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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.05.2024, RV/5100349/2023

Verjährung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer brachte am einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein.

Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom wurde die Arbeitnehmerveranlagung des Bf. durchgeführt. Es ergab sich eine Nachforderung von € 899 €.

Dies aufgrund folgender Berechnung:


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Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit:
***1***
223,44 €
***2***
15.925,08 €
Auf Grund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende Einkünfte
3.573,96 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte
-406,27 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
19.316,21 €
Sonderausgaben
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60 €
Zuwendungen gem. § 18 (1) Z7 EStG 1988
-200
Einkommen
19.056,21
Die Einkommensteuer beträgt:
0 % für die ersten 11.000
0 €
25 % für die weiteren 7.000
1750 €
35 % für die restlichen 1.056,21
369,67 €
Steuer vor Absetzbeträgen
2.119,67 €
Verkehrsabsetzbetrag
-400 €
Steuer nach Absetzbeträgen
1719,67 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0 % für die ersten 620,--
0 €
6 % für die restlichen 2.132,74
127,96 €
Einkommensteuer
1.847,63 €
Anrechenbare Lohnsteuer
-948,45
Rundung
-0,18
Festgesetzte Einkommensteuer
899 €

Begründend wurde im beschwerdegegenständlichen Bescheid ausgeführt: "Sie haben steuerfreie Leistungen wie z. B. Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder bestimmte Bezüge als Soldat oder Zivildiener bezogen. In diesem Fall sieht das Einkommensteuergesetz 2 Berechnungsvarianten vor (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Die für Sie günstigere Kontrollrechnung haben wir angewendet und ein Einkommen von 19.056,21 Euro zu Grunde gelegt.

Welche Berechnungsvarianten gibt es?

1. Die Umrechnungsvariante: Hier rechnen wir Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag um und berücksichtigen Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge. Dadurch ergibt sich ein Durchschnittssteuersatz, den wir auf Ihr Einkommen anwenden.

2. Die Kontrollrechnung: Hier werden die steuerfreien Bezüge direkt dem steuerpflichtigen Einkommen hinzugerechnet und besteuert."

Am wurde Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht und ausgeführt: "Gegen den Bescheid vom betreffend Einkommenssteuerbescheid 2017 (Nachforderung) erhebe ich innerhalb der angegebenen Frist das Rechtmittel der Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich gegen folgenden Punkt des Bescheides: Berechnung der Einkommenssteuer Begründung: Bei der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung wurde meinerseits irrtümlich für das Kalenderjahr 2017 nur 1 Arbeitsgeber angegeben. Vom bis erhielt ich jedoch unterjährig Bildungsteilzeit vom AMS, gleichzeitig war ich das ganze Jahr hindurch beim selben Dienstgeber in Teilzeit beschäftigt. Die Vorberechnung der Arbeitnehmerveranlagung 2017 ergab somit KEINE Steuerschuld. Eine Zurückziehung des Antrages war für mich daher nach dieser Vorberechnung nicht relevant. Aufgrund Ihrer Neuberechnung wurden die als Bildungsteilzeit bezogenen Entgelte nun steuerpflichtig behandelt, womit sich eine Nachzahlung von € 899,- ergeben würde. (Gemäß § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 ist das Bildungsteilzeitgeld während der Bildungsteilzeit steuerfrei.) Ich beantrage daher meine Einsprüche zu berücksichtigen und einen neuen Bescheid zu erlassen."

Am wurde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen und ausgeführt: "Da Sie im Veranlagungszeitraum Krankengeld gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 bezogen haben, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gem. § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vor. Deshalb ist die Zurückziehung Ihres Antrages nicht möglich."

Im Vorlageantrag vom wurde ausgeführt: "Gegen den Bescheid vom betreffend Einkommenssteuerbescheid 2017 und der Beschwerdevorentscheidung vom 06.2023 erhebe ich innerhalb der angegebenen Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerde richtet sich gegen den Punkt der Einhebungsverjährung. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht der Finanzbehörde, eine Abgabe einzuheben. Sie beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist und beträgt 5 Jahre. Sie haben rückwirkend für das Jahr 2017 eine Aufrollung gemacht, dies liegt außerhalb der 5-Jahresfrist. Bitte daher um Begründung für die Einhebung außerhalb der Einhebungsfrist."

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom vorgelegt. Die Amtspartei gab folgende Stellungnahme ab: "Es wird beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Herr ***3*** hat seine Arbeitnehmerveranlagung 2017 am - und somit fristgerecht - elektronisch eingebracht. Da sich auf Grund des Krankengeldbezugs eine Nachforderung ergab, beantragte Herr ***3*** in der ersten Beschwerde, die Arbeitnehmerveranlagung zurückzuziehen. Da ein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 vorliegt, wurde die Beschwerde abgewiesen. In der zweiten Beschwerde (Vorlageantrag) ist Herr ***3*** der Ansicht, eine Verjährung wäre eingetreten. Da die Arbeitnehmerveranlagung 2017 zweifelsfrei fristgerecht eingebracht wurde, liegt keine Verjährung vor."

Mit Beschluss vom wurde durch die Richterin ein Beschluss an die Amtspartei ausgefertigt und um Stellungnahme zur Verjährung ersucht.

