Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2024, RV/7101260/2023

Gewerbliche Vermietung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde des L***I***, vertreten durch Fischbacher und Schwarzinger Steuerberatungs GmbH, Linke Wienzeile 36/10, 1060 Wien, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Revisionswerber erzielte nach Sanierung eines in seinem Eigentum befindlichen Gebäudes ab dem Jahr 2011 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Vermietung erfolgte sowohl an gewerbliche als auch an nicht gewerbliche Mieter. Ein Geschäftslokal sowie ein Lager wurden an eine GmbH, deren Gesellschafter der Revisionswerber, seine Tochter und deren Lebensgefährte waren, vermietet; eine der Wohnungen zu Wohnzwecken an den Lebensgefährten der Tochter.

Das Finanzamt erkannte die Mietverträge mit der GmbH und dem Lebensgefährten nicht an, weil die vereinbarten Mietzinsen im Vergleich zu den fremdvermieteten Wohnungen bzw Büros eklatant niedriger seien und dem Fremdvergleich nicht standhalten würden. Die Vermietung sei bis dato verlustig. Der Vorsteuerabzug wurde daher im Ausmaß des auf diese vermieteten Räumlichkeiten entfallenden Teils nicht gewährt und entsprechende Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 erlassen.

Die gegen diese Bescheide (und den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2011) erhobene Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis richtete sich die außerordentliche Revision mit der (zusammengefassten) Begründung, die Höhe der vereinbarten Mieten sei nach dem MRG begrenzt; zudem stünde die Judikatur des EuGH der Zugrundelegung einer fremdüblichen Marktmiete in der Umsatzsteuer entgegen.

Die Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich Einkommensteuer 2011 zurückgewiesen und hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 und 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben (-5).

Begründend führte der VwGH im Wesentlichen aus, dass nach §§ 15a und 16 MRG für Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen Vereinbarungen über die Miete nur bis zu einer gesetzlich festgelegten Höhe zulässig seien. Das Bundesfinanzgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die an den Lebensgefährten vermietete Wohnung (Dachgeschoßwohnung) den §§ 15a und 16 MRG unterliege. Träfe es zu, dass das vom Revisionswerber vermietete Haus dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliege (und nicht etwa hinsichtlich der Wohnung Top 7 § 1 Abs 4 Z 2 MRG zur Anwendung käme), dann habe als Miete nur der nach § 15a iVm § 16 MRG angemessene Mietzins verrechnet werden dürfen. Eine derartige Miethöhe könnte auch dann nicht als fremdunüblich angesehen werden, wenn der Revisionswerber unter Verstoß gegen die Bestimmungen des MRG den anderen Mietern einen höheren Mietzins als den gesetzlich erlaubten in Rechnung gestellt oder gesetzwidrigerweise den Befristungsabschlag nicht zur Anwendung gebracht habe. Das ergebe sich schon daraus, dass jeder Mieter eine Überprüfung des Mietzinses bei Gericht beantragen könne und bei Obsiegen der jeweilige höchstzulässige Mietzins zur Anwendung komme bzw eine entsprechende Rückzahlung zu erfolgen habe.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Strittig ist die Vorsteuerabzugsberechtigung auch für die Top 1 (Büro), Top 2 (Lager) und Top 7 (Wohnung).

Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht unstrittig fest:

Der Beschwerdeführer hat das gegenständliche, in seinem Eigentum befindliche Gebäude saniert und im Anschluss ab dem Jahr 2011 vermietet.

Die Mietverträge wurden vergebührt und entsprechen in Form und Inhalt üblichen Mietverträgen. So sind beispielsweise der Mietgegenstand, die Indexierung des Mietzinses, der Verwendungszweck, der Mietbeginn und Regelungen über die Erhaltung, die Rückstellung und Versicherungen usw mit eindeutigem, ausreichend detailliertem Inhalt darin enthalten.

Die Top 1 und Top 2 wurden als Geschäftsräumlichkeiten bzw als Lager an die I*** GmbH und Top 7 für Wohnzwecke an den Lebensgefährten der Tochter des Beschwerdeführers, die übrigen Tops wurden als Büro (Top 3), Wohnung (Top 4, 5, 8, 9) bzw Garage oder Kfz Abstellplatz vermietet. Die Geschäftsräumlichkeiten/das Lager wurden auf unbestimmte Zeit, die Wohnung Top 7 zum Kategoriemietzins (Kategorie A) gemäß § 16 MRG, für die Dauer von 15 Jahren vermietet.

