Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer - Sicht des Antragstellers ist für das Neuhervorkommen von Tatsachen ausschlaggebend
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend die Beschwerde vom und betreffend Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich
- vom mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme vom gemäß § 303 Abs. 1 BAO des mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde
- vom 1. Juli mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme vom gemäß § 303 Abs. 1 BAO des mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde
- vom mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom des mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde
- vom mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom des mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde, (Steuernummer ***Bf-StNr*** )
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Einkommensteuer 2016:
Der Beschwerdeführer (Bf.) brachte am einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2016 per Post ein. Es wurden keine weiteren Kosten geltend gemacht. Mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde der Bf. antragsgemäß veranlagt.
Am brachte der Bf. per Post einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO ein. In diesem ersuchte er um Zuerkennung des Pendlerpauschales iHv 1.476,00 € und Pendlereuros iHv 50,00 €, des Alleinverdienerabsetzbetrages für ein Kind (494,00 €), des Kinderfreibetrages für ein haushaltszugehöriges Kind (***Kind 1***) iHv 440,00 €, des Kinderfreibetrages für ein nicht haushaltszugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 € sowie Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen iHv 850,- € für das nichthaushaltszugehörige Kind, das sich ständig im Ausland (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz) aufhält. Zum Nachweis der genannten Kosten legte der Bf. einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner, ein Scheidungsurteil sowie einen Kontoauszug bei.
Am wurde der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro, Alleinverdienerabsetzbetrag, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltsabsetzbetrag kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Das Wiederaufnahmeverfahren habe nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse der Partei zu sanieren, sondern es solle die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe jedoch - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Das Finanzamt verwies zudem auf die VwGH-Judikatur, wonach der Kenntnisstand derjenigen Verfahrenspartei maßgebend sei, die den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in Anspruch nehmen möchte.
Am brachte der Bf. per FinanzOnline Beschwerde gegen die Abweisung der Wiederaufnahme ein. In dieser wurde abweichend vom Antrag auf Wiederaufnahme gemäß 303 (1) BAO um Berücksichtigung des Pendlerpauschales iHv 1.356,00 €, Pendlereuros iHv 110,00 €, des Kinderfreibetrages für das nichthaushalts-zugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 € sowie Unterhaltszahlungen für das Kind ***2*** ersucht. Der Alleinverdienerabsetzbetrag sowie der Kinderabsetzbetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv 440,00 € wurden in der Beschwerde nicht mehr begehrt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltszahlungen kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Vergessene Kosten, vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage führten zu keiner Wiederaufnahme. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe jedoch - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Der Bf. habe jedoch lediglich ein Anbringen zur materiellen Sache vorgebracht. Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO vom sei daher zu Recht abgewiesen worden.
Einkommensteuer 2017:
Der Beschwerdeführer (Bf.) brachte am einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2017 per Post ein. Es wurde der Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv 300,00 € geltend gemacht. Mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurde der Bf. antragsgemäß veranlagt.
Am brachte der Bf. per Post einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO ein. In diesem ersuchte er um Zuerkennung des Pendlerpauschales iHv 1.356,00 € und des Pendlereuros iHv 110,00 €, des Alleinverdienerabsetzbetrages für ein Kind (494,00 €), des Kinderfreibetrages für ein haushaltszugehöriges Kind (***Kind 1***) iHv 440,00 €, des Kinderfreibetrages für ein nicht haushaltszugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 € sowie Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen iHv 1.350,- € für ein Kind, das sich ständig im Ausland (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz aufhält) aufhält und für das kein Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrag zusteht. Zum Nachweis der genannten Kosten legte der Bf. einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner, ein Scheidungsurteil sowie einen Kontoauszug bei.
Am wurde der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltsabsetzbetrag kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Das Wiederaufnahmeverfahren habe nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse der Partei zu sanieren, sondern es solle die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe jedoch - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Das Finanzamt verwies zudem auf die VwGH-Judikatur, wonach der Kenntnisstand derjenigen Verfahrenspartei maßgebend sei, die den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in Anspruch nehmen möchte.
