Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2024, RV/5200024/2019

Festsetzung von Aussetzungszinsen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, betreffend die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des damaligen Zollamtes ***ZA**** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zlen. ***1*** und ***2***, über die Festsetzung von Aussetzungszinsen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Bescheiden des ***ZA*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zlen: ***3***, ***4***, ***5***, ***6***, ***7***, und vom , Zlen: ***8***, ***9***, und ***10***, wurden gegenüber der ***Bf.*** (Beschwerdeführerin - Bf.), Altlastenbeiträge sowie gemäß § 217 BAO Säumniszuschläge festgesetzt.

Gegen diese Bescheide wurden mit Eingaben vom und Beschwerden erhoben und zugleich die Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Abgaben beantragt.

Mit den nachstehend angeführten Bescheiden vom wurde die Einhebung folgender Abgaben und Nebengebühren gemäß § 212a BAO ausgesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bescheid
Altlastenbeitrag (€)
Säumniszuschlag (€)
***11***
3.488,00
69,76
***12***
1.551.712,00
31.034,24
***13***
3.454.784,00
69.095,68
***14***
1.705.504,00
34.110,08
***15***
2.182.267,60
43.645,35
***16***
2.149.460,40
42.989,21
***17***
2.064.139,60
41.282,79
***18***
1.813.320,00
36.266,40

Nach Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen in den Stammverfahren (Abgabenfestsetzungsverfahren) verfügte das Zollamt mit Bescheiden vom , Zlen. ***19***, ***20***, ***21***, ***22***, ***23***, ***24***, ***25*** und ***26*** gemäß § 212 Abs. 5 BAO den Ablauf der mit den oben angeführten Bescheiden vom bewilligten Aussetzung der Einhebung.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden setzte die Abgabenbehörde gegenüber der Bf. für die nachstehend genannten Zeiträume Aussetzungszinsen in folgender Höhe fest:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bescheid
Abgabenbetrag (€)
Zeitraum
***1***
106,00
bis
***27***
44.837,73
bis
***28***
93.196,89
bis
***29***
42.176,89
bis
***30***
44.900,24
bis
***31***
54.190,30
bis
***32***
52.446,01
bis
***33***
37.825,28
bis

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine Einbringungshemmung bzw. ein Zahlungsaufschub vom Tag der Antragstellung bis zum Tag der Zustellung des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung bestanden habe. Für diesen Zeitraum seien hinsichtlich der mit den Beschwerdevorentscheidungen bestätigten Abgabenschuldigkeiten Aussetzungszinsen zu entrichten.

Dagegen erhob die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsätzen vom und fristgerecht Beschwerden.

Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom gab das Zollamt den Beschwerden teilweise statt und änderte die Festsetzung der Aussetzungszinsen wie folgt ab:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bescheid
Abgabenbetrag (€)
Zeitraum
***1***
102,44
bis
***27***
44.815,97
bis
***28***
93.120,57
bis
***29***
42.153,42
bis
***30***
44.879,01
bis
***31***
54.158,98
bis
***32***
52.418,39
bis
***33***
37.804,58
bis

Daraufhin beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageanträge).

Die in den Abgabenfestsetzungsverfahren (Stammverfahren) erhobenen Beschwerden wurden nach Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen sowie nach Einbringung von Vorlageanträgen ebenfalls dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Beschluss vom setzte das Bundesfinanzgericht die Entscheidung über diese Beschwerden gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des beim Landesverwaltungsgericht ****** zur GZ. ***LvwG*** anhängigen Verfahrens aus.

In den zuletzt angeführten Vorlageanträgen vom (betreffend die Stammverfahren) beantragte die Bf. gleichzeitig wiederum die Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Altlastenbeiträge und Säumniszuschläge, woraufhin das Zollamt mit den nachstehend angeführten Bescheiden vom die Einhebung folgender Abgaben und Nebengebühren gemäß § 212a BAO aussetzte:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bescheid
Altlastenbeitrag (€)
Säumniszuschlag (€)
***34***
3.488,00
69,76
***35***
1.475.472,00
29.509,44
***36***
3.054.176,00
61.083,52
***37***
1.387.912,00
27.758,24
***38***
1.477.529,20
29.550,58
***39***
1.783.236,00
35.665,20
***40***
1.725.837,20
34.516,74
***41***
1.244.714,00
24.894,28

Diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesetzten Abgaben und Nebengebühren stellen die Bemessungsgrundlagen für die hier in Streit stehenden Aussetzungszinsen dar.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte die beschwerdeführende Partei zusammengefasst vor, dass während der Dauer des bewilligten Zahlungsaufschubes keine Aussetzungszinsen festgesetzt werden dürften.
Demgegenüber vertrat das Zollamt in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt, dass mit dem bescheidmäßig verfügten Ablauf der Aussetzung der Einhebung kein Zahlungsaufschub mehr bewilligt gewesen sei und die behördliche Festsetzung von Aussetzungszinsen daher zulässig gewesen sei. In weiterer Folge sei zwar im Zuge des Vorlageantrages im Hauptverfahren betreffend Altlastenbeitrag und Säumniszuschlag ein weiterer Aussetzungsantrag gestellt worden und diesem sei auch Folge gegeben worden, im Zuge der erstinstanzlichen Erledigung des Beschwerdeverfahrens mit Beschwerdevorentscheidung sei jedoch der Ablauf der Aussetzung verfügt worden, was die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Folge gehabt habe.
Nach Ansicht des Zollamtes seien die VwGH-Entscheidungen und , im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dies mit der Begründung, dass Auslöser für die Festsetzung der Aussetzungszinsen im vorliegenden Beschwerdefall der Ablauf der Aussetzung gewesen sei und nicht - wie in den genannten Erkenntnissen des VwGH - die Abweisung eines Antrages auf Aussetzung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung

Der unter Punkt I. angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

2. Rechtslage

Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO)

§ 212a Abs. 9 BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor dem BGBl. I Nr. 108/2022 lautet:

"(9) Für Abgabenschuldigkeiten sind

a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder

b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,

Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen."

3. Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Beschwerdefall ist unbestritten, dass das Zollamt mit den oben angeführten Bescheiden vom die Aussetzung der Einhebung jener Abgabenschuldigkeiten, welche die Bemessungsgrundlagen für die hier in Streit stehenden Aussetzungszinsen bilden, gemäß § 212a BAO bewilligte und diese bewilligte Aussetzung der Einhebung zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin aufrecht ist.

Das Bundesfinanzgericht hat im Allgemeinen nach der Sachlage zu entscheiden, welche im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt (vgl. etwa ; ; ; ; Ritz, BAO7, § 279 Tz 31). Daher sind Veränderungen des Sachverhaltes zu berücksichtigen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof in den zuletzt angeführten Erkenntnissen vom , Ra 2020/13/0045 und vom , Ra 2018/16/0159, zu § 212a Abs. 9 BAO in der auch für den hier vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor dem BGBl. I Nr. 108/2022 dargelegt, dass das Bundesfinanzgericht bei Erlassung eines Erkenntnisses betreffend die Festsetzung von Aussetzungszinsen eine aufrecht bewilligte Aussetzung der Einhebung von Abgabenschuldigkeiten zu berücksichtigen hat und eine Sachentscheidung gemäß § 279 BAO im Sinne einer Bestätigung der Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß § 212a Abs. 9 letzter Satz BAO infolge der bewilligten Aussetzung nicht mehr ergehen darf.

Der zitierten Rechtsprechung ist eine Aussage, wonach eine Veränderung des Sachverhalts, sohin eine spätere und im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes aufrecht bewilligte Aussetzung der Einhebung nur dann zu berücksichtigen sei, wenn die Behörde die Aussetzungszinsen lediglich nach Versagung einer beantragten Aussetzung der Einhebung festgesetzt habe und nicht auch nach einem verfügten Ablauf einer zuvor bewilligten Aussetzung, ist der zitierten Rechtsprechung nicht zu entnehmen.
Dem entsprechenden Einwand des Zollamtes in der mündlichen Verhandlung konnte daher nicht gefolgt werden.

Da der Zahlungsaufschub weiterhin fortdauert, darf eine Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß § 212a Abs. 9 letzter Satz BAO nicht erfolgen, sodass bei der vorliegenden Sachlage die angefochtenen Bescheide gemäß § 279 BAO aufzuheben waren.

Einer allfälligen neuerlichen Festsetzung von Aussetzungszinsen ab Verfügung des Ablaufes anlässlich der Beschwerdeerledigung des Bundesfinanzgerichtes (betreffend die gemäß § 212a BAO ausgesetzten Abgabenschuldigkeiten) steht im Hinblick auf § 209a Abs. 2 BAO die Verjährung nicht entgegen, weil die Festsetzung von Aussetzungszinsen von dieser Beschwerdeerledigung mittelbar abhängt und die Beschwerden jedenfalls vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die beschwerdegegenständlichen Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das gegenständliche Erkenntnis nicht abweicht, geklärt sind.

Beilage:
Niederschrift vom

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5200024.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at