Mit Mail vom wurde seitens der Abgabenbehörde mitgeteilt, sie teile die Rechtsansicht der Richterin zur Verjährung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer brachte am einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein.

Mit Bescheid vom wurde die Arbeitnehmerveranlagung des Bf. durchgeführt. Es ergab sich eine Nachforderung von € 899 €.

Der Beschwerdeführer bezog von 2.1. bis Krankengeld von der ***1***, von bis nichtselbständige Einkünfte der ***2*** und 18.1. bis vom Arbeitsmarktservice Bildungsteilzeitgeld in Höhe von € 3573,96.

In den Jahren 2018 bis 2022 wurden keine nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Steuerfreiheit des Bildungsteilzeitgeldes und macht Verjährung geltend.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1) Bildungsteilzeitgeld

Gemäß § 3 Abs 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Gemäß § 33 Abs 10 EStG 1988 ist ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz vorbehaltlich des Abs 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.

Gemäß § 11a Abs 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) können Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Bildungsteilzeit) für die Dauer von mindestens vier Monaten bis zu zwei Jahren vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten. Eine neuerliche Bildungsteilzeit kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungsteilzeit (Rahmenfrist) verein­bart werden. Die Bildungsteilzeit kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens vier Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungsteilzeit zu laufen beginnt, zwei Jahre nicht überschreiten darf.

Gemäß § 26a Abs 1 Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG 1977) gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld bei Erfüllung näher genannter Voraussetzungen.

Gemäß § 26a Abs 5 AlVG 1977 gilt § 26 Abs 2 und 5 bis 8 AlVG 1977 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Weiterbildungsgeldes das Bildungsteilzeitgeld tritt.

Gemäß § 26 Abs 8 AlVG 1977 gilt das Weiterbildungsgeld als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs 1 Z 5 lit. a des EStG 1988.

Grundsätzlich ist daher bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen das Bildungsteilzeitgeld in die Hochrechnung einzubeziehen.

Unter Bezugnahme auf die VwGH-Erkenntnisse vom , Zl. 94/13/0024 und vom , Zl. 97/13/0118 wird der gegenständliche Sachverhalt anhand des Wortlautes des § 3 Abs. 2 EStG beurteilt: Der Bf. hat das Bildungsteilzeitgeld im Streitjahr vom 18. Jänner bis 31. Dezember, das sind 348 Tage bezogen. Dies ist nur ein Teil des Kalenderjahres 2017. Damit ist der Tatbestand des § 3 Abs. 2 EStG erfüllt und die darin angeordneten Rechtsfolgen haben einzutreten. Zuerst Hochrechnung der für das restliche Kalenderjahr (hier: von 1. Jänner bis , das sind 17 Tage) bezogenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag und sodann Vergleich mit dem Ergebnis der Kontrollrechnung, wobei die Variante mit der niedrigeren Steuerbelastung zu wählen ist. Dies war im Fall des Bf. die Kontrollrechnung, was sich aus der Bescheidbegründung ergibt. Gegen diese Berechnung wurden auch keine Einwände vorgebracht.

2) Zurückziehung des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung

Grundsätzlich kann ein Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung bis zur Rechtskraft des Bescheides, also auch im Beschwerdeverfahren zurückgezogen werden, auch dann, wenn die Arbeitnehmerveranlagung zu einer Nachzahlung geführt hat. Die Zurückziehung des Antrags im Beschwerdewege kann jedoch nur unter der Voraussetzung, dass nicht ein Fall der Pflichtveranlagung vorliegt, zur Beseitigung des angefochtenen Bescheides führen.

Fließen einem Steuerpflichtigen mit lohnsteuerpflichtigen Einkünften Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5 oder 6 EStG 1988 zu, dann liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand vor.

Das Krankengeld stellt einen Bezug gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 dar, welcher gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 einen Pflichtveranlagungstatbestand begründet. Eine Zurückziehung daher nicht möglich.

3) Einhebungsverjährung/Verjährung

Der Bf. hat am einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 gestellt. Dafür stehen nach § 41 Abs. 2 EStG fünf Jahre ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes zur Verfügung.

Im Vorlage wendet er Einhebungsverjährung ein. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen. Die Einhebungsverjährungsfrist beträgt wie auch im Vorlageantrag richtig angeführt fünf Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Sie endet keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Auch die Festsetzungsverjährung beträgt bei der Einkommensteuer 5 Jahre. Die Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) befristet das Recht, eine Abgabe festzusetzen. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, im gegenständlichen Fall mit Ablauf des Jahres 2017.

Die Festsetzungsverjährung ist daher im gegenständlichen Fall mit eingetreten, es sei denn, von der Abgabenbehörde wurden nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen.

Nach Angaben der Abgabenbehörde wurden solche Amtshandlungen nicht unternommen.

Die Abgabe eines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung ist keine Amtshandlung und vermag daher die Festsetzungsverjährung nicht zu verlängern, da gemäß § 209a Abs. 4 BAO nur dann die Abgabenfestsetzung trotz Festsetzungsverjährung erfolgen darf, wenn es zu einer Gutschrift käme.

Da es im gegenständlichen Fall aber zu einer Nachforderung kam, war die Festsetzung der Einkommensteuer wegen Verjährung unzulässig. Der Bescheid war aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100349.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at