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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2024, RV/7100600/2024

Kürzung der Verrechnungs- und Vortragsgrenze gem. § 2 Abs 2b EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vertreten durch Holzer & Partner Wp Stb GmbH, 2852 Hochneukirchen-Gschaidt, Ulrichsdorf 8, vom , gegen die Bescheide des Finanzamts Baden Mödling (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2010 und 2012, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die bekämpften Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer für die Jahre 2010 und 2012 abweichend von den Erklärungen des Beschwerdeführers (Bf) fest und führte - mit näherer, gesondert ergangener Begründung - aus, die geltend gemachten Verlustvorträge seien gemäß § 2 Abs 2b Z 2 und 3 EStG 1988 (idF BGBl I Nr 22/2012) gekürzt und nur im Ausmaß von 75% der positiven Einkünfte berücksichtigt worden.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde legte der Bf zunächst seine wirtschaftlichen Verhältnisse dar und wendete sich in weiterer Folge gegen die Kürzung der geltend gemachten Verlustvorträge. Er habe als Einzelunternehmer gemeinsam mit einer GmbH (deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er gewesen sei) eine Bauträgertätigkeit entfaltet. Durch die konkursbedingte Abwicklung der GmbH und anschließende Einstellung der Einzelunternehmertätigkeit seien atypische Aufgabegewinne entstanden, die insoweit gemäß § 3 Abs 2b Z 2 und 3 EStG 1988 zur Nichtanwendbarkeit der Verlustvortragsgrenze (Verrechnungsgrenze) führen würden.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. In der Begründung wurde i.w. ausgeführt, es könne im vorliegenden Fall kein Tatbestand des § 2 Abs 2b Z 3 EStG zur Anwendung gelangen. Als mögliche Tatbestände kämen "Veräußerungs- und Aufgabegewinne" oder wie beantragt "Liquidationsgewinne" in Betracht. Dass bei einem Einzelunternehmen, welches den Bestimmungen des EStG unterliege, kein Liquidationsgewinn iSd § 19 KStG vorliegen könne, sei bereits in der Begründung zum Erstbescheid ausgeführt worden. Mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 19 KStG sei sichergestellt, dass eine den Aufgabetatbestand des § 24 EStG nicht erfüllende Liquidation des Betriebes eines Einkommensteuerpflichtigen nicht zu einer ungekürzten Verlustvortragsberücksichtigung führen könne. Das Vorliegen eines Aufgabegewinnes iSd § 24 EStG sei vom Bf selbst im Vorbringen vom auf Grund des langen Zeitraumes der Aufgabehandlungen ausgeschlossen worden.
Die Verwertung der Verlustvorträge von insgesamt ca. EUR 550.000 könne und müsse in Folgejahren erfolgen.

