologie an der FH Campus Wien - zum Bachelorstudium Grafik- und Informationsdesign auf die PU St. Pölten gewechselt hat. Dieser Studienwechsel fällt somit unter § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG 1992. Das FA durfte daher davon ausgehen, dass der Studienwechsel nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 iVm § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG 1992 dem Familienbeihilfenanspruch entgegenstand.
Nach § 17 Abs. 3 StudFG ist ein Studienwechsel iSd Abs. 1 Z 2 nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben ("Wartezeit").
Zu den Vorbringen der Bf., dass sie den Aufforderungen des FA auf Überprüfung des Anspruches immer nachgekommen sei, dass sie die Austrittsbestätigung des FH Campus Wien zeitgerecht übermittelt und den Studienabbruch und Studienwechsel fristgerecht gemeldet habe und sie auf Grund der daraufhin erfolgten Mitteilungen davon ausgegangen sei, dass die Auszahlung rechtens gewesen sei, wird Folgendes dargelegt:
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ).
Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. ; ).
Einer Rückforderung steht weder entgegen, wenn es aufgrund einer unrichtigen bzw. unvollständigen Würdigung des Sachverhaltes zu einer weiteren Auszahlung der Familienbeihilfe durch das Finanzamt gekommen ist und es steht einer Rückforderung auch nicht entgegen, wenn der Bezieher der Familienbeihilfe auf Grund des vom Finanzamt erzeugten Anscheins (Mitteilung über die Weitergewährung der Familienbeihilfe) und Weitergewährung der Familienbeihilfe davon ausging, dass Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Auszahlungszeitraum zusteht.
Aus dem Vorbringen der Bf., dass "aufgrund des derzeitigen Studiums keine Möglichkeit besteht, die zugeflossenen Gelder zurückzuzahlen", ist ersichtlich, dass sie davon ausgeht, dass ihr Sohn die Familienbeihilfe zurückzuzahlen hat. Dies trifft aber nicht zu: Gibt nämlich ein Beihilfenbezieher ein Bankkonto an, auf das die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) vom FA überwiesen werden soll, sind Auszahlungen auf dieses Konto dem Beihilfenbezieher zuzurechnen, auch wenn der Kontoinhaber ein Dritter ist (vgl. uvam.).
Da für ***1*** gemäß den obigen Ausführungen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2020 bis 02/2022 nicht zustand, verringert sich auch für ***3*** für den Zeitraum 10/2020 - 03/2021 der Betrag der zustehenden "Geschwisterstaffel" (§ 8 Abs. 3 FLAG 1967).
Soweit die Bf. Bezug auf den Antrag auf Nachsicht (§ 236 BAO) nimmt, sei darauf hingewiesen, dass dieser Antrag zuständigkeitshalber vom FA zu behandeln ist.
Aus den angeführten Gründen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die im gegenständlichen Fall zu klärende Rechtsfrage des Anspruches auf Gewährung von Familienbeihilfe im Falle eines Studienwechsels nach dem dritten Studiensemester im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. bsp. , ) entschieden wurde und sich somit auch die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Beträge als rechtmäßig erweist, liegen die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 66 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 § 8 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 17 Abs. 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 25 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953 § 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100330.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at