Die übrigen (vier) Wohnungen/Räumlichkeiten (Büro, Garage, Kfz-Abstellplätze) wurden fremdvermietet.

Der auf Top 1, 2 und 7 entfallende Anteil an der Nutzfläche macht 40,26 % aus.

Das Mietobjekt wurde im 16. Jahrhundert errichtet. Der Ausbau des Dachbodens erfolgte im Jahr 1961 (Baubewilligung vom ).

Rechtlich folgt daraus:

Für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art (wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- oder Kanzleiräumen) samt den etwa mitgemieteten (§ 1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen (wie im besonderen von Hausgärten, Abstell-, Lade- oder Parkflächen) gilt das Mietrechtsgesetz (§ 1 Abs 1 MRG).

Die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs 2 bis 4 MRG, nach welchen das Mietrechtsgesetz zur Gänze oder zum Teil nicht zur Anwendung kommen, liegen im Beschwerdefall nicht vor. Das gegenständliche vom Beschwerdeführer vermietete Haus unterliegt daher dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes.

Nach § 2 Abs 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit iSd § 2 Abs 1 UStG ist demnach jede nachhaltige Tätigkeit (im wirtschaftlichen Sinn) zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs 1 dritter Satz UStG).

Der Vorsteuerabzug steht gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG dem Unternehmer zu.

Die MwStSyst-Richtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) kennt den Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit nicht. Sie verwendet stattdessen in Art 9 den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit. Danach ist jede wirtschaftliche Tätigkeit, unabhängig von der Erzielung eines Gesamtüberschusses, als unternehmerische Tätigkeit anzusehen. Als wirtschaftlich sind solche nachhaltigen Tätigkeiten zu qualifizieren, die auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sind (Aigner/Tumpel, SWK 8/2011, 394).

Die Vermietung einer Immobilie zu Wohnzwecken ist grundsätzlich als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 UStG anzusehen. Die Vermietung einer Immobilie an einen nahen Angehörigen begründet nur dann keine unternehmerische Tätigkeit, wenn die Überlassung nicht zur Einnahmenerzielung erfolgt. Maßgebend ist ein Vergleich mit den Umständen, unter denen die entsprechende Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird. Auf das Vorliegen einer "Fremdüblichkeit" iSd ertragsteuerlichen Fremdvergleichsjudikatur kommt es nicht an (Ruppe/Achatz, UStG5 § 2 Tz 59/1 mwN).

Wie festgestellt, unterliegt das gegenständliche Mietobjekt dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. Der vom Beschwerdeführer verrechnete, nach § 15a iVm § 16 MRG höchstmögliche Mietzins, der auch regelmäßig bezahlt wurde, ist daher jedenfalls angemessen.

Die Vermietung der Büroräumlichkeiten und des Lagers ist gemäß § 6 Abs 1 Z 16 UStG unecht steuerbefreit. Der Beschwerdeführer hat die aus dieser Vermietung erzielten Umsätze durch die Aufnahme in die Umsatzsteuererklärungen als steuerpflichtig behandelt. Daher sind auch die auf diese Umsätze entfallenden Vorsteuern abzugsfähig (§ 6 Abs 2 UStG 1994 in der für die Streitjahre anzuwendenden Fassung BGBl I, Nr 111/2010).

Der Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG steht auch für die Vermietungsumsätze der Top 1, 2 und 7 zu.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO Folge zu geben.

Die Umsatzsteuerbescheide werden daher wie nachstehend antragsgemäß abgeändert und die Vorsteuer abgezogen.

Umsatzsteuer für das Jahr 2010:


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Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen sonstige Leistungen (einschließlich Anzahlungen)
0,00 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch (einschließlich steuerpflichtiger Anzahlungen)
0,00 €
Summe Umsatzsteuer
0,00 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern
  • - 63.516,09 €
Gutschrift
-63.516,09

Umsatzsteuer für das Jahr 2011:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen sonstige Leistungen (einschließlich Anzahlungen)
25.674,22 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch (einschließlich steuerpflichtiger Anzahlungen)
25.674,22 €
Davon zu versteuern mit:
Bemessungsgrundlage
Umsatzsteuer
20 % Normalsteuersatz
11.187,43 €
2.237,49 €
10 % ermäßigter Steuersatz
14.486,79 €
1.448,68 €
Summe Umsatzsteuer
3.686,17 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern
  • - 58.966,77 €
Gutschrift
- 55.280,60

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die zu lösenden Rechtsfragen beschränken sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101260.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at