Der Bf brachte einen Vorlageantrag ein und führte i.w. aus, § 2 Abs 2b Z 3 EStG 1988 liege das Verständnis zu Grunde, atypische Gewinne, die am Ende einer unternehmerischen Betätigung stünden, und bei denen die Verwertung von Verlustvorträgen erst ab einem Folgejahr zu spät kommen könne, von der Verlustverrechnungsbegrenzung auszunehmen ().
Nach der Darlegung des VfGH sei für die Verschiebemöglichkeit das Vorliegen eines atypischen Ertrages entscheidend, der wirtschaftlich so gelagert sei, dass eine spätere Verlustverwertung nicht zustande kommen könne. Von der Verschiebemöglichkeit müssten somit auch solche atypischen Gewinne erfasst sein, die in einer bestimmten betrieblichen Konstellation zwar noch nicht unmittelbar die Betriebseinstellung zur Folge hätten, die aber der Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit zumindest in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen nahe kämen. Für die Verschiebemöglichkeit könne nicht eine rein theoretische Möglichkeit der Verrechnung von Verlusten in Folgejahren sein, sondern die Beurteilung der Frage, ob es zu einem sinnwidrigen Auseinanderfallen von atypischem Ertrag und möglicher Verlustverrechnung komme, weil diese wirtschaftlich betrachtet nur mit dem atypischen Gewinn sinnvoll gewesen wäre.
Die durch den Konkurs der GmbH bedingte Betriebsaufgabe im Einzelunternehmen habe den sukzessiven Abverkauf der Grundstücke erfordert. Der Abverkauf der Grundstücke habe sich naturgemäß über einen längeren Zeitraum (von 2009 bis 2012) gezogen. Festzuhalten sei, dass die Betriebsaufgabe des Einzelunternehmens nicht freiwillig erfolgt sei, sondern eine zwingende Konsequenz des Konkursverfahrens der X. GmbH gewesen sei, weil die ggstdl. betrieblichen Liegenschaften des Einzelunternehmens (als auch das Privathaus des Bf) als Sicherheit für gewährte Bankkredite an die GmbH und das Einzelunternehmen des Bf gedient habe und zur Befriedigung der Gläubiger verwertet worden seien.
Die auf Grund der Systematik der Gewinnermittlung in den Streitjahren entstandenen Buchgewinne seien iSd § 2 Abs 2b Z 3 EStG zu qualifizieren als
- Gewinne, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen seien
- Aufgabegewinne
- Liquidationsgewinne
Ein gesondertes Insolvenzverfahren gegen den Bf sei lediglich deshalb nicht eröffnet worden, weil sein gesamtes betriebliches und privates Vermögen ohnehin zur Bedeckung der Bankschulden verwertet worden sei. Die erzwungene Betriebsaufgabe bzw. Liquidation stehe jedoch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem durchgeführten Konkursverfahren.
Ein mehrjähriger Liquidationszeitraum sei bei natürlichen Personen nicht vorgesehen, andernfalls hätten sich gar keine positiven Einkünfte in den Streitjahren ergeben. Der Stand der offenen Verlustabzüge aus Vorjahren per betrage EUR - 499.796,56.
Das in der Begründung der BVE erfolgte Abstellen auf die Voraussetzungen für das Vorliegen eines begünstigten Aufgabegewinns iSd § 24 EStG entspreche nicht dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 2b Z 3 EStG und auch nicht der Auslegung des VfGH.
Die Annahme einer Höchstdauer für die Betriebsaufgabe sei im Hinblick auf einen begünstigt versteuerten Aufgabegewinn (§§ 24 Abs 3 iVm § 37 EStG) vertretbar, ändere jedoch nichts an der Qualifikation als nicht begünstigter Aufgabegewinn, wenn sich dies aus den Umständen des Einzelfalles ergebe (wie insbesondere beim Verkauf von Liegenschaften).
Nach Ansicht des VwGH sei der Aufgabegewinn nicht zeitraum-, sondern zeitpunktbezogen zu ermitteln. Dies könne sich auf Grund der dadurch notwendigen Rückbeziehung späterer Veräußerungen in der praktischen Umsetzung schwierig gestalten, führe jedoch im Ergebnis ebenfalls dazu, dass der gesamte Aufgabegewinn zu 100% gegen Verlustvorträge ausgleichsfähig sei.

Das FA legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Mit Erkenntnis vom , RV/7104763/2015, nahm das BFG gemäß § 206 Abs 1 lit. b BAO von der Abgabenfestsetzung Abstand und stellte das Beschwerdeverfahren ein. Es sei davon auszugehen, dass die Abgabenansprüche aus den Einkommensteuerveranlagungen 2010 und 2012 nicht durchsetzbar seien und damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die gänzliche Abstandnahme von der Festsetzung vorliegen würden.

Die belangte Behörde brachte dagegen eine außerordentliche Amtsrevision ein.

Mit Entscheidung vom , Ra 2021/13/0128, hob der VwGH das Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. Feststellungen zu den aktuellen Vermögensverhältnissen des Bf, die eine Beurteilung dahingehend ermöglichen würden, ob die Abgaben gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein werden, enthalte das angefochtene Erkenntnis nicht. Im Übrigen enthalte das angefochtene Erkenntnis keinerlei Ausführungen zur Ermessensübung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt

Der Bf war Einzelunternehmer. Er war als Bauträger tätig (Kauf von Liegenschaften, Errichtung von Einfamilienhäusern und Verkauf dieser Objekte).

Darüber hinaus war er Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Der Geschäftsgegenstand der X. GmbH (idF GmbH) umfasste die Errichtung von Einfamilienhäusern (Bau- und Bauträgergewerbe).

Durch den Bf (als Einzelunternehmer) erfolgten der Ankauf, die Aufschließung und der Verkauf der Grundstücke.

Durch die GmbH erfolgte der Verkauf der Gebäude.

Im Juli 2009 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss des Gerichts vom wurde der Konkurs aufgehoben und das Unternehmen gelöscht.

