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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2024, RV/5100178/2024

Familienbeihilfe; Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht bescheinigt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch den Erwachsenenvertreter ***EV***, betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff ***OB***, über
1. ) die Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab September 2021" sowie
2.) die Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für die Zeiträume "ab September 2016"
zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit den Formblättern Beih 100 und Beih 3 vom beantragte die Beschwerdeführer (Bf.) die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung".
Als erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung gab sie "Schizophrenie, Hörgeschädigt" an.

Das Finanzamt veranlasste eine Untersuchung der Bf. durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) und wies die Anträge nach Vorliegen eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom , VOB: ***1***, mit Bescheid vom für die Zeiträume ab September 2021 ab.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass laut dem vorliegenden Gutachten ein Grad der Behinderung von 50 v.H. seit bestehe und eine seit vorliegende voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei. Da die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit nach der Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt worden sei, bestehe weder ein Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt nach Einholung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung (Aktengutachten vom , VOB: ***2***) in der Folge mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Dies sinngemäß mit der Begründung, dass auch nach den Feststellungen des Zweitgutachtens vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf. erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei und daher weder ein Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bestehe.
Diese Beschwerdevorentscheidung blieb unangefochten.

Mit den am beim Finanzamt eingelangten Formblättern Beih 100 und Beih 3 beantragte die Bf. in weiterer Folge neuerlich die Zuerkennung der Familienbeihilfe und "ab 11/1995" die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe.
Als erhebliche Behinderung bzw. Erkrankung gab sie "Schwerhörigkeit bzw. Taubheit ab der Kindheit" an.

Mit dem hier erstangefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für die Zeiträume "ab September 2016" ab.
In der Bescheidbegründung wurde die Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) zitiert und sinngemäß angeführt, dass für die Bf. zwar ein Grad der Behinderung von 50% und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nachgewiesen worden sei, die dauernde Erwerbsunfähigkeit jedoch erst nach Vollendung des 21. bzw. 25. Lebensjahres eingetreten sei.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag Bf. vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe mit der Begründung zurück, dass über den Antrag mit Abweisungsbescheid vom sowie mit Beschwerdevorentscheidung vom bereits rechtskräftig entschieden worden sei.

In der Folge wies das Finanzamt auch die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidungen vom und als unbegründet ab.

Zur Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid führte die Behörde nach Anführung der Bestimmungen des § 8 Abs. 4 bis 6 FLAG 1967 zusammengefasst aus, dass in drei näher angeführten Bescheinigungen des Sozialministeriumservice eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung des 18. bzw. 21. Lebensjahres nachgewiesen worden sei und daher für die Bf. kein Anspruch auf Familienbeihilfe sowie auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung bestehe.

Zur Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid führte die Behörde an, dass über den strittigen Zeitraum bereits mit Abweisungsbescheid vom sowie mit Beschwerdevorentscheidung vom rechtskräftig abgesprochen worden sei. Gegen die Beschwerdevorentscheidung sei kein Rechtsmittel erhoben worden. Es habe sich die den Bescheiden zugrundeliegende Rechtslage nicht geändert und es seien auch keine neuen Tatsachen hervorgekommen. Es werde daher auf die Begründungen des Abweisungsbescheides vom sowie der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Mit Schriftsatz vom wurde in der Folge beantragt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
Der mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom bestellte gerichtliche Erwachsenenvertreter der Bf. brachte darin im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Behörde begründe die Beschwerdevorentscheidungen damit, dass in den Gutachten des Sozialministeriumservice vom sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung des 18. bzw. 21. Lebensjahres nachgewiesen worden sei.
Die diesbezüglich eingeholten Bescheinigungen des Sozialministeriumservice seien jedoch inhaltlich unrichtig bzw. unvollständig: Laut einer dem Vorlageantrag beigeschlossenen Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom habe die Bf. bereits als Minderjährige von Juni 1995 bis November 1995 die erhöhte Familienbeihilfe erhalten. Dies weise darauf hin, dass auch damals ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit auf über 50 % eingestuft worden sei. Das Gutachten von damals liege leider nicht mehr vor. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine psychische Erkrankung vorgelegen sei, zeige aber das Attest des Klinikums ***KL*** vom ; die Schwerhörigkeit der Bf. würden medizinische Atteste aus den Jahren 1993 und 1994 sowie diverse Hörgeräterechnungen bezeugen. Außerdem seien im Jahr 1993 gemäß § 7 OÖ Behindertengesetz die von der Krankenkasse nicht gedeckten Anschaffungskosten für zwei Hörgeräte laut Rechnung Firma ***E.*** aus Mitteln der Behindertenhilfe übernommen worden. Auch dies zeuge davon, dass die Betroffene bereits damals als erheblich gesundheitlich eingeschränkt eingestuft gewesen sei, jedenfalls über 50 % Behinderung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes aufgewiesen habe.