Am brachte der Bf. per FinanzOnline Beschwerde gegen die Abweisung der Wiederaufnahme ein. In dieser wird abweichend vom Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO ein Pendlerpauschale iHv 1.356,00 €, ein Pendlereuro iHv 110,00 €, ein Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv 440,00 €, ein Kinderfreibetrag für ein nichthaushaltszugehöriges Kind iHv 300,00 € sowie Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen für das Kind ***2*** begehrt. Der Alleinverdienerabsetzbetrag wurde in der Beschwerde nicht mehr geltend gemacht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltsleistungen kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Vergessene Kosten, vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage führten zu keiner Wiederaufnahme. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Er habe lediglich ein Anbringen zur materiellen Sache vorgebracht.
Einkommensteuer 2018:
Am brachte der Bf. einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2018 per Post ein. Es wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag, Kosten für Wohnraumschaffung und -sanierung iHv 769,16 €, der Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv 440,00 € und Ausgaben für Kinderbetreuung iHv 1.976,75 € geltend gemacht. Mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom wurde der Bf. antragsgemäß veranlagt.
Am brachte der Bf. per Post einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO ein. In diesem ersuchte er um Zuerkennung des Pendlerpauschales iHv 1.356,00 € und des Pendlereuros iHv 110,00 €, des Kinderfreibetrages für ein nicht haushaltszugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 Euro sowie Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen iHv 1.800,00 € für das nichthaushaltszugehörige Kind, das sich ständig im Ausland (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz) aufhält. Zum Nachweis der genannten Kosten legte der Bf. einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner, ein Scheidungsurteil sowie einen Kontoauszug bei.
Am wurde der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltsabsetzbetrag kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Das Wiederaufnahmeverfahren habe nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse der Partei zu sanieren, sondern es solle die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe jedoch - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Das Finanzamt verwies zudem auf die VwGH-Judikatur, wonach der Kenntnisstand derjenigen Verfahrenspartei maßgebend sei, die den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in Anspruch nehmen möchte. Der Kinderfreibetrag sei überdies bereits im Erstbescheid vom in voller Höhe berücksichtigt worden.
Am brachte der Bf. per FinanzOnline Beschwerde gegen die Abweisung der Wiederaufnahme ein. Es fehle die Berücksichtigung des Pendlerpauschales iHv 1.356,00 €, des Pendlereuros iHv 110,00 €, des Kinderfreibetrages für ein nichthaushaltszugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 € sowie der geleisteten Unterhaltszahlungen iHv 1.800,- € für das Kind ***2***.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/Pendlereuro, Kinderfreibetrag sowie Unterhaltsleistungen kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Vergessene Kosten, vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage führten zu keiner Wiederaufnahme. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Er habe lediglich ein Anbringen zur materiellen Sache vorgebracht.
Einkommensteuer 2019:
Am brachte der Bf. einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 per Post eingebracht. Es wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag für ein Kind und der ganze Familienbonus Plus für das haushaltszugehörige Kind geltend gemacht.
Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde der Bf. antragsgemäß veranlagt.
Am brachte der Bf. per Post einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO ein. In diesem ersuchte er um Zuerkennung des Pendlerpauschales iHv von 1.356,00 € und des Pendlereuros iHv 110,00 €, des Kinderfreibetrages für ein nicht haushaltszugehöriges Kind (***Kind 2***) iHv 300,00 € sowie Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen iHv 2.050,00 € für das nichthaushaltszugehörige Kind, das sich ständig im Ausland (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz) aufhält. Zum Nachweis der genannten Kosten legte der Bf. einen Ausdruck aus dem Pendlerrechner, ein Scheidungsurteil sowie einen Kontoauszug bei.