Nach Konkurseröffnung wurde - abgesehen von der Fertigstellung einzelner, bereits weit fortgeschrittener Baustellen im Rahmen des Insolvenzverfahrens - der operative Betrieb der GmbH eingestellt.
Es bestand die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Fortführung der operativen Geschäftstätigkeit im Einzelunternehmen zur bestmöglichen Verwertung der Grundstücke und Ermöglichung einer geordneten Abwicklung des Einzelunternehmens. Diese Tätigkeit dauerte von 2009 bis Anfang 2013 an und wurden sämtliche Liegenschaften verwertet (die letzte Parzelle wurde im April 2013 verkauft). Aus diesem Abverkauf der Grundstücke im Einzelunternehmen resultieren die Gewinne in den Jahren 2010 und 2012, während die GmbH in den Jahren 2010 und 2012 Einkünfte von 0,00 erzielte.

Nach Abschluss der Verwertung der Grundstücke im Jahr 2013 wurde auch im Einzelunternehmen des Bf keine operative Tätigkeit mehr ausgeübt und die Gewerbeberechtigung 2014 ruhend gestellt. Am wurde der Betrieb endgültig beendet.

Ein Insolvenzverfahren gegenüber dem Bf als Einzelunternehmer wurde nicht eröffnet.

Der Bf erhält seit 2017 eine Alterspension. Er ist im Besitz diverser Grundstücke und bringt vor, er halte diese nur als Treuhänder.

Der Bf betreibt seit 2020 eine Hundepension; aus dieser Tätigkeit erzielte er von 2020 - 2022 durchgehend Verluste.

Laut Einkommensteuerbescheid 2010 vom erzielte der Bf als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 50.005,31. Der Verlustvortrag wurde gemäß § 2 Abs 2b Z 2 und 3 EStG 1988 gekürzt und als Verlustabzug wurden EUR 37.503,98 (75% der positiven Einkünfte) berücksichtigt.
Laut Einkommensteuerbescheid 2012 vom erzielte der Bf Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 87.933,32. Der Verlustvortrag wurde gemäß § 2 Abs 2b Z 2 und 3 EStG 1988 gekürzt und als Verlustabzug wurden EUR 65.949,99 (75% der positiven Einkünfte) berücksichtigt.

Beweiswürdigung

Der Geschäftsgegenstand und der Ablauf der Geschäfte iZm der GmbH sind den Ausführungen des Bf in der Beschwerde entnommen und unstrittig.

Der Konkurs der GmbH ist unstrittig. Dass der operative Betrieb der GmbH nach Konkurseröffnung eingestellt wurde, ist dem Vorbringen des Bf in der Beschwerde zu entnehmen.

Dass die operative Geschäftstätigkeit des Einzelunternehmens fortgeführt wurde, hat der Bf selbst vorgebracht; ebenso, dass die letzte Parzelle im April 2013 verkauft wurde.

Es ist daher unstrittig, dass die Abwicklung des Einzelunternehmens mehrere Jahre (von Konkurseröffnung der GmbH 2009 bis April 2013) dauerte. Die Gewinne des Einzelunternehmens in den Jahren 2010 und 2012 sind aus den aktenkundigen Einkommensteuerbescheiden ersichtlich (Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2010 ca. EUR 50.000, im Jahr 2012 ca. EUR 88.000). Laut Einkommensteuererklärung 2013 wurden in diesem Jahr letztmals Erlöse (lt. Umsatzsteuerbescheid Grundstücksumsätze) von EUR 107.500,00 erzielt.

Dass die GmbH in den Jahren 2010 und 2012 Einkünfte von 0,00 erzielte, ist unbestritten.

Demzufolge sind die Ausführungen des Bf, es sei im Einzelunternehmen nach Abschluss der Verwertung der Grundstücke im Jahr 2013 keine operative Tätigkeit mehr ausgeübt und die Gewerbeberechtigung ruhend gestellt worden, nachvollziehbar. Dass der Betrieb am endgültig beendet worden ist, ist den abgegebenen Steuererklärungen zu entnehmen.

Dass kein Insolvenzverfahren gegenüber dem Bf als Einzelunternehmer eröffnet wurde, ist unstrittig.

Dass der Bf seit 2017 eine Alterspension erhält, hat der Bf selbst im Revisionsverfahren vorgebracht und ist dem AIS des Bundes zu entnehmen. Dass der Bf im Besitz mehrerer Grundstücke ist, welche er nach seinem Vorbringen nur als Treuhänder halte, ist dem zit. Erk. des zu entnehmen.