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass bei der Beschwerdeführerin (Bf.) bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H., vorliegend ab November 2003, und von 60 v.H., vorliegend ab September 2021, zwar eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorliegt, eine solche zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung jedoch nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.

2. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere aus den im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ (Sozialministeriumservice) erstellten Sachverständigengutachten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, nämlich der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, für einen (zeitlich unbegrenzten) Familienbeihilfenanspruch vorliegt.

Bei der Bf. wurde eine zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt.

Diese Annahme stützt sich im Wesentlichen auf die von der belangten Behörde angeforderten medizinischen Sachverständigengutachten (nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle OÖ, vom , VOB: ***1*** (mit Untersuchung), vom , VOB: ***2*** (Aktengutachten), und vom , VOB: ***3*** (mit Untersuchung).

Im zuletzt erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten vom heißt es (auszugsweise):

"[…]

Anamnese:
SMV mit NSAR, 1 Tag stationär Kh ***KL***
Vorgutachten (***Dr.1***) 50vH. ab 6/2016, DEU ja, NU 5 Jahre, 1)
schizoaff. Störung, wahnhafte Störung, inteil. Grenzbegabung, mittelgradige depr. Episode mit 50%
Vorgutachten (***Dr.2***) 60vH. ab 9/21, DEU ja ab 6/2016:1) psych, leiden
mit 50%, 2) Einschränkung Hörvermögen beidseits mit 30% (rechts 88% und links 23% Hörverlust)

Derzeitige Beschwerden:
sie war immer schon depressiv, auch als Kind bereits, mit 15 Jahren unternahm sie eine Suizidversuch mit Tabletten, ab 2009 in der Pension; sie hat insgesamt 6 Kinder, ab 2006 wurden die Kinder abgenommen, sie lebt jetzt alleine, nimmt Medikamente ein, Psychotherapie regelmäßig;
die Hörgeräte trägt sie nicht ständig, Lippenablesen möglich

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:
[…]

Sozialanamnese:
kein Beruf, immer Hausfrau, Pflichtschule in ******** (VS und HS) mit normalem Unterricht, mehrmals wiederholt, im letzten Jahr ist sie "durchgekommen",
Sozialschule für Altenbetreuung hat sie versucht (abgebrochen), mehrmals kurzzeitige Tätigkeiten wieder abgebrochen, mit 17 Jahren Sohn bekommen, ab da immer zu Hause

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Tonaudiogramm (***T.***) und Befund: Kombinierte an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit dex., Innenohrhochtonschwerhörigkeit sin., seit 1994 dokumentierte Schwerhörigkeit beidseits
***P.***, Psychiater: Schizoaffektive Störung, Medikamente Excitalopram 20mg, Aripiprazol 30mg, Quetialan 100mg zum Schlafen, wahnhafte Ideen, depr. Entwicklung, ***H.***, Psych.: Nervenfachärztiche Stellungnahme zur beabsichtigten Kindesrücknahme (ohne Diagnosen)

Untersuchungsbefund:

[…]

Psycho(patho)logischer Status:
Blickkontakt, keine Hörgeräte, Lippenablesen, Anamnese gut möglich

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
1
psychisches Leiden
schizodepressive Störung, jahrelanger Verlauf, medikamentöse Behandlung in höherer Dosierung, Psychotherapie
50
2
Einschränkung des Hörvermögens beidseits
aufgrund des Hörverlustes rechts 88%, links 23% eingestuft nach der Tabelle mit 30%
30

Gesamtgrad der Behinderung: 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
die führende Funktionseinschränkung unter Punkt 1 wird aufgrund der Hörstörung um eine Stufe gesteigert, weil dadurch eine zusätzliche Einschränkung der Kontaktfähigkeit bewirkt wird

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine

Stellungnahme zu Vorgutachten:
gleichbleibender Gesamtgrad der Behinderung, gleichbleibende Einstufung