Am wurde der Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/ Pendlereuro sowie Unterhaltszahlungen kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Den Kinderfreibetrag gäbe es seit dem Jahr 2019 nicht mehr, stattdessen sei der Familienbonus Plus bereits im Erstbescheid vom berücksichtigt worden. Das Wiederaufnahmeverfahren habe nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse der Partei zu sanieren, sondern es solle die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme habe jedoch - bei Geltendmachung NEU hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Das Finanzamt verwies zudem auf die VwGH-Judikatur, wonach der Kenntnisstand derjenigen Verfahrenspartei maßgebend sei, die den Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in Anspruch nehmen möchte.
Dagegen erhob der Bf. am Beschwerde. In dieser wird wiederum die Berücksichtigung des Pendlerpauschales iHv 1.356,00 €, des Pendlereuros 110,00 €, des Kinderfreibetrag für ein nichthaushaltszugehöriges Kind iHv 300,00 € sowie der Unterhaltszahlungen iHv 2.050,00 € für das Kind ***2*** ersucht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass nach damaliger Aktenlage betreffend Pendlerpauschale/Pendlereuro, und Unterhaltsleistungen kein Neuerungstatbestand gegeben sei. Vergessene Kosten, vorhergehende Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage führten zu keiner Wiederaufnahme. Zudem habe der Bf. nicht begründet, dass Neuerungen vorlägen. Er habe lediglich ein Anbringen zur materiellen Sache vorgebracht.
Der Bf. stellte betreffend die Jahre 2016 bis 2019 jeweils einen Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden dem BFG vor und führte ergänzend aus, dass bei einer Wiederaufnahme über Antrag der Partei - entsprechend der Judikatur (bspw. ; ) - das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel immer aus der Sicht des Abgabepflichtigen zu bewerten sei. Dem Bf. hätten mit Ende der jeweiligen Veranlagungsjahre (2016 - 2019) die wesentlichen Umstände für die Erstellung der Abgabenerklärungen bekannt gewesen sein müssen. Insbesondere habe er über die Existenz seiner Kinder und die Verpflichtung, für diese Unterhalt zu leisten, gewusst. Hinsichtlich der Pendlerpauschale seien ihm die Wegstrecken Wohnung - Arbeitsstätte hinreichend bekannt. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Für die Jahre 2016 bis 2019 erfolgten die Veranlagungen der Einkommensteuer laut den vom Bf. gestellten Anträgen auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung erklärungsgemäß mit folgendem Datum:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr | Datum ESt-Erklärung (Arbeitnehmerveranlagung) | Datum ESt-Bescheid |
2016 | ||
2017 | ||
2018 | ||
2019 |
Am brachte der Bf. für die Jahre 2016 - 2019 jeweils einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 (1) BAO mit den eingangs angeführten Begründungen ein.
Das Finanzamt wies die Anträge auf Wiederaufnahme ab und führte begründend aus, dass nach damaliger Aktenlage, keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien und das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck habe, die Versäumnisse des Bf. zu sanieren.
Der Bf. ist der leibliche Vater der minderjährigen ***Kind 2***, die am ***Datum 2008*** geboren wurde. Die Ehe mit ***Ehefrau 1*** (Kindesmutter) wurde am ***Datum 2011*** geschieden. Die Tochter lebt bei ihrer Mutter in der Slowakei in ******, die auch die Obsorge übernommen hat. Der Bf. zahlt für die Tochter ***2*** monatlichen Unterhalt. Erstmals wurde die Unterhaltsverpflichtung im Urteil des Bezirksgerichtes ******, AZ ****** vom ***Datum 2011*** festgelegt. Diese Unterhaltszahlungen wurden in den Jahren 2019 und 2020 der Höhe nach angepasst.
Der Bf. ist weiters Vater vom minderjährigen ***Kind 1***, der am ***Datum 2016*** geboren wurde und in Österreich im gleichen Haushalt lebt.