Dass der Bf seit 2020 eine Hundepension (mit Verlusten 2020 - 2022) betreibt, ist dem AIS des Bundes (Vermerke der belangten Behörde) entnommen.

Die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2012, die Höhe der Einkünfte und der berücksichtigte Verlustabzug iHv 75% der erzielten Einkünfte sind aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung

§ 2 Abs 2b EStG 1988 lautet:

"Sind bei Ermittlung des Einkommens Verluste zu berücksichtigen, die in vorangegangenen Jahren entstanden sind, gilt Folgendes:

1. In vorangegangenen Jahren entstandene und in diesen Jahren nicht ausgleichsfähige Verluste, die mit positiven Einkünften aus einem Betrieb oder einer Betätigung zu verrechnen sind, können nur im Ausmaß von 75% der positiven Einkünfte verrechnet werden (Verrechnungsgrenze). Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht verrechnet werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung der Verrechnungsgrenze zu verrechnen.

2. Vortragsfähige Verluste im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 können nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte abgezogen werden (Vortragsgrenze). Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung der Vortragsgrenze abzuziehen. Dies gilt auch für Verluste im Sinne des § 117 Abs. 7 zweiter Satz insoweit, als diese Verluste wegen der Vortragsgrenze nicht abgezogen werden können.

3. Die Verrechnungsgrenze und die Vortragsgrenze sind in folgenden Fällen insoweit nicht anzuwenden, als in den positiven Einkünften oder im Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten sind:

- Gewinne aus einem Schulderlass gemäß § 36 Abs. 2,

- Gewinne, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen sind,

- Veräußerungsgewinne und Aufgabegewinne, das sind Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen,

- Sanierungsgewinne, das sind Gewinne, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind,

- Liquidationsgewinne im Sinne des § 19 des Körperschaftsteuergesetzes 1988."

Ggstdl. Tatbestand kann laut Bf

- Gewinnen, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen seien oder
- Aufgabegewinnen oder
- Liquidationsgewinnen

zugeordnet werden.

Andere Tatbestände kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Ad Insolvenzverfahren:

Nach den Feststellungen im Sachverhalt wurde ein Insolvenzverfahren gegenüber dem Bf als Einzelunternehmer nicht eröffnet. Unter diesen Tatbestand sind Gewinne, die in Veranlagungszeiträumen anfallen, die von einem Insolvenzverfahren betroffen sind, zu subsumieren. Damit sind sämtliche Gewinne erfasst, die in Kalenderjahren anfallen, in denen ein derartiges Verfahren anhängig ist. Anhängig ist ein Insolvenzverfahren mit Eintritt der Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung. Die Wirkungen treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhaltes des Insolvenzediktes folgt. Das Verfahren endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bzw. mit der Einstellung. Ist ein Insolvenzverfahren aufrecht, sind Gewinne, die diesem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zuzuordnen sind, von der 75%-Begrenzung ausgenommen, wobei es unerheblich ist, ob diese Gewinne vor oder nach Eröffnung bzw. Beendigung des Verfahrens entstanden sind.

Da ein Insolvenzverfahren niemals anhängig war, scheidet dieser Tatbestand aus.

Ad Aufgabegewinne:

Aufgabegewinne sind Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen. Veräußerungs- und Aufgabegewinne sind im Bereich der Einkommensteuerpflichtigen Gewinne im Sinne des § 24 EStG 1988. Die Aufgabe des Betriebes liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang in einem Zug mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit übertragen oder übernommen werden. Keine Betriebsaufgabe liegt hingegen vor, wenn sich die Abwicklung des Betriebes über einen längeren Zeitraum hinzieht (). Für eine Betriebsaufgabe spricht eine relativ kurze Dauer. Bei einem Zeitraum von drei Monaten wird regelmäßig ein einheitlicher Vorgang unterstellt, während bei einem Zeitraum von elf Monaten idR keine begünstigte Betriebsaufgabe mehr angenommen wird ().

Nach den Feststellungen im Sachverhalt dauerte die Betriebsaufgabe im ggstdl Fall mehrere Jahre. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines Aufgabegewinnes iSd § 24 EStG vom Bf selbst im Vorbringen vom auf Grund des langen Zeitraumes der Aufgabehandlungen ausgeschlossen worden ist.