GdB liegt vor seit: 09/2021
GdB 50 liegt vor seit: 11/2003

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
eingestuft wie in den Vorgutachten mit 6ovH. ab 9/2021, zuvor 50vH. ab 11/2003

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 06/2016

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
DEU wie im Vorgutachten ab 6/2016 angenommen, im Befund von 4/2014 ist keine Diagnose
angeführt

Dauerzustand

Gutachten erstellt am von ***Dr.3***

Gutachten vidiert am von ***Dr.4***"

Im Vorgutachten vom , VOB: ***2*** (Aktengutachten), ist zur Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Folgendes angeführt:
"Laut Ärztlichem Verlaufsbericht ***Dr.5*** FA für Neurologie und Psychiatrie ***** vom : In Anbetracht der Instabilität ist eine berufliche Reintegration zum jetzigen Zeitpunkt nicht denkbar;
(Laut Vorgutachten 12/2021)"

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (siehe etwa , oder ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind sohin die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. etwa ; und , mwN).

Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als schlüssig und vollständig anzusehen sind.

Der medizinische Sachverständige des Sozialministeriumservice stellte im Drittgutachten vom in Übereinstimmung mit dem Vorgutachten vom einen Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., vorliegend ab November 2003, und von 60 v.H., vorliegend ab September 2021 fest.

Die Bf. vollendete das 21. Lebensjahr am ***Dat.1*** und das 25. Lebensjahr am ***Dat.2***. In den vorliegenden Sachverständigengutachten wurde bei ihr eine vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. 25. Lebensjahres zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung nicht bescheinigt.

Der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit wurde im Drittgutachten in Übereinstimmung mit dem Vorgutachten mit "06/2016" angenommen. Dies unter Bezugnahme auf den Ärztlichen Verlaufsbericht ***Dr.5*** FA für Neurologie und Psychiatrie ***** vom , demzufolge "in Anbetracht der Instabilität eine berufliche Reintegration zum jetzigen Zeitpunkt nicht denkbar ist".

Im Vorlageantrag wird dazu vorgebracht, dass die diesbezüglich eingeholten Bescheinigungen des Sozialministeriumservice inhaltlich unrichtig bzw. unvollständig seien. Laut einer dem Vorlageantrag beigeschlossenen Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom habe die Bf. bereits als Minderjährige von Juni 1995 bis November 1995 die erhöhte Familienbeihilfe erhalten, was darauf hinweise, dass auch damals ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit auf über 50 % eingestuft worden sei. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine psychische Erkrankung vorgelegen sei, zeige das Attest des Klinikums ***KL*** vom . Die Schwerhörigkeit der Bf. würden medizinische Atteste aus den Jahren 1993 und 1994 sowie diverse Hörgeräterechnungen bezeugen. Außerdem seien im Jahr 1993 gemäß § 7 OÖ Behindertengesetz die von der Krankenkasse nicht gedeckten Anschaffungskosten für zwei Hörgeräte aus Mitteln der Behindertenhilfe übernommen worden. Auch dies zeuge davon, dass die Bf. bereits damals als erheblich gesundheitlich eingeschränkt eingestuft gewesen sei, jedenfalls über 50 % Behinderung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes aufgewiesen habe.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass sowohl der stationäre Aufenthalt der Bf. im Februar 1993 im Krankenhaus ***KL*** als auch die Schwerhörigkeit der Bf. im Drittgutachten berücksichtigt wurden und daher insoweit keine Unvollständigkeit des Gutachtens vorliegt.
Die ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice sind auf die Art der Leiden und deren Ausmaß eingegangen und haben die von der Bf. vorgelegten Unterlagen und Befunde berücksichtigt.

Das Vorbringen im Vorlageantrag, die Bf. sei bereits als Minderjährige erheblich gesundheitlich eingeschränkt eingestuft gewesen und habe jedenfalls über 50 % Behinderung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes aufgewiesen, vermag auch nicht aufzuzeigen, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice zum Ergebnis hätten kommen müssen, der Eintritt der in den Gutachten zugestandenen Erwerbsunfähigkeit wäre vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres erfolgt.

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt nämlich darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. etwa ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 20).

Von der Bf. wurden keine neuen Befunde vorgelegt, aus denen der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr hätte abgeleitet werden können.

Dass der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Drittgutachten vom (in Übereinstimmung mit dem Vorgutachten) unter Bezugnahme auf den Ärztlichen Verlaufsbericht ***Dr.5*** FA für Neurologie und Psychiatrie ***** vom , demzufolge "in Anbetracht der Instabilität eine berufliche Reintegration zum jetzigen Zeitpunkt nicht denkbar ist", mit "06/2016" angenommen wurde, erweist sich vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund daher als schlüssig.