Seit Juni 2015 war der Bf. bei der Firma ***S*** GmbH beschäftigt, wobei sein Tätigkeitsort in den Jahren 2015 bis 2016 in ***Adresse 1*** und ab dem Jahr 2017 in ***Adresse 2*** gelegen war. Der Bf. hat weder Pendlerpauschale noch die Berücksichtigung eines Alleinverdienerabsetzbetrages beim Arbeitgeber geltend gemacht.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus den vom Bf. selbst beigebrachten Unterlagen (Gerichtsurteile betreffend Unterhaltszahlungen). Die Lohnzettel des Bf. wurden im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht eingesehen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Maßgebliche Gesetzesbestimmungen:
§ 303 BAO idF FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 13/2014
"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmeantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Die Wiederaufnahmegründe sind bei der antragsgebundenen Wiederaufnahme dieselben wie bei der amtswegigen Wiederaufnahme. Der Neuerungstatbestand fordert, dass (entscheidungswesentliche) Tatsachen oder Beweismittel im (abgeschlossenen) Verfahren neu hervorkommen und zwar in jenem Verfahren, dass bereits durch Bescheid abgeschlossen ist.
Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (; , 95/14/0094; vgl auch Ritz, BAO6, § 303 Tz 21ff). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind und bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (; , 95/14/0094; , 2006/13/0107; , 2010/15/0064; vgl auch Ritz, BAO6, § 303 Tz 21ff).
Keine neuen "Tatsachen" sind hingegen etwa (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 23):
- neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung, oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Rechtslage eigenständig gewonnen werden (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215),
- das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (; ) oder
- die Nachholung von in der Abgabenerklärung vergessenen Positionen wie zB. Werbungskosten ().
Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 (1) lit b iVm (2) lit b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl. dazu Pabst, ÖStZ 2017, 49ff, sowie Fuchs, ÖStZ 2017, 70). Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind (). Diese Ansicht bestätigte der Verwaltungsgerichtshof im sowie .
Im Beschwerdefall sind die geltend gemachten Umstände bzw. Tatsachen (Alleinverdiener-absetzbetrag, Kinderfreibetrag für haushaltszugehöriges Kind, Kinderfreibetrag für nichthaushaltszugehöriges Kind, Leistung von Unterhaltszahlungen sowie Pendlerpauschale bzw. Pendlereuro) dem Bf. bereits bei den (ursprünglichen) Bescheiderlassungen bekannt gewesen und somit aus seiner Sicht auch nicht neu hervorgekommen.
Am Ende eines Veranlagungsjahres sind im Allgemeinen sämtliche Tatsachen bekannt oder Beweismittel vorhanden, die für die steuerliche Veranlagung maßgeblich sind. Da der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2016 sogar erst im März 2018 übermittelt wurde, hatte der Bf. noch länger Zeit, sich mit den der Erklärung zugrundeliegenden Tatsachen auseinanderzusetzen. Jedenfalls wusste der Bf. im März 2018 sowohl um die Existenz seiner Kinder (Geburtsjahrgang 2008 und 2016) als auch um die geleisteten Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner nicht haushaltszugehörigen Tochter. Auch die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war bei der Erstellung der jeweiligen Erklärung der Arbeitnehmerveranlagung 2016 bis 2019 bekannt, sodass die Pendlerpauschale bereits darin berücksichtigt werden hätte können.
Umstände, die einer Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt sind, jedoch etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden aber keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 303 BAO, Anm. 6; sowie nochmals zB ). Das Wiederaufnahme-verfahren hat nicht den Zweck, die Versäumnisse des Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren.
Mangels Erfüllung eines Wiederaufnahmetatbestandes war die Beschwerde abzuweisen. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
In der vorliegenden Streitsache wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Die gegenständliche Rechtsfrage (Beurteilung des Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers bei der antragsgebundenen Wiederaufnahme) wurde durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt. Eine ordentliche Revision ist folglich unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102054.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at