Ein Aufgabegewinn iSd § 24 EStG liegt somit nicht vor. Die diesbezügliche Bestimmung des § 2 Abs 2b EStG 1988 ist daher nicht anzuwenden.

Ad Liquidationsgewinne:

Das EStG normiert eine Ausnahme von der Verrechnungs- und Vortragsgrenze bei Liquidationsgewinnen iSd § 19 Abs 2 KStG. Diese Einschränkung bezieht sich schon nach dem Gesetzestext und den eindeutigen Verweis auf § 19 KStG nur auf Körperschaften, welche dem KStG unterliegen. Wie die belangte Behörde rechtsrichtig ausführt, kann bei einem Einzelunternehmen, welches den Bestimmungen des EStG unterliege, kein Liquidationsgewinn iSd § 19 KStG vorliegen. Mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 19 KStG ist sichergestellt, dass eine den Aufgabetatbestand des § 24 EStG nicht erfüllende Liquidation des Betriebes eines Einkommensteuerpflichtigen nicht zu einer ungekürzten Verlustvortragsberücksichtigung führen kann.

Dieser Tatbestand ist daher nicht anwendbar.

Sonstiges zur Verrechnungs- und Vortragsgrenze:

Dass im ggstdl. Fall keine Gewinne aus einem Schulderlass oder Sanierungsgewinn vorliegen, ist unstrittig.

Zum Erkenntnis des , ist festzuhalten, dass im ggstdl Fall ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Im vom VfGH zu beurteilenden Fall ging es um einen außerordentlichen Ertrag aus Forderungsverzichten im Gefolge des (zur Sanierung nicht geeigneten) Zwangsausgleichs; die Gesellschaft hatte ihre werbende Tätigkeit vor den Schuldnachlässen eingestellt, sie standen unmittelbar in Zusammenhang mit der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit.
Im vorliegenden Fall hingegen gehörte die Verwertung der Grundstücke zum operativen Geschäftsbetrieb innerhalb des Betriebsgegenstandes des Bf; insoweit handelte es sich nicht um außerordentliche Erträge.

Nach hat der Gesetzgeber nicht etwa alle Buchgewinne (im vom VwGH zu beurteilenden Fall handelte es sich um Buchgewinne), sondern nur die im Gesetz taxativ aufgezählten Sachverhalte von der Anwendung der Verrechnungs- und Vortragsgrenze ausgenommen.
Ein derartiger Sachverhalt liegt jedoch nicht vor.

§ 2 Abs 2 Abs 2b Z 3 EStG 1988 liegt das Verständnis zu Grunde, atypische Gewinne, die am Ende einer unternehmerischen Betätigung stehen, und bei denen die Verwertung von Verlustvorträgen erst ab einem Folgejahr zu spät kommen kann, von der Verlustverrechnungsbegrenzung auszunehmen (vgl. ; ).

Im ggstdl. Fall handelt es sich nicht um atypische Gewinne, die unmittelbar im Zusammenhang mit bzw. nach dem Ende der unternehmerischen Betätigung stehen; darüber hinaus werden die Verlustvorträge, wie der Einsicht in das AIS des Bundes zu entnehmen ist, weiterhin und regelmäßig (bis zum letztveranlagten Einkommensteuerbescheid 2022) verwertet.

Überdies kann nach -F/09, kein Zweifel bestehen, dass ein Liquidationsgewinn im Sinne des § 19 KStG nunmehr ausdrücklich gefordert wird. Nachdem mit der Gesetzesänderung durch das Abgabenänderungsgesetz 2005 auch klargestellt worden sei, dass die angeführten Liquidationsgewinne das körperschaftsteuerrechtliche Pendant zu den einkommensteuerrechtlichen Veräußerungs- und Aufgabegewinnen darstellen (vgl. Wiesner, RWZ 3/2011, 73f), bestehe für eine Interpretation nach Maßgabe des Zwecks der Norm kein Raum mehr.

Ergänzendes:

Nach den Ausführungen des FA im Revisionsverfahren, den Ausführungen des VwGH im Erkenntnis , Ra 2021/13/0128, und der Aktenlage besteht für das BFG kein Anlass für eine Abstandnahme von der Festsetzung.

Für die Entscheidung über den Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO ist das Finanzamt zuständig.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb die Voraussetzungen für die Revisionszulassung nicht erfüllt sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 2b Z 2 und 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 24 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 19 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100600.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at