Es ist sohin schlüssig nachvollziehbar, dass eine weiter zurückreichende Bestätigung einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit auf Grund fehlender Befunde nicht möglich war, da ein Arzt die Beeinträchtigung durch eine Erkrankung bzw. Behinderung naturgemäß nur zum Zeitpunkt der Untersuchung mit Sicherheit feststellen kann und eine Einschätzung über Zeiträume, die bereits mehr als 20 Jahre zurückliegen, in den meisten Fällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in aller Regel nur bei Vorliegen von relevanten Befunden vornehmen kann.

Es würde den Gutachten vielmehr an Schlüssigkeit fehlen, wenn die untersuchenden Sachverständigen den Beginn der Erwerbsunfähigkeit ohne Untermauerung durch entsprechende Befunde zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, festgestellt hätten (vgl. z.B. ). Schlüssig ist vielmehr, den Beginn der Erkrankung unter Zuhilfenahme vorliegender Befunde oder anderer geeigneter Nachweise zu bestimmen.

Die vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten sind daher schlüssig und vollständig, sodass das Bundesfinanzgericht diese Bescheinigungen des Sozialministeriumservice dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde zu legen hat.

3. Rechtslage und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

§ 6 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 lauten:

"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden."

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).

Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht für minderjährige (§ 6 Abs. 1) und volljährige (§ 6 Abs. 2) Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs. 5; sog "Sozialwaisen"; vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 6 Rz 2).

§ 6 Abs 2 lit. d FLAG 1967 regelt (bezüglich des Eigenanspruches), unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt werden kann.
Dieser steht für volljährige Kinder bzw. volljährigen Kindern zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 17).

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 18 u. 19).

Der Bf. wurde in den vorliegenden medizinischen Gutachten des Sozialministeriumservice keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bzw. während einer Berufsausbildung vor dem 25. Lebensjahr bescheinigt.

Die Gutachten wurden, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt, als schlüssig erachtet, sodass das Bundesfinanzgericht an diese vom Sozialministeriumservice erstellten ärztliche Gutachten gebunden ist.

Liegen - wie gegenständlich - die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für den Bezug des Grundbetrages an Familienbeihilfe nicht vor, kann auch der Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 nicht gewährt werden.

Die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe (zweitangefochtener Bescheid vom ) erweist sich daher als zu Recht erfolgt.

Im Spruch des erstangefochtenen Bescheides vom hat das Finanzamt über die Zurückweisung des am eingelangten Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab September 2021" abgesprochen. Damit ist auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes auf diesen Spruchgegenstand beschränkt.

Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. etwa , 0275). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides zu verstehen ().

Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 26 Rz 3). Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/ Wanke, FLAG2 § 13 Rz 25; ).

Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (; ; ; ).

Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:
"Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich 2011/16/0065, und 2009/16/0121). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid nicht geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird."

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag der Bf. vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe - nach Vorliegen des ärztlichen Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom , VOB: ***1***, - für die Zeiträume ab September 2021 abgewiesen. Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit erst nach der Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt worden sei und daher weder ein Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bestehe.

Auf Grund der Beschwerdeerhebung erließ das Finanzamt nach Einholung eines weiteren ärztlichen Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung (Aktengutachten vom , VOB: ***2***) die Beschwerdevorentscheidung vom . Dies sinngemäß mit der Begründung, dass auch nach den Feststellungen des Zweitgutachtens vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf. erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei und daher weder ein Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bestehe.

Die Beschwerdevorentscheidung stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. ).

Gegenüber der angeführten (abweisenden) Beschwerdevorentscheidung vom - wie auch gegenüber dem Bescheid vom - hat sich die Sachlage nicht geändert. Auch im Drittgutachten vom , VOB: ***3***, wurde bei der Bf. eine vor Vollendung des 21. Lebensjahres bzw. 25. Lebensjahres eingetretene voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt. Es haben sich seit Erlassung der (abweisenden) Beschwerdevorentscheidung - wie auch des Bescheides vom - auch die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften nicht geändert.

Der angefochtene Zurückweisungsbescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig, sodass die gegen ihn gerichtete Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen war.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das vorliegende Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung, ob bei der Bf. eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr vorlag. Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100178.2024

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